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Wir gingen die Straße bis zum Ende entlang und in einen kleinen, heruntergekommenen Park. Glücklicherweise setzte Angelika sich nicht auf eine der Bänke, die dort herumstanden, sondern ging mit mir durch den Park und eine noch dunklere Straße weiter stadtauswärts.
Die Straße endete im Nichts. Urplötzlich standen wir auf einem Feld, das sich bis zum schwarzen Horizont erstreckte. Unbeirrt ging Angelika weiter, immer tiefer in das Feld hinein, bis sie nach vielleicht vierhundert Metern stehen blieb.
"Schau!" flüsterte sie, während sie mich von vorn umarmte. "Schau nach oben!"
Ich hob den Kopf und sah es. Über uns war das helle Band der Milchstraße. Ohne es zu merken, drückte ich Angelika mit den Armen fest an mich; meine Hände fuhren sanft über ihr Haar, während sich in mir etwas sehr Hartes langsam auflöste und unmerklich zerbrach.
Schweigend schauten wir beide in den pechschwarzen Himmel mit dem leuchtenden Band; wie lange, weiß ich heute nicht mehr. Ich weiß nur noch, daß Geli plötzlich meinen Kopf zu sich herunterzog und mir einen Kuß auf die Wange gab, dann kam sie wieder an meine rechte Seite und ging langsam mit mir zurück.
Vor ihrer Haustür lächelte sie mich zärtlich an, dann schloß sie auf, winkte mir kurz zu und verschwand. Unfähig, auch nur einen einzigen klaren Gedanken fassen zu können, fuhr ich nach Hause.
Gegen Mitternacht war ich wieder so weit klar im Kopf, daß ich über meine beste Praktikantin nachdenken konnte. Wie hatte sie es geschafft, mich zu dem Spaziergang zu überreden? Sie hatte doch nichts gesagt außer: "Kommst du?" Trotzdem hatte ich schließlich zugestimmt und war zu ihr gefahren. Warum? In mir war nichts, was diese Entscheidung gerechtfertigt hätte. Kein Interesse an Angelika, außer dem beruflichen, kein Interesse an ihrem Leben. Nichts. Trotzdem war ich zu ihr gefahren.
Warum?
Weitere Details, die ich nicht einordnen konnte, fielen mir ein. Als Petra sich den Schuß gesetzt hatte, war Angelika die einzige gewesen, die sofort wußte, was sie zu tun hatte. Sie war in die Kabine geklettert und hatte die Tür geöffnet. Dann die Sache mit Dagmar. Warum hatte ich Dagmar nach dem Überfall auf sie zu Angelika geschoben? Und wieso hatte Dagmar sich so schnell gefangen? Sie hatte zwar gesagt, daß ihr dieses nicht zum ersten Mal passiert wäre, aber die Angst, die jedes Mädchen an ihrer Stelle gehabt hätte, war überhaupt nicht da gewesen. Dagmar hatte am nächsten Tag keinerlei Unsicherheit gezeigt, als sie in der Halle war. Und sie hatte sich überaus schnell gefangen; für meine Begriffe zu schnell.
Das war alles irgendwie zu hoch für mich.
Seufzend drehte ich mich von einer Seite auf die andere, sah immer wieder diese beiden blaugrünen Augen vor mir, die so sanft und tief blicken konnten, und fand einfach keinen Schlaf. Entsprechend gereizt war meine Stimmung am nächsten Morgen, und nach den üblichen Einkäufen für das Wochenende war ich wieder knurrig und gereizt wie sonst auch.
Genau das bekam die Person zu spüren, die mich gegen elf Uhr anrief.
"Ich will meine Ruhe haben, verflucht!" schnauzte ich in den Hörer, ohne zu wissen, wer dran war.
"Ich wünsche dir auch einen schönen guten Morgen!" hörte ich eine äußerst bekannte Stimme kichern. Wortlos legte ich auf. Das konnte doch nicht wahr sein! Mußte diese Pest mich auch noch am Wochenende foltern?
Es klingelte wieder. Seufzend hob ich ab.
"Was denn noch?"
"Guten Morgen, Dieter", sagte Angelika höflich.
"Guten Morgen, Angelika. Schönes Wochenende, Angelika." Ich legte auf; bereit, das Telefon beim nächsten Klingeln an der Wand zu zerschmettern.
Es blieb unerwarteterweise still.
Nach zwei Minuten Ruhe entspannte ich mich wieder, legte die Füße hoch und schaltete den Fernseher ein. Mit dem ersten Ton klingelte das Telefon wieder.
"Was denn, verdammt?" raunzte ich in den Hörer.
"Das waren jetzt 24 Pfennig verschwendet", sagte Angelika vorwurfsvoll. "So reich sind wir auch nicht!"
"Kleines, was willst du von mir?" jammerte ich. "Mädchen, das Wochenende ist die einzige Zeit, wo ich meine Nerven auftanken kann."
"Man tankt Energie auf", kicherte sie fröhlich. "Nerven werden gestärkt!"
"Ich kann beides nicht, wenn du mich permanent nervst! Was willst du?"
"Dich besuchen!" lachte sie ausgelassen. "Kann ich so um drei Uhr zu dir kommen?"
"Sicher", grinste ich boshaft. "Wenn du weißt, wo ich wohne..."
"Das weiß ich! Ich hab heut morgen die Auskunft angerufen, und die haben mir deine Adresse gesagt. Um drei?"
"Angelika", sagte ich sehr, sehr sanft. "Kannst du dir keinen Freund in deinem Alter suchen und mit dem alte Leute in der Innenstadt überfallen? Oder irgendwelche baufälligen Lagerhallen sprengen?"
"Ich hab dich auch gern", erwiderte sie sanft. "Um drei?"
"Kleines!" rief ich verzweifelt. "Kind, was soll der Unsinn? Ich brauche das Wochenende für mich!"
"Was machst du denn?"
"Ausruhen!"
"Das können wir doch auch zu zweit", meinte sie leise. "Ich möchte nur bei dir sein. Und mit dir reden, wenn du magst. Über das, was ich beruflich machen kann. In der Firma reden die anderen ja immer dazwischen, da geht das nicht so gut."
"Versprichst du mir, daß du nichts Privates ansprichst?" hakte ich nach.
"Nö!" kicherte sie. "Das werde ich ganz bestimmt! Um drei?"
"Komm vorbei", seufzte ich laut. "Aber wenn du auch nur ein privates Wort von dir gibst, werde ich dich einschmelzen und als Warnung mitten in der Halle aufstellen!"
"Ist ‚Hallo, Dieter!' auch schon privat?" kicherte sie hell.
Ich knallte den Hörer auf. Aus Notwehr.
Um kurz nach drei klingelte es an der Tür. Ich drückte den Knopf, der die Haustür öffnete. Sekunden später kam Angelika die Treppe zur ersten Etage, in der meine Wohnung war, herauf. Sie trug wieder ihre Blue Jeans, die gefütterte Jeansjacke von gestern, einen braunen Rollkragenpullover und ihre schwarzen Stiefeletten. Widerstrebend mußte ich zugeben, daß sie ein sehr hübsches junges Mädchen war.
"Hallo, Dieter!" kicherte sie, als sie vor der Tür stand. Ich sah sie nur eisig an.
"Komm rein."
"Danke schön!" strahlte sie mich an. Sie ging an mir vorbei in den Flur, zog die Jacke aus, hängte sie an die kleine Garderobe, schlüpfte aus ihren Schuhen und stellte sie ordentlich an die Seite. "Ich lauf zu Hause auch nur in Strümpfen rum. Hast du Dienstag ja gesehen. Wo ist dein Wohnzimmer? Oder ist das auch schon eine private Frage?" Dem Lachen in ihren Augen konnte ich einfach nicht widerstehen.
"Weißt du, daß du ein furchtbares Biest bist?"
"Ja!" Glücklich flog sie in meine Arme und drückte mich kräftig. "Ich hab dich richtig lieb, Dieter!" flüsterte sie. "Papa hat übrigens nichts dagegen, daß ich dich besuche. Ich muß auch erst um halb zwölf wieder zu Hause sein, mit dem letzten Bus von hier aus. Der geht um elf."
"Hab ich ein Glück!" stöhnte ich, während ich meine Arme um sie legte. "Dann muß ich dich ja nur acht Stunden aushalten."
"Sieben Stunden und sechsundfünfzig Minuten", kicherte sie. "Das schaffst du schon, Dieter. Du bist doch schon groß."
"Und du bist gleich ein schmutziger Fleck an der Wand!" fauchte ich sie an, dann atmete ich tief durch. "Vergiß das mit dem Bus, Kleines. Ich bring dich nachher heim. Um die Uhrzeit lasse ich dich nicht alleine mit dem Bus fahren. Nicht von dieser Gegend aus."
"Danke", sagte sie leise. "Unsere Gegend ist auch nicht so toll. Aber ich wollte so gerne so lange bei dir sein."
"Geli!" sagte ich sanft. Ich legte meine Hände an ihre Wangen und drehte ihren Kopf etwas nach oben. "Kleines, du redest die ganze Zeit von deinen Wünschen. Von dem, was du möchtest. Kannst du dir nicht vorstellen, daß meine Wünsche im krassen Widerspruch zu deinen stehen?"
"Was meinst du?" fragte sie unsicher.
"Du möchtest bei mir sein und bringst mich auch irgendwie dazu, diesen Wunsch durchzusetzen. Wie, weiß ich nicht, aber du schaffst es jedesmal." Ich sah ein kurzes, belustigtes Schimmern in ihren Augen, was sofort wieder verschwand. "Angelika, meine Wünsche sind aber vollkommen anders. Ich möchte am Wochenende meine Ruhe haben, Kleines." Ich sprach leise, aber eindringlich. "Ich fange jeden Tag um halb sieben an, zu arbeiten, Angelika. Morgens, versteht sich. Abends um sieben fahre ich wieder nach Hause. Die Zeit dazwischen verbringe ich normalerweise damit, mich mit den ganzen Azubis herumzuärgern. Kleines, ich habe nur das Wochenende, um wieder etwas Kraft zu tanken!"
"Dann fangen wir gleich damit an. Wo ist das Wohnzimmer?"
"Am Ende links."
Angelika nahm meine Hand und zog mich in das Wohnzimmer. Sie sah sich kurz um, ließ meine Hand los und setzte sich auf das kleine Sofa.
"Komm her."
Seufzend ließ ich mich neben ihr nieder, so weit entfernt von ihr, wie das Sofa es zuließ. Angelikas Arme kamen näher und näher, ihre Hände legten sich an meinen Hals, dann zog sie mich mit überraschender Kraft nach unten. Ich landete halb auf ihr, halb auf der Lehne neben ihr.
"Jetzt ruh dich aus", flüsterte sie. "Mach die Augen zu und ruh dich aus, Dieter. Es war eine schwere Woche für dich; du hast dir deine Ruhe verdient. Ruh dich aus." Ihre Stimme hatte einen seltsam singenden Tonfall, einlullend, einschläfernd, beruhigend. Gegen mein Gefühl entspannte ich mich und schloß die Augen. Ihre Hände fuhren sanft über meine Haare.
"So ist schön", sang sie leise. "Denk an nichts, mein großer Liebling. Denk einfach an nichts, und ruh dich aus. Ich paß schon auf dich auf. Bleib ganz ruhig liegen und ruh dich aus."
Es war äußerst merkwürdig, aber ich wurde tatsächlich locker. Eine lang vermißte Ruhe breitete sich in mir aus, die von Sekunde zu Sekunde angenehmer wurde. Ich spürte Angelikas Wärme in meinem Rücken; eine beruhigende, beschützende Wärme, unaufdringlich wie ein sanfter Windhauch im Sommer. Instinktiv legte ich mich bequemer zurecht.
"Ich hab dich sehr lieb, Dieter", flüsterte Geli. "Schon vom ersten Tag an. Ich hab nur was gebraucht, um zu merken, wie du wirklich bist. So Brummbären wie dich kannte ich bisher nicht. Gefällt es dir so? Kannst du dich so ausruhen?"
Ich brummte zustimmend. Es gefiel mir wirklich.
"Schön." Ich spürte ihre Freude und freute mich ebenfalls. "Als ich kapiert hab, wie du bist, kam's plötzlich. Ich hatte dich schon da richtig gern, aber als ich gemerkt hab, wie du dich um uns kümmerst, und daß du dir wirklich Sorgen um uns machst, da hatte ich dich plötzlich lieb. Erzähl mir von deiner Frau, mein Liebling. Was hat sie gemacht?"
Als würde ich von einem anderen Menschen reden, erzählte ich ohne bitteres Gefühl, was meine Ex gemacht hatte.
"Mich betrogen. Unsere Ehe war am Anfang ziemlich gut, aber als meine Kinder geboren wurden, änderte sich das urplötzlich. Ich weiß bis heute nicht, warum. Sabine - meine Frau - war wie ausgewechselt, als sie mit den Kindern aus dem Krankenhaus nach Hause kam. In den nächsten Jahren wurde sie immer abweisender und kälter, und als die Kinder vier Jahre alt waren, drehte sie in meinen Augen völlig durch." Gelis Fingerspitzen fuhren sanft über meine Wange.
"Sie hat mich betrogen, Kleines. Nach Strich und Faden. Sie hat pro Woche mindestens einen Mann mit zu uns nach Hause gebracht, mit dem vor meinen Augen und denen der Kinder wild geknutscht und sich schließlich mit dem Typen im Schlafzimmer vergnügt. Es war die Hölle."
"Warum hast du nicht mir ihr darüber geredet?" fragte Geli leise.
"Ich habe es versucht, Kleines. Sie sagte nur, daß ich ja verschwinden könnte, wenn es mir nicht paßt, daß ich aber dann die Kinder nie wiedersehen würde. Diese Drohung kam zwanzigmal am Tag, und ich wußte, daß sie es ernst meinte. Ich wollte meine Kleinen nicht verlieren, deswegen habe ich die Zähne zusammengebissen."
"Verstehe. Armer Kerl!" Ihr Trost hüllte mich ein wie eine warme Decke.
"Du sagst es, Geli. Zwei Jahre hat sie das gemacht, dann konnte ich einfach nicht mehr. Ich habe mich immer um die Kinder gekümmert, wenn sie - beschäftigt war, aber ich merkte, daß ich vor die Hunde ging. Konrad und Marita haben nämlich immer öfter gefragt, je älter sie wurden, was ihre Mama da eigentlich macht. Ich konnte sie irgendwann nicht mehr belügen."
"Hast du es ihnen gesagt?"
"Nein. Ich habe meine Frau aus der Wohnung geschmissen. Eine halbe Stunde später war sie mit der Polizei wieder zurück. Sie sagte mir, ohne daß die Grünen es hören konnten, daß ich die Kinder herausrücken soll, oder sie würde mich wegen Mißbrauchs meiner eigenen Kinder anzeigen."
"Was hast du dann gemacht?"
"Ich weiß es nicht mehr, Kleines. Ehrlich nicht. Was ich noch weiß, ist nur, daß meine Kinder und Sabine nicht mehr da waren, und daß mir ein Bulle seine Pistole vor die Nase hielt. Ich muß wohl durchgedreht haben."
"Hast du sie verletzt?"
"Nein. Wenn ich das getan hätte, hätten sie mich wohl in Handschellen abgeführt. Ich glaube - zumindest hat mir der Bulle das hinterher so erzählt, als ich wieder bei mir war -, daß ich sie umbringen wollte. Erwürgen, um genau zu sein. Ich weiß davon nichts mehr. Der Sheriff meinte, ich wäre voll im Blutrausch gewesen."
"Kein Wunder", sagte Angelika betroffen. "Hätte die das wirklich behauptet?"
"Ja, Kleines. Sabine war eine sehr nette Frau, als wir uns vor über zwanzig Jahren trafen. Fünf Jahre später, als wir beide in unseren Berufen fest im Sattel saßen, beschlossen wir, Kinder zu bekommen. Wir mußten fast drei Jahre üben, aber dann hat es geklappt. Bis dahin war alles in Ordnung. Aber nach der Geburt... Ich weiß wirklich nicht, was in sie gefahren ist."
"Armer Kerl." Ich spürte einen leichten Kuß an meinem Hinterkopf. "Wie ging's weiter?"
"Beschissen. Als ich an dem Abend wieder alleine war, hab ich erst gar nicht kapiert, daß meine beiden Kleinen weg waren, aber dann klickte es plötzlich. Ab da fehlt mir wieder ein großes Stück, Geli. Ganze zwei Tage fehlen mir bis heute. Meine Erinnerung setzt wieder ein, als ich mitten in der Nacht mit meinem Auto an einer Tankstelle stand und kein Geld mehr hatte. Ich sah aus, Kleines! Unrasiert, verdreckt, verschwitzt, ich stank... Ich glaube, ich muß die ganzen zwei Tage Tag und Nacht durch Koblenz gefahren sein, um sie zu suchen. Gottseidank war ich an der Tankstelle bekannt. Ich tankte voll, fuhr zur Bank, holte Geld aus dem Automaten, zahlte meine Schulden und fuhr wieder heim. Dann bin ich nur noch tot ins Bett gefallen und habe 36 Stunden am Stück geschlafen. Anschließend habe ich mich erst mal richtig frisch gemacht und bin dann zur Arbeit gefahren. Erwin - Herr Korsten war unheimlich verständnisvoll, als er hörte, was passierte. Er hat gleich unseren Anwalt eingeschaltet, der sich darum kümmerte, wo meine Kleinen abgeblieben waren. Nach einer Woche hatte er es auch herausgefunden. Ich fuhr gleich nach Feierabend hin, um meine Kinder zu sehen, aber meine Frau ließ mich nicht in die Wohnung. Konrad und Marita sind jedoch angerannt gekommen, als sie meine Stimme hörten, und meine Frau hat schließlich nachgegeben. Ich durfte meine beiden an jedem Wochenende sehen."
"Und dann?" fragte Geli behutsam, als ich schwieg.
"Dann kam das Ende", sagte ich leise. "Langsam, aber sicher. Vier Jahre lang ging es gut, Kleines, obwohl meine Kinder sich von Woche zu Woche mehr von mir distanzierten. Und dann, von einem Tag auf den anderen, wollten sie mich gar nicht mehr sehen. Konrad redete überhaupt nicht mit mir, und Marita, die mein Temperament geerbt hat, hat mich nur noch angeschrien, daß ich sie und ihren Bruder in Ruhe lassen soll. Sie hat mir die Tür vor der Nase zugeschlagen, Kleines! Meine eigene kleine Tochter!" Meine Stimme brach.
"Jetzt ist es soweit", sagte Geli leise mit dieser singenden Stimme. "Jetzt hast du es gesagt, mein Liebling. Jetzt kann der Rest auch noch raus. Laß es raus, Dieter. Laß die Mauer fallen, mein Liebling. Du brauchst sie jetzt nicht mehr. Laß die Mauer fallen, Dieter. Laß die Mauer fallen. Jetzt!"
Als wäre das letzte Wort die fehlende Silbe zu einer komplizierten Zauberformel gewesen, zerbrach meine Mauer, die ich so mühsam aufgebaut hatte, mit einem lauten Knall.
"Sehen wir uns morgen?" fragte Geli hoffnungsvoll, als wir abends im Hausflur vor ihrer Wohnungstür standen.
"Nein, Kleines." Ich drückte sie zärtlich an mich. "Geli, sei mir bitte nicht böse, aber ich muß morgen nachdenken. Einmal über dich, wie du mit deinen 14 Jahren es geschafft hast, mich aus meiner Verbitterung zu reißen, und dann über meine Kinder. Ich will sie wiedersehen. Irgend etwas ist da passiert, Kleines. Was, muß ich versuchen, herauszufinden."
"Ist gut", lächelte sie enttäuscht. "Versteh ich." Sie rieb ihre Wange an meiner Schulter. "Magst du mich denn jetzt überhaupt noch?"
"Ja, Angelika. Wie sehr, muß ich ebenfalls noch herausfinden." Ich lächelte sie an. "Ich habe irgendwie das dumpfe Gefühl, daß du manchmal eine nervige Hexe bist. Kann das sein?"
"Gar nicht!" schmollte sie beleidigt. "Bin ich denn so schlimm?"
"Nein", flüsterte ich. "So lieb! Du mußt jetzt rein, Geli."
"Ja", seufzte sie und hob ihr Köpfchen. "Bis Montag?"
"Auf jeden Fall, Kleines." Ich senkte mein Gesicht zu ihr und drückte sie. "Paß auf dich auf."
"Du auch auf dich. Ich hab dich lieb." Sie gab mir einen schnellen, flüchtigen Kuß auf den Mund. "Bis Montag."
"Bis Montag, Kleines."
Ich wollte zwar nachdenken, aber es ging nicht. In mir war eine solch himmlische Ruhe, daß ich beschloß, noch etwas spazierenzugehen. Ich stellte meinen Wagen vor dem Haus ab und ging die Straße entlang, ohne etwas zu sehen. Die kalte Novemberluft füllte meine Lungen mit frischem Sauerstoff, den ich mit tiefen Zügen einatmete.
War das friedlich in mir! Hatte ich wirklich fast acht Jahre lang voller Bitterkeit, Wut und Zorn gelebt? Das erschien mir so fern wie die Nordsee. Beschwingt und frei wie schon lange nicht mehr marschierte ich die Straße hinauf und hinab, bis ich so müde war, daß ich nach Hause ging, ins Bett fiel und auf der Stelle einschlief.
Den folgenden Sonntag verbrachte ich faul auf dem Sofa, doch im Gegensatz zu früher war es keine bedrückende Faulheit, sondern eine gemütliche Faulheit, die jeder verspürt, der weiß, was er geleistet hat, und sich deshalb auch eine Pause gönnen darf, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Erst gegen Abend kam mein Kopf wieder in Schwung und beschäftigte sich ausgiebig mit Angelika.
Mit der kleinen, 14jährigen Geli, die das geschafft hatte, was ich niemals für möglich gehalten hätte: mich wieder in das Leben zurückzuholen. Eine sanfte Zärtlichkeit zu diesem Mädchen wuchs in mir. Trotz ihrer ganzen Probleme, dem Verlust ihrer Mutter und der Behinderung ihres Vaters, ihrer finanziellen Not, ihrer Willenskraft, etwas aus ihrem Leben zu machen, wofür die Chancen nicht gerade sehr gut standen, trotz all dieser sehr belastenden Dinge bürdete sie sich auch noch die Last auf, einen verbitterten, verzweifelten Mann aus seiner Aussichtslosigkeit herauszureißen und ihn mit ihrem Gefühl für die schönen Dinge des Lebens zu überschütten.
Bewundernswert.
Gegen halb neun nahm ich das Telefon in die Hand und rief die Auskunft an. Wenig später tippte ich die erfragte Nummer, und noch eine Winzigkeit später meldete sich die wundervolle Stimme.
"Angelika Walter."
"Hallo, mein Kleines", sagte ich zärtlich in die Muschel.
"Dieter!" jubelte sie. "Wie geht es dir?"
"Einfach nur gut, Geli. Und dir?"
"Jetzt super! Willst du noch kommen? Oder soll ich zu dir kommen?"
"Nein!" lachte ich. "Kleines, schau mal auf die Uhr! Ich muß um fünf Uhr raus aus den Federn."
"Ach so", meinte sie enttäuscht. "Echt so früh?"
"Ja, Geli. Ich rufe eigentlich nur an, um dir noch etwas zu sagen."
"Was denn?"
"Ich habe dich lieb, Angelika. Sehr lieb."
"Ich dich auch, Dieter", erwiderte sie glücklich. "Wollen wir dann Freunde werden?"
"Das sind wir doch schon, oder?" lachte ich.
"Fast", sagte sie leise. "Ich meine, richtige Freunde. Du und ich. Papa hat's erlaubt."
"Jetzt mal schön langsam mit den jungen Pferden, mein Fräulein!" schmunzelte ich. "Erst mal machst du deine vier Wochen bei uns zu Ende, und dann sehen wir weiter."
"Hast recht", meinte sie zärtlich. "Das wär wohl nicht so gut, oder?"
"Nicht so ganz. Hoffentlich bist du so clever und duzt mich nicht im Werk."
"Wieso soll ich Sie duzen?" fragte sie ganz unschuldig. "Ich würde nie Du zu meinem Chef sagen."
"Perfekt!" grinste ich. "Geli, ich geh jetzt in die Wanne und dann ins Bett. Bis morgen, mein Kleines. Danke für alles! Ich hab dich lieb."
"Ich dich auch, Dieter. Danke sagen mußt du nicht."
"Trotzdem. Schlaf schön, Geli."
"Du auch." Ich hörte das Geräusch eines Kusses, dann legte sie auf.

Die zweite Woche mit den sechs Mädchen brach an, und zwar mit einer Aktion, auf die ich mich schon seit Freitag freute: ich brachte den Wochenbericht über die Mädchen zu Erwin. Höchstpersönlich und äußerst gut gelaunt. Um Punkt sieben Uhr war ich in seinem Büro.
Völlig unbewegt überflog er die Zeilen, doch ich sah an seinem Mundwinkel, daß er ziemlich angespannt war. Er las den Bericht ein zweites Mal, sehr viel gründlicher als das erste Mal. Daß Bea hereinkam und uns Kaffee brachte, bekam er gar nicht richtig mit.
"Tja", sagte er schließlich. "Was ist für diese Woche geplant?"
"Erst einmal ein kurzes Gespräch mit Personal", schmunzelte ich. "Sonst hast du dazu nichts zu sagen, verehrter Freund und Meister? Kein Wort darüber, daß ich einen Raum mit sechs nackten, minderjährigen Mädchen betreten habe? Daß ich eines dieser nackten, minderjährigen Mädchen auf dem Arm hatte? Daß ein anderes minderjähriges Mädchen so brutal angefaßt wurde, daß ihr Overall einen Riß hat?"
"Das sind Anfangsschwierigkeiten", wehrte Erwin ab. "Damit haben wir fast schon gerechnet. Wir haben", unterbrach er meinen Einwurf, "aber auch damit gerechnet, daß unsere Führungskräfte die Situation jederzeit voll im Griff haben."
"Sag das jemandem, der auf diese Schmeichelei hereinfällt, Erwin. Ich weiß nicht, was ich von dir halten soll. Gibst du dir eigentlich Mühe, so verdammt borniert zu sein, oder ist das angeboren?"
"Du hast eine völlig falsche Einstellung zu der Sache", beruhigte Erwin mich. "Sicher, für die Männer in der Halle ist das im ersten Moment ein Schock, so junge Mädchen zu sehen, aber sie werden sich daran gewöhnen."
"Aber natürlich werden sie das!" lachte ich lauthals. "Spätestens dann, wenn fünfzig von diesen knackigen jungen Dingern in der Halle herumschwirren. Kein Mensch wird auf die jungen Mädchen achten, Erwin; da gebe ich dir vollkommen recht." Ich wurde sauer.
"Herr im Himmel, so blöd könnt doch selbst ihr vom Management nicht sein, verflucht nochmal! Erwin, im August nächsten Jahres werden 50 Mädchen im Alter von 15, 16 Jahren etwa 350 Männern gegenüberstehen! Verdammt, das kann sich selbst ein impotenter Großvater ausrechnen, wie das ausgeht!"
Ich beugte mich vor. "Erwin, ich verlange ein Entscheidungsrecht dabei! Außerdem" - ich schob ihm das Memo zu - "verlange ich, daß für die Mädchen ein weiblicher Betreuer eingestellt wird. Mindestens einer! Drittens will ich eine weibliche Assistentin haben, die sich ausschließlich um die Mädchen kümmert! Eure Regel, daß ihr keine Frauen in leitender Position haben wollt, könnt ihr schlicht und ergreifend nicht halten, Kerl! Und egal wie schlau ihr euch anstellt, und wie bescheuert die Leute von der Gewerkschaft auch sein mögen, irgendwann wird das auffallen, was ihr da mit euren Bewertungsbögen treibt!"
Zu meinem Erstaunen blieb Erwin vollkommen ruhig, und genau das machte mir große Sorgen.
"Hör zu", sagte er geduldig. "Anfang Dezember wird eine Konferenz stattfinden, auf der all diese Dinge" - er wedelte mit dem Bericht - "angesprochen werden. Ich werde deine Bedenken und Vorschläge weitergeben, Dieter."
"Das genügt mir nicht", erwiderte ich leise. "Erwin, ich schere mich normalerweise einen Dreck um eure geheimnisvollen Konferenzen, aber bei dieser will und muß ich dabei sein! Die alten Böcke wissen doch gar nicht mehr, was da draußen in der Welt passiert! Daß Mädchen mit 14 schon - Du weißt, was ich sagen will."
Erwin nickte nachdenklich; eine seiner einstudierten Gesten und Minen. Das sagte mir schon alles.
"Gut", meinte er schließlich. "Ich sehe zu, daß du teilnehmen kannst. Ich lasse dich wissen, wann und wo; das steht nämlich alles noch nicht fest."
"Danke dir", lächelte ich und stand auf. Auf einen Schelm anderthalb.
Ich ging zu Bea, die mich vorwurfsvoll ansah. "Na? Willst du dich bei mir entschuldigen?"
"Bei dir?" Verwundert starrte ich sie an. "Was hab ich dir denn getan?"
"Mir eine Kollegin genommen! Und ich darf jetzt ihre ganze Arbeit noch so nebenbei mitmachen!"
"Ingrid?" grinste ich. "Gefeuert? Echt?"
"Ja." Bea hielt ihre böse Miene noch einen Moment aufrecht, dann mußte auch sie grinsen. "Erwin hat herausgefunden", flüsterte sie, "daß sie nicht nur dich vorgewarnt hat, sondern auch viele, viele andere. Und nicht nur das. Sie ist eine Plaudertasche. Und tschüß!"
"Na also", lächelte ich zufrieden. "Wieder eine weniger. Bea, ich müßte Anfang Dezember mit Erwin reden. Wann hat er keine Zeit?"
"Wann er -" Sie schaute mich forschend an, dann kapierte sie. "Warte, ich schaue nach." Sie rief Erwins Terminkalender auf, der für alle in Personal zugänglich war, und überflog die Einträge.
"Da. 7. Dezember, Montag. Da hat er den ganzen Tag keine Zeit. Großes Treffen aller Häuptlinge." Das mußte es sein. Mein Abschlußbericht sollte am 2. Dezember bei Erwin vorliegen. Genug Zeit für ihn, den Bericht zu "überarbeiten".
"Ach, dieses Treffen! Wegen der weiblichen Auszubildenden, richtig?"
Bea schaute genauer hin. "Unter anderem. Dieser Punkt steht um elf Uhr auf der Liste. Fünf nach elf: Kaffeepause." Sie schaute mich mit einem listigen Lächeln an. "Willst du auch wissen, wo das ist, damit du nicht aus Versehen da hineingerätst?"
"Das wäre zu reizend."
"VG2, Raum 601."
Ich pfiff leise durch die Zähne. "Hui! Der ganz große Konferenzraum! Was für ein Glück, daß ich an dem Tag nicht in der Nähe des zweiten Verwaltungsgebäudes bin!"
Bea wurde ernst. "Verlauf dich bloß nicht durch einen dummen Zufall, Dieter. Ingrid hatte gar nicht mal so unrecht mit dem, was sie dir sagte. Du weißt, wie ich das meine."
"Ich weiß, Bea. Ich weiß es selbst am besten. Aber keine Sorge. Durch Zufall werde ich mich bestimmt nicht verlaufen."
"Genau das macht mir ja Angst", seufzte Bea leise. Sie schaute sich kurz um, aber wir waren noch alleine. Die anderen würden erst gegen acht Uhr eintreffen. "Dieter, ich hab so halb mitbekommen, was du Erwin gesagt hast. Vergiß es! Glaubst du denn im Ernst, daß Frauen hier aufsteigen können? Eher verwandelt sich der Mond in Marzipan! Ich sitz doch schon seit drei Jahren auf diesem Stuhl und komme einfach nicht weiter! Dabei liegt mir Planen und Organisieren viel mehr als nur Tippen!"
"Ich weiß, Bea." Ich sah sie ernst an. "Und ob du es glaubst oder nicht, aber du bist nicht der einzige hier, den das nervt." Ich nickte ihr aufmunternd zu und ging in meine Halle zurück, um mich abzuregen. Fünf Minuten Konferenz für eine Entscheidung, von der die Existenz und auch die Gesundheit vieler Menschen abhing! Das konnte doch einfach nicht mehr wahr sein!
Zwei, drei Minuten saß ich reglos in meinem Stuhl, dann tippte ich mir all das von der Seele, was ich den Bonzen auf der Konferenz ins Gesicht schleudern wollte.
Ha!
Als die sechs Mädchen eintrafen, war ich gerade damit fertig geworden.
"Morgen, Kinder", begrüßte ich sie. "Setzt euch." Ich wartete, bis die kurze Unruhe sich gelegt hatte, dann begann ich.
"Diese Woche werdet ihr das lernen, was man mechanische Verbindungen nennt. Also schrauben, löten, schweißen, nieten und so weiter. Außerdem werdet ihr lernen, mit Aluminium umzugehen. Alu ist ein sehr weiches Metall, aber das werdet ihr sehr schnell selbst herausfinden. Ihr werdet wieder mit anderen Leuten zusammenarbeiten, dieses Mal jedoch halbe Tage. Nach dem Mittagessen wird getauscht. Am Donnerstag ackert ihr dann alleine vor euch hin, am Freitag werdet ihr ein kleines Werkstück anfertigen, das ich mir dann sehr genau ansehen werde. Iris, was ist mir dir? Du siehst aus, als würdest du gleich in Tränen ausbrechen!"
"Nichts." Sie schaute mich traurig an. "Meine Eltern haben sich das ganze Wochenende nur gestritten."
"Das tut mir leid, Kleines. Dann schicken wir dich mal schnell an die Arbeit, damit du auf andere Gedanken kommst." Ich zwinkerte ihr zu. Iris lächelte schüchtern und nickte.
"Gut dann. Geht euch umziehen."
Ein paar Minuten später waren die Mädchen verteilt. Ich streckte meine Fühler aus, doch die Stimmung in der Halle war friedlich. Kein Ärger. Beruhigt ging ich wieder hoch in mein Büro, schnappte mir das Telefon, drehte meinen Stuhl so, daß ich die Mädchen im Blickfeld hatte, dann rief ich ein paar Leute an. Eine halbe Stunde später hatte ich zwei lange Faxe bekommen, die ich mir grinsend durchlas. Noch mehr Futter für Erwin.
Ich steckte die Papiere in meine Schublade, dann ging ich an die Unterlagen meiner anderen Azubis, die ich letzte Woche sehr vernachlässigt hatte. Entsprechend gut gefüllt war der Korb mit der eingehenden Post.
Es war kurz nach elf, als Geli in mein Büro kam.
"Fertig", verkündete sie schlicht. "Zdravko meinte, ich solle abhauen; er könnte mir nichts mehr beibringen."
"Was mache ich bloß mit dir?" schmunzelte ich. "Kleines, wieso hast du dich überhaupt hier beworben, wenn du so gut bist?"
Geli zog einen Stuhl zu meinem Tisch und setzte sich hin. "Ich wußte doch nicht, daß ich schon so viel kann", meinte sie verlegen. "Papa meinte ja auch, ich solle das hier unbedingt tun. Aber anscheinend hat er mir sehr viel beigebracht."
"Das hat er wirklich. Heute nachmittag kommst du zu Miroslav; der kann dir zeigen, wie Gewinde geschnitten werden. Oder weißt du das auch schon?"
"Ein bißchen", grinste sie. "Hab ich schon einmal gemacht."
"Siehst du! Dann machst du das nachher fünfzigmal, und dann kannst du es."
"Okay, Chef", kicherte Geli. "Was machst du gerade?"
"Papierkram."
"Kann ich dich mal was fragen?"
"Sicher, Kleines." Ich legte eine Krankmeldung beiseite und sah sie an. Geli druckste etwas herum.
"Na ja, es geht - Also, ich dachte, daß - Na ja, Papa sagte, je höher man aufsteigt, um so mehr Geld verdient man, aber..." Sie brach verlegen ab.
"Wegen meiner Wohnung?" fragte ich leise. Geli nickte mit geröteten Wangen.
"Ja. Die ist ja noch kleiner als mein Zimmer!"
"Fast", schmunzelte ich. "Geli, dein Papa hat schon recht. Was er aber nicht gesagt hat, ist, daß manche Leute mehr Verpflichtungen haben als andere."
"Und das heißt?" fragte sie unschuldig.
"Das heißt, daß ich zwar gut verdiene, aber auch sehr viel bezahlen muß." Ich holte Luft. "Geli, ich habe dir am Samstag nicht erzählt, daß meine Ex vor ihrem Abgang noch jede Menge Schulden gemacht hat. Schulden, für die ich noch heute zahlen darf. Wir waren ja verheiratet. Außerdem zahle ich Unterhalt für meine Kinder und für sie. Ich verdiene etwa 3.000,- netto, aber nach Abzug aller Kosten habe ich im Monat gerade mal vierhundert Mark für mich, Kleines."
"So wenig?" fragte sie erschüttert.
"Ja, Geli. Für den Unterhalt zahle ich 1.500,- glatt. Für die Wohnung inklusive Strom und Telefon 700,-, für das Auto - also Benzin, Steuer, Versicherung und so weiter - 200,-. Weitere 200,- gehen für die Schulden meiner Ex drauf." Ich lächelte dünn. "Du siehst, es bleibt nicht viel übrig."
"Mann!" Geli sah mich betroffen an. "1.700 Mark! Die zieht dich ja aus!"
"Du sagst es, Geli. Aber dank deiner Hilfe bin ich wieder klar im Kopf." Ich öffnete die Schublade und holte die beiden Faxe heraus. "Kleines, als meine Kinder weg waren, konnte ich nicht mehr denken. Mich interessierte nichts mehr. Wir Hallenleiter - und das behältst du bitte für dich! - dürfen nicht in der Gewerkschaft sein. Ist mir persönlich aber auch recht so. Das bedeutet jedoch auch, daß das Gehalt der Hallenleiter nicht automatisch erhöht wird. Ich habe mich fünf Jahre lang nicht darum gekümmert, Geli. Aber jetzt werde ich langsam wieder wach." Ich schob ihr die Faxe zu.
"Ich habe heute vormittag andere Werke in Koblenz angerufen. Zwei würden mich sofort einstellen. Das Gehalt siehst du jeweils auf der ersten Seite."
Geli überflog die Papiere. "Wow!" staunte sie ehrfürchtig. "Johann & Co. zahlen 6.500,-, und Junkers sogar 7.000,-?"
"Ja, Kleines. Beide Werke kümmern sich sehr, sehr gut um ihre Azubis. Die Hallen sind geheizt, nicht so ausgekühlt wie hier, jeder Azubi hat einen festen Arbeitsplatz für den ganzen Schreibkram, auch wieder im Gegensatz zu hier, und beide haben schon seit Jahren männliche wie weibliche Azubis. Und natürlich auch die ganzen Probleme, die damit zusammenhängen, schon längst gelöst Der dritte Gegensatz zu hier."
Geli schob die Papiere zurück und schaute mich traurig an. "Gehst du jetzt weg?"
"Nein, Kleines", lächelte ich. "Die drei Wochen halte ich auch noch aus. Aber mit meiner Wohnung hast du vollkommen recht, Geli. Sie ist wirklich winzig, aber genau das brauchte ich damals nach der Trennung. Eine größere Wohnung hätte mich nur permanent daran erinnert, daß meine Kinder nicht mehr da sind. Außerdem konnte und kann ich mir keine größere leisten."
"Aber bald?"
"Aber bald. Sobald ihr sechs eure vier Wochen um habt, werde ich noch einmal mit der Personalabteilung reden, denn meiner Meinung nach braucht ihr Mädchen weibliche Betreuer. Eure Sicherheit ist hier nicht gegeben, und das wird noch schlimmer, wenn erst einmal die fünfzig neuen Mädchen im August nächsten Jahres hier eintrudeln. Alle anderen Werke, die ich kenne, halten die Azubis von den normalen Arbeitern getrennt, aus genau diesem Grund. Nur hier wird alles zusammen in eine Halle gepackt, ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn Personal das nicht ändert, bin ich hier weg. Als Ausbildungsleiter bin ich für die Sicherheit der Azubis verantwortlich, aber wenn ich kein Mitspracherecht habe, können die da oben mich mal kreuzweise."
Geli nickte langsam. "Also wäre das mit Dagmar woanders nicht passiert?"
"Soweit ich weiß, nicht. Eher andersrum." Ich grinste. "Ich habe gehört, daß ein Mädchen einen Ausbildungsleiter verführt haben soll. Und nicht nur ihn."
"Das", kicherte Geli, "könnte hier aber auch passieren. Wieso hast du Petra eigentlich abblitzen lassen?"
"Hat sie das etwa auch erzählt?" stöhnte ich. Geli nickte.
"Ja. Sag! Wieso hast du nicht?"
"Kleines, Petra ist 14", sagte ich sanft. "Auch wenn sie schon viel Erfahrung in dieser Hinsicht hat, ist sie in meinen Augen noch ein Kind. Nur zwei Jahre älter als meine eigene Tochter. Allein der Gedanke ist schon völlig irrwitzig!"
"Macht es dir denn nichts aus, daß sie... Du weißt schon."
"Nein, Geli. Petra hat es ja nicht gemacht, weil sie mit jedem ins Bett geht, den sie nett findet, sondern weil sie ihrem Freund helfen wollte. Daß der sie nur ausgenutzt hat, wußte sie ja gar nicht. Aber daß sie bei ihrem ersten Mal erst 13 war, war schon ein Schock."
"Zwölf", sagte Geli leise.
"Wie, zwölf?"
Geli holte tief Luft. "Sie war zwölf, Dieter. Und sie wollte es tun. Wir haben Sonntag viel miteinander geredet am Telefon. Sie hat mir alles erzählt."
"Zwölf Jahre?" fragte ich schockiert. Geli nickte.
"Ja. Zwölf Jahre. Genau an ihrem 12. Geburtstag. Besuchst du mich heute abend? Dann erzähl ich dir alles."
"Zwölf Jahre?" wiederholte ich ungläubig.
"Ja, Dieter. Aber sie wollte es so. Und es hat ihr sehr gut gefallen." Geli sah nachdenklich nach draußen. "Alle wissen darüber Bescheid", sagte sie wie zu sich selbst. "Nur ich bin noch das kleine Dummchen, das überhaupt keine Ahnung hat."
"Okay", sagte ich beherrscht. "Kleines, das Thema sollten wir nicht unbedingt hier weiter behandeln. Zwölf Jahre! Verdammt, meine Tochter ist auch 12! Wenn ich daran denke, daß sie... Nein! Das ist unvorstellbar!"
Geli lächelte schief. "Dieter, in meiner Klasse sind sechzehn Mädchen. Alle 14 oder 15 Jahre alt. Ganze drei davon sind noch Jungfrau. Zwei, die so häßlich sind, daß kein Junge sie freiwillig anfassen würde, obwohl die total in Ordnung sind, und ich. Alle anderen haben schon mit 12 oder 13 das erste Mal gef- ich meine, mit einem Jungen oder einem Mann geschlafen."
"Schluß!" schnauzte ich sie an. "Angelika, ich will nichts mehr davon hören!" Der Gedanke, meine kleine Marita könnte auch schon erste Erfahrungen in diesem Bereich gemacht haben, brachte mich zur Weißglut. "Ich weiß, daß Mädchen heutzutage viel eher reif sind als noch zu meiner Zeit, aber 12 oder 13 ist auf jeden Fall viel zu früh! Verflucht noch eins, ihr seid noch Kinder!"
"Äußerlich", flüsterte Geli. "Innerlich nicht mehr, Dieter. Das geht schon mit elf oder so los, daß da was ist. Zuerst kommt die Neugier, dann merkst du, daß in deinem Körper was passiert, was dir keiner so richtig erklären kann. Ich meine, warum sich das so komisch anfühlt, wenn - wenn der Busen plötzlich wächst und du ihn reibst." Sie wurde tiefrot. "Und wenn du dich badest und dich wäschst, wird dir plötzlich an bestimmten Stellen so komisch. Ist doch klar, daß man wissen möchte, was da abgeht. Oder?"
"Zugegeben", sagte ich beherrscht. "Das ist normal, Kleines. Aber das heißt doch nicht, daß ein Mädchen mit 11, 12 Jahren schon Geschlechtsverkehr haben muß!"
"Muß sie ja auch nicht", erwiderte Geli leise. "Aber wenn sie es möchte? Ist das dann auch falsch, wenn sie es wirklich will?"
"Ja!" Ich beugte mich vor. "Angelika, du kannst mir nicht im Ernst erzählen wollen, daß ein 12jähriges Mädchen Spaß daran hat, mit einem Jungen richtig zu schlafen! Das ist einfach nicht drin! 14 mag okay sein, aber 12... Nein. Niemals!"
Geli zuckte mit den Schultern. "Du, ich hab am 1. Dezember Geburtstag. Kommst du dann?"
"Gerne", lächelte ich, dankbar für das ungefährliche Thema. "Was wünschst du dir denn?"
"Einen gesunden Papa", lächelte sie dünn. "Nichts, Dieter. Komm einfach gegen sieben Uhr. Ich mach was zu Essen. Nichts Großes, aber was Leckeres. Was ist denn da los?" Sie sah an mir vorbei in die Halle. Ich folgte ihrem Blick und entdeckte Iris, die durch die Halle rannte, auf den Umkleideraum zu. Petra war ihr dicht auf den Fersen. Beide Mädchen verschwanden hinter der Tür.
"Da stimmt was nicht!" Geli lief hinaus, die Treppe hinunter und hinter ihren Kolleginnen her. Ich wartete, bis auch sie hinter der Tür verschwunden war, dann kümmerte ich mich wieder um meinen Papierkram. Solange die Mädchen noch so schnell rennen konnten, obwohl niemand hinter ihnen her war, bestand keine Gefahr für Leib und Leben; der Rest würde sich schon klären.
Vielleicht zwanzig Minuten später kamen die drei wieder heraus. Sie schlugen die Richtung zu meinem Büro ein, wo sie kurze Zeit später erschienen. Iris sah total verheult aus.
"Können wir mal mit Ihnen reden?" fragte Petra etwas verstört.
"Sicher, Mädchen. Kommt rein." Angelika schloß die Tür hinter sich, dann setzten die drei sich.
"Iris braucht Hilfe", begann Petra zögernd. "Sie ist schwanger."
Bitte nicht das! Ich sammelte mich kurz und fragte die Frage, die jeder Mann fragte: "Sicher?"
Iris zog laut die Nase hoch. "Ja", hauchte sie. "Zweimal ist meine Periode jetzt ausgeblieben. Die vor einem Monat, und die letzte Woche auch." Sie weinte wieder leise. Geli nahm sie sofort tröstend in den Arm.
"Na schön", seufzte ich. "Was kann ich denn da machen? Auch wenn es hart klingt, Iris, aber das passiert nun mal, wenn man miteinander schläft."
"Ich wollte das doch gar nicht!" schluchzte sie. Geli sah mich wütend an.
"Sie wird seit einem halben Jahr von ihrem Bruder vergewaltigt", sagte sie leise, aber deutlich. "Mindestens einmal in der Woche, am Wochenende auch öfter."
"Und er bedroht sie", meinte Petra. "Er sagt, daß er sie umbringt, wenn sie was sagt."
Ich wünschte mich weit weg von hier. "Kleines, warum hast du denn nicht mit deinen Eltern darüber geredet?"
"Geht doch nicht!" jammerte sie. "Seit ich den Chemieraum gesprengt hab, reden die nicht mehr mit mir. Die schnauzen mich nur noch an, Herr Kaminski! Und die glauben mir auch nichts mehr!"
Na toll! "Und nun?"
Geli sah mich ernst an. "Iris will das Kind nicht", sagte sie leise.
"Will ich auch nicht", schluchzte das arme Mädchen. "Ich wär doch Mutter, Tante und Schwester. Da dreh ich durch!" Sie schauderte heftig. Geli drückte sie fest an sich.
"Hier gibt's doch ein Krankenhaus." Geli sah mich entschlossen an. "Können Sie mal mit denen reden?"
"Was soll ich?" fragte ich fassungslos. "Ich soll den Arzt bitten, bei einer 14jährigen eine Abtreibung vorzunehmen?"
Geli und Petra nickten ernst. "Ja. Iris wird sich was antun, wenn ihr Bauch dicker wird."
Aufgebracht stand ich auf und ging zu Iris. Ich hockte mich vor sie hin und sah ihr in die verweinten Augen. "Iris, das ist kein Grund, sich umzubringen!"
"Doch!" Zwei dicke Tränen rollten über ihre Wangen. "Wenn ich sage, von wem das Kind ist, glauben die mir nicht. Ganz bestimmt nicht. Dann schmeißen sie mich raus, weil ich lüge. Dann lieber so." Es war ihr ernst, das sah ich ihr an. Seufzend stand ich auf.
"Mann, Mann, Mann!" Nachdenklich ging ich zu meinem Tisch zurück. Zwei, drei Sekunden sah ich mir die verzweifelte Iris an, dann griff ich zum Telefon und wählte eine kurze Nummer. "Sonja? Dieter Kaminski hier. Sag mal, welcher Arzt hat jetzt Dienst? - Aha. Wann ist Jürgen da? - Nein, muß er nicht. Ich komme nachher mal rüber. Bis dann." Ich legte auf. Iris sah mich voller Hoffnung an.
"Wir gehen nach Feierabend mal rüber, Kleines", sagte ich tröstend. "Dann sehen wir weiter." Iris lächelte dankbar und nickte.
"Was liegt an?" fragte Jürgen, als Iris und ich in seinem Sprechzimmer saßen. Ich sah zu Iris, die aber nur beschämt auf den Boden blickte und schwieg. Blieb mal wieder alles an mir hängen.
Ich erzählte Jürgen kurz, worum es ging. Er kapierte wesentlich schneller als ich.
"Und jetzt willst du das Kind nicht haben", sagte er, bevor ich es sagen konnte.
"Nein", flüsterte Iris.
Jürgen schüttelte den Kopf. "Kind, das kann ich nicht", sagte er leise. "Erstens bist du viel zu jung für so etwas, und zweitens habe ich das seit mindestens fünf Jahren nicht mehr getan. Es geht nicht."
Iris sackte zusammen und weinte wieder.
"Jürgen", sagte ich eindringlich. "Bitte! Iris geht kaputt, wenn das Kind kommt, und das ist nicht nur so daher gesagt! Das Kind ist von ihrem Bruder! Weißt du, was das heißt? Was Iris durchmacht? Jetzt und später, wenn es da ist?"
"Ach, Scheiße!" Jürgen stand auf. "Ich hätte doch die Stelle in Budapest annehmen sollen." Er schaute eine Weile auf ein Bild an der Wand, dann drehte er sich wieder um.
"Komm mit, Iris."
Auf Iris' Wunsch mußte ich mit in den Untersuchungsraum. Ich setzte mich neben Iris, mit dem Rücken zu Jürgen, der nach einer gründlichen Untersuchung bestätigte, daß Iris schwanger war. Das arme Kind brach wieder in Tränen aus und klammerte sich an mir fest. Ich tröstete sie, so gut es ging, während Jürgen sich an die Arbeit machte.
Als es vorbei war, mußte Iris sich noch zwei Stunden hinlegen; Jürgen wollte sicher gehen, daß sich kein plötzlicher Blutsturz einstellte. Ich nutzte die Zeit, um mit Iris zu reden.
"Wie soll es jetzt weitergehen, Kleines?" fragte ich sie sanft. Sie zuckte die Schultern. "Gleich bist du wieder zu Hause, und dann geht es weiter wie gehabt." Sie erschrak.
"Das will ich aber nicht mehr!" jammerte sie.
"Dann tu etwas dagegen, Iris." Ich sah ihr tief in die graublauen Augen. "Kleines, geh zur Polizei und zeig deinen Bruder an. Das ist die einzige Möglichkeit, die Sache ein für allemal zu beenden."
"Dann bringt er mich doch um!" flüsterte sie verzweifelt. Ich nahm ihre Hände in meine und streichelte sie leicht.
"Das wird er nicht, Kleines!" sagte ich eindringlich. "Iris, sobald du ihn angezeigt hast, wird er verhaftet werden, und damit kann er dir nichts mehr tun. Du mußt nur so stark sein, diesen ersten Schritt zu tun, dann hast du gewonnen." Ich lächelte sie an. "Oder möchtest du in zwei Monaten wieder hier liegen und das gleiche noch einmal machen lassen?"
"Nein", wisperte sie. Sie drehte den Kopf zur Wand und schwieg nachdenklich. Ich fuhr ihr zärtlich über die kurzen, mittelblonden Haare.
"Denk gründlich nach", sagte ich leise. "Denk mal nach, wie schön es wäre, wenn du endlich Ruhe vor ihm hättest, Kleines. Wie fing das eigentlich an?"
"Im Sommer", antwortete sie leise. "Ich - ich war auf dem Klo, und da kam er plötzlich rein. Er hat sich entschuldigt und ist gleich wieder raus. Als ich fertig war, ging ich in mein Zimmer, und da war er schon. Er hatte nichts an." Sie schluckte schwer. "Er - er hat mich dann auf mein Bett geworfen und mich gewürgt. Dann hat er mich wieder losgelassen und gesagt, daß er beim nächsten Mal nicht mehr losläßt, und daß ich machen muß, was er sagt. Dann hat er mich ausgezogen und losgelegt."
"Wie alt ist er denn, Kleines?"
"Neunzehn."
"Und weißt du auch, warum er das gemacht hat?"
"Er hat keine Freundin", sagte sie leise. "Er - er hat sich als Kind alle Windpocken im Gesicht aufgekratzt, und jetzt ist das alles voller Narben." Sie drehte ihren Kopf wieder zu mir. "Wird er wirklich verhaftet?"
"Bestimmt, Kleines. Der Arzt schreibt gerade den Bericht, und mit dem gehst du zur Polizei."
"Kommen Sie mit?" bat sie leise.
"Ja, Kleines. Ich komme mit dir."
Iris lächelte dankbar. "Wir machen schon ganz schön viel Ärger, was?"
"Nicht so viel wie meine Ex-Frau", knurrte ich. Dann lächelte ich zurück. "Ist schon gut, Kleines. Ruh dich noch was aus."
Iris rutschte dicht neben mich; ihr Kopf lag an meiner Hüfte. Sie schloß die Augen und erholte sich, während ich sanft ihre Haare streichelte.
Am Ende der zwei Stunden untersuchte Jürgen sie noch einmal gründlich, dann durfte sie gehen. Ich bekam den Untersuchungsbericht mit. Iris und ich gingen erst einmal eine Kleinigkeit in der Kantine essen, dann fuhren wir zur nächsten Polizeistation, wo Iris zuerst stockend, dann immer flüssiger ihre Anschuldigungen wiederholte. Unter den bohrenden und sehr intimen Fragen brach sie zwar wieder in Tränen aus, aber am Ende wußte jeder, daß sie nicht gelogen, sondern die Wahrheit gesagt hatte. Auf ihr Drängen fuhren zwei Beamte mit zu ihrer Wohnung. Auch ich mußte mit; Iris wollte das so.
In ihrer Wohnung trafen wir auf ihre ganze Familie: Vater, Mutter, und Bruder, die alle friedlich im Wohnzimmer saßen. Iris fackelte nicht lange und wiederholte vor versammelter Mannschaft kurz, was sie ihrem Bruder vorwarf. Dann brach das Chaos aus. Ihre Eltern schrien sie an, beschimpften sie mit unflätigsten Worten, die selbst ich zum Teil nie benutzt hätte, während ihr Bruder blaß wurde und zusammenbrach. Er gestand sofort und alles. Ein Beamter führte ihn ab, der zweite versuchte, zu vermitteln, aber ergebnislos. Das Ende vom Lied war, daß Iris' Eltern sie kurzerhand vor die Tür setzten.
Nach kurzer Rücksprache mit dem Polizisten und mir packte Iris heulend ihre gesamten Sachen in Reisetaschen und Plastiktüten, die wir in meinem Auto verstauten. Der Polizist schrieb sich meine Adresse auf und sicherte unseren Abgang, dann nahm ich das völlig verstörte Mädchen erst mal mit zu mir nach Hause. Wir hatten gerade ihre Sachen ins Wohnzimmer gestellt, als das Telefon klingelte.
"Hallo, Dieter", meldete Angelika sich. "Wie sieht's aus?"
"Das hörst du doch wohl, oder?" Iris lag nämlich in der Ecke von meinem Sofa und weinte sich lautstark die Seele aus dem Leib.
"Ja", erwiderte Geli traurig. "Wie geht's ihr sonst? Alles überstanden?"
"Ja, Kleines. Körperlich alles überstanden. Seelisch... Sie ist völlig daneben. Ihre Eltern haben sie rausgeschmissen."
"Was?" erschrak Geli. "Und jetzt?"
"Heute nacht bleibt sie erst mal hier. Sie schläft in meinem Bett, ich auf dem Sofa. Morgen müssen wir weitersehen."
"Arme Iris!" Geli seufzte laut. "Sag mal, könnte sie nicht zu Petra ins Heim? Oder hat sie noch Verwandte?"
"Glaube nicht. Aber genau das hatte ich vor, Kleines. Wenn sie zu Petra kommt, hat sie schon mal jemanden, den sie kennt, und ist nicht ganz so einsam."
"Kaputte Familien sind was Furchtbares", sagte Geli bedrückt. "Warum sind die Menschen so, Dieter? Warum hat deine Frau das gemacht? Warum hat Iris' Bruder das gemacht?"
"Ich weiß es nicht, Geli. Wirklich nicht. Iris' sagte, daß ihr Bruder keine Freundin hat. Er hat auch ziemlich viele Narben im Gesicht, von aufgekratzten Windpocken. Vielleicht deswegen."
"Möglich. Manche flippen ja aus, wenn sie das nicht einmal pro Tag machen." Geli kicherte. "Hab ich gehört! Bist du auch so einer?"
"Nein!" knurrte ich. "Ich flippe nur dann aus, wenn mich Frauen schräg anquatschen!"
"Hab ich ein Glück, daß ich noch ein junges Mädchen bin!" lachte Geli hell. "Die dürfen nämlich schräg quatschen!"
"Die dürfen auch übers Knie gelegt werden", erinnerte ich sie. "Geli, sei mir nicht böse, aber ich möchte mich jetzt um Iris kümmern."
"Mach das", sagte Geli herzlich. "Bis morgen, Dieter. Ich hab dich lieb."
"Ich dich auch, Kleines. Bis morgen."
Ich legte auf, dann setzte ich mich zu Iris, die sich sofort an mich warf und Trost und Schutz suchte. Ich tröstete das aufgelöste Mädchen, bis es sich soweit beruhigt hatte, daß die Tränen aufhörten. Trotzdem blieb sie noch einige Minuten bei mir, erst dann setzte sie sich in ihre Ecke.
"Wie geht's jetzt weiter?" fragte sie leise. "Wo bin ich morgen? Und übermorgen?"
"Darum kümmern wir uns morgen, Kleines", beruhigte ich sie. "Heute schläfst du erst mal hier, wie abgesprochen. Du hast wirklich keine Verwandten mehr?"
"Nein." Iris schaute nachdenklich aus dem Fenster, auf die Häuser genau gegenüber. "Und jetzt auch keine Familie mehr. So schnell geht das."
"Zum Glück, Kleines. Stell dir vor, du müßtest jetzt zu Hause schlafen."
Iris schüttelte sich. "Nee! Bloß das nicht!"
"Siehst du." Ich rutschte neben sie und umarmte sie von hinten. Iris schmiegte sich vertrauensvoll an mich. "Und wenn du ganz ehrlich zu dir bist, Kleines, wirst du erkennen, daß du schon lange keine Familie mehr hattest."
Iris nickte leise. "Ja, das stimmt", flüsterte sie. "Das war nur noch nach außen eine Familie. Nach innen war das nur noch der Horror." Sie drehte sich zu mir. "Dieter?"
"Iris?"
"Krieg ich einen Kuß?"
"Sicher, Kleines." Iris hob ihren Kopf, ich senkte meinen, dann küßten wir uns zärtlich. Iris sah mich mit leuchtenden Augen an.
"Ich hab überhaupt keine Angst vor dir, weißt du das?"
"Mußt du doch auch nicht", lächelte ich. "Du weißt doch, daß ich Frauen hasse."
"Ja", kicherte sie. "Krieg ich noch einen? Mit Zunge?"
"Natürlich, mein kleiner Liebling." Unsere Lippen legten sich zärtlich aufeinander, unsere Zungen trafen sich in der Mitte, schmiegten sich aneinander, leckten sich sanft ab, rollten umeinander herum. Atemlos trennte Iris sich von mir und legte ihre Wange an meine.
"Das war schön", flüsterte sie. "Wollen wir ins Bett gehen?"
"Was immer du möchtest, Kleines. Ich schlafe auf dem Sofa."
"Nein." Sie sah mich ernst an. "Du kommst mit mir. Ich möchte bei dir sein."
"Dann komm." Ich führte sie an dem Regal vorbei, das mein kleines Wohnzimmer genau in der Mitte teilte. Dahinter lag eine bezogene Matratze auf dem Boden. An der Wand stand ein kleiner Kleiderschrank, neben der Matratze war eine Nachttischlampe.
"Eng, aber gemütlich", lächelte Iris.
"Danke sehr", schmunzelte ich. "Bist du sicher, daß ich neben dir liegen soll?"
"Ja." Ohne Scheu zog sie sich vor mir aus, bis sie nur noch ihr Höschen anhatte. Ich bemerkte einen kleinen Blutfleck an der Stelle, wo ihre Scheide war.
"Zieh das Höschen mal aus", bat ich sie. "Du hast da vorne etwas Blut."
"Ja?" Schnell stieg sie aus der Unterhose. "Tatsache. Kommt wahrscheinlich noch von... Du weißt schon."
"Mag sein." Ich schaute mir den Fleck genauer an. Das Blut war schon längst eingetrocknet. "Du hast recht, Kleines. Zieh wieder an."
"Gleich. Ich geh mich erst waschen, ja?"
"Mach das. Das Bad ist rechts, wenn du rauskommst. Neben der Tür."
"Kommst du mit?" fragte sie leise. "Dann können wir uns gemeinsam waschen."
"Gute Idee. Spart Wasser."
"Genau." Iris kicherte fröhlich. Sie nahm meine Hand. Gemeinsam gingen wir in das kleine Badezimmer. Iris schnappte sich einen Waschlappen vom Rand der Badewanne und drückte ihn mir in die Hand. "Du mich, und ich dich", sagte sie leise.
"Was immer du möchtest." Wir küßten uns sanft. Meine Hände glitten über ihren nackten Rücken, über ihre Seiten, über den Ansatz ihrer apfelgroßen Brüste. Iris begann, schwer zu atmen.
"Schön!" Sie drehte sich in meinen Armen. Ich ließ meine Hände ruhig über ihren Oberkörper gleiten, über die kleinen, festen Brüste, über die harten Nippel. Mein Glied wuchs und wurde hart. Iris drückte ihren Po heraus, gegen meinen harten Schwanz.
"Erst waschen!" sagte sie erregt. "Dann können wir was spielen."
"Okay." Ich ließ meine Hände über ihren Bauch gleiten, seitwärts über die Oberschenkel, dann zurück und über ihre Scham. Iris erzitterte.
"Na gut!" stöhnte sie. "Erst reiben, dann waschen."
"Wirklich?"
"Ja!" Sie zog sich ihr Höschen herunter und stieß es mit dem Fuß weg. Ich legte eine Hand auf ihren Busen, die andere in ihren Schritt. Iris stellte die Füße etwas auseinander. Während ich vorsichtig ihren Nippel massierte, rieb ich gleichzeitig mit der anderen Hand über ihren Schlitz, der nach und nach feucht wurde.
"Herrlich!" murmelte Iris. "So schön kann das sein?"
"Wenn zwei sich mögen, ja", flüsterte ich. Ich weitete ihre Schamlippen mit den Fingern. Iris stöhnte laut. Ich steckte den Mittelfinger in ihr kleines Loch, das geschmeidig nachgab.
"Dieter!" Iris zitterte plötzlich. "Ist das toll!"
"Und das hier?" Ich legte meinen Finger in ihr so, daß er genau auf ihren kleinen Kitzler drückte, und rieb sanft hin und her.
"Ohhh!" stöhnte Iris. "Mach weiter!"
"Gerne." Ich versenkte meine Nase in ihren kurzen Haaren, während ich sie kraftvoll am Kitzler rieb. Iris stöhnte und seufzte immer lauter, und plötzlich verspannte sie sich in meinen Armen. Ich rieb schnell und kräftig weiter, bis sie stöhnend schlapp wurde und sich in meinen Armen herumdrehte. Ich hielt sie fest, küßte ihre feuchte Stirn und strich über ihren Rücken und den Po.
Iris schmiegte sich an mich, ihr Atem ging schwer und tief. Ich streichelte sie, bis sie sich wieder erholt hatte. Mit leuchtenden Augen sah sie zu mir auf.
"Das war geil!"
"Ja?" grinste ich. "Hat's dir also gefallen?"
"Total!" Glücklich preßte sie sich an mich. "Ziehst du dich auch aus? Ich möchte dich spüren."
"Sofort." Iris ließ mich los. Ich schlüpfte schnell aus meinen Sachen, dann kam sie wieder zu mir und drehte mich herum, so daß ich mit dem Rücken zu ihr stand. Bevor ich fragen konnte, was sie vorhatte, legte sich ihre Hand um mein Glied und begann, es geschickt zu reiben. Ich wurde steinhart. Nerven, die seit fast 12 Jahren nicht mehr benutzt worden waren, nahmen eifrig und voller Freude wieder ihre Arbeit auf, schickten glühende Nadeln durch meinen Unterleib, und nur wenige Sekunden später stöhnte ich und spritzte dicken, heißen Samen in das Waschbecken. Iris rieb kräftig weiter, bis ich ihre Hand festhielt. Nun umarmte sie mich, bis ich wieder Kraft zum Reden hatte.
"Jetzt waschen!" Sie nahm den Waschlappen, machte ihn naß und wusch erst mein Gesicht, dann meine Brust, und zum Schluß meinen Unterleib. Sofort wuchs ihr wieder etwas entgegen. Iris lächelte mich an, gab mir einen Kuß auf die Spitze, der mich erschauern ließ, öffnete ihren Mund und schloß die Lippen um meinen Schwanz. Geschickt lutschte und wichste sie mich, bis sich wieder alles in mir verkrampfte. Iris schluckte, was ich zu geben hatte, dann leckte sie die Eichel voller Genuß sauber, gab mir einen letzten Kuß auf die Spitze und stand auf.
"Schön?"
"Wunderschön!" Ich drückte sie herzlich. Iris schmiegte sich glücklich an mich. "Das gleiche mache ich bei dir, sobald wir im Bett sind", versprach ich ihr. Iris nickte, ihre Augen leuchteten vor Erwartung.
Ich nahm einen neuen Waschlappen und wusch sie im Gesicht, in den Achselhöhlen, an der Brust, am Bauch, an der Scheide und am Po, bis sie ganz heiß wurde. Dann gingen wir schnell zu meinem Bett, legten uns hin und küßten uns leidenschaftlich. Iris rollte sich auf mich, meine Hände fuhren zu ihrem Po und kneteten ihn kräftig. Iris zog die Beine an, setzte sich auf, rutschte über mein Gesicht und lächelte erregt. Ich hob meinen Kopf und begann, sie gründlich auszulecken. Meine Hände glitten über ihren Bauch zu ihren Brüsten, die ich sanft knetete und massierte.
Stöhnend rieb Iris ihre Scheide an meinem Mund und Kinn. Ich paßte mich ihrem Rhythmus an, leckte sie, wenn ihre Scheide über meinem Mund war, und preßte mein Kinn an sie, wenn sie darüber war. Es dauerte nicht lange, bis sie leise aufschrie und ihre Säfte fließen ließ. Gierig trank ich sie aus, schob meine Zunge in sie, schlürfte und leckte, bis Iris sich ein zweites Mal verspannte und schließlich matt auf mich sank.
Ich legte meine Arme um ihren erhitzen Körper, drückte sie zärtlich an mich und küßte ihre Wange und die Schläfe.
"Wow!" keuchte Iris schließlich. "War das irre!"
"Freut mich, mein Kleines." Wir küßten uns kurz. "Bist du jetzt auch so schön müde wie ich?"
"Noch müder!" grinste Iris. "Wollen wir nackt schlafen?"
"Alles, was du möchtest, Kleines."
"Dann nackt. Kann ich dich die ganze Nacht spüren." Sie rollte sich von mir herunter, direkt in meinen Arm. "Gute Nacht, Dieter."
"Gute Nacht, Iris. Schlaf schön. Es war wunderschön."
"Meiner auch." Sie lächelte mich an, dann legte sie ihren Kopf auf meine Schulter. Ich schaltete das Licht aus, wir kuschelten uns aneinander, und wenig später waren wir tief und fest eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wollte Iris nicht bis zu ihrem Bus um acht Uhr alleine bleiben, deshalb standen wir gemeinsam um fünf Uhr auf, machten uns in aller Ruhe fertig und fuhren dann ins Werk, wo wir erst einmal ausgiebig frühstückten. Um sieben gingen wir dann in die Halle, wo sie in meinem Büro saß und Illustrierte las, die dort herumlagen, während ich die Zahlen von gestern in den Wochenbericht packte. Als die anderen Mädchen um halb neun eintrafen, gingen sie geschlossen zum Umziehen und an die Arbeit.
Wie schon gestern, war die kleine Walter auch heute wieder gegen elf Uhr mit ihrer Arbeit durch. Ich schickte das Mädchen zu Roland, der ihr bis zum Mittagessen zeigte, wie Bohrer und Fräser geschliffen wurden, wenn sie stumpf geworden waren. Nach dem Essen wurden dann wieder die Arbeitsplätze getauscht.
Um halb fünf waren sie weg. Ich nahm Iris mit in die Kantine, wo wir zu Abend aßen, dann fuhren wir heim. Auf der Rückfahrt zeigte sie mir stolz eine flache Schachtel Kondome.
"Hat Petra mir geschenkt! Sind noch sechs Stück drin!"
"Na, ob die reichen?" grinste ich.
"Für heute abend ja", kicherte Iris hell. "Morgen bringt sie neue mit."
"Du kleiner Nimmersatt!" lachte ich. "Willst du wirklich so oft?"
"Mal sehen", schmunzelte sie. "Zweimal aber auf jeden Fall!"
"Das werde ich wohl noch schaffen." Ich griff nach ihrem Nacken und streichelte ihn. "Wollen wir denn gleich ins Bett, oder erst noch -"
"Gleich ins Bett", unterbrach sie mich. "Dann wird gefickt. Anschließend gehen wir ins Wohnzimmer, was schmusen, dann wieder ins Bett."
"Klingt nach einem wunderschönen Abend."
"Wieso Abend? Ich rede von der nächsten Stunde!" Lachend warf sie sich in meinen Schoß.
"Du bist einmalig, Kleines!" Ich streichelte ihren Busen durch den Pullover. "So heiß?"
"Glühend heiß! Ich dampf schon da unten! Du mußt richtig gut löschen!"
Aufgekratzt und stark erregt kamen wir zu Hause an. Ich schloß die Tür ab, dann ging es ab ins Bett. Ohne Vorspiel. Iris legte sich hin, mit gespreizten Beinen. Ich warf mich auf sie, drang mit wenigen, kraftvollen Stößen in sie ein und legte los. Ich spürte jedoch genau, daß sie keine Jungfrau mehr war. Um so besser für mich. Schon nach den ersten Stößen erschauerte Iris. Sie warf ihre Beine um mich, drückte mich mit aller Kraft an sie, wenn ich ihr Schambein berührte, und ließ mich erst los, nachdem sie sich kurz an mir gerieben hatte. Sie kam innerhalb von Sekunden.
Ich ließ mir mehr Zeit, obwohl es mir sehr schwerfiel, denn Iris war ziemlich eng. Lang und kräftig stieß ich in sie, wieder und wieder, und schaukelte sie zu einem zweiten, noch stärkeren Orgasmus.
Wieder bremste ich mich. Ich arbeitete in ihr, ohne an das zu denken, was ich hier tat, bis Iris ein drittes Mal kam.
"Mach jetzt!" stöhnte sie. "Ich kann nicht mehr!"
Gehorsam ließ ich meine Beherrschung fallen und hämmerte in sie. Iris riß sich das Kopfkissen über das Gesicht und schrie ihre Lust und Erregung hinein, während ich sie wie bescheuert fickte. Dann spürte ich es kommen.
"AAAAHHHHH!" schrie Iris und wurde steif. Genau wie ich. Ich blieb einen Moment still, dann schoß es aus mir heraus. In dicken, stark zuckenden Stößen. Iris bebte vor Erfüllung. Fünf, sechs Schübe schossen heraus, dann war es vorbei. Stöhnend fiel ich auf sie.
Iris umarmte mich schlapp. "Irre!" hauchte sie erschöpft. "Total abgefuckt!"
"Du sagst es!" Ausgelaugt zog ich mich zurück und fiel neben sie. Mein Herz raste wie wild.
"Viermal!" keuchte Iris. "Viermal, Dieter! Wahnsinn!"
"Das war es wirklich, Kleines. So stark bin ich noch nie gekommen."
"Ich auch nicht. Ich hab auch gar keine Angst mehr."
"Wovor solltest du denn auch Angst haben?" fragte ich erstaunt.
"Weiß nicht." Iris drehte sich zu mir und schmiegte sich an mich. "Ich weiß auch nicht, warum ich das gesagt habe."
"Schon gut, Kleines. Ruh dich noch was aus, dann gehen wir rüber und trinken was."
Iris küßte mich auf die Wange. "Und dann ficken wir noch was, ja?"
"Ja, Kleines."
Am nächsten Morgen wachte ich mit einem schmerzenden Rücken auf. Kein Wunder, denn das Sofa war viel zu kurz. Ich streckte und reckte mich vorsichtig, bis der Schmerz nachließ, dann schaute ich nach Iris.
Das Mädchen lag noch friedlich schlafend im Bett. Zärtlich betrachtete ich sie eine Weile, dann ging ich ins Bad. Kurz darauf war ich zurück und weckte sie.
"Iris!" sagte ich halblaut. "Aufwachen, Kleines!"
Iris murrte und drehte sich von mir weg. "Will nicht!"
"Komm hoch, Iris", lächelte ich. "Du warst es, die mit mir aufstehen wollte."
Iris knurrte nur unwirsch, dann drehte sie sich wieder zu mir und schaute mich verschlafen an. "Morgen, Herr Kaminski."
"Morgen, Kleines. Wie geht's dir?"
"Gut. Nein. Super!" Sie setzte sich auf und gähnte und räkelte sich so heftig, daß ihre Schlafanzugjacke aus der Hose rutschte. Ich legte schnell das Oberbett über sie.
"Schön. Wollen wir uns heute darum kümmern, daß du im Heim unterkommst?"
"Ja." Sie schaute mich bedrückt an. "Ist das da so schlimm, wie alle sagen?"
"Nein, ich glaube nicht, Kleines. Wenn das so schlimm wäre, hätte Petra doch nicht immer so gute Laune."
"Stimmt!" Ihre Miene hellte sich auf. "Ob ich zu Petra aufs Zimmer kommen kann?"
"Das schaffen wir schon, Kleines. Steh jetzt auf, ich war schon im Bad."
"Okay." Sie ging ins Bad, ich zog mich in der Zwischenzeit schnell an. Als Iris zurückkam, war ich fertig. Sie zog sich an, während ich ihr den Rücken zukehrte, dann waren wir fertig.
Iris kam schüchtern auf mich zu. "Herr Kaminski?"
"Iris?"
"Nicht böse werden, aber ich würde Sie gerne einmal drücken. Weil Sie mir so toll geholfen haben."
"Ich werde nicht böse, Kleines. Komm her." Glücklich flog sie in meine Arme. Ich strich ihr kurz über die Haare, dann hielt ich sie einfach nur fest. Ich hoffte, daß sie mir das Streicheln nicht übelnahm.
Tat sie nicht. Sie schaute mich mit strahlenden Augen an. "Wirklich zu Petra aufs Zimmer?"
"Ich sehe zu, was ich erreiche, Kleines. Ich gebe mir Mühe. Wie sieht es in dir aus? Alles wieder auf der Reihe?"
"Ja." Sie nickte ernst. "Ich bin richtig froh, daß das jetzt zu Ende ist. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er nochmal... Sie wissen schon. Nur eins ist komisch." Sie sah mich nachdenklich an.
"Was denn, Kleines?"
"Daß ich hier zwei Nächte gepennt hab, ohne Angst zu haben. Ich meine, Sie - Sie sind doch ein Mann, und ich..." Sie zuckte die Achseln. "Ich hab aber gar keine Angst. Vor Ihnen nicht, vor meinem Bruder nicht... Alles weg. Komisch."
"Sei froh, Kleines", lächelte ich. "Außerdem kennst du doch meine Einstellung. Ich bringe eine Frau eher um, als daß ich sie anfasse."
"Stimmt!" lachte sie hell. "Noch einmal drücken?"
"Ein letztes Mal, sonst verliere ich meinen schlechten Ruf als Frauenhasser."
"Ich verrat's keinem!" kicherte sie und schmiegte sich an mich. Lächelnd fuhr ich ihr durch die kurzen Haare. Ich war richtig froh, daß Iris sich in so kurzer Zeit wieder gefangen hatte. Offenbar waren die Mädchen von heute viel robuster als die zu meiner Zeit.
Um acht Uhr rief ich das Heim von Petra an und erreichte Herrn Bracke auch sofort. Ich schilderte ihm kurz, was mit Iris war, dann fragte ich ihn, ob sie in seinem Heim unterkommen könnte. Iris hörte gespannt zu.
"An sich schon", überlegte er schnell. "Nur... Ich müßte sie auf ein Zimmer mit zwei 18jährigen Mädchen stecken."
"Da kommt mir eine fabelhafte Idee", schmunzelte ich. "Petra sagt, daß auf ihrem Zimmer ein 19jähriges Mädchen sei. Die würde doch viel besser zu den beiden 18jährigen passen als eine 14jährige, und Sie müßten sich Petras und Astrids Gejammer über das ältere Mädchen nicht mehr anhören."
"Ja, schon", wand er sich. "Nur... Die Zimmervergabe folgt einem bestimmten Schema, und das kann ich nicht so einfach übergehen."
"Geben Sie sich doch einen Ruck, Herr Bracke", sagte ich mitfühlend. "Schauen Sie, für Sie ist es doch auch einfacher, wenn Ruhe im Bau ist. Kinder im gleichen Alter kommen doch viel besser miteinander aus. Außerdem kennen Iris und Petra sich hier vom Werk. Es wäre schade, wenn eines der beiden Mädchen unglücklich wäre. Es sind doch noch Kinder. Außerdem würde sich das bestimmt vorteilhaft auf die Zukunft der Mädchen auswirken. Vieler Mädchen." Ob er verstand, was ich damit sagen wollte?
"Ja", sagte er nachdenklich. "Ja, da haben Sie schon recht." Ich hörte förmlich, wie seine Faulheit - denn so sah ich seine Weigerung - und sein Respekt vor dem großen Metallwerk miteinander kämpften.
Das Werk siegte, wie erwartet.
"Also gut", sagte er schließlich. "Ich denke, diese Ausnahme kann ohne weiteres begründet werden. Wann kommt Iris?"
"Heute abend? Ihre ganzen Sachen stehen noch bei mir. Wir könnten so um sieben, halb acht bei Ihnen sein."
"Kein Problem, Herr Kaminski. Was ist mit Iris' Papieren?"
"Alle vollständig vorhanden. Sie müßten nur bei der Stadt und so weiter angeben, daß Iris nun bei Ihnen ist, aber das Gebiet kennen Sie ja viel besser als ich." Nach der Peitsche nun das Zuckerchen.
"Ich werde mich darum kümmern", versprach er. Nach kurzer Verabschiedung legte ich auf.
"Heute abend schon?" fragte Iris aufgeregt.
"Gleich nach Feierabend, Kleines. Es wird bestimmt nicht so schlimm werden, wie du befürchtest. Bald bist du 18 und kannst ausziehen."
"Das schaff ich schon", meinte Iris zuversichtlich. "Ich hab das alles gepackt, da pack ich das auch noch."
"Das stimmt, Kleines", sagte ich anerkennend. "Du hast wirklich viel geschafft, worauf du stolz sein kannst." Das Lob half ungemein; Iris wurde einen halben Meter größer.
Nach Feierabend aßen wir ein letztes Mal gemeinsam in der Kantine zu Abend, dann fuhren wir zu mir und packten Iris' Sachen ein. Gegen sieben waren wir dann am Heim. Petra wartete schon ganz aufgeregt auf den Zuwachs.
Ich half Iris, ihre ganzen Tüten und Taschen auf das Zimmer zu tragen, das viel größer war, als ich von Petras Erzählungen her erwartet hatte. Zu dritt war es ohne weiteres noch geräumig. Iris drückte mich zum Abschied noch einmal, dann brachte ich ihre Unterlagen und Papiere zu Herrn Bracke, mit dem ich mich noch ein paar Minuten unterhielt, bevor ich mich wieder auf den Heimweg machte. War das auch geschafft.
Zu Hause angekommen, staunte ich nicht schlecht, denn vor der Tür saß eine meiner Praktikantinnen. Angelika Walter. Ich parkte den Wagen, stieg aus und ging zu ihr.
"Angelika? Was machst du denn hier?"
Sie lächelte schüchtern. "Ich hab auf Sie gewartet. Kann ich mal mit Ihnen reden?"
"Sicher, Kleines. Was Schlimmes?"
"Ja und Nein. Weiß nicht."
"Bist du etwa auch schwanger?" fragte ich mißtrauisch. Angelika bekam eine Bombe.
"Nein!" wehrte sie hastig ab. "Nichts in der Richtung!"
"Dann komm rein." Ich ging mit ihr die Treppe hoch und ließ sie in meine Wohnung. Angelika hängte ihre Jacke auf und ging gleich durch ins Wohnzimmer, als würde sie sich hier auskennen. Ich holte uns etwas zu trinken, dann setzte ich mich zu ihr.
"Leg los, Kleines. Was hast du auf dem Herzen?"
Sie holte tief Luft. "Ich hab deine Erinnerungen blockiert", sagte sie leise. "Du hast vergessen, daß wir zwei uns liebhaben, weil ich das gemacht habe. Ich hab auch das mit Iris gemacht, daß du mit ihr geschlafen hast, um ihr die Angst zu nehmen. Na ja, und jetzt bin ich hier, um die Erinnerungen wieder aufzuwecken. Das mach ich lieber persönlich als von Zuhause aus."
"Aha." Ich schaute sie forschend an. "Was hast du genommen, Kleines? Ich habe euch doch vor Drogen gewarnt."
"Ich hab nichts genommen!" wehrte sie sich bissig. "Mann, Dieter! Das ist so schon schwer genug! Ich hab das nämlich noch nie so gemacht! Das war so viel bei dir und Iris!"
"Angelika, vielleicht solltest du jetzt nach Hause gehen. Du phantasierst, Kind. Erinnerungen blockiert! Mädchen, das ist hier kein Märchenfilm, sondern das wirkliche Leben! Ein Mensch hat Erinnerungen, und die kann keiner blockieren oder aufwecken. Verstehst du? Na gut, bei einem Unfall oder Schock ist das vielleicht -"
"Dieter!" Zwei blaugrüne Augen schauten mich intensiv an. "Erinnere dich. Jetzt!"
Im gleichen Moment lief ich rot an vor Scham und Wut, und mir brach der Schweiß aus. Ich erinnerte mich. An alles. Ich wußte wieder, daß Geli und ich uns liebhatten, richtig lieb, daß wir auf dem Feld gewesen waren und die Milchstraße beobachtet hatten, daß sie mich zu ihrem Geburtstag eingeladen hatte, daß Iris und ich... Daran wollte ich lieber nicht denken, aber die Erinnerung daran war da. Lebhaft und sehr deutlich.
Fassungslos, am Rande der Panik, saß ich in meinem Sofa. Geli beobachtete mich aufmerksam.
"Du hast -" krächzte ich mit trockenem Mund. "Warum? Unmöglich!"
"Wie heißt du?" fragte Angelika traurig.
"Dieter Kaminski. Was soll -"
"Wie heißt du?"
Ich wußte es nicht! Vor wenigen Sekunden hatte ich meinen Namen doch noch gesagt!
"Wie heißt du?"
"Dieter Kaminski." Ich starrte sie ungläubig an. "Warst du das?"
"Ja." Geli nahm mein Glas und reichte es mir. Gierig trank ich es aus. Geli füllte nach und gab es mir zurück, dann kuschelte sie sich in meinen Arm und schaute mich an. "Ich hab's wegen Iris gemacht", sagte sie leise. "Dieter, sie hatte tierische Angst vor ihrem Bruder. War ja auch klar, bei dem, was der gemacht hat... Aber sie hatte auch Angst vor Sex bekommen." Sie holte tief Luft.
"Weißt du noch, daß du mich eine nervige Hexe genannt hast?" Ich nickte. "Ich bin wirklich eine Hexe", sagte sie leise. "Eine weiße."
"Weiße?" Für einen winzigen Moment dachte ich an die Werbung für Waschmittel.
"Nein", lachte Geli leise. "Es gibt weiße, graue und schwarze Hexen. Schwarze machen nur was für sich, graue mal was für sich, mal für andere, weiße machen nur was für andere, nie was für sich." Sie streckte sich, gab mir einen Kuß auf die Wange, und schmiegte sich wieder an mich.
"Dieter, ich konnte nicht zulassen, daß dieser - dieser Arsch Iris verkorkst hat. Ich mußte ihr die Angst vor Sex nehmen. Und deswegen hab ich ihre Erinnerung an ihren Bruder blockiert, und deine an uns. Und noch was mehr bei dir, damit du auch wirklich mit Iris schläfst. Hat ja auch geklappt." Sie schaute mich traurig an. "Sei mir bitte nicht böse, ja? Iris hat doch ihre Angst verloren, das hab ich heute gesehen. Und sie ist jetzt in einem schönen Heim, wo sie schnell Freunde findet."
Wut stieg in mir auf. "Angelika!" sagte ich leise, aber sehr, sehr zornig. "Ich habe mit einem minderjährigen Mädchen geschlafen! Gegen meine Überzeugung, und auch gegen meinen Willen! Verdammt nochmal, was zur Hölle fällt dir ein, dich so in das Leben anderer Menschen zu mischen? Weißt du, daß ich kurz davor stehe, dir saftig eine zu kleben?"
"Ja", hauchte Geli mit feuchten Augen. "Schlag mich ruhig, wenn du willst, Dieter. Ich weiß, daß es falsch war, aber ich wußte einfach keinen anderen Weg!"
Meine Wut verrauchte, als ich die Angst in ihren Augen sah. "Ich schlage dich nicht, Kleines. Aber ich bin stinksauer auf dich! Kind, weißt du, was passiert, wenn das rauskommt?"
"Kommt nicht raus", antwortete Geli überzeugt. "Iris weiß nicht mehr, daß ihr zwei - miteinander geschlafen habt. Sie weiß nur noch, daß sie keine Angst mehr vor Sex haben muß. Hat sie ja auch nicht." Sie lächelte dünn. "Und du weißt jetzt, daß auch kleine Mädchen ganz schön abgehen können."
Ich wurde knallrot im Gesicht. "Woher -"
"Ich hab gelauscht", gestand Geli. "Ich hab mich in Iris eingeklinkt und ihre Gefühle mitbekommen, als ihr - zugange wart. War ganz schön heftig."
"Stop! Pause! Auszeit!" Ich sah sie mit letzter Beherrschung an. "Geli, wovon zum Satan redest du?"
"Paß auf." Plötzlich spürte ich eine wahnsinnige Angst in mir; eine riesengroße Angst, geschlagen zu werden. So schnell, wie es kam, war es auch wieder vorbei.
"Das war meine Angst", flüsterte Geli. "So viel Angst hab ich, daß du mir eine knallst."
"Kleines!" Ich drückte sie kräftig an mich. "Ich schlage dich nicht!" Erst da kapierte ich. "Warte mal! Deine Angst war das? Wieso konnte ich die spüren?"
"Angst ist Gefühl", lächelte Geli dünn. "Ich kann das spüren, Dieter. Und ausstrahlen, wenn ich will. So wie gerade."
"Aha." Ich verstand kein Wort. "Und so, wie du - Gefühle spürst, kannst du auch Erinnerungen blockieren?"
"Ja", sagte sie schlicht. "Und mehr. Ich kann den Gefühlen folgen bis zu dem Punkt, wo sie begonnen haben. Bei dir war das diese - diese Bitterkeit und Schadenfreude. Die ging zurück bis zu einem Schmerz, den ich kaum ertragen konnte. Ich spürte aber auch, woher das kam, und deswegen hab ich dich so gelöchert, damit du endlich aus deiner Schale rauskommst."
Ich konnte nur noch meinen Kopf schütteln. "Geli, ich kapiere kein Wort von dem, was du da redest. Aber egal. Fangen wir noch mal ganz vorne an, ja? Du bist eine Hexe."
"Ja. Eine weiße."
"Jetzt bring mich um Himmels willen nicht durcheinander! Du bist eine Hexe."
"Ja."
"Du kannst Erinnerungen irgendwie sperren und wieder freigeben."
"Ja."
"Du kannst Gefühle spüren und auf andere Menschen ausstrahlen."
"Ja."
"Du bist bescheuert!"
"Ja!" Geli warf sich an mich und drückte mich. "Ich bin gerne bescheuert, wenn du mich nur lieb hast. Hast du mich noch lieb?"
Ich küßte sie zart auf den Mund. "Ja, Geli. Ich habe dich lieb, und ich will dich umbringen."
"Dann hast du mich richtig lieb!" freute sie sich. Plötzlich fing sie an, zu weinen. "Tut mir so leid!" schluchzte sie. "Ich wollte doch nur Iris helfen!"
Ich strich ihr sanft über das weiche Haar. "Kleines, du hast Iris geholfen, das steht fest. Aber du hast auch erreicht, daß ich gegen das Gesetz verstoßen habe. Was von beiden wichtiger ist, mußt du wissen. Aber ich möchte dich dringend bitten, beim nächsten Mal, wenn du jemandem helfen willst, vorher mit mir zu reden, ja? Der Gedanke, nicht mehr Herr in meinem eigenen Kopf zu sein, läßt mich doch ein klein wenig gereizt werden!"
"Ich weiß", flüsterte Geli. "Das tut mir ja auch leid, Dieter. Ich dachte nur, daß du der bist, der Iris am besten helfen kann. Und du hast dabei ja auch was gelernt. Über junge Mädchen, meine ich."
"Darüber werde ich mit dir auf keinen Fall diskutieren!" erwiderte ich heftig. "Ach, Scheiße! Ich muß das jetzt erst mal verdauen, Geli. Ich, ein Frauenhasser, wie er im Buche steht, schläft mit einem kleinen Schulmädchen! Ha!" Wütend stand ich auf und stapfte in meinem engen Wohnzimmer herum. Geli wich meinen unfreundlichen Blicken bedrückt aus.
Nach ein paar Runden hatte ich mich etwas beruhigt.
"Hoch mit dir, Kleines, ich fahr dich heim. Ich brauche Ruhe."
"Ich würde lieber hierbleiben", meinte Geli schüchtern. "Ich - ich hab sowas Großes wie bei dir noch nie gemacht, und ich würde lieber bei dir bleiben, falls noch was passiert. Papa hat's erlaubt."
"Papa hat's erlaubt!" Ich schaute sie entgeistert an. "Willst du mir weismachen, daß dein Vater dir erlaubt hat, mit deinen 14 Jahren bei mir zu übernachten?"
"Ja." Sie senkte den Blick. "Kannst ihn ja anrufen, wenn du mir nicht glaubst."
"Genau das werde ich tun, junge Dame. Nochmal falle ich auf deinen Bluff nicht herein!" Ich griff mir das Telefon und wählte Gelis Nummer. Es klingelte sieben oder acht Mal, dann meldete sich ihr Vater.
"Kaminski hier. Guten Abend, Herr Walter."
"Guten Abend!" sagte er überrascht. "Was liegt an?"
"Eine Nervensäge namens Angelika", sagte ich grimmig. "Ihre Tochter behauptet allen Ernstes, daß Sie ihr erlaubt hätten, bei mir zu übernachten!"
"Verstehe. Könnte ich Geli mal sprechen?"
"Sekunde." Ich gab Geli den Hörer. "Dein Vater möchte mit dir reden."
Geli nickte nur und griff nach dem Hörer. "Ja? - Nein, nicht deswegen, Papa. Ich dachte nur, weil ich bei ihm so viel blockiert habe, daß es sicherer wäre. - Ja, hab ich dabei. - Nein, bestimmt nicht, Papa. Da haben wir doch schon drüber geredet. - Ja, mach ich. Ich dich auch." Sie gab mir den Hörer zurück. "Für dich."
"Herr Walter?"
"Ja. Geli hat mir schon gestern erzählt, was sie mit Ihnen angestellt hat. Ich fände es wirklich besser, wenn sie heute nacht bei Ihnen bleibt. Geli ist zwar sicher bei dem, was sie tut, aber bei Ihnen mußte sie, wie sie sagt, ziemlich viel blockieren. So viel wie noch nie. Es könnte nicht schaden, wenn sie in der Nähe ist, falls - ich sag mal, irgendwelche Spätfolgen kommen."
"Äh -" brachte ich so gerade heraus.
"Grüßen Sie die Kleine von mir, ja? Danke!" Er legte auf. Sprachlos sah ich zu Geli.
"Ich hab doch gesagt, daß er es erlaubt hat", meinte sie schüchtern.
Ich gab auf.
Um in Ruhe denken zu können, hatte ich mir Geli unter den Arm gepackt und war mit ihr in eine Frittenbude bei uns um die Ecke gegangen, wo wir ein Glas Cola tranken. Nach und nach bekam ich all das, was sie gesagt hatte, auf die Reihe, auch wenn mir das Verständnis für das Wie fehlte. Aber danach fragte ich sie lieber nicht; mein Kopf fing schon an, wehzutun. Statt dessen wählte ich ein Gesprächsthema, bei dem ich wohl mithalten konnte.
"Wie stellst du dir das heute nacht vor, Kleines?" fragte ich sie leise. "Wo willst du schlafen? Das Sofa kann ich nicht empfehlen, ich hatte heute morgen ziemliche Rückenschmerzen."
"Bei dir", meinte sie zögernd. "Da kann ich nämlich besser spüren, ob du in Ordnung bist."
"Bei mir", wiederholte ich tonlos. "Du meinst, in meinem Bett?"
"Ja." Sie schaute auf den nicht sehr sauberen Tisch, an dem wir standen. "Ich weiß, was du jetzt denkst, Dieter, aber nicht deswegen. Ich - ich hab noch Angst davor. Ich hab zwar gespürt, wie das ist, aber das war ja trotzdem nicht ich."
"Lassen wir das", sagte ich hastig. "Angelika, beantworte mir bitte ganz ehrlich, was du von mir willst. Warum du bei mir bist. Nicht nur jetzt, sondern überhaupt."
"Ganz einfach", lächelte sie still. "Weil ich dich sehr, sehr lieb habe, Dieter."
"Du bist 14, Geli", erinnerte ich sie. "Du wirst zwar 15, aber du bist noch 14. Aber ob 14 oder 15, ich komme in Teufels Küche, wenn jemand erfährt, daß du in meinem Bett übernachtet hast."
"Ist das so schlimm?" fragte sie unschuldig.
"Ja, zum Henker!" knurrte ich. "Alles unter 18 ist verflucht schlimm!"
"Gut", lächelte sie erleichtert. "Dieter? Ich muß dir noch was sagen."
"Bitte nicht!" flehte ich sie an. "Bitte keine weiteren Informationen mehr, Kleines! Ich habe schon mehr davon in meinem Kopf, als ich verarbeiten kann!"
"Nur eine kleine", lächelte sie scheu. "Wegen meinem Geburtstag... Wie alt werde ich da?"
"Willst du mich verarschen?" lachte ich leise. "15! Habe ich doch gerade gesagt!"
"Nein." Sie holte tief Luft, während eine ganz böse Vorahnung in mir aufstieg. "Ich werde 14", flüsterte sie.
Das gab mir den sprichwörtlichen Rest.

"Jetzt noch einmal, bitte." Ich schaute Geli, die neben mir auf dem Sofa saß, eindringlich an. "Wie kannst du 14 werden, wenn auf deiner Bewerbung für das Praktikum bei uns als Geburtsjahr 1983 steht und wir jetzt 1998 haben?"
"Da hab ich gelogen", gab sie unumwunden zu. "Ich bin am 1.12.1984 geboren worden, nicht 1983. Dieter, ich wollte so gern was mit Metall machen, und als die Zettel von euch bei uns in der Klasse verteilt wurden, da konnte ich nicht anders. Das war doch nur ein einziger Monat, der mir fehlte! Warum muß man denn überhaupt 14 sein?"
"Weil", erklärte ich beherrscht, "alles unter 14 noch Kind ist, und da sind die Gesetze noch strenger. Bei Jugendlichen ab 14 und höher machen die Behörden schon mal eine Ausnahme, was dieses Praktikum angeht, aber darunter... Nein. 13jährige, die in einem Metallwerk acht Stunden am Tag arbeiten sollen, würde niemals genehmigt werden. Mit den 14jährigen war das schon kritisch genug."
"Ach so." Sie kuschelte sich an mich. "Bist du mir böse?"
"Du gibst mir ja laufend sehr gute Gründe, um auf dich böse zu sein!" Ich sah sie streng an. Geli versteckte ihr Gesicht an meiner Seite.
"Ich wollte doch keinen reinreiten", gestand sie kleinlaut. "Nur ein Monat!"
"Ach, zur Hölle mit diesem einen Monat!" fuhr ich auf. "Angelika, und selbst wenn es nur ein einziger Tag wäre, du hast gelogen! Wieso hat das eigentlich niemand bemerkt?"
"Na ja, die Zettel durften wir ja mit nach Hause nehmen und da ausfüllen. Und wir sollten sie gleich an das Werk schicken. Deswegen."
"Okay." Noch ein Hinweis für meinen Bericht. Der wurde immer dicker. Und komplizierter. "Also bist du erst 13?"
"Hm-m."
"Wie alt ist Rita?"
"14. Wieso?"
"Weil ich mich wundere, daß du mit ihr in einer Klasse bist. Oder war das auch eine Lüge?"
"Nein. Ich - ich hab die erste Klasse in der Grundschule übersprungen, weil ich schon lesen, schreiben und rechnen konnte. Deshalb."
"Verstehe. Also du bist noch 13. Und du möchtest hier übernachten, in meinem Bett?"
"Ja."
"Und dein Vater hat das erlaubt. Weiß eigentlich er, wie alt du bist?"
"Natürlich." Ihr Kopf kam hoch, ihre Augen blickten entschuldigend. "Nur ein Monat!"
"Ach, vergiß es!" knurrte ich sie an. "Geli, ich weiß nicht, warum ich dich nicht aus dem Fenster werfe, und zwar mit dem Kopf zuerst."
"Weil du mich lieb hast?" fragte sie schüchtern. Als ich sie ansah, versteckte sie sich sofort hinter meinem Rücken und tat so, als wäre sie nicht da. Das war zuviel.
"Komm her, du verfluchtes Miststück", sagte ich sanft. Geli warf sich mit einem Schwung auf meinen Schoß und drückte mich kräftig. "Ach, Geli!" seufzte ich leise. "Warum habe ich euch sechs nicht gleich am ersten Tag umgebracht?"
Geli sah mich kurz an, dann legten sich ihre Lippen sanft auf die meinen. Für ein paar Sekunden küßten wir uns ganz unschuldig. Dann hob sie ihren Kopf. "Deswegen?" fragte sie leise.
"Wenn ich das vorher gewußt hätte", lachte ich leise, während ich durch ihre Haare fuhr, "hätte ich euch garantiert umgebracht! Und dich gleich am Anfang. Schön langsam, natürlich."
"Natürlich." Ihre Augen lachten mich an. "Damit es mir sehr wehgetan hätte."
"Ganz genau, Kleines. Zuerst hätte ich dich in der Bohrmaschine eingespannt und meine Initialen in deinen Rücken gebohrt. Dann wärst du in die Stanze gekommen, wo ich Stück für Stück aus deinen Knochen geholt hätte. Zum Schluß die Drehbank, wo ich deinen Wirrkopf angespitzt hätte. Und dann hätte ich dich als Sonderpaket zum Stahlwerk geschickt, die aus dir einen kleinen Klumpen Schrott gemacht hätten."
Gelis Augen leuchteten. "So lieb hast du mich?"
"Ja, Geli." Ich küßte sie zärtlich. "Ich liebe dich wie... Na, wie eine kleine Tochter, wie eine gute Freundin, wie einen wertvollen Menschen. Alles zusammen."
"Ich lieb dich auch!" flüsterte sie bewegt.
"Schluß jetzt damit. Geli, ich stehe morgens um fünf Uhr auf. Du kannst bis sieben schlafen und den Bus um kurz vor acht nehmen. Die Haltestelle zum Busbahnhof ist gleich gegenüber, auf der anderen Straßenseite. Dort kannst du in die 49 umsteigen, die fährt direkt zum Werk."
"Gut." Sie lächelte mich an, ihre Finger glitten sanft über meine Wange. "Ich könnte aber auch um fünf Uhr aufstehen, mit dir fahren und im Werk frühstücken. Geld hab ich dabei."
"Das lassen wir mal schön stecken. Möchtest du wirklich so früh aufstehen?"
"Mal versuchen", grinste sie. "So früh bin ich nur einmal aufgestanden. Das war... Vor zwei Jahren, glaube ich. Wegen einer Klassenfahrt. Wir haben uns alle um halb sieben morgens auf dem Platz vor der evangelischen Kirche in der Innenstadt getroffen. Meine Tante hat mich gebracht. Ich hab im Stehen gepennt!" kicherte sie und warf sich an mich. "Von der Fahrt hab ich auch nichts mitbekommen." Sie gab mir einen Kuß auf die Wange. "Na ja, nicht viel. Wachgeworden bin ich schon irgendwann. Aber die anderen hatten auch echte Probleme." Sie kicherte fröhlich.
"Du kleine Hexe!" Gerührt drückte ich sie an mich und wiegte sie sanft hin und her. "Geli, warum habe ich dich so lieb? Du bist ein kleines Mädchen, verdammt!"
"Ein kleines Mädchen mit einem großen Herz!" kicherte sie. "Du bist ja auch viel zu alt für mich, aber ich lieb dich trotzdem. Ganz doll viel!"
"Du verrücktes Huhn!" Ich küßte sie gründlich. Geli schlang ihre Arme um mich und machte begeistert mit.
"Na komm", sagte ich dann atemlos. "Es ist neun Uhr durch. Ich muß ins Bett."
"Okay." Sie lächelte schüchtern. "Wo kann ich mich umziehen?"
"Im Bad oder hinter dem Regal."
"Gut." Sie stand auf. "Wer geht zuerst ins Bad?"
"Geh du ruhig, ich mache das Bett fertig. Möchtest du wirklich...?"
"Ja." Sie schnappte sich ihre kleine Tasche und eilte ins Bad. Während sie sich umzog (ich hoffte zumindest, daß sie sich etwas für die Nacht anzog!), bezog ich das Bett eben neu, das noch deutliche Spuren von Iris und mir trug. Für einen Moment kam wieder Scham hoch, als ich daran dachte, mit Iris geschlafen zu haben, aber gleichzeitig spürte ich auch eine starke Erregung, die nur von ihrem Alter und der Erinnerung an ihren jugendlichen, festen, und schlanken Körper kam.
Ich schob beide Gedanken zur Seite und machte das Bett fertig. Pünktlich mit dem Oberbett kam Geli zurück, mit einem knapp sitzenden Pyjama bekleidet.
"Der ist mir etwas zu eng", gestand sie verlegen. "Zu Hause schlaf ich nur im T-Shirt."
"Schon gut, Kleines. Auf welcher Seite möchtest du schlafen?"
"Egal. Neben dir." Sie stellte ihre Tasche auf den Boden vor dem Fußende der Matratze. "Dieter? Sag mal, könnte ich das Wochenende bei dir bleiben?"
"Wieso?" Alarmiert schaute ich auf. "Ist was mit deinem Vater?"
"Ja. Nicht so. Also, meine Tante Vera, die kommt immer Freitags abends und kümmert sich am Wochenende um Papa." Sie seufzte leise. "Dieter, Papa will, daß sie zu uns zieht. Tante Vera will das auch. Aber ich will das nicht! Sie und ich verstehen uns nicht besonders. Wir streiten uns nicht richtig, wir kommen aber auch nicht richtig miteinander klar." Sie kam zu mir, in meinen Arm.
"Sie mag nicht, wie ich Papas Sachen bügle, ich mag nicht, wie sie kocht. Sie mag nicht, was ich anziehe, ich mag nicht, wie sie ihr Haar trägt. Alles nur Kleinigkeiten, das wissen wir selbst, aber wir kommen eben nicht klar!"
"Warum will dein Vater sie denn dann bei sich haben?"
"Wegen mir." Geli sah mich traurig an. "Dieter, er will mich loswerden! Nicht böse gemeint. Er sagt nur immer, daß ich anfangen muß, mein eigenes Leben zu leben, und daß er und Tante Vera sich bestens verstehen. Wenn sie bei uns wäre, könnte ich abends das machen, was ich will, aber ich will doch bei ihm bleiben! Und ihm helfen! Er braucht mich doch!"
"Und warum will deine Tante bei ihm bleiben? Hat sie denn kein eigenes Leben? Keine Familie?"
"Nein, nur meinen Vater." Sie seufzte leise. "Tante Vera hatte als Kind einen ganz schlimmen Unfall. Jemand hat sie auf dem Schulhof so stark geschubst, daß sie durch eine Glasscheibe gefallen ist. Ihr ganzes Gesicht ist voller Narben. Sie sieht nicht direkt schrecklich aus, aber man muß sich doch ziemlich daran gewöhnen. ‚nen Mann hat sie nicht. Ich meine, sie ist eigentlich richtig in Ordnung und so, und wir kämen bestimmt besser klar, wenn sie nicht meine Tante wär. Aber so..." Sie zuckte hilflos die Schultern. "Ich weiß einfach nicht!"
Ich fuhr Geli zärtlich durch die Haare und grinste. "O doch, Kleines", sagte ich mit einem leisen Lachen. "Du weißt schon. Jetzt drehen wir den Spieß einfach mal um. Sag ganz offen und ehrlich, warum du sie nicht magst. Ganz ehrlich!"
Geli drehte und wand sich unter meinem Blick. "Wegen Papa", gab sie widerwillig zu.
"Weiter."
"Mann!" Sie drückte ihre Wange an meine Schulter. "Sie will - Ach, das klingt so blöd!"
"Sprich es aus", grinste ich. "Na los, du kleine Hexe! Sag's!"
"Dieter!" Geli stampfte mit dem Fuß auf. "Quäl mich nicht so!"
"Doch! Du hast mich auch gequält, Kleines. Mehr als ich es jetzt tue. Los, sag es!"
"Mist!" Geli holte tief Luft. "Wegen... Na, weil... Ach, sie will... Sie will ihn mir wegnehmen!"
"Falsch, Kleines", lächelte ich fein. "Sag die ganze Wahrheit."
"Laß mich in Ruhe!" Sie wollte weg von mir, aber ich hielt sie fest.
"O nein!" lachte ich fröhlich. "Geli, wer hat nicht gehört, wenn ich sagte: ‚Laß mich in Ruhe!'?"
"Ich", flüsterte sie. Wieder atmete sie tief durch. "Hast recht", sagte sie leise. "Ganz ehrlich? Ich glaube, sie schafft es nicht."
"Besser gesagt, du glaubst, daß nur du deinen Vater versorgen kannst, richtig?" Sie nickte leicht. "Geli, muß dein Vater überhaupt versorgt werden?"
"Etwas schon", flüsterte sie. "Aber eigentlich kann er so gut wie alles alleine machen. Nur nicht bügeln; wegen dem Rollstuhl kommt er nicht ans Brett ran. Oder er muß sich so strecken, daß ihm ganz schnell der Rücken weh tut. Aber sonst..." Sie schaute mich bedrückt an. "Nein, eigentlich nicht. Alles andere schafft er alleine, wenn's sein muß."
"Na, siehst du", sagte ich zärtlich. "Geli, du und deine Tante denkt einfach nur, daß immer jemand bei deinem Vater sein muß. Für alle Fälle. Richtig?" Sie nickte verlegen. "Seit wann reden sie denn darüber?"
"Seit fast einem Jahr. Seit Weihnachten letztes Jahr." Sie atmete laut aus. "Und je älter ich werde, um so öfter fragt Papa danach. Aber in einer Wohnung mit Tante Vera, rund um die Uhr mit ihr zusammen... Das knallt!"
"Wie war das denn bisher am Wochenende, Kleines?"
"Haarig. Wir sind uns möglichst aus dem Weg gegangen, aber das geht ja auch nicht immer. Ich mag ihr Essen einfach nicht; sie nimmt immer so viel Muskat oder Rosmarin zu allem, daß mir ganz schlecht wird. Papa mag es auf beide Arten, aber ich eben nicht! Und wenn ich was im Haushalt mach, steht sie immer hinter mir und sagt mir, wie ich es besser, schneller, schöner und überhaupt machen kann!" Geli schob die Unterlippe vor.
"Ich hab das doch bisher auch allein geschafft! Ohne sie! Wenn sie bei uns wohnt, dann bricht Krieg aus!" Sie drückte sich an mich, auf der Suche nach Trost.
"Dann komm am Wochenende, Kleines", sagte ich zärtlich. "Aber laß dir bloß nicht einfallen, hier einziehen zu wollen! Die Wohnung ist so klein, daß ich mir schon selbst im Weg stehe!"
"Seh ich!" kicherte sie glücklich. "Nein, ausziehen will ich ja gar nicht, Dieter. Ich will nur nicht, daß sie einzieht!"
"Warum benutzt du denn nicht deine Hexenkräfte, um deine Tante vergessen zu machen, daß sie zu euch will?"
"Weil ich eine weiße Hexe bin", antwortete Geli ernsthaft. "Weiße Hexen tun nie was für sich. Immer nur für andere."
Ihr Ernst beeindruckte mich tief. "So fest ist das in dir?"
"Ja, Dieter. Ich weiß das innerlich. Ich weiß nicht, ob ich meine Kräfte verliere, wenn ich was für mich tue, aber ich weiß, daß ich mich danach beschissen fühlen werde. Und das will ich nicht. Ich hab ja auch so eigentlich alles im Griff. Das andere benutz ich nur, um anderen zu helfen."
"Ich hab zwar keine Ahnung von schwarzen, grauen, weißen und grünen Hexen, aber ich bin stolz auf dich, Kleines." Ich küßte Geli, die mich glücklich anstrahlte, sanft. "Bleib am Wochenende hier. Wann möchtest du kommen?"
"Gleich Freitag? Ich könnte morgens meine Tasche packen und vom Werk aus mit dir fahren."
"Sicher, das geht. Leg dich hin oder setz dich noch was auf die Couch, Kleines. Ich geh eben ins Bad."
"Okay." Sie kniete sich auf die Matratze und krabbelte an die Seite zum Regal. Ich ging ins Bad, um mich kurz zu waschen und die Zähne zu putzen. Und genau beim letzteren kam mir plötzlich der Gedanke, der schon viel früher hätte kommen müssen.
Aufgeregt machte ich mich in aller Eile fertig und lief dann zurück zu Geli, die gemütlich unter dem Oberbett lag. Ich kniete mich neben sie.
"Geli!" sagte ich aufgeregt. "Du sagst, daß du deine Kräfte nur dazu benutzt, um anderen zu helfen. Richtig?"
"Ja."
"Prima. Kleines, dann hilf mir! Hilf mir, meine Kinder zurück zu bekommen! Stell irgendwas mit ihnen an, daß sie wieder zu mir kommen! Vertreibe notfalls ihre Mutter aus ihren Köpfen, aber -" Noch während ich aufgeregt redete, schüttelte Geli ihren Kopf. Verletzt brach ich ab. "Warum nicht?"
"Weil ich nicht weiß, warum sie dich nicht mehr sehen wollen", sagte sie leise. "Dieter, auch wenn dir das jetzt sehr weh tut, aber was ist, wenn sie ihre guten Gründe haben, dich nicht mehr zu besuchen? Das darf ich einfach nicht!"
"Gute Gründe!" schnob ich. "Geli, was weiß ich, was ihre Mutter ihnen eingeredet hat! Tu es bitte! Für mich!"
"Nein, Dieter." So leise sie es sagte, so entschlossen sagte sie es auch. "Nicht, bevor ich weiß, warum sie nicht mehr zu dir kommen wollen."
"Okay. Alles klar." Enttäuscht, verletzt und verbittert stand ich wieder auf. "Dann schlaf schön." Ohne ein weiteres Wort ging ich zum Sofa, schaltete das Licht aus und legte mich so bequem wie möglich hin.
"Dieter?"
"Gute Nacht! Und herzlichen Dank für deine wunderbare Hilfe, Angelika!"
Am nächsten Morgen weckte ich Angelika ziemlich grob, entsprechend meines Gefühls für sie: ich trat kräftig vor die Matratze. "Aufstehen!" rief ich viel zu laut. Angelika wurde auf der Stelle wach und fuhr hoch, ihre Augen blickten mich erschrocken an. Ich erwiderte ihren Blick kalt, bis sie den Kopf senkte, dann ging ich ins Bad.
Als ich eine Viertelstunde später wieder zurück ins Wohnzimmer kam, stand Angelika am Fenster, in der Hand ein Bild von meinen Kindern, und schaute es versunken an. Sie waren Zwillinge, mit der schlanken Figur ihrer Mutter und ihren hellblonden Haaren, und meinen braunen Augen und dem kantigen Gesicht von mir.
Mit drei großen Schritten war ich bei ihr und riß es ihr aus der Hand. Sie zuckte erschrocken zusammen.
"Wer hat dir erlaubt, an meine Schränke zu gehen?" fuhr ich sie an.
"Niemand." Sie hielt meinem Blick stand. "Haben sie samstags Schule?"
"Was? Äh - ja, warum?"
"Können wir sie dann abholen?" Ihr Blick war nicht zu deuten.
"Warum? Sobald sie mich sehen, gehen sie auf die andere Seite der Straße. Oder des Schulhofs."
"Können wir sie abholen?" beharrte Angelika. Ich nahm sie bei den Schultern und drückte fest zu.
"Warum, Geli? Was weißt du?"
"Ich weiß, daß sie dich nicht freiwillig nicht mehr besuchen", antwortete sie. "Deswegen darf ich dir dabei helfen. Ihre - Mutter hat ihnen eingeredet, du wärst schuld an der kaputten Ehe. Und an vielen anderen Sachen auch."
"Geli!" Aufgewühlt drückte ich sie an mich. "Kind, ist das wahr?"
"Ja, Dieter. Am liebsten würd ich sie sofort ansprechen, aber das geht ja nicht."
"Doch, das geht!" Meine Gedanken rasten. "Geli, ich rufe die Sicherheit an und bestelle zwei, drei Leute, die auf die anderen fünf aufpassen. Dann können wir beide uns mittags verdrücken und sie an der Schule abfangen. Was willst du ihnen denn sagen?"
"Ich muß nicht viel sagen", lächelte Geli schüchtern. "Es reicht, wenn ich sie ansehe."
"Dann mach das, Kind!" Aufgeregt drückte ich Geli. "Machst du das wirklich, Kleines? Bringst du mir meine Kinder zurück?"
"Ja. Das heißt, wenn du mich am Leben läßt."
"Verzeihung." Ich lockerte meinen Griff. "Geli, was hat sie mit ihnen gemacht?"
"Das sollen sie dir selber erzählen. Weißt du, wann sie Schulschluß haben?"
"Nein, aber das finde ich heraus. Immerhin bin ich der Vater."
So kam es auch. Ich rief vom Werk aus in der Schule an, und nachdem ich etwas von einem leichten Unfall ihrer Mutter erfunden und die Adresse sowie Geburtstage meiner Kinder durchgegeben hatte, erfuhr ich, daß sie um halb eins Schulschluß hatten. Ich bestellte drei Leute von der Sicherheit für halb zwölf zu mir, die ich dann, als sie kamen, auf die Mädchen verteilte. Anschließend zog Geli sich schnell um, und wir fuhren zur Schule meiner Kinder.
Ich fühlte mich wie kurz vor einem Erdbeben. Alles in mir zitterte vor Hoffnung, meine zwei Kinder bald wiedersehen zu können. Die Zeit verging im Schneckentempo, doch endlich läutete es, und wenig später füllte sich der Schulhof. Geli und ich stiegen aus. Geli suchte den Schulhof ab und rannte plötzlich los. Dann entdeckte auch ich meine Kinder. Sie waren ganz schön gewachsen, stellte ich mit feuchten Augen fest. Eineinhalb Jahre hatte ich sie nicht mehr gesehen. Meine Briefe waren nicht beantwortet worden, wenn ich angerufen hatte, wurde sofort und wortlos aufgelegt. Wenn ich persönlich vorbeigekommen war, war mir die Tür vor der Nase zugeschlagen worden. Von meinen eigenen Kindern. Und nun...
Mit feuchten Augen schaute ich auf meine Kinder, die sich mit Geli unterhielten. Dann, nach drei oder vier Minuten, umarmten die drei sich plötzlich und wollten sich gar nicht mehr loslassen. Mein Herz raste vor Aufregung, doch ich hielt mich zurück. Wenn ich jetzt störte...
Wieder zwei, drei Minuten später lösten die drei sich voneinander. Geli deutete in meine Richtung. Ich sah die Köpfe meiner Kinder sich zu mir drehen, und dann rannten sie auf mich zu. Ich hörte ihre aufgeregten, freudigen Schreie: "Papa!", spürte sie gegen mich prallen und hielt sie fest; sehen konnte ich nichts mehr.
"Konrad!" flüsterte ich. "Marita!"
Eine Ewigkeit hielten wir uns umschlungen, dann drang Gelis Stimme durch das Rauschen in meinen Ohren.
"Laß uns fahren, Dieter. Zur Polizei."
Nachdem meine Frau mit meinen Kindern ausgezogen war, hörte sie schlagartig auf, Männer zu sich zu holen. Offenbar hatte sie von Anfang an geplant, mit den Kindern alleine zu sein, und sich deswegen nach der Geburt so geändert. In ihrer neuen Wohnung führte Sabine gleich ein paar neue Regeln ein: meine Kinder mußten bei ihr im Bett schlafen, und zwar nackt, und sie mußten den ganzen Tag nackt herumlaufen. Und vom ersten Tag an redete Sabine ihnen ein, daß ich, ich ganz allein, Schuld daran hätte, daß wir keine Familie mehr waren. Nach und nach begannen meine beiden Kleinen, ihr das zu glauben.
Ein paar Monate später, als meine Kinder sich an diesen Zustand gewöhnt und sich schon etwas von mir distanziert hatten, begann meine Frau, sie zu befingern. Das war etwas, was meinen beiden überhaupt nicht schmeckte, doch auch hier spielte Sabine ihre Überlegenheit aus: sie log den Kleinen die Hacke voll, daß sie krank werden würden, wenn sie dies nicht täte, und um die Kinder vollends einzuschüchtern, gab sie ihnen einen bestimmten Kräutertee, der bei Menschen mit hellblonden Haaren, wie meine Kinder sie von ihrer Mutter geerbt hatten, einen heftig juckenden, aber ansonsten ungefährlichen Ausschlag hervorrief. Das versetzte meine Kinder so in Angst, daß sie die Annäherungen ihrer Mutter als das kleinere Übel hinnahmen. Direkt danach setzte Sabine den Tee wieder ab, der Ausschlag verschwand. Die Kinder hatten also keine andere Möglichkeit, als ihrer Mutter zu glauben.
An ihrem neunten Geburtstag begann der harte Teil des Spiels. Meine Kinder mußten sich gegenseitig befingern, sich küssen und am ganzen Körper ablecken, vor allem im Geschlechtsbereich. Sabine saß dabei und rieb sich von einem Orgasmus zum nächsten. Als die Kinder zehn wurden, mußte Konrad so tun, als würde er Marita ficken, was natürlich nicht den erhofften Erfolg brachte, aber meine Frau wollte es so. Dann leitete sie die nächste Stufe ein.
Marita mußte sie lecken, bis sie kam, Konrad mußte sie ficken, bis sie kam. Da beide Kinder noch nichts geschlechtsreif waren, wußten sie überhaupt nicht, was der ganze Unfug sollte. Das einzige, was sie fühlten, war Angst, doch meine Frau setzte ihnen so zu, daß ihre Angst größer war als der Wunsch, sich jemandem anzuvertrauen. Als Marita dann im Januar diesen Jahres den ersten Höhepunkt ihres jungen Lebens hatte, drehte meine Frau endgültig durch. Sie ließ das arme Mädchen nicht mehr in Ruhe, war jede Minute des Tages um sie herum, leckte, küßte und befummelte sie, bis Marita vor lauter Höhepunkten erschöpft einschlief. Sabine weckte sie sofort wieder auf und verlangte von ihr, nun sie zu lecken und zu küssen, was Marita nur mit größtem Widerwillen tat.
All dies, und noch sehr viel mehr Einzelheiten, erzählten meine Kinder auf der Polizeiwache mit leiser, brüchiger Stimme. Die Beamtin, die das Gespräch protokollierte, war erschüttert, während in mir eine eiskalte Wut war, wie ich sie noch nie zuvor in meinem Leben gespürt hatte. Was dieses Dreckstück von Frau den Kindern angetan hatte, ließ sich mit Worten gar nicht beschreiben.
Nach vielleicht siebzig, achtzig Minuten hatten meine Kleinen alles erzählt, woran sie sich erinnern konnten, und fielen erschöpft in meine Arme. Die Beamtin leitete sofort die Verhaftung meiner Frau ein, die knapp vierzig Minuten später mir und den Kindern gegenüber stand. So viel Haß auf beiden Seiten hatte ich bisher noch nie erlebt. Marita und Sabine blickten sich an, als wollten sie sich gegenseitig die Augen auskratzen, und das meine ich wörtlich. Sabine verweigerte die Aussage, was sie umgehend in Untersuchungshaft brachte. Mir wurde ihr Schlüssel übergeben, um die Sachen meiner Kinder aus ihrer Wohnung zu holen, und erst da wurde mir klar, daß ich meine beiden Kleinen wieder bei mir hatte. Endgültig und für immer, da Sabine nach dieser Scheiße bestimmt das Sorgerecht verlieren würde.
Nachdem ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, fuhr ich mit meinen Kindern und Geli zurück ins Werk. Geli ging zurück an ihre Arbeit; ich wollte mich nach Feierabend bei ihr ausgiebig für ihre Hilfe bedanken. Konrad und Marita blieben bei mir, in meinem Büro, wo wir nur redeten, redeten, redeten. Wir hatten ja so viel nachzuholen.


Um halb fünf kam Geli umgezogen in mein Büro. Ich ging mit ihr, meinen Kindern und den fünf anderen Mädchen zum Tor, dann stiegen meine Kinder und Geli in mein Auto ein. Geli wollte mitkommen, was auch ganz gut war, denn als wir vor der Wohnung meiner Ex standen, weigerten die Kinder sich standhaft, sie zu betreten. Geli blieb bei ihnen im Auto, während ich hineinging und mich gründlich in der Dreizimmerwohnung umsah.
Als erstes packte ich sämtliche Sachen meiner Kinder in drei große Koffer und trug sie zum Auto. Dann suchte ich die Wohnung nach Geld ab. Ja, nach Geld. Ich hatte sechs Jahre lang monatlich 1.500,- Mark Unterhalt bezahlt, und dieses Geld wollte ich zurück haben. Oder zumindest einen großen Teil davon. Ich suchte das gesamte Schlafzimmer meiner Ex ab, fand aber nichts. Erst als ich wütend die Schubladen aus ihrem Nachttisch riß und auf den Boden schmetterte, klirrte es leise. Unter einer Schublade war ein großer Schlüssel mit Tesafilm befestigt.
Gut fünfzehn Minuten später hatte ich das passende Schloß dazu gefunden: hinter einem großen Spiegel in der Diele. Ich öffnete den Safe und erstarrte. Buchstäblich.
"Ach du heilige Scheiße!" flüsterte ich, als meine Erstarrung sich gelöst hatte. In dem Safe lagen (und das kann ich bis heute noch nicht so recht glauben!) über 150.000,- Mark in übertragbaren Schatzbriefen und Wertpapieren (ich konnte sie also ganz locker bei meiner Bank einlösen), etwa 50.000,- Mark in Hundertern und Zweihundertern, die Sparbücher meiner Kinder, die ich sofort einsteckte, um sie ihnen zurückzugeben, ein Sparbuch meiner Frau mit nochmal knapp 100.000,- Mark, ein schwarzer Beutel mit etwa 30 wunderschönen Diamanten, und ein weiterer Schlüssel.
Ich bekam Angst. Ich kam mir vor wie ein kleiner Taschendieb, der einen Koffer voll Geld mit der Aufschrift "Eigentum der Mafia" gefunden hatte. Woher kam dieser ganze Reichtum? Sabine hatte doch nur einen Halbtagsjob!
Der Schlüssel im Safe schien die Lösung zu sein. Ich nahm ihn und suchte erneut die ganze Wohnung ab. Kurze Zeit später hatte ich die passende Tür dazu gefunden: in der Küche. Es schien die Tür zu einer Abstellkammer zu sein, gut verdeckt, weil sie mit der gleichen Tapete beklebt war wie die Wand. Mit einem sehr flauen Gefühl im Magen schloß ich auf und öffnete. Was ich dann sah, brachte mich sofort zum Kotzen.
Nachdem ich mich über der Spüle erleichtert hatte, schaute ich noch einmal in die kleine Kammer, aber es blieb dabei: in einem hohen Regal lagen Tausende von Fotos, die meine Kinder in eindeutigen Stellungen zeigten, sowie Dutzende von Videokassetten, ebenfalls mit dem Bild meiner Kinder auf dem Umschlag. Wie in Trance ging ich zurück zum Safe, steckte die Wertpapiere und das Bargeld in eine Plastiktüte, brachte sie zum Auto und drückte sie Geli in die Hand, die mich todtraurig und mitfühlend anschaute, dann ging ich zurück und rief die Polizei an.
Zuerst kamen zwei Leute, darunter auch die Beamtin, die die Anzeige meiner Kinder aufgenommen hatte. Sie sah in die Kammer und rief gleich die Kripo an, die ein paar Minuten später auftauchte. Ich machte meine Aussage, verschwieg natürlich das gefundene Geld, was ich benutzen wollte, um mit meinen Kindern in eine größere Wohnung zu ziehen, und konnte dann gehen. Diamanten und Sparbuch meiner Frau wurden sichergestellt; offenbar reichten diese Werte den Beamten völlig aus.
Auf dem Weg zum Auto schwor ich mir, meinen Kindern nichts von den Fotos und Filmen zu erzählen; sie hatten schon genug mitgemacht in ihrem kurzen Leben. Ich fuhr mit der ganzen Bande nach Hause. Geli rief kurz ihren Vater an, um ihm zu erzählen, was so passiert war, während ich meine Kinder an mich drückte und - ich schäme mich deswegen nicht! - weinte. Vor Glück und vor Kummer.
Doch diese erste Aufregung legte sich schnell, als Marita sich kritisch umblickte und meinte: "Ganz schön eng hier!"
"Ja, mein Kleines!" lachte ich. "Wir suchen ganz schnell eine große Wohnung."
"Kriegen wir denn eigene Zimmer?" fragte Konrad.
"Natürlich, mein Kleiner. Ach, Kinder, darf ich das überhaupt noch zu euch sagen? Ihr seid so gewachsen!"
"Sicher!" - "Klar!"
"Danke euch. Vorerst schlaft ihr in meinem Bett, ich auf dem Sofa. Ich werde gleich morgen etwas anderes suchen. Was haltet ihr alle von einem schönen Abendessen im Restaurant?"
Das stieß auf begeisterten Zuspruch. Sabine hatte die Kinder sozusagen unter Verschluß gehalten; sie durften so gut wie gar nicht raus.
Geli kam von ihrem Telefonat zurück. "Papa sagt, ich soll dich auf keinen Fall allein lassen", grinste sie breit. "Ich müßte nur noch mal kurz zu Hause vorbei, um ein paar frische Sachen zu holen."
"Dann pack gleich alles für das Wochenende ein", lachte ich mit nassen Augen. "Morgen ist doch schon Freitag."
"Das wollte ich nur hören", kicherte Geli.
"Komm her, du!" Ich drückte so fest an mich, daß sie leise aufschrie. "Geli, ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin!"
"Ich merk's ja!" stöhnte sie. "Nicht so fest!"
"Noch einmal." Ich drückte noch einmal zu, daß Geli die Luft ausstieß, dann ließ ich sie los. "Geli, wann immer du mich brauchst, ich werde für dich da sein."
"Will ich doch hoffen!" schmunzelte sie. "Kann ich mich für morgen krank melden? Meine Rippen sind wohl gebrochen."
"Schlafen sie?" fragte Geli leise. Ich nickte.
"Ja. Tief und fest. Kleines, ich brauche dringend eine größere Wohnung. Das geht einfach nicht."
"Freitags stehen immer viele Wohnungen in der Zeitung", überlegte Geli. "Samstags auch, aber die sind immer sofort weg. Das kenn ich noch von früher. Du kannst ja vom Werk aus was suchen."
"Genau das habe ich vor, Kleines. Willst du wirklich auf dem Boden schlafen?"
"Ja, Dieter. Das macht mir nichts. Eine Decke für den Boden, eine zweite für mich. Das reicht." Sie schmiegte sich an mich. "Glücklich?"
"Unbeschreiblich glücklich, Kleines. Ich habe meine Kinder wieder! Ich kann das noch gar nicht richtig glauben."
"Glaub's ruhig", lächelte Geli. "Ich hab sie auch gesehen. Sie sind hier. Wie läuft das morgen?"
"Die Kinder bekommen Geld von mir, um zur Schule zu fahren. Sie haben zwar eine Monatskarte, aber die gilt nur für die Strecke von der Schule zu ihrer alten Wohnung. Marita bekommt den Zweitschlüssel. Wir machen morgen um zwei Uhr Schluß, bis dahin habe ich vielleicht schon einen Termin für eine neue Wohnung. Dann schauen wir mal weiter."
"Wird schon klappen", meinte Geli zuversichtlich. "Du brauchst auch jede Menge Möbel, nicht wahr?"
"Ja, Kleines. Ganz dringend zwei Kinderzimmer, aber zuerst die Wohnung. Na komm, morgen ist auch noch ein Tag. Ich bin todmüde, Kleines."
"Ist ja auch viel passiert." Sie küßte mich gefühlvoll. "Dann schlaf schön, mein Liebling."
"Du auch, mein Kleines. Es tut mir leid wegen gestern, Angelika."
"Schon gut", lächelte Geli. "Ist vergessen."
"Wieso bist du eigentlich so verständnisvoll und verzeihend?"
"Keine Ahnung", kicherte Geli. "War alles bei der Geburt mit dabei. Gute Nacht."
"Gute Nacht, Geli. Ich lieb dich."
"Ich dich auch."


Der Hallenleiter---Rest




Am nächsten Morgen schliefen wir bis halb sieben; das war die Zeit, wo die Kinder aufstehen mußten. Aus dem kärglichen Inhalt meines Kühlschrankes bereitete ich so etwas wie ein Frühstück zu. Als es daran ging, die Wohnung zu verlassen, brach Maritas Temperament aus.
"Habt ihr den Schlüssel?" fragte ich sie.
"Ja."
"Habt ihr das Geld?"
"Ja!"
"Wißt ihr die Buslinie nach hier?"
"JA!"
"Habt ihr -"
"Papa!" Marita stampfte mit dem Fuß auf. "Wir sind schon 12!" Auch Konrad schaute mich ungnädig an.
"Wir schaffen das schon!" beruhigte er mich.
"Ganz der Vater", kicherte Geli. "Dann mal alles raus."
Die Kinder drückten mich und Geli, dann rannten sie die Treppe hinunter. Geli und ich folgten gemächlicher. Da die Schule meiner Kinder in einer ganz anderen Ecke lag als das Werk, konnte ich sie nicht bringen. Aber sie wußten ja offenbar, wo sie hin mußten. Wir winkten ihnen zu, als wir losfuhren, und sie winkten fröhlich zurück.
"Jetzt erzähl", forderte ich Geli auf, als wir auf der Hauptstraße waren. "Was hast du mit ihnen gemacht?"
"Nicht viel. Ihnen eingeimpft, daß sie dir absolut vertrauen können, und erklärt, was in ihren Köpfen Lüge und was Wahrheit ist. Die Erinnerung an alles hab ich ihnen gelassen, aber die Angst und den Ekel erst mal was abgeschwächt. Mit der Zeit kommen sie selbst darüber weg."
"Nicht viel!" Kopfschüttelnd sah ich kurz zu ihr herüber. "Geli, das hätten tausend Therapeuten nicht so hinbekommen! Nicht in fünf Jahren!"
"Mag sein", erwiderte sie gleichgültig. "Ich wußte ja, woher das alles kommt, deswegen konnte ich es gut auflösen und richtigstellen."
"Ich werde wohl nie verstehen, worüber du redest", lachte ich. "Egal. Was ich dir gestern gesagt, habe, gilt. Ich bin immer für dich da, Kleines."
"Ich weiß." Sie legte ihre Hand auf meine. "Dieter, ich bin glücklich, wenn du glücklich bist. Ich hätte nur eine Frage an dich."
"Schieß los."
"Jetzt, wo deine Kinder bei dir sind, möchtest du... Ich meine, soll ich da noch bei dir bleiben?" Sie schaute mich etwas ängstlich an. Für die Antwort mußte ich nicht nachdenken.
"Ja, Geli", sagte ich ernst. "Ich liebe dich, Kleines. Nicht nur für das, was du alles für mich getan hast, sondern weil du ein so unglaublich lieber Mensch bist. Sei bei mir, so oft du kannst. Und so oft du möchtest."
"Danke." Sie drückte meine Hand. "Ich liebe dich auch, Dieter. Auch wenn viele sagen, daß in meinem Alter noch gar nicht geliebt werden kann. Aber ich liebe dich trotzdem."
"Darf ich dich denn in der Firma noch anschnauzen?" grinste ich.
"Klar!" lachte Geli. "Ich mag den Brummbär in dir."
"Noch ein Wort", fauchte ich gespielt wütend, "und ich binde dich ans Vorderrad! Und dann geht's ab auf die Autobahn!"
"Geil!" kicherte Geli. "Nochmal!"
"In der Firma", vertröstete ich sie. "Ich mag jetzt nicht mit dir schimpfen, nicht mal im Spaß." Ich legte meine Hand an ihren Nacken. "Weißt du, was mir gestern noch eingefallen ist, Kleines?"
"Nein. Was denn?"
"Ich muß keinen Unterhalt mehr zahlen. Die Schulden meiner Ex sind noch... ich glaube, um die viertausend Mark, dann ist das alles abgezahlt. Mit meinem Gehalt kommen wir ab jetzt wunderbar über die Runden. Mit dem Geld, was ich bei ihr gefunden habe, können wir vier uns sogar ein richtig schönes Leben machen. Meinen Kindern eine gute Zukunft finanzieren, und dir natürlich auch."
"Wird das Geld wenigstens für was Gutes eingesetzt", sagte Geli leise. "Was für ein Schwein!"
"Ja, Kleines. Es ist gut, daß sie in Haft ist. Sonst würde ich sie wirklich foltern."
"Ich auch", flüsterte Geli. "Ich hab gespürt, wie sie sich dabei gefühlt haben, Dieter. Das war so furchtbar, das glaubst du nicht." Sie atmete tief durch. "Ist ja jetzt vorbei. Sie sind froh, wieder bei dir zu sein. Ich glaube, ihr werdet euch ganz schnell wieder aneinander gewöhnen."
"Das hoffe ich sehr, Kleines. Wir hatten früher ein wahnsinnig gutes Verhältnis zueinander. Geli, ich möchte, daß du mal über das hier nachdenkst: wie würde es dir gefallen, bei uns zu wohnen? Richtig zu wohnen, meine ich. Meine Kinder mögen dich, und ich liebe dich. Denk einfach mal drüber nach, Kleines, aber laß dir Zeit. Du mußt nicht sofort antworten."
"Möchte ich aber", sagte sie leise. "Dieter, ich hab viel darüber nachgedacht, warum ich so unbedingt bei euch im Werk anfangen wollte. Jetzt weiß ich das. Weil du da warst. Weil wir uns so kennenlernen konnten. Und im Oktober fingen Papa und Tante Vera an, richtig zu nerven, daß sie zu uns ziehen soll. Das scheint alles zu passen. Ich meine, wir beide lieben uns, Papa will, daß ich mein eigenes Leben führe... Paßt doch, oder?"
"Sieht so aus, aber was willst du, Kleines? Was stellst du dir vor?"
"Bei dir sein", lächelte sie verliebt. "Bei dir wohnen, für deine Kinder eine große Schwester sein, und für dich..."
"Für mich?"
"Irgendwann mal eine Frau sein", flüsterte sie. "Wenn ich keine Angst mehr davor hab."
"Ach, Kleines!" sagte ich gerührt. "Geli, ich hatte bis zu Iris fast zwölf Jahre keinen Sex mehr. Glaubst du, ich würde gleich über dich herfallen?"
"Nein", lächelte sie mit roten Bäckchen. "Jetzt kapier ich das langsam erst, Dieter. Alles läuft auf den Punkt zu, wo ich von Papa wegziehe und zu dir komme. Schon komisch. Ich meine, ich kann alles um mich herum steuern, wenn ich will, aber das jetzt ist mir noch gar nicht so richtig klargeworden."
"Möchtest du denn mit mir leben, Angelika?" fragte ich leise. Sie nickte spontan.
"Ja, Dieter. Bei dir, und mit dir. Und mit deinen Kindern. Wie eine Familie. Kann Papa uns denn mal besuchen?"
"Geli! Natürlich kann er das! So oft er Lust dazu hat!"
"Danke!"
"Sag nicht Danke, Kleines. Für mich ist Familie auch etwas sehr Wichtiges. Dank dir habe ich jetzt wieder eine."
"Hör jetzt auf!" lachte Geli. "Sonst fang ich noch an zu flennen!"
"Du und flennen! Ha! Da lachen ja die Hühner! Eine 13jährige Hexe, die Gott und die Welt manipuliert..."
"Eine 13jährige weiße Hexe!" kicherte Geli fröhlich.
"Und wenn du so weitermachst, wirst du keine 14jährige weiße Hexe! Mein Wort darauf!"


Nachdem die sechs Mädchen umgezogen waren, gingen wir erst einmal in die Kantine.
"Gut, Kinder", sagte ich, als wir alle saßen und Getränke hatten. "Die letzten zwei Wochen waren ziemlich aufregend für uns alle. Iris, wie geht es dir? Gut eingelebt?"
"Total!" strahlte sie. "Petra, Astrid und ich sind schon richtig gute Freundinnen!"
"Prima! Petra, wie sieht es bei dir aus?"
"Bestens!" grinste sie breit. "Ahmad und ich treffen uns jeden Abend!"
"Das freut mich, Kleines. Bei mir hat sich auch sehr viel bewegt. Angelika hat es geschafft, meine Kinder zu mir zu bringen. Die genauen Umstände sind unwichtig, aber ich habe sie wieder. Deswegen erwartet nicht, daß ich in Zukunft genauso bissig sein werde wie früher. Das ist irgendwie vorbei. Ich habe in der Halle viele Gerüchte gehört, weswegen Iris zwei Nächte bei mir geschlafen hat und was wir angestellt haben sollen, aber ich denke, ihr werdet inzwischen alle wissen, was bei Iris abgegangen ist." Die Mädchen nickten ohne jeden Hintergedanken. "Das gleiche gilt für Angelika. Ich bin gestern nur deshalb mit ihr verschwunden, weil sie mit meinen Kindern reden wollte. Was meine Kinder hinter sich haben, geht hier keinen etwas an; wichtig ist nur, daß sie wieder in Sicherheit sind, und dafür gebührt Angelika der Dank. Genug davon.
Heute werdet ihr ein kleines Prüfungsstück machen, Mädchen. Es ist ein kleiner Teil aus der Zwischenprüfung. Eigentlich hatte ich vor, euch das erst am Ende der vier Wochen machen zu lassen, aber ihr seid alle so fleißig gewesen, daß ich denke, ihr werdet damit klarkommen. Macht euch keine Sorgen, wenn ihr es nicht schaffen solltet; ihr habt gerade zwei Wochen hinter euch, während die Zwischenprüfung erst nach zwei Jahren ansteht. Es soll einfach nur testen, wie weit ihr schon seid. In der Zwischenprüfung selbst wird natürlich noch viel mehr geprüft, aber das ist für uns hier uninteressant. Ihr werdet einen Winkel aus Aluminium herstellen, mit vier Gewinden und einem Ausschnitt, der an einen anderen Winkel passen soll. Jetzt trinkt in Ruhe aus."
Zwanzig Minuten später standen wir an der Werkbank. Ich erklärte den Mädchen, wie eine technische Zeichnung zu lesen war. Eine halbe Stunde später waren sie in die Arbeit vertieft.
Ich ging hinauf in mein Büro und telefonierte die nächste Stunde. Zuerst mit Bea, die ich zum Mittagessen mit uns einlud, dann mit Maklern und Gesellschaften, die Wohnungen vermieteten. Nach dem zweiundvierzigsten Gespräch hatte ich eine Frau Fuhrmann am Apparat, die sehr sympathisch klang.
"Wir haben eine sehr schöne und große Wohnung frei", meinte sie mit einer noch relativ jung klingenden Stimme. Ich schätzte sie auf Beas Alter: Anfang zwanzig. "Wenn Sie möchten, können Sie die heute noch besichtigen."
"Sehr gerne." Ich notierte mir die Adresse und die Zeit, bedankte mich und rief die nächsten Leute an.
Am Ende der Zeit, die ich den Mädchen gegeben hatte, standen vier Termine für morgen, sechs für Sonntag und zwei schon für heute nachmittag und heute abend auf meiner Liste. Das sah doch richtig gut aus. Zuversichtlich ging ich in die Halle hinunter, sammelte meine Mädchen und ihre Werkstücke ein, dann ging es wieder in die Kantine. Die Mädchen holten sich etwas zu trinken, während ich ihre Arbeiten begutachtete und vermaß. Am Ende war ich ehrlich beeindruckt.
"Na schön", lächelte ich die Mädchen an, als ich die letzte Zahl notiert hatte. "Das habt ihr wirklich gut hinbekommen, Kinder. Fangen wir an wie in der Schule: von hinten nach vorne." Ich sah auf meinen Zettel. "Dagmar, 66 Prozent. Das ist ganz knapp an einer Drei vorbei. Bettina, 72 Prozent. Das ist eine glatte Drei. Rita, 79 Prozent. Das ist fast schon eine Zwei. Iris, 84 Prozent. Das ist eine saubere Zwei. Petra, 97 Prozent." Ich schaute das Mädchen an. "Wie kommt das, Kleines? Drei Gewinde sind absolut gerade, nur eines läuft um drei Grad aus der Senkrechten."
Petra wurde rot. "Bei dem", gestand sie verlegen, "hab ich zu Ahmad rübergesehen, und wir haben uns einen Kuß zugeworfen."
"Ah ja!" rief ich über das Lachen der anderen Mädchen hinweg. "Dafür sollte ich dich übers Knie legen! Kind, mach sowas nicht, wenn du an der Stanze stehst, hörst du?"
"Mach ich", grinste Petra mit roten Bäckchen.
"Will ich auch hoffen. Letzte bzw. erste: Angelika, mit satten 100 Prozent. Meinen Glückwunsch an euch alle, Kinder. Das ist eine sehr saubere Arbeit, die ihr gemacht habt. Iris? Was ist bei dir passiert, Mädchen? Am Anfang warst du ja nicht so begeistert von der Arbeit hier."
"Weiß auch nicht", gestand das Mädchen, das dank Geli nicht mehr wußte, daß wir heftig miteinander geschlafen hatten. Der Gedanke hatte einen ganz seltsamen Beigeschmack, den ich nicht einordnen konnte. "Bei dem ganzen Stahl konnte ich ja nicht so viel kaputtmachen, und als ich das kapiert hab, lief's plötzlich."
"Prima, Kleines. Tja, damit hättet ihr alle diesen Teil der Zwischenprüfung bestanden. Gratuliere!" Die Mädchen plapperten aufgeregt los. Ich ließ sie ihre Freude auskosten und holte mir noch einen Kaffee von der Theke. Nach einigen Minuten kehrte wieder Ruhe ein.
"Es ist jetzt halb zwölf. Etwas Neues anzufangen, hat keinen Sinn. Machen wir es wie letzte Woche, Kinder. Um eins Mittagessen, um zwei Feierabend. Bis dahin können wir uns noch etwas unterhalten, wenn ihr mögt." Alle Mädchen nickten begeistert.
"Was war denn mit Ihren Kindern?" fragte Petra sofort.
"Wie gesagt, viel möchte ich darüber nicht erzählen. Was ich sagen kann, ist dies: ihre Mutter, von der ich mich vor über sechs Jahren getrennt habe, hat den beiden so viele Lügen über mich eingetrichtert, daß sie mich nicht mehr sehen wollten. Angelika hat mit den beiden gesprochen und ihnen klargemacht, wer gelogen hat. Nun wohnen sie wieder bei mir."
"Schön!" sagte Petra überzeugt. "Das freut mich für Sie, Herr Kaminski!"
"Mich auch, Kleines. Ich habe sie seit eineinhalb Jahren nicht gesehen; jetzt müssen wir uns erst mal wieder aneinander gewöhnen. Aber das wird schon klappen."
"Warum haben Sie sich denn scheiden lassen?" fragte Iris. "Wenn ich fragen darf."
"Fragen darfst du immer", grinste ich. "Aber ob ich antworte, ist was anderes." Die Mädchen lachten hell. "Nein, ich antworte schon. Es hat sich herausgestellt, daß meine Frau nur jemanden suchte, um Kinder zu bekommen. Als Konrad und Marita - meine Kinder - geboren wurden, hat sie sich um 180 Grad gedreht und war nur noch kalt und abweisend. Sechs Jahre habe ich das mitgemacht, dann konnte ich nicht mehr."
"Sechs Jahre!" staunte Rita. "Ich hab mal einen Freund, der auch so kalt war, schon nach drei Tagen abgesägt!"
"Glaub mir", lachte ich, "wenn wir nicht verheiratet gewesen wären und Kinder gehabt hätten, hätte ich auch nicht so lange mitgespielt. Nicht mal drei Tage! Wieso hast du dich denn überhaupt mit dem eingelassen?"
"Weil der so gut aussah", gestand Rita. "Ich fand den so süß! Aber interessiert hat der sich für nichts! Wir haben viel miteinander geknutscht und so, aber reden war nicht drin. Bettina, du hattest doch auch mal so einen, nicht?"
"Ja", knurrte Bettina. "Eine Woche lang! Ich hab alles versucht, den zum Reden zu bringen, aber der wollte nur küssen und ficken. Entschuldigung", sagte sie mit einem schnellen Seitenblick auf mich. "Mit mir schlafen."
"Schon gut", grinste ich. "Ich war ja auch mal jung."
"Echt?" fragte Angelika neugierig. "Wann war das? In der Steinzeit?"
"Angelika!" Selbst ich mußte mitlachen.
Blödelnd und lachend verging die Zeit sehr schnell. Um eins kam Bea, mit der ich mich sofort an einen anderen Tisch setzte.
"Was kann ich für dich tun?" fragte sie anzüglich.
"Was schreiben", grinste ich. "Das tust du doch so gerne, habe ich gehört." Ich wurde ernst. "Bea, schreib dir bitte eine Telefonnummer auf. Ich werde nachher, wenn die Mädchen weg sind, zu Erwin gehen und mit ihm reden. Am Ende des Gesprächs werde ich vielleicht nicht mehr hier arbeiten." Bea erschrak.
"Du willst gehen? So schnell?"
"Ja." Ich erzählte ihr kurz von meinen Kindern, aber nur, daß sie nun wieder bei mir waren, und von den Angeboten der beiden Firmen. Bea nickte nachdenklich.
"Verstehe. Ich würde das genauso machen, Dieter. Aber warum soll ich -"
"Ich will dich mitnehmen." Ich beugte mich etwas vor. "Bea, Junkers hat den Ausbildungsleiter gefeuert, weil der nicht nur mit einem Mädchen was gehabt hat, sondern mit mehreren. Und bei einigen von den Mädchen war das nicht sehr freiwillig. Das war der eigentliche Grund, warum er gefeuert wurde. Durch das letzte Mädchen kam das erst alles ans Licht. Die Frau des Ausbildungsleiters, die für die Mädchen verantwortlich war, steckte auch mit drin und ist ebenfalls geflogen." Bea verstand.
"Junkers würde dich auch einstellen, Bea. Das wäre das Gehalt." Ich schob Bea einen kleinen Zettel zu. Sie öffnete ihn und riß die Augen auf.
"Genau", grinste ich. "Klingt doch gut, oder? Da kannst du deinem Mann endlich mal eine schöne Krawatte zu Weihnachten kaufen."
"Blödmann!" lachte sie überwältigt. "Das zahlen die echt?"
"Ja. Kommt aber noch besser. Du wirst offiziell meine Assistentin, aber inoffiziell wirst du das machen, was ich derzeit mache: organisieren, planen, entscheiden. Wir werden die Bewerber zusammen interviewen, gemeinsam entscheiden, wen wir nehmen, du wirst dich um die Mädchen kümmern, ich um die Jungen. Oder umgekehrt, je nachdem, was gerade anliegt. Deine Kenntnisse des Personalwesens sind für Junkers sehr interessant. Deine Vorgängerin war in dieser Hinsicht eine typische Frau: doof wie Stroh."
"Dieter!" Sie schaute mich glücklich an. "Warum machst du das für mich? Ich denke, du haßt Frauen!"
"Tu ich ja auch, aber du bist die einzige von dem ganzen Sauhaufen, die nie böse wurde und die nie über mich hergezogen ist. Du hast mich einfach so genommen, wie ich bin. Deshalb. Ich kann schon morgen bzw. Montag da anfangen. Wenn du Lust hast, komm nach. Ich halte den Stuhl für dich frei."
"Das ist dein Ernst!" flüsterte sie.
"Ja, Bea. Mein voller Ernst. Dieser Laden hier wird vor die Hunde gehen, wenn für die kommenden Mädchen keine größere Sicherheit geschaffen wird. Ich will nicht meinen Kopf für die Blödheit der Geschäftsleitung hinhalten." Ich lächelte ihr zu. "Denk drüber nach, ja? Jetzt laß uns was zu Essen holen, ich habe Hunger."
Um zwei Uhr brachten wir die Mädchen zum Tor. Geli wartete am Eingang auf uns, in Sichtweite der Sicherheit, während Bea und ich das VG1 betraten. Bea ging zurück an ihre Arbeit, ich ging zu Erwin.
"Mahlzeit!" grüßte ich fröhlich.
"Ach, der verlorene Sohn!" grinste er breit. "Na, Dieter? Hast du dein Büro jetzt in der Kantine aufgeschlagen?"
"Klar!" lachte ich. "In der Halle kann ich mit den Mädchen nicht so gut flirten, deswegen sitzen wir lieber woanders, wo's ruhiger ist."
"Aha. Mal im Ernst, bitte: Warum verbringt ihr so viel Zeit dort, anstatt zu arbeiten? Denn soweit ich mich erinnern kann, sind die sechs Mädchen deshalb hier."
"Genau deswegen. Weil es 14jährige Mädchen sind", sagte ich sanft. "Erwin, es sind Kinder. Keinerlei körperliche Arbeit gewohnt. Ich habe sie heute ein Teil aus der letzten Zwischenprüfung machen lassen, und als Belohnung für das unerwartet gute Ergebnis habe ich ihnen etwas Freizeit geschenkt." Ich schob ihm den Zettel mit den Ergebnissen zu.
"So, so", murmelte er, als er mit Lesen fertig war. "Na gut. Sieht ja ganz ordentlich aus. Weswegen bist du hier?"
"Wegen einer großen Sorge. Die Mädchen, die ab nächsten Sommer kommen werden." Ich setzte mich. "Wann findet diese Konferenz statt, von der du geredet hast?"
"Ist noch unklar."
"Ah ja. Danke für die Lüge. Weißt du, daß du dich sehr verändert hast, Erwin? Als ich vor zehn Jahren hier anfing, warst du jemand, mit dem man wirklich reden konnte. Jetzt, heute, bist du nur noch ein Lakai."
"Wie redest du denn mit mir?" Beginnender Zorn zeigte sich in seinem Gesicht, und das war diesmal keine einstudierte Miene.
"Wie eine Führungskraft mit einem Angehörigen des Management redet, wenn der Angehörige des Management die Sicherheitsbedenken der Führungskraft außer acht läßt." Das traf ihn voll.
"Erwin, wir hatten hier beinahe ein vergewaltigtes Mädchen. Das scheint immer noch nicht in deinen Kopf zu gehen. Ein 14jähriges Schulmädchen, das während ihres Berufsvorbereitungsmonats beinahe vergewaltigt worden wäre. Wenn ich nur etwas später gekommen wäre, wäre es passiert."
"Das ist doch wohl dein Problem", meinte Erwin kühl. "Du hattest die Anweisung, die ganze Zeit bei den Mädchen zu bleiben."
"Ich weiß. Den Vorwurf habe ich mir schon selber gemacht, und zwar wesentlich bissiger als du jetzt. Aber: gilt die Anweisung auch nächstes Jahr, wenn ich fünfzig Mädchen habe statt sechs? Oder bei siebzig? Oder bei hundert?" Erwin schwieg dazu. "Dachte ich mir. Was soll dann passieren? Sollen tagtäglich zwanzig Leute von der Sicherheit in der Halle stehen, Pistole im Anschlag, Elektroschocker in der anderen Hand? Wird ‚ne tolle Atmosphäre geben, in der sich die jungen Mädchen bestimmt sehr wohl fühlen werden."
"Was willst du?"
"Erstens: eine Gehaltserhöhung. Johann & Co. bieten mir ein Gehalt von 6.500,- brutto, Junkers von 7.000,-. Ich möchte 6.500,-."
"Und weiter?" Erwin konnte sich ein Grinsen nicht verbeißen.
"Zweitens: eine Assistentin, die sich ausschließlich um die Mädchen kümmert. Drittens: eine räumliche Trennung von Azubis und Arbeitern. Viertens: Entscheidungsrecht bei allen Dingen, die die Ausbildung angehen."
"Möchtest du." Erwin lehnte sich entspannt zurück. "Weißt du, was ich möchte?"
"Nein, aber du wirst es mir bestimmt sagen."
"Das werde ich. Erstens möchte ich einen schönen Lamborghini. In Gelb. Zweitens möchte ich drei Monat Urlaub in Brasilien machen. Drittens möchte ich meinen Flugschein machen, für kleine Düsenjets. Viertens möchte ich, daß du zurück an deine Arbeit gehst."
"Gleich. Was ist mit der Gehaltserhöhung?"
"Vergiß es!" Erwin lachte herzhaft. "Dieter, wenn du dich die letzten Jahre nicht um eine Erhöhung gekümmert hast, ist das dein Problem!"
"Aha. Du weißt aber auch, warum ich mich nicht darum gekümmert habe?"
"Keine Ahnung. Private Probleme meiner Mitarbeiter interessieren mich nicht." Hatte ich das noch vor zwei Wochen nicht selbst gesagt?
"Gut, dann ist das klar. Was ist mit den anderen Punkten?"
"Die kannst du ebenfalls vergessen. Die Sicherheit der Mädchen ist gewährleistet; alles andere braucht dich nicht zu interessieren."
"Gib mir Details", bat ich lächelnd. "Wie wollt ihr das anstellen? Wie wollt ihr über 300 Männer davon abhalten, über 50 junge Mädchen herzufallen, wenn sie der Hafer sticht? Sag es mir bitte! Das interessiert mich nämlich wahnsinnig."
"Das braucht dich nicht zu interessieren!" wiederholte er sehr sanft. Gut! Ich hatte ihn soweit!
"Wie ich schon sagte, du bist ein Lakai. Ein Befehlsempfänger der übergeordneten Stufe. Unfähig, selber zu denken. Oder du versteckst dich hinter der Autorität deiner Bosse. Scheißegal. Du wirst ein Bauer in diesem Schachspiel sein, Erwin. Der allererste, der fällt. Auch wenn ihr noch so viel Schweigegelder bereitstellt, eines der Mädchen, die unter eurer Kurzsichtigkeit leiden müssen, wird soviel Würde haben, daß es sich nicht zum Schweigen verdonnern läßt. Und damit seid ihr am Arsch. Sobald eine redet, reden auch alle anderen. Das wird das Ende eurer glorreichen Planung und weisen Sprüche sein."
"An dieser Stelle sollen wir das Gespräch beenden", sagte Erwin kühl. "Ich habe dir schon gesagt, daß ich deine Bedenken weitergeben werde."
"Und genau das kann ich mir bei einer Dauer von fünf Minuten Konferenz nicht vorstellen, aber okay. Wenn ich die sechs Mädchen nicht hier hätte, würde ich dir den ganzen Kram sofort vor die Füße schmeißen. Und falls du mich raussetzen solltest, werde ich die Kinder auffordern, nicht mehr zu kommen. Dagmar wird erfreut sein, bei den Lokalradios ihre Geschichte zu erzählen, wie gut sie hier beschützt worden ist und so weiter. Genau die Art Werbung, die du magst." Grußlos ging ich hinaus.
Die Wohnung, die ich mit meinen Kindern und Geli um vier Uhr besichtigte, gefiel uns allen nicht so besonders. Groß war sie, aber auch ziemlich dunkel. Nach einem unverbindlichen "Ich melde mich demnächst" brach ich die Tour ab. Wir fuhren gleich weiter zur nächsten Wohnung. Laut Stadtplan lag sie direkt am Rhein, in der Nähe eines Industriegebietes.
Das letztere klang nicht so toll.
Meine Bedenken steigerten sich noch, als ich sah, daß dem Haus, in dem die Wohnung war, ein riesiger Komplex aus vier 16stöckigen Hochhäusern gegenüberstand. Auf der anderen Seite der Waagschale war ein nur zwei Minuten zu Fuß entferntes, gigantisches Einkaufszentrum, das sofort das Interesse meiner Kinder auf sich zog.
"Das klappt schon", sagte Geli lächelnd, die meine Bedenken gespürt hatte. "Laß sie uns erst mal ansehen. Ich hab ein gutes Gefühl dabei."
"Na gut", seufzte ich und fuhr den Wagen auf den Besucherparkplatz. Kurz darauf klingelte ich bei der Gesellschaft, die sich um die Vermietung kümmerte.
"Ja?" hörte ich eine fröhliche Stimme sagen, die fast so klang wie die eines jungen Mädchens.
"Kaminski. Ich hatte einen Termin."
"Komme!" Belustigt schaute ich durch die Glastür in den Hausflur. Sekunden später kam eine junge Frau angerannt und riß die Tür auf.
"Hi!" sagte sie atemlos. "Christina Fuhrmann. Wir haben telefoniert."
"Dieter Kaminski." Während wir die Hände schüttelten, schaute ich sie etwas genauer an. Angenehm schlank, ohne dünn zu wirken, mit langen, mittelblonden Haaren und warmen, braunen Augen. Was mich so faszinierte, war ihre Ausstrahlung: sie wirkte wie ein junges Mädchen, obwohl sie schon über zwanzig sein mußte.
"Wollen wir gleich los?" fragte sie eifrig.
"Ja, gerne."
"Fein." Sie ließ ihren Blick über meine Truppe gleiten. "Alles Ihre?"
"Nein, nur die Zwillinge."
"Geli ist Papas Freundin!" verkündete Marita stolz. Ich konnte Marita deswegen nicht einmal einen Vorwurf machen, denn genauso hatte ich Geli vorgestellt, als wir am Abend nach der Befreiung meiner Kinder essen gewesen waren. Frau Fuhrmann überging dies jedoch großzügig.
"Schade. Ich mag Kinder." Sie sah Geli an. "Willst du auch hier einziehen?"
"Ja, schon", lächelte Geli schüchtern.
"Cool! Dann mal los, bevor die Wohnung weg ist." Fröhlich hüpfte - anders konnte ich ihren Gang nicht bezeichnen - sie vor uns her, zu einem Hauseingang zwei Nummern weiter.
"Ich spare mir das ganze Gelaber von wegen Bausubstanz und Stabilität", meinte sie trocken, während sie die Tür aufschloß und uns in den Hausflur ließ. "Mein Mann und ich wohnen seit neun Jahren hier." Sie drückte auf den Knopf, der den Aufzug herbeirief. "Im Februar werden es genau neun Jahre", sagte sie mit einem stillen Lächeln. "In der großen Wohnung. Direkt unter der, die wir uns ansehen werden. Vorher haben wir ein paar Monate in einer kleineren gewohnt, direkt nebenan."
"Aha." Damit verlor sie sofort an Glaubwürdigkeit. "Seit neun Jahren."
"Ja." Sie sah mich gelassen an. "Ich bin hier eingezogen, als ich fast 13 war", sagte sie schlicht. "Und seitdem bei ihm geblieben." Der Aufzug kam. "Meine Eltern haben's erlaubt", grinste sie plötzlich. "Rein mit Ihnen." Sie scheuchte uns in den Aufzug, der uns in den sechsten Stock brachte. Dort schloß Frau Fuhrmann eine Tür auf, schaltete das Licht an, ließ uns in eine sehr großzügig geschnittene Wohnung und schloß die Tür hinter uns wieder. Dann sah sie mich an und legte mir ihre Hand auf den Arm.
"Ich sage Ihnen das, damit Sie sich wegen Geli keine Sorgen machen, Herr Kaminski. Mein Mann ist über zwanzig Jahre älter als ich, aber ich liebe ihn so sehr, wie Geli Sie liebt. Und umgekehrt. Das sehe ich Ihnen an."
Sprachlos starrte ich sie an, während meine Kinder schon die Wohnung erforschten und begeistert aufschrien. Auch Geli hatte von dem kurzen Gespräch nichts mitbekommen; sie stand am Ende des Flures und bewegte sich nicht.
"Schau dir das an, Dieter!" sagte sie überwältigt. Ich sammelte mich und ging zu ihr. "Da!" Geli deutete in ein großes Zimmer.
"Das ist das Wohnzimmer", erklärte Frau Fuhrmann. "Mit einem wunderschönen Blick auf den Rhein."
Der Ausblick war tatsächlich umwerfend. Die Seite des Wohnzimmers, die zum Rhein zeigte, bestand aus einer einzigen großen, breiten Fensterbank, etwa 60 Zentimeter hoch, der Rest war nur Glas. Atemberaubend.
Ich öffnete die Tür zum Balkon und trat hinaus. Geli kam mit nach draußen und kuschelte sich in meinen Arm. "Ist das schön!" hauchte sie überwältigt. "Dieter!"
"Ja, Kleines." Ich drückte sie fest an mich. Es war halb sechs Uhr abends, und schon ziemlich dunkel. Im Rhein spiegelten sich die Lichter der Häuser auf der anderen Rheinseite. Außerdem war es still. Richtig still. Nur gelegentlich fuhr ein Auto vorbei.
"Der ganze Lärm ist auf der anderen Seite", erklärte Frau Fuhrmann. "Selbst die beiden Kinderzimmer kriegen davon nichts mit. Mein Mann und ich sitzen selbst im Winter sehr gerne auf dem Balkon und schauen einfach auf das Wasser."
"Machen wir das auch?" bat Geli leise. "Nehmen wir die, Dieter?"
"Erst mal sehen, wie sie den Kindern gefällt."
"Die überred ich schon", grinste Geli.
"Läßt du das sein!" lachte ich. "Schluß damit!"
"Ja, Chef!" kicherte Geli und sah mich verliebt an.
"Küßt euch ruhig", sagte Frau Fuhrmann lächelnd. "Ich schau auch nicht zu. Ich kenn das Gefühl."
"Später", lenkte ich ein. "Gehen wir mal die Kinder besuchen."
Marita und Konrad hatten sich ihre Zimmer schon ausgesucht. Konrad direkt das erste, Marita das zweite, das neben der Küche lag. Beide waren begeistert von der Größe ihrer neuen Räume. Zuletzt besichtigten wir noch das Schlafzimmer, die Küche und das Bad, dann stand es fest.
"Wir nehmen sie."
"Geil!" freute Frau Fuhrmann sich. "Gehen wir dann gleich an den ganzen Papierkram?"
"Sekunde!" lachte ich. "Ich muß erst meine alte Wohnung loswerden!"
"Das mach ich schon. Wie groß ist die, und wie teuer?"
"35 Quadrat, praktisch nur ein Wohnzimmer, eine winzige Küche und ein kleines Bad. Kostet 600,- warm."
"Perfekt! Dann hab ich da jemanden für. Gehen wir?"
Nur ungern rissen die Kinder sich los, kamen aber schließlich mit nach draußen. Wir gingen eine Etage tiefer, wo Frau Fuhrmann an eine Tür klopfte. Sekunden später öffnete sich die Tür, und ein unglaublich dürres Mädchen von 12, 13 Jahren, das nur aus Haut und Knochen bestand, musterte uns sehr distanziert. Die Kleine hatte kurze, pechschwarze Haare, und kühle blaue Augen.
"Nadja, holst du Anja mal eben?"
Das Mädchen nickte schweigend und lief in die Wohnung. Es war der gleiche Schnitt wie in unserer neuen. Wenig später kam eine Frau in Frau Fuhrmanns Alter heraus, mit langen, braunen Haaren, die etwas dunkler waren als die von Geli. Auch sie hatte braune Augen.
"Was denn?" maulte sie grinsend. "Ich hab grad so schön mit Werner geschmust!"
"Und Nadja den Platz weggenommen, was?" lachte Frau Fuhrmann. "Böses Mädchen! Anja, ich hab vielleicht ‚ne Bude für dich." Sie wandte sich zu mir. "Herr Kaminski hier möchte die Wohnung über unserer haben, seine alte ist so, wie du eine suchst. 35, 600 warm."
"Echt?" Die junge Frau reichte mir ihre Hand. "Anja Wegener. Hi."
"Sehr angenehm. Dieter Kaminski. Das sind meine Kinder Konrad und Marita, das ist Angelika Walter."
"Seine Freundin!" betonte Frau Fuhrmann.
"Mann!" quengelte Frau Wegener. "Ich will auch wieder 12 sein!"
"Du sagst es!" seufzte Frau Fuhrmann. Ich verstand noch weniger als nichts. War ich hier in einen Klub von Ausgeflippten geraten?
"Das erklären wir alles später", grinste Frau Fuhrmann, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Aber wahrscheinlich hatte mein Gesicht deutlich ausgedrückt, was ich dachte. "Gehen wir rüber."
Frau Fuhrmann zeigte uns noch den riesengroßen Spielplatz hinter dem Haus, auf dem die Kinder sich trotz der Dunkelheit gleich häuslich niederließen. Geli blieb bei ihnen. Frau Fuhrmann, ihre Bekannte und ich gingen in das Büro der Gesellschaft. Frau Fuhrmann verwandelte sich übergangslos von dem jungen Mädchen in eine Geschäftsfrau, auch wenn ihre zweite Natur - ich möchte es mal so nennen - immer wieder durchschlug.
"Die Wohnung kostet 1.680,- warm", erklärte sie mir. "Die Miete beträgt 1.280,- bei knapp 110 Quadratmetern, Nebenkosten sind 400,-, wegen des Spielplatzes und der Fußbodenheizung. Der Spielplatz wird einmal pro Monat untersucht, und wenn gefährliche Bakterien im Sand gefunden werden, wird der Sand sofort ausgetauscht. Mieter, die wir dabei erwischen, daß sie ihre Hunde auf dem Spielplatz Gassi führen, werden sofort gekündigt. Das steht entsprechend im Mietvertrag." Sie beugte sich etwas vor. "Kinder sind uns hier sehr wichtig, Herr Kaminski. Und deren Gesundheit liegt uns besonders am Herzen." Ich glaubte ihr das sofort.
"Die Nachteile haben Sie ja schon gesehen. Einmal das Hochhaus nebenan, aus dem ich übrigens selbst komme, genau wie Anja, und das Industriegebiet. Ihre Wohnung bekommt davon jedoch nichts mit, auch das haben Sie gesehen. Ein sehr großer Vorteil ist das Einkaufszentrum; Sie finden dort alles. Wirklich alles. Von dem kleinsten Nagel bis hin zur Bank und Autohändlern. Alles drin. Das Einzugsgebiet ist halb Koblenz, übertrieben gesagt. Wann möchten Sie einziehen?"
"Am liebsten sofort. In meiner alten Wohnung treten wir uns auf die Füße." Ich sah Frau Wegener an. "Sie würden meine Wohnung übernehmen?"
"Ja. Wie Chris schon sagte, komme ich selbst aus dem Hochhaus. Ich hab da bis vor zwei Wochen drin gewohnt, mit meiner Tante. Die ist vor eben diesen zwei Wochen gestorben, und alleine will ich da nicht mehr wohnen."
"Verstehe. Erinnerungen?"
"Schlechte Erinnerungen, ja. Im Moment wohne ich bei Chris. Von mir aus könnten wir heute noch umziehen."
"Halt mal!" lachte ich. "Ich brauch eine Spedition, ich muß einpacken, ich muß -"
"Das klär ich schon", lächelte Frau Wegener. "Spedition ist zu teuer. Ich kenn ein paar Leute, die machen das für ‚nen Kasten Bier und ‚ne Scheibe Pizza. Einpacken können Sie ruhig, den Rest machen die."
"Außerdem", meldete sich Frau Fuhrmann zu Wort, "falls Sie Möbel brauchen, die gibt's auch im Zentrum. Die haben sogar jede Menge vorrätig, weil hier eine sehr hohe Fluktuation an Mietern ist. Nicht in diesen Häusern, aber im Hochhaus. Der Möbelladen hat sehr preiswerte, aber gute Sachen. Mein Mann wird Ihnen gerne helfen, die Sachen nach hier zu tragen. Er arbeitet direkt hier um die Ecke und kann sich Sackkarren und so besorgen."
"Das klingt ja einfach perfekt", staunte ich. "Frau Fuhrmann, ich habe den Eindruck, daß Sie uns unbedingt haben wollen. Kann das sein?"
"Nö!" lachte sie wie ein kleines Mädchen. "Kann gar nicht sein!" Sie beruhigte sich wieder etwas. "Herr Kaminski, ich mache Ihnen ein Angebot: Sie ziehen hier ein, und Sie werden es nicht bereuen. Das kann ich Ihnen versprechen. Wirklich. Alles andere... Ich denke, sie kommen am bestem am Sonntag zu uns zum Frühstück, dann können wir über vieles reden. Ja, ich will Sie hier haben, aber aus Gründen, an die Sie jetzt nicht einmal im Traum denken. Sind aber keine gefährlichen Sachen! Ehrenwort!"
"Wir sind hier einfach nur gut drauf", lächelte ihre Freundin. "Chris und ich arbeiten hier für die Gesellschaft, und wir sehen zu, daß wir nur Leute mit Humor reinlassen."
"Da haben Sie sich den Richtigen geangelt", schmunzelte ich. "Mein Humor ist schon so schwarz, daß die Nacht dagegen wie ein Scheinwerfer ist."
"Geil!" lachte Frau Fuhrmann. "Genau so was fehlt uns hier noch. Abgemacht? Anja, du nimmst seine, und er die hier?"
"Klar!"
"Von mir aus gerne", lächelte ich. "Ich weiß nicht, warum, aber es gefällt mir schon jetzt hier."
"Kommt nur, weil wir alle so nett sind", grinste Frau Fuhrmann. "Ich hol dann mal eben die Papiere."
Wir füllten alles aus, dann sammelte ich meine drei Kleinen ein und fuhr heim. Frau Wegener folgte uns mit ihrem Auto. Sie schaute sich meine Wohnung nur kurz an, dann nickte sie. "Ist gebongt. Kann ich mal telefonieren?" Knapp zehn Minuten später hatte sie meinen Umzug organisiert: morgen früh, acht Uhr.
Der nächste Morgen begann in voller Hektik. Konrad und Marita mußten daran denken, nach der Schule nicht mehr nach hier, sondern zu unserer neuen Adresse zu fahren, aber Frau Wegener hatte ihnen gestern abend noch die Buslinie genannt. Ich hoffte, daß es gutging. Geli und ich packten in aller Eile zusammen. Punkt acht Uhr klingelte es, Punkt acht Uhr zwölf war meine Wohnung leer. Ich war zwar gewöhnt, kräftig zuzupacken, aber was die vier Freunde von Frau Wegener auf die Beine stellten, war schon beeindruckend. Na ja, sie waren ja auch zwanzig Jahre jünger als ich.
Um neun Uhr standen meine alten Möbel in unserer neuen Wohnung. Ich drückte den Leuten je hundert Mark in die Hand, womit sie mehr als zufrieden waren, aber das war mir das Tempo wert. Geli und ich gingen durch die Zimmer, die einfach furchtbar aussahen. Furchtbar leer.
Im Wohnzimmer standen ein paar winzige Regale von mir, eine kleine Couch, und ein schmaler Tisch. Im Schlafzimmer lag meine Matratze, der kleine Kleiderschrank wirkte verloren in dem Zimmer. Küche ging so, sah aber auch nicht besonders aus, da ich damals alle Geräte gebraucht gekauft hatte. Die Kinderzimmer... Außer den Koffern von Konrad und Marita und ihren Schulsachen waren sie völlig leer.
"Ich fürchte", überlegte Geli laut, "daß wir jetzt mal einkaufen gehen müssen."
"Das sehe ich auch so, Kleines. Direkt jetzt?"
"Ja. Laß uns gehen. Konrad und Marita nehmen wir nachher nochmal mit, aber Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer brauchen wir unbedingt."
"Dann auf. Hab ich dir schon gesagt, daß ich dich liebe?"
"Heute noch nicht", kicherte sie. "War keine Zeit zu."
"Dann komm mal her." Geli flog in meine Arme und strahlte mich glücklich an. "Ich liebe dich, Angelika."
"Ich dich auch, Dieter." Wir küßten uns zärtlich, mit sehr viel Gefühl, und das erste Mal mit etwas Zunge, was uns beiden den Atem raubte, so sehr schlug das durch. Atemlos trennten wir uns voneinander.
"Wow!" keuchte Geli. "Der zog durch!"
"Und wie!" Ich drückte sie eng an mich. "Heute abend schläfst du hier?"
"Ja. Morgen abend rede ich mit Papa, wie das bei uns weitergehen soll."
"Gut, Kleines. Dann laß uns einkaufen gehen."
Das Einkaufszentrum war wirklich riesig. Übersichtliche Hinweistafeln und Wegweiser halfen uns jedoch, uns sehr schnell zurechtzufinden. Wenig später standen wir in dem großen Möbelgeschäft und sahen uns gründlich um. Das Schlafzimmer ging schnell. Wir entschieden uns für ein normales Doppelbett, an dessen Kopfende eine dick gepolsterte Schräge war, so daß wir morgens gemütlich im Bett sitzen und uns anlehnen konnten. Die Nachttische waren in das Gestell integriert. Das Holz war schwarz lasiert, die Tagesdecke ebenfalls schwarz, mit geometrischen Figuren in Rot, Gelb und Blau aufgelockert. Die Polsterung am Kopfende war hellgrau. Dazu wählten wir einen Kleiderschrank mit drei Schränken, komplett mit Spiegeltüren. Zwei Schränke hatten Stangen für Gelis und meine Hosen, Hemden und Blusen, der dritte Schrank reichte für die normale Wäsche wie Unterwäsche, Strümpfe, Pullover und T-Shirts. Hilfreich war, daß bei jedem Möbel dabeistand, ob es vorrätig war oder bestellt werden mußte. Wir schnappten uns sicherheitshalber gleich einen Verkäufer, der die Sachen für uns reservierte, dann sahen wir uns nach einem Wohnzimmer um.
Geli verliebte sich sofort in eine Sitzgruppe aus beigefarbenem Stoff, deren hohe Lehnen dick gepolstert waren. Nach dem Probesitzen waren wir begeistert, wie bequem die Dinger waren. Auch sie kamen auf die Liste, wie auch der Couchtisch aus hellbraunem Travertin-Marmor, der hervorragend dazu paßte. Eine Regalwand aus hellem Kiefernholz, dessen Böden beliebig verstellt werden konnten, rundete das Wohnzimmer ab. Die restliche Fläche des Wohnzimmers wurde mit einer Eßgruppe gefüllt, ein Tisch für vier Personen, ausziehbar auf die doppelte Länge, und vier Stühle. Das reichte erst mal für uns; Stühle konnten wir später noch nachkaufen, falls nötig. Die Liste wurde immer länger, das freudige Lachen des Verkäufers immer strahlender. Aber egal. Wir brauchten die Sachen ja.
Die Küche war Gelis Domäne, da hielt ich mich raus. Sie entschied sich für eine preiswerte Variante eines teuren Modells, dessen Türen nicht ganz so glatt waren und dessen Fächer in den Schränken nicht ganz so vielfältig verstellt werden konnten, aber für unsere Zwecke reichte es völlig aus. Aus einem freigiebigen Impuls heraus legte ich noch eine Kombination aus Waschmaschine und Trockner dazu, und als Geli sich darüber riesig freute, bekam sie gleich noch einen großen Tiefkühlschrank dazu, und eine Mikrowelle. Damit war die Küche komplett.
"Boah!" seufzte sie mit leuchtenden Augen, als wir auf die große Rechnung warteten. "Das hat Spaß gemacht!"
"Ja? Gleich nochmal?"
"Nein! Ich bin froh, daß wir alles haben!"
"Fast alles." Ich sah sie entschuldigend an. "Kleines, ich weiß, wie gern du kochst, aber ich habe kaum was von dem Kram, den du dafür brauchst. Ich habe Messer, Gabeln, Löffel, und das war's."
"Dann darf ich Ihnen vielleicht einen Besuch in unserer Zubehörabteilung empfehlen", meldete der Verkäufer sich. "Wir haben dort extra Grundpakete, wie wir es nennen, um einen Haushalt neu einzurichten. Besonders für die Küche und das Bad."
"Genau!" Geli sah mich aufgeregt an. "Dieter, wir brauchen Handtücher, Waschlappen, den ganzen Reinigungskram, und -"
"Das finden Sie alles dort", lächelte der Verkäufer. "Soll ich mit der Rechnung noch warten?"
"Ja, bitte", lächelte ich. "Es kommen sowieso noch zwei Kinderzimmer dazu, aber die erst, wenn meine Kinder aus der Schule sind."
"Kein Problem. Möchten Sie und Ihre Begleiterin, daß wir Ihnen die Möbel anliefern?"
"Das geht?" fragte Geli erstaunt. "Frau Fuhrmann sagte doch, daß wir selber schleppen müssen!"
"Frau Fuhrmann?" fragte der Verkäufer. "Frau Christina Fuhrmann hat Sie geschickt?"
"Ja!" Nun war das Erstaunen auf meiner Seite. "Kennen Sie die Dame?"
"Natürlich! Wer kennt sie nicht! Sie hat vor fast neun Jahren damit begonnen, einen Selbstverteidigungskurs für Mädchen auf die Beine zu stellen. Meine Tochter hat selbst daran teilgenommen und sich einige Monate später gegen einen Verrückten, der sie auf offener Straße ausziehen wollte, perfekt wehren können. Viele Eltern hier schulden Chris großen Dank. Natürlich liefern wir auch an, Herr Kaminski. Allerdings gegen Aufpreis. Die jungen Leute, die Chris sonst hierher schickt, kaufen erstens nicht so viel und zweitens nicht so teuer wie Sie ein, deswegen wird sie wohl nicht daran gedacht haben. Pro Zimmer verlangen wir für Anlieferung und Aufbau siebzig Mark."
"Gekauft", sagte ich sofort. "Für dreihundertfünfzig Mark mache ich mich nicht kaputt. Außerdem würde ich das alles sowieso nicht bis heute abend schaffen. Aber sagen Sie mal, Frau Fuhrmann erwähnte, daß ihr die Sicherheit der Kinder hier sehr am Herzen liegt. Meinte sie diesen Kurs damit?"
"Höchstwahrscheinlich. Kennen Sie ihre Geschichte?" Ich verneinte. "Dann lassen Sie mich nur so viel sagen: Chris' Mann, Werner Fuhrmann, hat sie damals aus einer ziemlich üblen Situation herausgeholt, und seitdem sorgt Chris sich darum, diese Gegend hier sicherer zu machen. Außerdem hat sie noch einige andere Dinge in Gang gesetzt. Aber das wird sie Ihnen bestimmt selbst erzählen. Möchten Sie sich noch nach dem Zubehör umsehen?"
"Auf jeden Fall!" Geli schaute sich suchend um. "Wo ist das?"
Der Verkäufer wies uns die Richtung. Nach weiteren dreißig Minuten hatten wir alles für Küche und Bad komplett. Ein perfekter Service, wie ich fand. Kleine, handliche Pakete, nach Personenanzahl abgestuft, plus Zusatzpakete für Sachen wie Fondue, Kuchen, Hand- und Badetücher und so weiter. Schwer beladen schleppten wir uns zurück. Wir stellten alles in eine Ecke, der Verkäufer schrieb Schilder mit unserem Namen und klebte sie auf die einzelnen Pakete. Auch sie würden mitgeliefert werden.
Ich zahlte die Hälfte der Summe schon einmal an, dann gingen wir ziemlich geschafft nach Hause. Und wieder mußten wir einpacken, dieses Mal meine alten Möbel, die wir in den Keller stellten. Der Krach, den wir dabei machten, rief Frau Fuhrmann auf den Plan.
"Ist doch Schwachsinn, was ihr hier treibt!" meinte sie ungnädig, als sie sah, daß Geli und ich uns mit dem Kleiderschrank abmühten. "Stellt das Ding ab, ich bin sofort wieder da." Wenig später kam sie mit einem Mann Mitte, Ende vierzig zurück, den sie uns als ihren Mann Werner vorstellte. Er und ich hatten den Schrank in Nullkommanichts im Keller. Meinen Dank wehrte er lachend ab und verzog sich wieder. Nun sah unsere neue Wohnung aus wie ein Schlachtfeld: alles lag auf dem Boden herum. Geli fing gleich an, alles an die Seite zu schieben, damit die Möbelleute später Platz hatten, die Sachen aufzubauen.
Als Konrad und Marita aus der Schule kamen, waren wir fix und fertig. Wir gingen erst mal schön essen, in die Pizzeria im Zentrum, die außer italienischer Küche auch deutsche, jugoslawische, griechische und sogar japanische Speisen anbot. Das leckere Essen half uns wieder auf die Beine, und wir konnten gestärkt die Kinderzimmer aussuchen. Konrad wählte ein funktionelles mit vielen geschlossenen Fächern, Marita ein verspieltes mit abwechselnd offenen und geschlossenen Regalen. Und natürlich hatten wir noch etwas vergessen.
"Konrad und ich haben aber keine Bettwäsche", meinte Marita, als wir an der Kasse standen.
"Genau!" Geli starrte mich an. "Wir ja auch nicht, Dieter!"
"Wir haben noch eine Stunde geöffnet", beruhigte der Verkäufer uns. "Bettwäsche finden Sie im ersten Stock, genau wie Tischdecken und Nachttischlampen."
"Stimmt! Das brauchen wir auch noch alles!" Geli zuckte zusammen. "Mann! Ist das immer so viel, wenn man eine neue Wohnung einrichtet?"
"Schätze, ja", grinste ich. "Konrad, Marita, was für Lampen wollt ihr in euren Zimmern?"
"Lampen!" Geli fiel fast aus den Wolken. "Dieter! Das wird zuviel! Was fehlt denn noch alles? Ich kann gar nicht mehr richtig denken!"
"Beruhigungstabletten für dich, Kleines!" lachte ich und drückte sie. "Reg dich ab, das schaffen wir schon."
Wir schafften es, wenn auch nur knapp. Um kurz vor vier hatten wir endlich alles zusammen, sogar an eine Haushaltsleiter hatte ich gedacht. Um zehn nach vier waren wir zu Hause, um zwanzig nach kamen die Möbel. Um sechs war unsere Wohnung fertig; die netten Leute hatten sogar die Lampen für uns angebracht, und das ohne Aufpreis. Jeder der drei bekam noch einen Hunni von mir, damit sie wenigstens etwas vom Wochenende hatten.
Konrad und Marita kümmerten sich um ihre Zimmer, Geli schaffte in der Küche, ich richtete Wohn- und Schlafzimmer ein, dann half ich meinen Kindern, ihre Sachen zu sortieren, denn ich hatte, als ich ihre Sachen zusammengesucht hatte, schmutzige und saubere Wäsche einfach zusammen in den Koffer geworfen. Schließlich weihten wir die Waschmaschine mit der kompletten Wäsche meiner Kinder ein; es war einfacher so.
Um acht aßen wir zu Abend, um neun ging erst Konrad, nach ihm dann Marita duschen. Geli folgte, zum Schluß kam ich. Um zehn lagen wir alle im Bett und schliefen.
Ein merkwürdig bekanntes Geräusch weckte mich am nächsten Morgen. Geli war auch schon wach; auch sie lauschte angestrengt. Es klang wie eine Mädchenstimme, die voller Lust und Erregung stöhnte. Plötzlich schrie sie auf, dann war Ruhe.
"Wow!" kicherte Geli mit roten Ohren. "Das klang gut. Woher kam das?"
"Keine Ahnung. Guten Morgen, mein Kleines."
"Guten Morgen, mein Großes." Geli kam in meinen Arm. "Wie hast du geschlafen?"
"Leider viel zu tief. Ich hätte dich in deiner ersten Nacht in meinem Bett gern im Arm gehabt."
"Ich war auch todmüde", lächelte Geli. "Ich kam aus der Dusche, bin ins Bett gefallen und eingepennt."
"Genau wie ich." Ich streckte mich gründlich. "Tut das gut! Ein richtig großes, bequemes Bett! Komm auf mich, mein Hübsches."
Geli krabbelte auf mich. Ich hielt sie zärtlich fest, streichelte ihren warmen Rücken und küßte sie sanft. Plötzlich hörten wir die Mädchenstimme wieder laut stöhnen, dann brach es ab.
"Nochmal?" kicherte Geli. "Die muß aber gut drauf sein."
"Klang eher nach einer Unterbrechung. Du, ich muß mal ins Bad."
"Ich auch." Sie schaute mich verlegen an. "Wollen wir zusammen gehen?"
"Möchtest du?"
"Ja." Sie wurde rot, wich meinem Blick aber nicht aus. "Wenn wir zusammenleben, gehört das doch dazu, oder? Ich meine, daß man alles vom anderen kennenlernt und sieht."
"Wenn du meinst", schmunzelte ich. "Dann komm. Lernen wir uns kennen."
Während meiner zweiten Junggesellenzeit hatte ich mir abgewöhnt, im Stehen zu pinkeln; es machte zuviel Dreck. Geli sah mir aufmerksam zu, wie ich mich im Bad auszog und hinsetzte. Als der Urin floß, lief sie feuerrot an, konnte ihren Blick aber auch nicht abwenden.
Als ich fertig war, zog ich mir die Pyjamahose wieder an, dann war die Reihe an Geli. Sie schaute mich kurz an, atmete tief durch, zog erst das Oberteil, dann das Unterteil aus und setzte sich. Staunend sah ich, daß sie kaum Haare auf der Scham hatte, nur einen dünnen Streifen direkt in der Mitte, genau über ihrer Scheide. Und ihr Busen... Klein wie die Hälften eines Apfels, aber unwahrscheinlich attraktiv.
"Du bist schön", sagte ich unbewußt. "Wirklich schön, Kleines." Geli errötete heftig, im gleichen Moment rauschte es stark. Fasziniert sah ich dem goldenen Strahl zu, der aus ihr strömte, nach einigen Sekunden schwächer wurde und schließlich versiegte. Geli tupfte sich mit Toilettenpapier ab, ließ es fallen und stand mit roten Wangen auf, als sie gleichzeitig abzog.
"Komm her", flüsterte ich. Schüchtern lächelnd kam sie in meinen Arm und schmiegte sich an mich. Ihre Hitze strahlte wie ein Ofen auf mich. Verlegen legte sie ihre Wange an meine Schulter, das Gesicht abgewandt. Ich strich zärtlich über ihren nackten Rücken und den Ansatz ihres Pos.
"Möchtest du dir was anziehen?" fragte ich leise. Geli schüttelte den Kopf.
"Streicheln", flüsterte sie. "Tiefer."
Gehorsam fuhr ich mit den Händen sanft über ihren festen, heißen Po. Geli drückte sich enger an mich. Ich küßte ihren Hinterkopf, bis sie das Gesicht zu mir drehte. Wir küßten uns leidenschaftlich, gleichzeitig knetete ich ihren Po. Plötzlich war die Mädchenstimme von vorhin wieder zu hören, deutlicher und lauter als vorher. Wir unterbrachen den Kuß und lauschten. Es kam aus der Wohnung unter uns, durch den Luftschacht einwandfrei zu lokalisieren.
"Frau Fuhrmann?" fragte Geli leise.
"Glaub ich nicht. Hört sich jünger an."
Die Stimme stöhnte ekstatisch, dann schrie sie plötzlich voller Lust auf. Geli erschauerte. Sie drehte sich in meinen Armen, nahm meine Hand und führte sie auf ihren Busen. Es war tatsächlich ansteckend, den Orgasmus eines anderen Menschen zu hören; ich hatte das bisher nur für ein Gerücht gehalten. Aber ich war ja auch völlig aus der Übung.
Ich strich zärtlich über ihre kleine Brust, zog und drehte vorsichtig an den harten Nippeln, bis Geli meine freie Hand zu ihrer Scham führte. Ich küßte ihre Haare, schob gleichzeitig meine Finger zwischen ihre Beine und streichelte sie dort. Geli stöhnte leise. Sie drückte die Knie auseinander, um mir Platz zu machen. Ihr Schlitz war schon etwas feucht.
Ich strich sanft darüber, mit dem Schwerpunkt auf dem oberen Drittel, und wurde durch lautes, erregtes Atmen belohnt. Ich drückte Geli mit den Oberarmen an mich, rieb ihren Schlitz, knetete ihre kleinen Brüste, bis sie leise aufschrie und in meinen Armen steif wurde. Ich rieb noch einen Moment weiter, bis sie zitterte, dann ließ ich sie in Ruhe und hielt sie nur fest. Aus der Wohnung unter uns erklang leises Lachen. Ob sie uns genauso gehört hatten wie wir sie?
Geli drehte sich wieder zu mir. "Das war schön, Dieter!" flüsterte sie mit leuchtenden Augen. "Viel besser, als wenn ich das mache!" Dann lächelte sie verlegen. "So oft hab ich das aber auch noch nicht gemacht."
"Dann kommst du in Zukunft nur noch zu mir", lächelte ich. "Ich kann dir das auch beibringen."
"Ganz bestimmt." Geli küßte mich verliebt. "Dreimal am Tag, sobald ich hier wohne."
"Ich kann's kaum erwarten." Wir küßten uns ein zweites Mal, dann zog Geli sich rasch wieder an. Wir gingen leise zurück ins Schlafzimmer und legten uns noch etwas hin, Arm in Arm.
Eine Viertelstunde später hörten wir Konrad. Er murmelte etwas, was sehr verschlafen klang, als er in Richtung Bad tapste. Kurz darauf erklang die Spülung, Schritte kamen zurück, eine Tür schloß sich, ein Bett meldete sich mit einem ganz leisen Ächzen. Oder war das Konrad gewesen?
Knapp fünf Minuten später war Marita dran. Sie wurde, genau wie früher, viel schneller wach als ihr Bruder. Energisch lief sie ins Bad, und genauso energisch kam sie wenig später ins Schlafzimmer. Mit einem Satz lag sie neben Geli, strahlte sie und mich an, kuschelte sich an ihre neue große Schwester, und schloß grinsend die Augen.
"Guten Morgen, mein Kleines", schmunzelte ich.
"Morgen, Papi!"
"Morgen, Marita", lächelte Geli.
"Morgen, Geli!" Mit einem Satz war Marita über Geli weg und lag zwischen uns.
"Was soll das denn?" fragte ich sie mit ganz großen Augen. Marita kicherte hell. "Springst einfach zwischen uns?" Marita warf sich lachend auf den Bauch. "Weißt du, welche Strafe darauf steht?" Gnadenlos kitzelte ich sie durch. Marita kreischte vor Lachen und wehrte sich nach Leibeskräften. Gott, wie sehr hatte ich dieses Lachen vermißt!
Der Lärm lockte Konrad an, der sich zögernd auf das Bett neben Geli setzte. Geli fackelte nicht lange und zog ihn neben sich, in ihren Arm. Konrad blieb einen Moment still und reglos liegen, dann lächelte er Geli schüchtern an. Sie zwinkerte ihm zu, dann blieb auch sie still liegen.
Marita war inzwischen völlig außer Puste. Ich nahm nach einem letzten Angriff auf ihre Lachmuskeln meine Finger von ihr und schloß meine Arme um sie. Marita schnappte nach Luft, warf sich auf die Seite und stieß mir ihren Po in den Bauch.
"War das Absicht?" fragte ich drohend. Marita kicherte nur hell, ohne zu antworten.
"Marita, was das Absicht?" wiederholte ich meine Frage. Sie kicherte nur noch mehr und stieß wieder zu.
"Das war Absicht!" Ich knurrte grimmig und kitzelte sie wieder, bis sie keine Luft mehr hatte. Dieses Mal blieb sie still liegen und sammelte Kraft, dann warf sie sich herum, mit dem Gesicht zu mir, und drückte mich stürmisch.
"Ich hab dich lieb, Papi!"
"Ich dich auch, Kleines. Ich hab euch zwei schrecklich vermißt!"
"Wir dich auch." Konrad hob seinen Kopf. "Bleiben wir jetzt bei dir?"
"Solange ihr möchtet, mein Kleiner."
Konrad lächelte beruhigt und legte sich wieder in Gelis Arm.
Wir blieben noch ein paar Minuten liegen, dann standen wir auf. Ich überlegte gerade, für wieviel Uhr Frau Fuhrmann uns zum Frühstück erwarten würde, als es an der Tür klingelte. Ich schaute durch den Spion und sah unsere Gastgeberin.
"Guten Morgen!" strahlte sie mich an, als ich die Tür geöffnet hatte. Sie trug nur ein langes T-Shirt, das ihre schlanken Beine betonte. Die Umrisse eines Slips unter dem T-Shirt waren nicht zu sehen; offenbar trug sie keinen.
"Guten Morgen", lächelte ich. "Gut sehen Sie aus."
"Danke. Kommen Sie in zehn Minuten runter? Dann sind wir fertig."
"Gerne. Vielen Dank."
"Keine Ursache! Und ziehen Sie sich bloß nicht übertrieben an. Ich werde so bleiben, wie ich jetzt bin." Wie ein junges Mädchen hüpfte sie die Treppe hinunter. Lächelnd schloß ich die Tür.
Wir zogen uns legere Kleidung an und klopften zehn Minuten später an die Tür unter uns. Das junge Mädchen von gestern mit dem Namen Nadja öffnete. "Kommen Sie rein", meinte sie gleichgültig. Sie ließ die Tür offen und lief vor in das Zimmer, was bei uns Maritas Zimmer, hier aber wohl das Eßzimmer war. Wir folgten ihr und fanden das Mädchen, das bei Werner Fuhrmann im Schoß saß und sich streicheln ließ, von seiner Frau lächelnd beobachtet.
"Kommen Sie rein!" forderte er uns auf. "Nadja, setzt du dich auch bitte hin?" Das Mädchen rutschte von seinem Schoß und setzte sich neben ihn. Wir verteilten uns an dem großen Eßtisch, der reichhaltig gedeckt war. Dann wurde erst einmal ausgiebig gefrühstückt.
"Eierkocher!" Geli sah mich vorwurfsvoll an, als sie ihr Ei aufklopfte. "Den brauchen wir auch noch!"
"Schreib's auf!" lachte ich. Außer ihr und Marita waren alle mit dem Essen fertig.
"Bei uns war das damals ähnlich", meinte Herr Fuhrmann, der sich gemächlich eine Pfeife stopfte. "Als Chris und ich aus der kleinen Wohnung nebenan in diese zogen."
"War Ihre Frau da wirklich erst 13?" fragte ich ungläubig.
"Ja. Chris ist... Aber sagen Sie, wollen wir uns nicht alle duzen? Ich arbeite bei einem amerikanischen Unternehmen, wo sich sowieso alle beim Vornamen nennen. Für mich ist das Sie so ungewohnt. Ich bin Werner, meine Frau ist Chris, das ist Nadja. Sie wohnt zur Zeit bei uns."
"Äh - Ah ja. Ich heiße Dieter. Meine Kinder Marita und Konrad, und Angelika."
"Oder Geli." Geli lächelte in die Runde.
"Fein. Chris ist zu mir gezogen, als sie 12 war. Einen Monat vor ihrem 13. Geburtstag. Gut vier Monate später, im Februar, sind wir dann umgezogen in diese Wohnung. Wir mußten uns auch von heute auf morgen ziemlich viel anschaffen. Damals hatte das Möbelgeschäft noch nicht so viele Sachen vorrätig wie heute. Wie schaut's bei euch aus?"
"Alles fertig", lächelte Geli. "War ganz schön Arbeit."
"Das kann ich mir vorstellen", sagte Chris anerkennend. "Habt ihr wirklich alles gekriegt?"
"Bis auf den Eierkocher, ja", grinste Geli.
"Und selbst der ist da", schmunzelte ich. "Geli, das ist das Ding, wo du gefragt hast, ob das ein UFO ist."
"Oh." Geli lief rot an. "Ähm... Na gut. Also haben wir doch alles."
"Gratuliere", lächelte Werner. "Nadja, möchtest du Marita und Konrad mal deine Spiele zeigen?"
Das Mädchen nickte und stand auf. Meine Kinder liefen sofort hinter ihr her.
"Sie hat große Probleme", meinte Chris entschuldigend. "Sie hat Fremden gegenüber ein ziemliches Mißtrauen, aber sie meint es nicht böse. Gut. Geli, wie machst du das?"
"Äh - was?"
"Gedanken zu blockieren, oder wie du das nennst. Erzähl mal." Chris beugte sich neugierig nach vorne. Geli blickte sich hilflos um.
"Ich - Woher..."
Chris lächelte. "Ich kann Gedanken lesen, Geli." Geli zuckte plötzlich zusammen und bekam riesengroße Augen.
‚Etwa so', hörte ich Chris' Stimme in meinem Kopf. Auch ich erschrak heftig.
"Deswegen interessiert mich das, wie du das machst. Erzähl!"
"Chris!" lachte Werner gutmütig. "Fang doch ganz vorne an."
"Hm... Na gut." Sie setzte sich gemütlich hin, während Geli und ich uns ratlos anschauten. Wenn schon Geli es nicht verstand...
"Das passierte alles vor neun Jahren", begann Chris ihre Geschichte. (Anm.: Die Geschichte von Chris, Werner, Anja, und vielen weiteren ist nachzulesen in "SH-016 Chris", Teile 1, 2 und 3). "Damals im Juli wäre ich hier vor dem Haus beinahe vergewaltigt worden, aber Werner kam zufällig vorbei und hat mir geholfen. Ich hab mich da sofort in ihn verliebt. Rettungslos. Ich bin dann jeden Tag zu ihm gegangen, und im Oktober zu ihm gezogen. Erst mal für eine Woche, zum Test. Wollten meine Eltern so. Der Test ging gut, also bin ich dann endgültig zu ihm gezogen.
Silvester haben wir ‚ne riesengroße Party gemacht, mit all meinen Freundinnen und Freunden. An dem Abend..." Sie sah ihren Mann verliebt an. "An dem Abend begann irgendwie alles. Werner stand hinter einem Mädchen aus meiner Klasse, das gerne mit ihm schlafen wollte, aber er war treu. Ist er auch heute noch. Ellen - so heißt das Mädchen - hat alles mögliche versucht, aber er blieb standhaft. Er hat nur zwei Finger unter ihr Hemd geschoben und ihren Bauch gestreichelt. Das durfte er auch. Als ich das gesehen hab, hab ich so scherzhaft für mich gedacht, daß ich ihn umbringe, wenn er die ganze Hand reinsteckt. Und Werner hat das gehört, obwohl ich das nur für mich gedacht hab. Er hat sich furchtbar erschrocken. Ich aber auch! Ich konnte ihn nämlich auch hören, also seine Gedanken. War geil!" Sie grinste in Erinnerung.
"Jedenfalls, ein Mädchen wäre an dem Abend beinahe in unserem Schlafzimmer von zwei Jungs vergewaltigt worden, aber Werner hat das gerade noch verhindert. Irgendwie kamen wir hinterher darauf, daß Angst genau das anzieht, wovor man Angst hat. Werner und Ellen haben das getestet, und dann haben wir mit Uschi - die wohnt inzwischen nicht mehr hier - so einen Kurs für Mädchen erfunden, wo sie lernen konnten, sich zu wehren und ihre Angst abzubauen." Sie beugte sich wieder vor.
"Und genau da kommst du ins Spiel, Geli. Seit knapp einem Jahr haben wir niemanden mehr, der den Kurs leitet. Wir hatten das damals geteilt. Uschi und Werner haben Kampftraining gemacht - Werner kann nämlich Karate - und Ellen hat Meditationen entworfen, wodurch die Mädchen ihre Angst abbauen konnten. Was ich so von dir mitbekommen habe, scheinst du genau so ein Typ wie Ellen zu sein. Sie konnte nämlich auch Gefühle zu ihrem Ursprung verfolgen und irgendwelche Knoten, oder wie sie das nannte, auflösen. Du kannst das auch?"
"Ja", meinte Geli schüchtern. "Das sind aber weniger Knoten, sondern mehr selbstgemachte Blockaden, damit bestimmte Erinnerungen und Gefühle nicht mehr nach außen kommen."
"So hat Ellen das auch beschrieben", grinste Chris. "Für mich sind das Knoten. Du kannst das wirklich?" Geli nickte schüchtern. "Geil. Hättest du Lust, dir mal Ellens Unterlagen anzusehen? Als sie vor vier Jahren weggezogen ist, hat sie uns alles dagelassen."
"Gerne!" Geli sprang auf und lief Chris ins Wohnzimmer nach. Wir schauten ihr lächelnd hinterher.
"Das ist etwas", sagte Werner, "was uns wirklich am Herzen liegt. Damals gab es hier eine Bande von drei Jugendlichen, die vor Chris schon drei Mädchen überfallen haben. Die jüngste war gerade mal elf Jahre alt. Sie und eine 14jährige haben das relativ gut überstanden, aber eine 13jährige nicht. Das arme Kind ist seit ihrem 16. Geburtstag in einer Nervenheilanstalt, aber keiner kommt zu ihr durch. Sie will einfach nicht mehr. Bei Chris konnte ich nur durch Zufall helfen. Wenn an dem Abend nicht ein Server ausgefallen wäre oder ich fünf Minuten länger gebraucht hätte, ihn wieder in Gang zu bekommen... Daran darf ich gar nicht denken."
"Ich kenne das Gefühl", meinte ich leise. "Ich bin zu spät gekommen. Bei meinen Kindern. Meine Ex-Frau hat sie in den letzten sechs Jahren rund um die Uhr mißbraucht, und das ganze sogar noch fotografiert und gefilmt. Und das für ein Heidengeld unter die Leute gebracht."
"Hat Geli ihnen geholfen?"
"Ja. Sehr gut. Marita und Konrad kamen heute morgen sogar in unser - in mein Bett."
"Sag ruhig ‚unser Bett'", lächelte Werner. "Was ihr im Bad gehört habt, waren Nadja und ich." Er mußte über mein erschrockenes Gesicht lachen. "Keine Sorge, Dieter. Nadja wollte es so. Sie braucht sehr viel Zuwendung, und oft auch den richtigen Sex. Mit mir oder mit Chris. Oder mit uns beiden."

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