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SH-087 – Anne
Anne .... (sh-087.zip) (f/f f/g cons rom magic) (77k) (date posted: Friday PM, July 07, 2000)
Auf dem Heimweg trifft die 14-jährige Anne ein 12-jähriges Mädchen namens Tanita, mit der sie bereits einen Tag später eine lesbische Beziehung eingeht. Tanitas neunjährige Schwester Sibita macht dabei voller Begeisterung mit. Doch das sind nicht die einzigen Änderungen in Annes Leben, das durch die Begegnung mit den beiden Schwestern eine völlig neue Richtung einschlägt.
Anne
Kapitel 1
Die 14-Jährige Anne war auf dem Weg nach Hause, als sie vielleicht zehn Meter vor sich auf dem verlassenen Bürgersteig eine schwarz gekleidete Gestalt sah. Anne schaute sich nervös um; es war zwar erst acht Uhr abends, doch schon stockdunkel, wie es der Dezember nun einmal an sich hatte. Die Gestalt vor ihr war offenbar ebenso nervös wie Anne, denn sie drehte sich nach ihr um, machte einen falschen Schritt, der sie halb auf die Straße brachte, und knickte mit dem linken Fuß um. Mit einem leisen Schrei fiel sie um. Anne erkannte an dem Schrei sofort, daß es sich um ein junges Mädchen handelte. Sie lief erschreckt zu ihr und hockte sich neben sie.
"Hast du dich verletzt?"
"Ja." Das Mädchen, das nicht älter als Anne war, zog sich zurück auf den Bürgersteig. "Bist du eine Hexe?"
"Ich?" Anne fuhr zurück.
"Nein, du." Das Mädchen grinste verzerrt; sie hatte offensichtlich Schmerzen. "Mist! Immer wenn man eine braucht, ist keine da."
"Was willst du denn mit einer Hexe?", fragte Anne verblüfft. Das Mädchen schaute sie kurz an, bevor sie mit den Schultern zuckte.
"Die könnte mich mit ihrem Besen nach Hause bringen. Oder reiten die heute auf Staubsaugern?"
"Keine Ahnung." Anne sammelte sich. "Kann ich dir irgendwie helfen? Dich stützen?"
"Ja, das wär nett. Ich wohne nicht weit von hier. Straße runter, zweite links." Das lag fast auf Annes Weg.
"Dann komm."
Sie half dem Mädchen aufstehen und stützte sie, indem sie ihren rechten Arm unter den rechten des Mädchens schob und ihr mit dem Unterarm in der Achsel Halt gab. Ihre Finger lagen dabei auf der Brust des Mädchens, was ihr sehr peinlich war, doch das Mädchen schien das nicht zu bemerken. Oder es war ihr egal. Das Mädchen legte ihren linken Arm auf Annes Schultern. Vorsichtig ging Anne los; das Mädchen hüpfte neben ihr auf dem rechten Fuß.
"Wie heißt du?"
Das Mädchen schüttelte den Kopf. Ihre Lippen waren zusammen gepreßt; vor Schmerzen und Konzentration. Anne verstand. Sie hielt den Mund.
Mit einigen Pausen zwischendurch dauerte es fast zwanzig Minuten, um gut fünfhundert Meter zu laufen. Das Mädchen war am Ende ihrer Kraft, als sie vor ihrer Haustür stand. Anne stützte sie, während sie die Tür aufschloß, dann half sie ihr noch die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Als sie das Mädchen in die Diele führte, überfiel Anne ein ungutes Gefühl, wie eine dumpfe Vorahnung, doch es verschwand genauso schnell, wie es gekommen war.
"Wo ist dein Zimmer?"
Das Mädchen deutete mit dem Kopf auf eine Tür; die zweite auf der linken Seite. Die davor öffnete sich, und der Kopf eines vielleicht elfjährigen Mädchens kam heraus. Als die Kleine sah, was auf dem Flur los war, kam sie mit fragendem Gesicht heraus.
"Was ist mit Tanita?"
"Fuß verknackst. Wer bist du?"
"Ihre Schwester Sibita. Und du?"
"Anne." Sie führte das Mädchen namens Tanita in deren Zimmer, bei dessen Anblick Anne der sprichwörtliche Schlag traf. Es war schwarz. Rundherum schwarz. Die Wände und Decke schwarz gestrichen, die Schränke und Regale mit schwarzem Papier beklebt. Schwarze Bettwäsche, schwarze Kerzen auf dem schwarzen Tisch, schwarzer Teppichboden. Anne schauderte unwillkürlich.
Das kleine Mädchen namens Sibita zündete zwei der Kerzen an. Anne half Tanita zu deren Bett, auf das sich das Mädchen stöhnend nieder ließ. Sofort war ihre Schwester zur Stelle. Sie zog Tanita die Schuhe aus, während sich Anne erschöpft auf den Boden setzte. Tanita zog vor Schmerz die Luft ein, als der linke Schuh entfernt wurde. Das kleine Mädchen zog ihr auch den Strumpf aus und nickte nach einem kurzen Blick.
"Verstaucht."
Sie sprang auf und lief hinaus. Anne sah ihr fragend hinterher, bevor ihr Blick wieder auf Tanita fiel. Erst jetzt musterte sie das Mädchen ausgiebig.
Tanita war fast so groß wie Anne, die 1,73 maß. Allerdings war sie hager. Dürr. Ausgemergelt. Knochig. Ihr glattes schwarzes Haar fiel vorne bis zu den Augenbrauen, war an den Seiten vom Ende der Augenbrauen bis zum Kieferknochen schräg geschnitten, und fiel danach wieder glatt, lang und dicht bis zur Mitte des Rückens. Ihre Augen mußten entweder braun oder schwarz sein; das konnte Anne in dem Zwielicht nicht sehen.
Die Kleidung des Mädchens war ebenfalls dunkel. Jacke, Hose, Pullover, Strümpfe, Schuhe... Alles schwarz. In verschiedenen Sättigungen, doch definitiv schwarz. Um den Hals trug sie eine dünne Kette in Silber, der merkwürdige Anhänger glänzte in mattem Schwarz. Auf den ersten Blick ein Kreis, an drei Stellen unterbrochen, so daß es wie ein rundes Dreieck wirkte. Auf den zweiten Blick jedoch war es eine einzige Linie, die Blütenblätter formte.
"Offene Triade", meinte Tanita mit verzerrtem Gesicht. "So heißt das. Ist ein altes keltisches Symbol. Für gesteigerte magische Inspiration."
Bevor Anne antworten konnte, kam Sibita wieder herein. In den Händen trug sie eine kleine Schüssel. Diese stellte sie vor ihrer Schwester auf den Boden. Tanita lächelte dankbar, als sie sich aufsetzte und den Fuß vorsichtig in die Schüssel stellte. Sibita zog zwei merkwürdig schimmernde Gegenstände aus den Hosentaschen, versteckte sie in den Händen und streckte die geschlossenen Fäuste nach Tanitas Fuß aus.
"Sira ni tu glore dan", sang sie in einem Ton, der Anne eine Gänsehaut verursachte. "Xate be cli udraman!"
Anne schrie zu Tode erschrocken auf, als sich von Sibitas Händen ein kühler blauer Schimmer löste, auf Tanitas Fuß in der Schüssel sprang und dort zischend verdampfte. Tanita fuhr wie unter großen Schmerzen zusammen, dann entspannte sie sich mit einem befreiten Lachen, stellte den Fuß auf den Boden und trat auf. Die Schmerzen schienen weg zu sein.
"Danke, mein Süßes!"
"Gern geschehen."
Anne sah geschockt zu, wie das kleine Mädchen ihrer großen Schwester einen Zungenkuß gab. Einen langen Zungenkuß. Dann steckte die Kleine diese beiden Gegenstände, die Anne nicht sehen konnte, zurück in die Hosentaschen, bevor sie die Schüssel wieder in die Hände nahm und vorsichtig damit hinaus ging. Anne sah fassungslos zu Tanita.
"Ihr - ihr küßt euch? Deine Schwester und du?"
Tanita lächelte entschuldigend.
"Sie ist mehr als meine Schwester. Viel mehr."
"Ja, nur - Was hat sie gemacht? Woher kam dieses blaue Schimmern? Und was -"
"Pst!" Tanita kam auf die Füße, als wäre ihr Fuß nie verletzt gewesen, hockte sich neben Anne auf den Boden und legte ihren Arm um deren Schultern.
"Hör zu, Anne!", sagte sie eindringlich. "Du hast etwas gesehen, was du nicht hättest sehen sollen. Aber jetzt ist es passiert. Ich werde dir erzählen, was wir sind, und dann kannst du nach Hause."
Anne wollte jetzt, in diesem Augenblick nach Hause, doch etwas hielt sie fest. Nicht Tanitas Arm; etwas viel Stärkeres. Sie wollte Angst bekommen oder in Panik geraten, doch selbst das ging nicht. Das schwarzhaarige Mädchen lächelte traurig.
"Du mußt keine Angst haben, Anne. Du hast mir geholfen, als ich Hilfe brauchte. Ich hatte zwar keine Angst vorhin auf der Straße, aber ich wollte sehen, wer da hinter mir ist, und habe einen Moment nicht aufgepaßt. So kam das. Eigene Dummheit. Aber du hast mir geholfen. Ich hab dir übrigens die Angst vor uns gesperrt, Anne. Damit du nicht schreiend raus läufst." Sie drückte Anne kurz.
"Sibita und ich sind Hexen. Hexen des Bösen. Schwarze Hexen. Satans Gespielinnen. Wie immer du das nennen willst. Wir sind das seit Geburt. Normalerweise werden Hexen mit frühestens 13 Jahren initiiert - also aufgenommen - und mit 16 dann eine richtige Hexe. Aber Sibita und ich sind das eben seit Geburt. Schwarze Hexen. Trotzdem haben wir Gefühle. Sibita und ich lieben uns. Weil wir Schwestern sind, und weil wir Hexen sind. Wir haben sonst keinen zum Lieben. Nur uns."
"Und eure Eltern?", stammelte Anne.
"Die haben wir beseitigt", erwiderte Tanita ungerührt. "Sie wollten uns ins Heim stecken."
"Ihr habt was?", flüsterte Anne schockiert. Sie mochte keine Angst empfinden, doch alle anderen Gefühle arbeiteten noch.
"Sie beseitigt. Umgebracht. Mit einer Flamme. Das Auto ist explodiert, als unser Vater es angelassen hat." Tanita zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Das war vor drei Jahren. Seitdem haben wir unsere Ruhe."
"Ruhe?" Anne setzte sich entsetzt gerade. "Aber - aber die Wohnung hier! Und euer Essen! Strom! Wie -"
"Wir sind Hexen", erklärte Tanita geduldig. "Wenn wir nicht wollen, daß hier jemand rein kommt, kommt der auch nicht rein. Geld... Gar kein Problem. Unterschriften kriegen wir auch hin. Wir sind Hexen." Sie drückte Anne noch ein Mal und ließ sie dann los, mit einem noch immer traurigen Lächeln.
"Du hast mir geholfen", sagte sie leise. Ihre Finger strichen sanft über Annes Wangen. "Auch wenn ich eine schwarze Hexe bin, habe ich Gefühle wie Dankbarkeit. Zärtlichkeit. Liebe. Ich bin dir dankbar, Anne. Deswegen habe ich dir das alles erzählt. Du kannst es gerne weiter erzählen, aber niemand wird dir glauben. Der Unglaube der Menschheit ist unser Schutz. Der beste Schutz, den es gibt. Ich möchte dir etwas schenken." Sie stand gelenkig auf und lief zu einem der schwarzen Schränke. Sie öffnete die Tür, doch selbst innen war alles schwarz. Pechschwarz. Tanita zog etwas aus einem der Fächer heraus, schloß die Tür wieder und drückte das, was sie heraus genommen hatte, Anne in die Hand. Es war ein kleines Kästchen wie vom Juwelier, in denen Ohrstecker oder Ringe aufbewahrt werden.
"Für dich", sagte Tanita zärtlich. "Als Dankeschön. Mach es zu Hause auf. Und du mußt wirklich keine Angst haben, Anne. Es hilft dir, wenn du Hilfe brauchst. So wie du mir geholfen hast, als ich Hilfe brauchte. Nochmals Danke dafür." Sie gab Anne einen so zarten Kuß auf die Wange, daß Anne auch ohne Magie alle Angst vor Tanita verlor. Im gleichen Moment spürte sie einen leichten Schwindel in der Seele.
"Ich hab die Sperre gerade aufgehoben", sagte Tanita. "Bleib noch ein oder zwei Minuten sitzen, dann bist du wieder ganz fit."
Anne fühlte erschreckt, wie sich das seelische Gleichgewicht in ihr wieder aufbaute und langsam in die Balance kam. Sie starrte Tanita mit großen Augen an.
"Ja", meinte diese bedrückt. "Jetzt hast du Angst. Vor mir. Vor uns."
"Nein, ich -" Anne brach verstört ab und sammelte ihre Gedanken.
"Ich hab keine Angst vor dir", sagte sie dann ehrlich. "Ich bin nur etwas durcheinander. Schwarze Hexen, blaues Schimmern, der Kuß... Das war alles etwas zuviel."
"Ach ja?" Tanita lächelte belustigt. "Du hast das nur gesehen. Wir müssen aber damit leben."
Anne schluckte schwer, als sie sich vorstellte, mit blauem Schimmern um den Fäusten herum in die Stadt gehen zu müssen. Mitgefühl zog in ihren Augen auf. Auch wenn sie mit keiner Silbe verstand, was Tanita und ihre kleine Schwester Sibita eigentlich waren oder trieben, konnte sie doch nicht ein starkes Mitgefühl unterdrücken. Impulsiv legte sie ihren Arm um Tanita und drückte das Mädchen.
"Ganz alleine?", fragte sie im Flüsterton. Tanita nickte.
"Ja. Seit drei Jahren. Da war ich neun, fast zehn, und Sibita war gerade sieben geworden. Wir sind elf Monate auseinander. Ich bin jetzt fast 13. Sie hat morgen Geburtstag und wird zehn." Anne spürte Trauer in sich; von Tanita, wegen ihrer Schwester. Instinktiv drückte sie das Mädchen stärker.
"Warum macht dich das traurig?", fragte sie leise.
"Nicht ihr Geburtstag." Tanita lächelte leicht. "Du spürst viel, aber noch nicht richtig. Ich war traurig, weil Sibita und ich so - so zurück gezogen leben müssen. Kaum Freunde. Wir machen morgen eine kleine Party für sie. Ich schenke ihr etwas, und das war's. Wir feiern zu zweit, aber wir sind ja sowieso jeden Tag zusammen. Deswegen war ich traurig. Für sie, weil sie keine Freundinnen hat. Nur mich." Tanita atmete laut aus.
"Ich halte dich auf, Anne. Bitte entschuldige. Du hast bestimmt Besseres zu tun als mein Gejammer zu ertragen."
"Nein." Anne verzog entschuldigend das Gesicht. "Ich meine, ich sehe das nicht als Gejammer. Ich war sowieso auf dem Weg nach Hause." Sie schauderte, als das Schwarz in Tanitas Zimmer sie zu erdrücken drohte.
"Komm raus", sagte Tanita im gleichen Augenblick. "Wir gehen ins Wohnzimmer. Oder willst du nach Hause?"
Das wollte Anne. Um alles in der Welt. Doch gleichzeitig wollte sie mehr von diesen beiden Mädchen erfahren, die mit neun und zwölf Jahren alleine einen Haushalt führten, alleine gegen die ganze Welt lebten.
"Wenn das heller ist, gerne."
Tanita lachte fröhlich. "Ja, das ist heller. Nur unsere Zimmer sind so dunkel. Weil wir oft Ruhe brauchen. Komm." Sie nahm Anne an die Hand und führte sie in das Wohnzimmer. Auf dem Weg dorthin konnte die 14-Jährige einen Blick in die Küche werfen, die blitzblank aussah. Nur zwei leere Teller standen auf der Arbeitsplatte. Die Küche wirkte neu auf Anne.
"Ein halbes Jahr alt", meinte Tanita lächelnd. "Vor sechs Monaten haben wir die Wohnung komplett renoviert. Stärkere Stromleitungen, Wasserleitungen aus Kupfer statt aus Blei, dichte Fenster mit Doppelglas, Teppichboden, Wände tapezieren und streichen... Als das fertig war, kam die neue Einrichtung." Als hätte sie diesen kleinen Vortrag eingeübt und zeitlich abgestimmt, betraten sie in diesem Moment das Wohnzimmer. Anne traf ein weiterer Schlag.
Die Wände waren strahlend weiß gestrichen. Auf dem Boden lag dicker, hellgrauer Teppichboden. Die teuer aussehende Schrankwand gegenüber der Tür war schwarz, die Sitzgruppe rechts neben der Tür jedoch hellbeige. Der flache Couchtisch ebenso. Sibita lag halb in einem der beiden großen Sofas, die im rechten Winkel um den Couchtisch herum angeordnet waren. Zwei äußerst bequem aussehende Sessel komplettierten die Sitzgruppe. In der Schrankwand stand der größte Fernseher, den Anne jemals gesehen hatte, und eine ebenso teuer wie kompliziert aussehende Musikanlage. Zwei Lautsprecherboxen in der Größe von Kleiderschränken standen rechts und links der Schrankwand. An der freien Wand links befand sich ein Eßtisch für vier Personen nebst vier Stühlen.
"Puh!", entfuhr Anne. "Sieht das toll aus!"
"Danke." Tanita lächelte geschmeichelt. "Setz dich. Möchtest du etwas trinken?"
"Gerne. Habt ihr Cola?"
"Wir haben alles." Tanita lächelte verschmitzt, drehte sich um und lief in die Küche. Anne nutzte die Gelegenheit, um sich Sibita näher anzusehen.
Das kleine Mädchen starrte gebannt auf den Fernseher. Sie hatte ebenfalls schwarze Haare, trug sie jedoch kurz wie ein Junge. Die Ohren frei, nach rechts gescheitelt und mit einer silbernen Haarklammer in Form gehalten, hinten gerade mal bis zum Nacken. Auch sie trug schwarz, hatte jedoch nur ein T-Shirt und ein Höschen an. Beides allerdings tiefschwarz.
Anne sah wieder zum Fernseher, wo ein Horrorfilm lief, und schauderte heftig, als sich eine Stichsäge durch den Kopf eines älteren, noch lebenden Mannes fraß.
"Ist nicht echt", meinte Sibita in diesem Moment. "Nur gestellt."
"Da bin ich ja erleichtert." Anne ließ sich in einen der Sessel fallen, die mit dem Rücken zum Fernseher standen. Ein einziger Blick hatte ihr gereicht. Nun verstand sie auch, warum diese Filme erst ab 18 zu sehen waren. Sie schwor sich, so etwas niemals wieder zu sehen.
Sibita schnappte sich die Fernbedienung und drückte ein paar Knöpfe. Das rasselnde Geräusch der Stichsäge verschwand, dafür ertönte leichte Musik. Anne lächelte dankbar. Sibita nickte knapp. In diesem Moment kam Tanita zurück, ein Tablett mit Gläsern, zwei Kartons Saft und einer Flasche Cola in den Händen. Kurz darauf waren alle drei Mädchen mit Getränken versorgt. Anne wollte gerade fragen, wie groß die Wohnung ist, als Tanita anfing zu reden.
"Vier Zimmer. War uns sicherer so. Wir haben komplett neue Möbel gekauft. Zwei Kinderzimmer, ein Wohnzimmer, die Küche, und ein Elternschlafzimmer. Das nutzen aber wir. In unseren Zimmern sind wir nur, wenn wir zaubern."
Anne mußte etwas lachen. "Ich dachte, Hexen hexen!"
"Oder so." Tanita zwinkerte ihr zu. "Wir sagen lieber zaubern dazu. Hexen benutzen viele Kräuter und so, wir aber Gegenstände. Das ist schon mehr zaubern als hexen."
Anne ließ sich lachend in den Sessel sinken.
"Ich glaub das nicht! Wenn ich das im Kino sehen würde, würde ich mein Geld zurück verlangen! Ich träume doch!"
Sie kam wieder nach vorne, um von ihrer Cola zu trinken, doch plötzlich schwebte das Glas zehn Zentimeter über dem Tisch. Anne erstarrte. Das Glas kam näher und näher und landete an ihrer Hand. Anne griff schnell danach. Sie sah gerade noch, wie Sibita etwas neben sich auf das Sofa legte. Die Neunjährige schaute sie gespannt an. Wie auch Tanita. Anne schaute verblüfft auf das Glas, das ziemlich stark zitterte. Nein, verbesserte sie sich schnell. Ihre Hand zitterte.
"Wir haben deswegen vier Zimmer", fuhr Tanita fort, als wäre nichts geschehen, "damit sich keiner wundert, wenn mal irgend jemand die Rechnungen prüft. Wir können zwar jede Menge Probleme lösen, aber für uns ist es bequemer, wenn sie gar nicht erst auftreten. Schlafzimmer und zwei Kinderzimmer klingt zu sehr nach Familie."
Anne sammelte sich wieder und nickte. Sie trank einen Schluck Cola; danach ging es ihr etwas besser. Sie wunderte sich kurz, warum sie diese ganzen neuen Sachen einfach so hinnahm, ohne auf der Stelle einen hysterischen Anfall zu bekommen, dann verschwand der Gedanke wieder.
"Wo kommen eure Namen her?"
Die beiden Schwestern tauschten einen kurzen Blick.
"Künstlernamen", antwortete Tanita dann. "Besser gesagt: unsere Hexennamen. Unsere richtigen Namen verraten wir nur wirklich guten Freunden." Ihr Gesicht verzog sich bitter. "Also keinem."
Anne stellte ihr Glas ab. "Bei solchen Spielchen verstehe ich das. War nicht böse gemeint", fügte sie schnell hinzu, als Tanita sie ausdruckslos ansah. "Es ist nur... Na ja, das macht eben Angst, und man ist nicht gern mit Menschen zusammen, die einem Angst machen."
"Das macht dir nur Angst, weil du es nicht verstehst." Sibita schaute sie ernst an. Erst jetzt bemerkte Anne, daß sowohl Sibitas wie auch Tanitas Augen schwarz waren.
"Was sind überhaupt schwarze Hexen?", entfuhr ihr.
"Hexen, die Böses tun." Tanita legte den Arm um ihre kleine Schwester, die sich sofort an sie kuschelte. "Die ihre Kräfte zu ihrem eigenen Vorteil einsetzen."
"Und warum macht ihr das?"
"Warum?" Tanita lachte bitter und kalt. "Was glaubst du wohl? Wir sind Kinder! Ich bin noch nicht mal 13. Wir haben nur die Wahl, ins Heim zu gehen oder so weiter zu machen. Warst du schon mal im Heim? Weißt du, was die da mit Mädchen wie uns machen? Die nicht in die Reihe passen? Die außergewöhnlich sind?" Anne schüttelte betroffen den Kopf.
"Zusammen schlagen." Tanitas Stimme war leise, doch voller Wut. "Quälen. Triezen. All so feine Sachen. Ich weiß, daß ich das nicht überstehe. Sibita auch nicht. Also müßten wir uns wehren. Und dann passiert was Schlimmes. Also bleiben wir lieber hier und betrügen und stehlen. Aber wenigstens müssen wir keinen umbringen." Sie zog ihre Schwester enger an sich. Sibita umarmte ihre große Schwester fest.
Darüber dachte Anne einige Zeit nach. Sie hatte keine Erfahrungen mit Heimen, aber daß die Menschen, die nicht der Norm entsprachen, schon im normalen Leben keinen leichten Stand hatten, wußte sie.
"Und eure Eltern?", fragte sie schließlich zögernd. Sofort zog Haß in Tanitas Augen auf.
"Die sind tot!", erwiderte sie leise, beherrscht. "Und das ist alles, was wir dazu sagen wollen." Sie legte beschützend ihre Arme um Sibita, die sich so eng wie möglich an sie schmiegte. Anne schwieg betroffen. Hier war etwas geschehen, was den beiden sehr weh getan hatte. Anne wunderte sich nicht, daß sie nicht darüber reden wollten. Sie wunderte sich nur, warum sie nicht nach Hause gehen wollte.
"Du kannst gerne deine Eltern anrufen und Bescheid sagen, wo du bist", meinte Tanita in diesem Moment. Anne sah automatisch zur Uhr und schüttelte den Kopf.
"Nicht nötig. Ich muß erst um halb elf zurück sein."
"Und wann möchtest du zurück sein?"
Anne lachte auf. "Keine Ahnung! Ihr seid irgendwie... Komisch, aber das meine ich nicht böse. Merkwürdig. Nicht zu durchschauen. All so was, aber trotzdem glaube ich nicht, daß ihr böse seid."
"Sind wir auch nicht." Tanita lächelte kalt. "Wir haben nur unsere Eltern umgebracht. Wir haben die Banken bisher um fast 90 000 Mark betrogen. Nein, wir sind nicht böse."
"Ihr seid allein." Mit einem Verständnis, das sie selbst überraschte, schaute sie die beiden Schwestern an. "Ihr wollt überleben. An eurer Stelle würde ich wahrscheinlich genauso handeln." Sie schaute auf Sibita, die still im Arm ihrer Schwester lag. Neun Jahre alt. Morgen zehn. Ohne Eltern. Sie konnte nicht einmal im Ansatz erahnen, was das für ein Leben sein mußte. Dazu noch diese Kräfte, die Anne ebenfalls nicht verstand. Aber wenn die Schwestern damit ihr Leben im Griff haben konnten, sich damit vor der Welt und den Menschen darin schützten...
"Doch", sagte sie leise, nachdenklich. "Ich würde bestimmt genauso handeln."
Sibita lächelte schüchtern, und Tanita nickte dankbar.
"Komm doch zu uns", forderte die fast 13-Jährige sie auf. "Du sitzt so weit weg."
"Sagte die Hexe zu Hänsel."
Tanita drücke Sibita lachend. "Der war gut, Schwesterchen! Anne ist aber nicht Hänsel oder Gretel."
"Und ihr habt keine Hakennasen." Grinsend nahm Anne ihr Glas und setzte sich neben Sibita. "Habt ihr echt die ganzen Möbel selbst ausgesucht?"
"Hm-hm. Möchtest du die Wohnung mal sehen?"
"Gerne!"
Tanita führte sie herum. Im Bad, das mit hellbraunen Fliesen ausgelegt war, standen Waschmaschine und Trockner. Das Fenster bestand aus körnigem Glas, das weder das Hineinsehen noch das Herausschauen erlaubte. Wie es sich für eine Wohnung dieser Größe gehörte, waren Badewanne und Dusche vorhanden. Die Diele war wie das Wohnzimmer mit hellgrauem Teppichboden ausgelegt. Ein Läufer direkt hinter der Tür nahm den Straßenschmutz auf. Anstelle einer Garderobe hingen viele Messinghaken an der Wand. Auf einem kleinen Schrank lagen die persönlichen Sachen der Schwestern wie Schlüssel, Bustickets und so weiter. Sibitas Zimmer war das exakte Spiegelbild von Tanitas Raum. Anne bemerkte erst jetzt die dicken schwarzen Vorhänge, die nicht einen Lichtstrahl herein ließen. Die Küche war neu, wie Tanita schon erklärt hatte. Weiße Türen, dunkelgraue Griffleisten. Anne stellte fest, daß die Elektrogeräte mit das Teuerste waren, was es auf dem Markt gab. Das Schlafzimmer trieb Anne fast die Tränen in die Augen. Das große Doppelbett war übersät mit Stofftieren, und zwei kleine Schlafanzüge lagen ordentlich gefaltet auf den aufgedeckten Betten, die mit kindlich bedruckter Bettwäsche bezogen waren. Der modulare Kleiderschrank war wie das Bett und der Teppichboden hellgrau und wies sechs Türen auf, zwei davon mit Spiegelflächen von oben nach unten. Das Fenster stand offen, so daß es eisig kalt im Zimmer war.
"Wir machen um neun zu", erklärte Tanita. "Bis halb elf ist die größte Kälte raus, aber die Luft ist immer noch schön frisch." Sie zog die Tür schnell wieder zu. Anne schauderte vor Kälte.
"Seid ihr oft in euren Zimmern? Was zaubert ihr denn überhaupt?"
"Ziemlich oft. Meistens abends und am Wochenende. Was wir zaubern? Das, was wir brauchen." Die beiden gingen zurück ins Wohnzimmer und setzten sich. Sofort kuschelte sich Sibita wieder bei Tanita ein, die ihre kleine Schwester zärtlich drückte.
"Geld zum Beispiel", fuhr Tanita fort. "Wir gehen ins Kaufhaus und suchen uns das aus, was wir brauchen. Dafür bezahlen wir auch. Wie für alles andere. Wir zaubern eigentlich nur beim Geld. Wir gehen zur Bank und -"
Sibita machte ein kurzes, ablehnendes Geräusch. Tanita drückte sie.
"Ich weiß. Ich vertraue ihr aber. Du nicht?"
Sibita zuckte mit den Schultern, worauf Tanita leise lachte.
"Das war jedenfalls kein Nein." Darauf knurrte Sibita nur und lag wieder still. Tanita strich ihr sanft über das kurze Haar.
"Wir gehen also in die Bank und -"
"Ruhe!" Sibita fuhr auf; die Augen nervös auf etwas gerichtet, was Anne nicht sehen konnte, doch sie bekam sofort eine Gänsehaut. Etwas war da, das spürte sie. Auch Tanita schaute auf einen Punkt irgendwo in der Mitte des Wohnzimmers. Annes Gänsehaut verstärkte sich, als beide Mädchen wie auf Kommando mit den Augen etwas folgten, was nur sie sahen und was nach oben schwebte. Dann entspannten sich beide wieder.
"Das war der Herr Keitel von unter uns", sagte Tanita leise. "Er ist gerade gestorben. Er war schon 95." Wie zur Bestätigung wurde es in der Wohnung unter ihnen plötzlich laut. Anne hörte eine Frau aufschreien. Es schüttelte sie heftig, als sie erkannte, daß die beiden Mädchen tatsächlich jemanden hatten sterben sehen.
"Hey!" Tanita legte schnell ihren Arm um das ältere Mädchen. "Er hat es jetzt gut."
"Wieso? Ist er im Himmel?"
Tanitas Gesicht wurde hart. "Es gibt keinen Himmel. Auch keine Hölle. Das macht sich jeder Mensch selbst. Er hat es jetzt gut, weil er nicht mehr lebt."
Das reichte Anne. Sie stand hektisch auf.
"Ich muß jetzt heim."
Die beiden Schwestern sprachen sie nicht darauf an, daß es noch nicht mal neun Uhr war. Sie nickten nur, als wären sie gewöhnt, daß Menschen vor ihnen flüchteten. Tanita brachte sie zur Tür.
"Danke nochmals für deine Hilfe. Vergiß dein Geschenk nicht." Sie drückte Anne das kleine Kästchen in die Hand, das Anne beinahe auf dem Schränkchen in der Diele liegen gelassen hätte. Anne stopfte es in die Tasche ihrer Jacke, verabschiedete sich schnell von Tanita und flüchtete förmlich aus der Wohnung.
Auf dem Heimweg sah sie an jeder Ecke alle möglichen Schatten und erschrak alle paar Sekunden über irgend welche Geräusche, bis sie keine fünf Minuten später völlig überreizt zu Hause war. Erleichtert ließ sie sich von innen gegen die Tür fallen.
"Anne?", hörte sie ihre Mutter rufen. Das Mädchen atmete tief durch.
"Ja!" Sie lief schnell ins Wohnzimmer, um ihre Eltern zu begrüßen, dann in ihr Zimmer. Dort zog sie sich aus, warf sich ihren Bademantel über und eilte ins Bad, wo sie ausgiebig duschte.
Danach ging es ihr schon viel besser, als hätte sie mit der Dusche auch viel von dem Abend abgewaschen. Sie zog sich ihren leichten Sportanzug an und setzte sich zu ihren Eltern ins Wohnzimmer. Dort war es zwar viel langweiliger als bei den beiden Schwestern, doch genau das kam Anne jetzt entgegen. Hier schaute wenigstens niemand auf schwebende Seelen von Menschen, die gerade gestorben waren.
Kapitel 2
Erst am nächsten Morgen fiel ihr Tanitas Geschenk wieder ein, nämlich als sie den Schlüssel in die Tasche ihrer Jacke steckte. Sie holte das Kästchen heraus und schwankte einen Moment, ob sie es wirklich öffnen sollte. Doch die Neugier siegte. Vorsichtig hob sie die Klappe an und schaute ehrfürchtig auf einen goldenen Anhänger an einer ebensolchen Kette. Der Anhänger hatte die Form eines Herzens, das in der Mitte dicker war als an den Rändern. Vom Gewicht her schätzte Anne, daß der Anhänger aus massivem Gold bestand. Sie fand auch keinen kleinen Hebel, um ihn zu öffnen. Zögernd blickte sie auf das wunderschöne Schmuckstück, bevor sie sich schließlich entschloß, die Kette umzulegen. Als sie den Verschluß im Nacken einrasten ließ, kam sie sich dumm vor, sich gestern so fluchtartig von den Schwestern verabschiedet zu haben. Im gleichen Augenblick hatte sie den Verdacht, daß Tanita irgend etwas mit dem Anhänger gemacht haben könnte, um ihre Gefühle zu beeinflussen. Nervös nahm sie die Kette wieder ab und legte sie zurück, doch das dumme Gefühl blieb. Dann hatte sie auch den logischen Hintergrund dafür: Sibitas Satz, daß alles das Angst macht, was man nicht versteht.
Und Sibita wurde heute zehn.
Anne faßte einen Entschluß. Sie legte die Kette wieder um und machte sich fertig für die Schule.
Nach der Schule ging es zuerst nach Hause und anschließend an die Hausaufgaben, dann in die Stadt, wo sie etwas einkaufte. Gegen sechs stand sie vor dem Haus, in dem die beiden Schwestern wohnten. Sie schaute auf die Klingeln, als sie plötzlich erkannte, daß sie den Nachnamen der beiden überhaupt nicht wußte. Ratlos las sie die Namen, dann trat sie zwei Schritte zurück und überlegte. Das Haus hatte vier Stockwerke. Pro Etage zwei Wohnungen. Also mußte es, da die beiden im zweiten Stock wohnten, der fünfte oder sechste Name sein. Sie trat wieder auf die Klingeln zu und erschrak, als sie nur den fünften Namen lesen konnte. Ihre Augen weigerten sich, die sechste Klingel anzusehen.
Ganz überraschend kam die Erkenntnis. Anne lachte herzhaft auf. Wie raffiniert!
Sie zog den Anhänger aus der Bluse hervor und hielt ihn vor die Klingeln. Nun konnte sie den Namen endlich lesen: Willmer. Noch immer lachend drückte sie auf die Klingel. Sekunden später ertönte der Summer. Anne drückte gegen die Tür, die sofort nachgab und aufging. Sie steckte den Anhänger zurück und ging hinein.
Etwas später kam sie im zweiten Stock an. Als Tanita sie sah, leuchteten die schwarzen Augen auf.
"Anne! Komm rein!"
Anne stellte ihre schwere Tüte auf den Boden, zog die Jacke aus und hängte sie auf einen Bügel.
"Wie hast du die Klingel gefunden?", wollte Tanita wissen. "Mit dem Anhänger?"
"Genau." Anne nahm die Tüte wieder in die Hand. "Wie habt ihr das gemacht?"
"Gezaubert." Tanita zwinkerte ihr zu. "Was führt dich her?"
Anne grinste frech. "Ich dachte, ich lade mich einfach zu eurer kleinen Feier ein."
Tanita strahlte über das ganze Gesicht. "Da wird sich Sibita freuen. Komm!"
Das Geburtstagskind freute sich sogar unsagbar, als Anne ins Wohnzimmer kam. Der Eßtisch war feierlich gedeckt, mit weißer Tischdecke und vier Kerzen in hohen silbernen Leuchtern. Anne entdeckte teures Porzellan und schweres Besteck. Ein großer Kuchen, der auf einer Platte aus Kristallglas stand, war bereits angeschnitten. Einige Stücke fehlten. Die beiden verstanden zu leben.
Jedoch nur zu zweit. Allein zu zweit.
Anne schüttelte die trüben Gedanken ab und lief auf Sibita zu, die aufgeregt auf Anne sah.
"Alles Gute zum Geburtstag", gratulierte Anne ihr. Die nun Zehnjährige strahlte.
"Danke!" Sie schaute gebannt auf Annes Hand, die tief in die Tüte griff und einen Umschlag hervor holte. Zappelig nahm sie ihn entgegen, unter den gerührten Blicken ihrer Schwester, und öffnete ihn. Während sie die Glückwunschkarte las, zog Anne einen dicken Blumenstrauß aus der Tüte. Das kleine Mädchen weinte fast, als sie den Strauß sah. Sofort lief sie los, um eine Vase zu holen.
Wenig später thronte der Strauß auf dem Couchtisch. Sibita wandte sich zu Anne, um ihr ganz herzlich zu danken, und blickte auf ein flaches Päckchen in Geschenkpapier. Außer sich vor Freude griff sie danach und riß es auf. Eine CD kam zum Vorschein.
"Gefällt sie dir?", fragte Anne besorgt. "Ich weiß ja nicht, welche Musik du magst."
"Total!", hauchte die Zehnjährige überwältigt. Sie wollte Anne um den Hals fallen, doch ein weiteres Päckchen hielt sie davon ab. Überwältigt riß sie auch diese Verpackung auf und fand zwei Bücher: "Die Kleine Hexe" und "Sindbads Reisen". Als Anne das letzte Päckchen hervor zauberte und Sibita darin eine hübsche Brosche fand, war es aus. Die Zehnjährige warf sich Anne an den Hals und küßte sie vor Glück weinend im ganzen Gesicht.
"Ist doch gut!", lachte Anne verlegen. Sibita schüttelte heftig den Kopf, und einen Moment später lagen ihre Lippen auf denen von Anne. Anne erschrak, doch als sie dann Sibitas kleine Zunge in ihren Mund gehen spürte, sprang etwas über. Halb gegen ihren Willen, halb mit ihrem Gefühl erwiderte sie den Kuß, der sehr schnell viel zu gefühlvoll für Anne wurde.
Doch Sibita ließ nicht nach. Sie klammerte sich an Anne, ließ ihre Zunge in deren Mund herum toben und leckte über Annes Zunge, bis ihr der Atem ausging. Dann schmiegte sie sich mit solcher Kraft an die 14-Jährige, daß dieser fast die Luft zum Atmen fehlte. Tanita sah bewegt und gerührt zu. Erst als Sibita partout nicht von Anne ablassen wollte, mischte sie sich ein.
"Wollen wir Anne ein Stück Kuchen anbieten?", fragte sie ihre kleine Schwester. Die nickte aufgeregt, sprang auf und zog Anne an der Hand zum Eßtisch. Tanita setzte neuen Kaffee auf, und ein paar Minuten später saßen die drei am Eßtisch. Tanita und Sibita teilten sich ein kleines Stück Kuchen; sie hatten am Nachmittag schon kräftig davon gegessen. Anne verdrückte zwei Stück, dann war auch sie satt. Die Schwestern räumten den Tisch ab, ließen die Kerzen jedoch brennen.
Sibitas Gesicht leuchtete vor Glück, als sie die ersten Sätze von "Die kleine Hexe" las. Tanita drückte gerührt ihre Hand, während sie zu Anne sah.
"Warum bist du zurück gekommen?", fragte sie leise, ohne jeden Vorwurf. Anne holte tief Luft.
"Weil ich mich gestern ziemlich blöd benommen habe." Sie streckte ihre Hände zur Entschuldigung aus. Sibita und Tanita nahmen sie lächelnd und drückten sie.
"Du hattest Angst." Sibita schaute ihr tief in die Augen. "Die hatten wir auch, als das bei uns richtig los ging."
"Mit vier Jahren." Tanita zuckte mit den Schultern. "Bei mir mit vier, und bei Sibita auch. Rat mal, wer den größeren Streß hatte."
"Du?"
"Ja. Geh mal mit vier Jahren zu deinen Eltern und sag ihnen, daß du überall helle Wesen siehst." Ihr Mund verzog sich in Bitterkeit. "Als erstes meinten sie, ich solle nicht rumspinnen, und später dann..." Sie rieb sich unbewußt eine Stelle am Arm, an der Anne mit Schrecken eine Narbe entdeckte. Tanita bemerkte Annes Blick, zog den Arm zurück und zuckte mit den Schultern.
"Als es bei Sybille dann soweit war, konnte ich sie warnen. Ich hab sie mit dem, was ich über die Magie wußte, groß gezogen. Ich heiße übrigens Tanja." Sie lächelte. "Aber wir haben es geschafft. Auch gegen unsere Eltern. Und jetzt haben wir ein schönes Nest."
"Daher kommen die Namen", lenkte Anne schnell ab. "Etwas in der Art habe ich mir schon gedacht."
"Das ist in Hexenzirkeln so üblich, auch wenn unsere Hexennamen zu nah an unseren richtigen Namen sind. Aber wir gehören keinem Zirkel an. Wir sind ein eigener Zirkel, wenn du so willst." Sie strich ihrer kleinen Schwester sanft über das Haar. Sybille nickte.
"Genau. Wir brauchen keinen."
"Was macht ihr denn den ganzen Tag so?"
"Schule, Hausaufgaben, Einkaufen, Haushalt. Und dann zaubern. Oder in die Stadt gehen und mal schauen, was es Neues gibt. All das, was andere in unserem Alter auch tun."
Sybille ließ den Kopf hängen. "Außer sich mit Freunden treffen."
"Du sagtest", bog Anne die Richtung der Unterhaltung ab, "daß es mit vier Jahren los ging. Aber gestern -"
"Mit vier ging es richtig los." Tanja ließ ihre Hand sanft über Sybilles Wange fahren. Das kleine Mädchen schmiegte sich in die Hand. "Bis dahin konnten wir nur kleinere Sachen machen. Spielzeug zurück holen, wenn es aus dem Bett gefallen war. Schwere Sachen etwas bewegen. Aber alles nur in einem kleinen Kreis um uns herum. Das hat unsere Eltern ziemlich aufgeregt. Sie nahmen uns etwas weg, wir zeigten mit dem Finger darauf, und es schwebte zu uns zurück. Da gab's die ersten Prügel. Mit vier kam dann der richtige Schub. Genau am vierten Geburtstag."
"Aber wieso -" Anne schüttelte verwirrt den Kopf und begann von vorne. "Gestern hat Sybille mein Glas Cola schweben lassen. Deinen Fuß geheilt. Dazu hat sie irgend etwas in den Händen gehalten. Aber jetzt sagst du -"
"Das sind Hilfsmittel." Tanja zog ihre Schwester immer näher an sich heran. "Die waren zur Konzentration gedacht. Ab heute braucht sie die nicht mehr. Jetzt ist ihr Alter im zweistelligen Bereich."
Sybille sah ihre Schwester mit einem Blick an, den Anne nicht deuten konnte. Tanja strich ihr mit beiden Händen über den Kopf. Anne erkannte mit leichter Beklemmung, daß dies nicht mehr nur zärtlich war.
"Ich habe ihr etwas versprochen", erklärte Tanja, ohne Anne anzusehen. "Du kannst zusehen, oder hier warten, oder nach Hause gehen. Was immer du möchtest. Wir wären aber sehr froh, wenn du hier bleiben würdest."
Anne schluckte nervös. "Was - was habt ihr denn vor?"
"Sibita einweihen. Ihr die letzte Hürde nehmen. Sie zur richtigen Hexe machen. Hast du das schon mal gesehen?"
Anne lachte nervös. "Ich hab bisher nicht mal Hexen gesehen!"
"Dann komm mit, wenn du magst. Sibita hat nichts dagegen."
Die Zehnjährige sah zu Anne und schüttelte lächelnd den Kopf.
"Ich würde mich freuen, wenn du dabei bist", sagte sie leise.
"Und wo macht ihr das?"
"In ihrem Zimmer." Tanja drückte ihre Schwester an sich. "Da ist schon alles vorbereitet. Wir laden dich ein. Wir überreden dich aber nicht. Es ist deine Entscheidung." Sie sah zu ihrer kleinen Schwester. "Komm."
Die beiden standen auf, lächelten Anne zu und gingen dann Arm in Arm in die Diele. Anne folgte ihnen nervös. Sie wußte nicht, was die beiden vorhatten, aber "Einweihung" klang mysteriös und gefährlich. Der Anblick von Sybilles Zimmer steigerte Annes Nervosität noch.
Etwa zwanzig Kerzen brannten, und ein Dutzend Räucherstäbchen glimmten vor sich hin. Die Luft in dem Zimmer war schwer, kaum zu atmen. Anne bemerkte, daß Sybilles Bett heute mit weißer Wäsche bezogen war.
"Machst du die Tür zu?", bat Tanja sie. Anne schloß die Tür und fühlte sich im gleichen Moment gefangen. Tanja lächelte sie an.
"Du kannst jederzeit raus, Anne. Das ist nur wegen Sibita."
Die Zehnjährige stellte sich in die Mitte ihres Zimmers; in einen Kreis aus Kreide, mit Symbolen, die Anne nicht kannte. Sie fand verschlungene Kreise und wirre Linien, verstand jedoch nicht im Geringsten, was dies alles zu bedeuten hatte. Tanja blieb außerhalb des Kreises und begann, ihre kleine Schwester auszuziehen. Anne wurde mit jeder Minute nervöser.
Als Sybille nackt war, nahm Tanja sieben kleine Töpfchen vom Tisch und stellte sie außen vor den Kreis. Anne kam es so vor, als würde sie mehr und mehr sehen, jedoch nicht mit ihren Augen. Sie konnte das, was sie sah, nicht richtig erfassen und auch nicht richtig sehen. Es waren mehr Gefühle, die sich in Bildern ausdrückten, die dicht an der Grenze zum Bewußtsein lagen.
Tanja nahm eines der Töpfchen in die Hand, tauchte den Finger ein und malte damit ein Symbol auf Sybilles Solar Plexus. Die Farbe war Rosa.
Aus dem nächsten Töpfchen kam gelbe Farbe auf die Gegend, wo die Milz lag. Die dritte Farbe war hellblau und landete auf dem Kehlkopf. Orange kam auf den Schambereich, Dunkelblau auf die Stirn. Anne verspürte mehr und mehr ein Aufbauen von Energien, die sie beinahe sehen konnte. Beinahe.
Tanja malte ein rotes Symbol auf die Stelle zwischen Scheide und After, und ein violettes auf Sybilles Scheitel. Dann trat sie schnell zurück.
"Gre tiklu dfe slokkti", intonierte sie mit eindringlicher Stimme. Sibita streckte die Arme seitwärts aus, bis sie schräg nach oben zeigten. Sie schloß die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Anne spürte ihre Knie weich werden.
"Waati jksi cverr aaklamee!" Tanita streckte beide Arme gerade nach oben. "Taja de Sibita frryd blea gtorr!"
Sibita zuckte zusammen, als ein strahlend weißer Schimmer um sie herum entstand. Sie spreizte die Beine, daß die Zehen den Kreidekreis so gerade eben verfehlten, jedoch noch innerhalb des Kreises waren. Anne schluckte schwer, als sie in sich etwas spürte. Ein Drehen und Ziehen an verschiedensten Stellen ihres Körpers. Es verursachte ihr Schwindel.
Tanita trat einen weiteren Schritt zurück, die Hände deuteten auf ihre Schwester.
"Sirrkl xlo juui na Sibita. Quiy! Fgakl!"
Anne riß die Augen auf, als sie einen blendend weißen Strahl durch Sibita fahren sah. Er drang an ihrem Scheitel ein, fuhr durch den gesamten Körper, versetzte die Stellen, auf denen die farbigen Symbole waren, in schnell drehende Kreise, und trat an ihrem Unterleib wieder aus, genau an dem roten Symbol. Sibita erschauerte wie unter einem eiskalten Regenguß. Sie faltete die Hände über ihrem Kopf und beugte die Ellbogen, so daß Unter- und Oberarme ein Viereck bildeten.
"Wrywi najda okk Sibita! Hotha okk Sibita! Bmeti drerr okk Sibita! Fgakl!"
Anne schlug entsetzt die Hände vor den Mund, als Blut aus Sibitas Scheide tropfte. Das kleine Mädchen hingegen machte ein verzücktes Gesicht und zitterte vor Wonne. Tanita griff schnell nach einer kleinen Tüte. Mit einer raschen Bewegung schüttete sie den Inhalt auf ihre kleine Schwester. Ein feines, silbrig glänzendes Pulver schwebte durch die Luft und legte sich auf ihr Haupt.
"Jkti hrro juui na Sibita. Fgakl!"
Ein Kranz aus weißem Licht legte sich um Sibitas Kopf und vergrößerte sich rasend schnell, bis das kleine Mädchen vollständig davon eingehüllt war. Sibita stöhnte schwer. Anne kannte diese Geräusche. Sibita war ganz dicht vor einem Orgasmus, wie sie schockiert feststellte. Tanita malte mit den Händen Symbole in die Luft.
"Gtri mneta varr diiy. Arrja fuuni Sibita. Trke varr Sibita. Hmio Sibita. Kxalti vooy Sibita! FRARR!"
Mit dem letzten, laut gerufenen Wort explodierte das Zimmer in einer wahren Orgie von Licht und Farben. Anne biß sich auf die Knöchel, um nicht vor Angst zu schreien. Sibita hingegen stöhnte laut, als die Gefühle in ihr zu groß wurden. Sie sank schwer atmend auf die Knie; ihre Scheide schimmerte naß und glänzte im Kerzenlicht. Tanita kniete sich vor den Kreis.
"Sibita da grert", sagte sie sanft. "Woljo vma."
Das Licht verschwand. Die Zehnjährige fiel nach vorne. Tanja fing sie auf und hob sie trotz ihres dünnen, ausgemergelten Körpers ohne sichtbare Anstrengung hoch. Sie legte ihre Schwester behutsam in das Bett. Dann nahm sie einen vorbereiteten nassen Lappen und wischte damit zuerst den Kreis und das Blut ab, dann säuberte sie ihre Schwester und deckte sie schließlich zu.
"Schlaf!", flüsterte sie. "Jetzt bist du eine richtige Hexe."
Sybille lächelte mit geschlossenen Augen. Tanja gab ihr einen zarten Kuß auf den Mund, dann stand sie auf und löschte die Kerzen. Sie bedeutete Anne, das Zimmer zu verlassen, und folgte ihr auf dem Fuße. Draußen schloß sie leise die Tür. Die beiden Mädchen gingen ins Wohnzimmer; Tanja etwas erschöpft, Anne vollkommen überwältigt und verwirrt.
"Sie wird in einer Stunde wieder aufwachen. Möchtest du etwas trinken?"
Anne nickte schnell. Wenig später trank sie gierig von einem Glas kalter Cola. Tanja setzte sich neben sie.
"Du hast etwas gesehen", stellte sie fest. Anne schluckte.
"Ja. Jede Menge Licht. Weißes Licht. Und am Ende... Da explodierte das Licht. Wie ein irrsinnig heller Regenbogen. Die Farben flogen nur so durch das Zimmer."
"Hm-m." Tanja sah sie abschätzend an. "Und du hast das gesehen. Interessant." Sie legte ihren Arm um Annes Schultern. "Weißt du, daß nur Hexen dieses Licht sehen können?"
"Woher soll ich das denn wissen?", lachte Anne belustigt. Dann erstarrte sie. Ihre Augen wurden groß.
"Du -", flüsterte sie. "Du meinst, ich -"
"Sieht so aus." Tanja lächelte fröhlich. "Jetzt macht das einen Sinn. Ich meine, daß ich mich nach dir umgedreht und mir den Fuß verknackst habe. Doch. Wir sollten uns wohl treffen."
Die Gedanken in Annes Kopf überschlugen sich. Sie hatte doch niemals etwas mit Zauberei oder so etwas am Hut gehabt! Wie konnte sie eine Hexe sein?
"Wer weiß?" Tanjas Finger fuhren leicht über Annes Wangen. "Du hast auf jeden Fall etwas in dir, Anne. Sonst hättest du das vorhin nicht so genau sehen können. Etwas kam ganz sicher durch das Ritual, weil dabei starke Kräfte freigesetzt wurden, aber dann hättest du nur helle Schatten gesehen. Auf keinen Fall das ganze Licht. Ganz sicher nicht." Sie zog Anne an sich und streichelte beruhigend ihr Haar.
"Denk nicht weiter drüber nach", flüsterte Tanja. "Wenn etwas da ist, wird es wachsen. So, daß du damit klar kommst. Und wenn da nichts ist... Nun, dann hast du dir wohl alles nur eingebildet." Das Lachen in ihrer Stimme sagte Anne, daß Tanja den letzten Satz nicht ernst gemeint hatte. "Hast du eigentlich einen Freund, Anne?"
"Im Moment nicht."
"Wieso nicht?" Tanja schaute Anne an.
Die Frage war berechtigt. Anne hatte eine perfekte Figur für ihr Alter, mit festem Busen, schmaler Taille, und nicht zu breiten Hüften. Sie war mit 59 Kilo nicht dick, sondern gut proportioniert. Dunkelblondes Haar mit vollen Locken fiel schwer und dicht über die Schultern. Die Lippen voll, die Nase gerade. Dazu blaue Augen, und ein hübsches, attraktives junges Mädchen war fertig.
Anne seufzte leise. "Ich war zu langsam. Ich wollte jemanden fragen, aber ein anderes Mädchen war schneller."
"Warum hast du ihn nicht trotzdem gefragt?"
Die 14-Jährige zuckte mit den Schultern. "Weiß nicht. Schüchtern vielleicht. Oder Angst, daß er Nein sagt."
"Möchtest du ihn immer noch haben?"
"Nein." Anne lächelte ironisch. "Wenn der nicht mal wartet, bis ich ihn frage..."
"Du bist traurig." Tanja schloß sie in die Arme. "Wegen ihm. Ich mag nicht, wenn du traurig bist." Sie küßte Anne leicht auf die Wange. Wieder und wieder. Bis Anne erkannte, was Tanja wollte. Ihr Herz begann zu rasen.
"Nicht!", flüsterte Tanja. "Du mußt keine Angst haben. Schau mich an."
Gegen ihren bewußten Willen drehte Anne den Kopf zu Tanja. Die fast 13-Jährige legte ihre Hände an Annes Wangen, zog deren Kopf zu sich und legte ihre Lippen leicht auf die von Anne. Ein leichter Schauer fegte durch Annes Nerven. Einen Moment später drückte sich Tanjas Mund stärker an ihre Lippen. Gleichzeitig kam ihre Zunge heraus und tauchte in Annes Mund.
Anne wußte nicht, was sie machen sollte. Es ekelte sie, von einem anderen, fast gleichaltrigen Mädchen geküßt zu werden, und es erregte sie. Welches Gefühl stärker war, konnte sie nicht sagen. Es schwankte laufend hin und her.
Tanjas Hände wanderten über Annes Schultern. So sanft und zart, wie Anne es noch nie erlebt hatte. Es war wie die Berührung mit einem weichen Blütenblatt. Wider besseres Wissen entspannte sie sich und legte ihre Arme um Tanjas Hals.
"So ist schön!", wisperte das jüngere Mädchen. "Ruh dich aus." Sie küßte Annes Hals und drückte das ältere Mädchen dabei tiefer in das Sofa, bis Anne fast auf dem Rücken lag. Dann ließ sie ihre Hände über Annes gesamten Oberkörper streichen. Anne erbebte, als die Lust in ihr zündete. Tanjas Hände waren so sanft, daß sie keinen Moment Angst hatte, ihr ausgeliefert zu sein.
"Ich mag dich!", flüsterte Tanja und gab ihr einen Hauch von Kuß auf die Lippen. "Hattest du schon Sex?"
Anne verneinte und bejahte gleichzeitig. "Noch keinen richtigen." Ihr Atem ging schwerer. "Nur mit Fingern."
"So?" Tanjas Hände schlossen sich leicht um Annes Brust und kneteten sie behutsam. Anne nickte. "Auch woanders?"
"Ja."
Tanjas Hand wanderte über Annes Bauch, öffnete zwei Knöpfe der Bluse und legte sich auf die warme Haut. "Hier?"
"Ja. Auch." Anne schloß die Augen, als Tanja die restlichen Knöpfe öffnete. Dann seufzte sie, als die Tanjas Lippen auf ihrem Bauch spürte. Das jüngere Mädchen saugte ganz leicht an der Haut, während ihre Hände zu Annes BH gingen. Anne wollte sich dagegen wehren, doch die Erregung in ihr wuchs und wuchs.
Tanja öffnete den BH, schob die zwei Körbchen nach oben und legte ihre Hände auf die beiden Brüste. Anne schauderte vor Wonne.
"Du magst das." Tanja strich mit ihrer Wange über Annes Bauch.
"Ja."
"Hast du Angst?"
"Nein. Etwas. Nicht viel." Sie legte ihre Hände an Tanjas Kopf und streichelte das glatte, schwarze Haar. Tanja drehte ihren Kopf, küßte die Handflächen und leckte sanft darüber.
"Wie hattest du Sex?", flüsterte Tanja. "Beschreib es mir."
Anne überlegte, was ihr wegen Tanjas lieber und sanfter Art nicht sehr leicht fiel. Sie hatte noch nie gut denken können, wenn sie erregt war.
"Er - er hat meinen Busen geküßt", gestand sie leise. Tanja schob sich etwas höher.
"So?" Sie legte ihre Lippen auf Annes Brust und küßte sie zart, liebend.
"Ja." Anne atmete schwer, angestrengt. Tanja begann, an Annes Brust zu saugen. Gleichzeitig leckte sie über den schon sehr harten Nippel. Anne drückte ihren Oberkörper heraus. Tanja strich mit einer Hand über Annes Bauch und ruhte dann bei ihrer Jeans.
"Und dann?"
"Dann hat er meine Hose geöffnet."
"So?" Sie löste den Knopf und zog den Reißverschluß herunter. Anne zitterte vor Scham, weil sie wußte, was Tanja in den nächsten Sekunden tun würde, und sie zitterte vor Lust.
"Ja. Und dann ist er mit seiner Hand in mein Höschen gegangen."
"So?" Sie schob ihre Hand in Annes Unterhose, strich mit zwei Fingern über die Schamlippen und preßte den Mittelfinger dazwischen. Anne zitterte heftig.
"Ja!"
"Und du?"
"Ich..." Anne hatte Probleme mit ihrer Luft. Sie reichte kaum zum Reden. "Ich bin auch in seine Hose gegangen."
"Zeig's mir."
Zitternd tastete Anne nach Tanjas Hose und öffnete sie.
"Und dann?"
"Dann habe ich meine Hand in seine Unterhose geschoben und sein - sein Glied in die Hand genommen." Sie glitt mit ihrer Hand in Tanjas Unterhose. Dort war es genauso feucht und heiß wie in ihrer eigenen.
"Warte." Tanja gab ihr einen Kuß, dann rutschte sie auf den Boden und zog Anne die Schuhe und die Jeans aus. Als sie an Annes Unterhose zog, wehrte Anne sich einen Moment, doch dann siegte die Erregung. Auch Tanja zog sich schnell aus und legte sich wieder zu Anne auf das Sofa.
"Was habt ihr dann gemacht?"
"Er - er hat mich da unten gerieben, und ich ihn auch."
"Wer war Sieger?"
"Er!" Anne kicherte. "Er kam viel schneller als ich."
"Bei Sibita und mir gibt es keine Sieger. Und keine Verlierer. Gib mir deine Bluse."
Anne richtete sich halb auf, so daß Tanita ihr die Bluse und den BH ausziehen konnte. Dann hatte sie nur noch ihre Strümpfe an. Tanja legte sich auf sie. Sie war so leicht, daß es Anne nichts ausmachte. Schwarze Augen blickten tief in blaue Augen.
"Möchtest du es?", fragte Tanja leise. "Möchtest du Sex mit mir haben?"
Erziehung und Moral verlangten, daß Anne ablehnte, doch das wilde Gefühl in ihrem Bauch ließ sie nicken.
"Ja!", wisperte sie.
"Dann komm."
Tanja stand auf, nahm Anne an die Hand und führte sie in ihr Zimmer. Dort brannte eine einzige Kerze. Tanja schloß die Tür hinter ihnen.
"Weißt du, warum unsere Bettwäsche schwarz ist, Anne? Damit man den Körper besser sehen kann." Sie schob Anne zum Bett, das Anne mehr erahnte als sah. Die 14-Jährige legte sich nervös hin. Das schwarze Zimmer hatte eine merkwürdige Ausstrahlung auf sie. Nicht bedrohlich, sondern... Anne konnte es nicht greifen.
"Bald", flüsterte Tanja. "Bald weißt du, warum." Sie legte sich wieder auf Anne und küßte sie, während sie mit einer Hand zwischen Annes Beine ging. Sofort öffnete Anne sich.
Darauf hatte Tanja nur gewartet. Flink wie ein Wiesel drehte sie sich herum und preßte ihr Gesicht in Annes Schritt. Die 14-Jährige merkte erst, was los war, als Tanja ihr Becken senkte und ihre Scheide auf Annes Mund drückte. Anne fuhr heftig zusammen. Ein Mädchen zu küssen... Gut. Aber ihre Scheide am Mund zu haben... Gar nicht gut. Sie wollte den Kopf drehen, doch Tanja bewegte ihr Becken, als bestünde es aus Gummi.
Urplötzlich zündete der Funke. Anne spürte Tanjas Zunge, die in ihre Scheide eindrang, und reagierte nur noch. Sie spreizte ihre Beine noch weiter, hob den Kopf und drückte Tanja einen dicken Kuß auf den Schlitz. Einen Moment später übernahm Annes Gefühl die Kontrolle. Sie spürte Tanjas warme Säfte auf ihrer Zunge und wurde wild.
Die beiden Mädchen fraßen voneinander, bis Anne etwas Neues, im ersten Moment Erschreckendes sah: einen grellroten Schimmer um Tanjas Scheide herum. Doch einen Augenblick später wußte sie, was es war. Sie wußte nicht, warum sie es wußte oder woher sie es wußte, doch sie wußte, daß es so war: sie sah den Grad von Tanjas Erregung. Sie griff mit den Händen in Tanjas Schritt, zog die Schamlippen auseinander und bohrte ihre Zunge tief in die fast 13-Jährige. Tanja stöhnte kurz auf und wiederholte dann Annes Aktion. Sie schob sogar Annes Beine mit den Ellbogen auseinander, um das ältere Mädchen noch mehr offen zu legen.
Anne sah das rote Schimmern nun ganz deutlich. Es flimmerte heller und heller, entsprechend Tanjas Lust, und explodierte plötzlich mit anderen Farben zusammen. Im gleichen Augenblick stöhnte Tanja hell und kaute so fest auf Annes Scheide und Kitzler herum, daß Anne keine Sekunde mehr an die Farben dachte, sondern nur noch an den starken Orgasmus, der durch ihren jungen Körper raste.
Die Mädchen klammerten sich stöhnend aneinander, leckten sich und kauten, bis die Erregung nachließ. Anne drückte einen dicken Kuß in die Mitte des roten Flimmerns, dann ließ sie erschöpft den Kopf auf das Kissen fallen. Sie spürte Tanjas weiche Lippen an ihrer Scheide, doch Tanja tat nichts. Sie schmeckte nur.
Das rote Flimmern wurde zu einem Schimmern und gleichzeitig immer dunkler, bis Tanja sich glücklich seufzend drehte und neben Anne legte, die sie in die Arme nahm.
"Und?", fragte Tanja leise. "Hat's dir gefallen?"
Anne nickte verlegen. "Ja. Sehr."
"Mir auch. War richtig stark."
"Meiner auch." Anne stieß den Atem aus, dann drehte sie den Kopf. Obwohl nur eine Kerze brannte, konnte sie Tanjas Gesicht in jeder Einzelheit erkennen.
"Toll!", freute das jüngere Mädchen sich. "Es wächst!"
"Sag mal, liest du eigentlich laufend meine Gedanken?"
"Ja!" Kichernd drückte sich Tanja an Anne. "Pausenlos."
'Weil ich dich mag', fegte plötzlich ein Gedanke in Tanjas Stimme durch Annes Kopf. 'Weil ich so viel von dir wissen möchte.'
Anne lachte halb verzweifelt auf. "Hast du gerade etwas gesagt, Tanja?"
"Nein." Sie schmiegte sich an Anne und strich ihr sanft über den Busen. "Gedacht. Ich sagte doch, es wächst."
"Und wenn ich nicht will, daß das wächst?" Unruhe befiel Anne. "Wenn ich das alles nicht will, Tanja? Wenn mir das -"
"Pst!" Tanja nahm sie beschützend in die Arme. "Du hast nur etwas Angst, Anne. Das ist ganz normal. Du lernst aber ganz schnell, damit umzugehen. Glaub mir. Du merkst schon jetzt, daß nur dein Kopf Angst davor hat. Dein Bauch nicht. Der weiß damit Bescheid." Ihre Zunge kam heraus und leckte sanft über Annes Lippen. Anne fing sie mit den Zähnen ein, zog leicht daran und ließ sie dann wieder los. Tanja lachte leise.
"Komm. Schauen wir mal nach Sybille."
Sie stand auf und reichte Anne die Hand. Anne nahm sie, Tanja zog sie mit Schwung auf die Füße. Als Anne gegen sie prallte, warf Tanja ihre Arme um sie. Anne spürte eine Welle von Einsamkeit; so stark, daß sie Tanja kräftig an sich drückte. Kurze Bilder von gewalttätigen Szenen zuckten auf. Ein grober Mann, der mit der Faust brutal auf seine zwei kleinen Töchter einschlug.
"O Shit!", wisperte Anne schockiert. "War das -"
"Nicht." Tanja schüttelte den Kopf. "Gehen wir rüber." Sie legte ihren Arm um Annes Taille, Anne ihren um Tanjas Schulter. Gemeinsam gingen sie leise in Sybilles Zimmer. Das kleine Mädchen schlief noch fest. Anne hatte das Gefühl, Sybilles Traum zu sehen: ein Bild von Sybille, die lachend zwei Meter in der Luft schwebte. Tanja zog sie wieder nach draußen.
"Sie will immer nur fliegen", lachte sie leise, als sie wieder im Wohnzimmer waren. Anne schaute sich verstört um.
"Die Vorhänge sind ja offen, Tanja! Man kann rein sehen. Und wir haben nichts an! Und -"
"Nein. Das gleiche wie bei der Klingel. Schau her." Sie zog die Gardinen auf, kletterte nackt wie sie war auf die Fensterbank und winkte nach draußen. Anne schaute verblüfft auf die Fenster auf der anderen Straßenseite, doch niemand kam ans Fenster.
Tanja blieb geschlagene zwei Minuten auf der Fensterbank, bevor sie wieder auf den Boden sprang und die Gardinen vor zog. Mit Rücksicht auf Anne schloß sie die Vorhänge, die so beige wie die Sitzgruppe waren. Erleichtert ließ sich Anne auf das Sofa fallen, dessen weicher Stoff angenehm auf der nackten Haut zu spüren war. Tanja setzte sich neben sie. Anne streckte ihren Arm aus, Tanja ließ sich mit einem dankbaren Lächeln gegen sie fallen.
"Es war wirklich schön", meinte sie leise, während sie Annes Brust streichelte. "Sehr schön. Wie lange kannst du bleiben? Oder wie lange möchtest du bleiben?"
"Auf jeden Fall länger als gestern." Sie strich Tanja zärtlich durch die glatten Haare. "Wenn ich darf."
"Du bist jederzeit willkommen", erwiderte Tanja ernst. "Sehr willkommen. Was machst du am Wochenende?"
"Mal sehen. Morgen wollte ich vormittags in die Stadt. Ansonsten noch keine Pläne; auch für Sonntag nicht. Und ihr?"
Tanja grinste. "Vormittags in die Stadt, einkaufen. Danach von der furchtbar anstrengenden Woche erholen. Auf Deutsch: Faulenzen. Möchtest du das Wochenende zu uns kommen, Anne? Bei uns schlafen? Das Bett ist groß genug für drei."
Bevor Anne antworten konnte, kam Sybille ins Wohnzimmer. Auch sie war nackt.
"Hey!", lachte das kleine Mädchen. "Alle nackt? Cool!" Sie lief zum Sofa und ließ sich neben ihre Schwester fallen, die sich aufsetzte und sie in den Arm nahm.
"Wie geht's dir?", fragte Tanja mit einer Spur Sorge.
"Gut. Ruhiger als vorher. Sicherer." Sie kuschelte sich an ihre Schwester und strahlte Anne an. Plötzlich sprang sie wieder auf und rannte hinaus. Tanja lachte hell.
"Was für ein unruhiger Geist! Na ja, sie ist erst zehn. In dem Alter war ich auch schlimm."
Wieder kam Anne nicht zu ihrer Antwort, denn Sybilles schnelle Schritte ertönten, und einen Augenblick später war sie wieder im Wohnzimmer. Sie drückte der verblüfften Anne etwas in die Hand, warf sich auf das Sofa und kuschelte sich bei ihrer Schwester ein. Anne fand zwei kleine Stangen in ihrer Hand; etwa sechs Zentimeter lang, knapp vier Millimeter dick, und aus massivem Silber. Verwirrt blickte sie auf.
"Das sind meine Zauberstangen", antwortete Sybille, noch bevor Anne sie fragen konnte. "Ich brauche sie nicht mehr, aber du."
"Ich?"
"Nein, du!" Tanja lachte fröhlich. "Steck sie ein, Anne."
"Das kann ich nicht annehmen." Anne schüttelte bedrückt den Kopf. "Schon der Anhänger ist doch reines Gold gewesen, und jetzt auch noch massives Silber...."
"Na und?" Tanja schloß Annes Finger um die beiden Stäbe. "Nimm sie. Sie gehören dir. Damit du deine Gedanken sammeln kannst. Denk mal über das Wochenende nach, ja? Wir könnten es uns hier richtig gemütlich machen. Videos gucken, was spielen, uns unterhalten... Und alles ohne Eltern, die alle naselang herein kommen." Sie lächelte so verschmitzt, daß Anne lachen mußte.
"Das klingt verlockend. Ich frag mal zu Hause. Wollen wir uns nicht morgen in der Stadt treffen? Dann kann ich euch Bescheid sagen."
"Gerne. Wann und wo?"
"Halb neun hier?"
"Besser um neun." Tanja lächelte entschuldigend. "Wir schlafen am Wochenende gerne aus."
Sybille flüsterte etwas in Tanjas Ohr. Die nickte kurz. Sofort sprang Sybille auf, setzte sich rittlings auf Annes Schoß und drückte sie stürmisch. Anne wußte im ersten Moment nicht, wie ihr geschah, doch dann legte sie lächelnd ihre Arme um das kleine Mädchen. Sybille gab ihr eine Reihe von Küßchen auf die Wange, dann einen langen auf den Mund. Anne ließ ihre Hände auf Sybilles Po rutschen. Die Zehnjährige leckte kurz über Annes Lippen, dann preßte sie ihre Wange an Annes Hals und schmuste nur. Tanja sah gerührt zu, wie Anne Sybilles nackten Kinderpo streichelte.
"Du kannst ruhig mehr machen", sagte sie leise. "Sybille mag es auch sehr, wenn sie einen schönen Orgasmus hat."
"Aber sie doch erst zehn!"
Tanja lächelte listig. "Und? Versuch's einfach."
"Au ja!" Sybille kam aufgeregt nach vorne. "Versuch's mal, ja?"
Die schwarzen Augen lachten Anne dermaßen an, daß sie nicht Nein sagen konnte. Lächelnd zog sie Sybilles Kopf an ihren Hals, strich mit der linken Hand über den schmalen Rücken und ging mit der Rechten zwischen Sybilles Beine. Die Zehnjährige rutschte etwas nach hinten, um Anne Platz zu machen.
Anne legte ihre Hände auf die feste, junge Scheide und begann, sie sanft zu reiben. Sybille seufzte ganz leise; ihre Lippen knabberten sachte an Annes Hals. Eine so zärtliche Berührung, daß Anne begann, sehr viel Sympathie für die Zehnjährige zu empfinden. Sie drückte mit der rechten Hand etwas stärker zu, so daß der Mittelfinger leicht zwischen die Schamlippen ging und sich auf den schon feuchten Scheideneingang legte. Sybille drückte ihren Unterleib fester gegen Annes Hand. Die 14-Jährige erinnerte sich an Sybilles "Einweihung" und krümmte ihren Mittelfinger mehr, bis er leicht in die Zehnjährige eindrang. Sybille zitterte kurz.
"Magst du das?", fragte Anne schnell. Sybille nickte rasch.
"Ja!"
Vorsichtig ging Anne tiefer und tiefer, doch sie stieß auf keinen Widerstand. 'Das wurde vorhin beseitigt', hörte sie Tanjas Stimme in ihrem Kopf. Entschlossen stieß sie den ganzen Finger in das kleine Mädchen; so, wie sie es bei sich am liebsten hatte. Sybille stöhnte im gleichen Moment auf und begann, Anne hungrig zu küssen. Anne erwiderte den Kuß mit neu erwachter Lust und bewegte ihren Finger schnell in Sybilles kindlicher Scheide hin und her. Sybilles Hände legten sich auf ihre Brüste und drückten sanft zu, kneteten sie, streichelten sie. Anne wurde schneller, Sybilles Stöhnen tiefer. Einen Moment lang verspürte Anne den fast unwiderstehlichen Impuls, zu lachen; nicht jeden Tag hatte sie ein nacktes, zehnjähriges Mädchen auf dem Schoß und wühlte in deren Scheide herum. Doch Sybilles Stöhnen ließ keinen Zweifel an der Realität aufkommen. Anne zog den Mittelfinger fast ganz heraus und schob ihn dann zusammen mit dem Ringfinger hinein. Sybille erbebte vor Lust und begann, ihren Unterleib an Annes Hand zu reiben. Anne drehte ihre Finger, während sie eindrang, und rieb zusätzlich mit dem Daumen über Sybilles Kitzler.
Sybilles Stöhnen wurde heller und heller, und dann preßte sie sich mit einem langen, tiefen Stöhnen fest an Anne. Die rieb weiter und weiter, bescherte Sybille einen sehr langen und intensiven Orgasmus, und hörte erst auf, als Sybille mit einem letzten Seufzer weich in ihre Arme sank. Anne drückte sie zärtlich und strich ihr über die kurzen schwarzen Haare. Tanja nahm sich Annes linken Arm, legte ihn sich über die Schultern und kuschelte sich an die beiden Mädchen.
Kapitel 3
Als Anne um kurz nach halb elf das Haus der beiden Schwestern verließ, fiel ihr als erstes auf, daß sie besser sehen konnte. Alles war schärfer, und die Dunkelheit nicht mehr so undurchdringlich wie noch gestern. Die Schatten, vor denen sie gestern noch Angst gehabt hatte, entpuppten sich heute als das, was sie waren: Schatten. Mehr nicht.
Angestrengt darüber nachdenkend, was eigentlich genau mit ihr passierte, ging sie über die Straßen. Plötzlich verspürte sie einen Zug, der von dem Amulett ausging. Es zog sie nach links, auf die andere Straßenseite. Gleichzeitig spürte sie leichte Gefahr.
Ohne zu zögern wechselte sie die Straßenseite. Sie war noch nicht ganz drüben angelangt, als sie eine wütende, angetrunkene Stimme etwas brüllen hörte, und im nächsten Moment flog etwas Großes klirrend durch ein geschlossenes Fenster und landete mit einem lauten Knall auf dem Boden, wo es zerplatzte. Es war ein Fernsehgerät.
Es war genau auf der Stelle gelandet, wo Anne gewesen wäre, hätte sie nicht auf die Warnung gehört.
Ihr brach der Schweiß aus, als sie dies erkannte, und mußte sich für eine kurze Weile an die Mauer des Hauses hinter ihr lehnen. Sie sah Tanjas besorgtes Gesicht vor sich, doch es verschwand gleich wieder. Anne schüttelte den Kopf.
"Ich drehe durch", sagte sie zu sich selbst. "Ganz bestimmt."
Mit trockenem Mund starrte sie auf die Reste des Fernsehers, bevor sie sich zusammen riß und weiter ging.
Erklären konnte sie sich das alles nicht. Überhaupt nicht.
Ziemlich aufgewühlt kam sie schließlich zu Hause an. Ihr erster Gang war ins Bad, wo sie sich das Gesicht ausgiebig mit kaltem Wasser wusch, bevor sie ihren Eltern Guten Abend sagte. Sie erzählte ein bißchen von dem Abend und den beiden Mädchen und ging schließlich in ihr Zimmer, wo sie sich auszog, um zu duschen. Nach der Dusche setzte sie sich noch einen Moment an ihren Schreibtisch und nahm die beiden kleinen Silberstangen in die Hände.
"Zaubern", murmelte sie. "Was könnte man denn mal zaubern?"
Sie schaute angestrengt auf ihren Tisch, bis ihr Blick auf eine kleine Figur aus hartem Plastik fiel. Sie ballte die Fäuste und stellte sich konzentriert vor, wie die Figur schwebte.
Es tat sich nichts.
Frustriert kniff Anne die Lippen zusammen. Plötzlich war Tanjas Gesicht wieder vor ihr.
'Du darfst es nicht erzwingen, Anne. Glaube nur daran. Glaube daran.'
Das Gesicht verschwand. Anne blinzelte mehrmals.
"Doch. Ich drehe durch."
Dennoch wußte ein Teil von ihr, daß alles in Ordnung war. Ein Teil, den sie bisher nicht kennen gelernt hatte.
Sie schluckte nervös und versuchte, ruhiger zu werden. Sie dachte daran, daß die Figur schweben sollte. Sie glaubte daran. Sie glaubte ganz fest daran.
Die Figur rührte sich keinen Millimeter.
Seufzend öffnete Anne ihre Hände und ließ die beiden Stangen leise auf ihren Tisch rollen. Dann stand sie auf, zog den Bademantel aus, hängte ihn in den Schrank und legte sich ins Bett. Sie schaltete das Licht aus, rollte sich auf den Rücken und schloß die Augen.
"Hexe", murmelte sie. "Pah."
Sie drehte sich auf die Seite und stieß den Atem aus. Sie ließ die Gedanken laufen und spürte, wie sie mehr und mehr in den Schlaf sank.
Ein leises Poltern schreckte sie auf.
Sie griff nach dem Lichtschalter und sprang aus dem Bett. Nervös schaute sie sich in ihrem Zimmer um, doch alles stand noch so, wie sie es in Erinnerung hatte.
Fast alles.
Anne erschrak fast zu Tode, als die kleine Figur, mit der sie geübt hatte, plötzlich auf der Seite lag. Sie starrte die Figur mehrere Sekunden lang an, bevor sie sie mit fliegenden Fingern wieder richtig hin stellte. Dann warf sie ein Taschentuch über die beiden Stangen, als wären sie etwas Ekliges, Gefährliches. Einen Moment später flog sie zu ihrem Bett, sprang hinein und zog sich die Bettdecke bis zum Kinn. Zitternd drehte sie sich auf die Seite und schloß die Augen.
Sie ließ das Licht brennen; sie wagte nicht, es auszuschalten.
In dieser Nacht schlief sie sehr schlecht. Immer wieder wachte sie auf und schreckte hoch, weil sie Albträume hatte. Danach dauerte es jedesmal eine ganze Weile, bis sie den Mut fand, die Augen wieder zu schließen. Als der Wecker um halb acht klingelte, fühlte sie sich wie gerädert. Müde stand sie auf und ging erst mal duschen, was ihr etwas auf die Füße half. Das kräftige Frühstück brachte einen weiteren Teil ihrer Energie zurück, und als ihre Eltern nach einem längeren Gespräch erlaubten, daß sie die Nacht bei Tanja und Sybille verbringen durfte, war sie fast vollständig wieder her gestellt.
Sie hätte jedoch nicht erklären können, warum sie trotz all ihrer beängstigenden Erlebnisse zu den beiden wollte.
Punkt neun stand sie vor dem Haus, in dem ihre beiden neuen Freundinnen wohnten, und drückte auf die Klingel. Als die Tür mit einem lauten Summen aufsprang, erschrak sie; sie hatte den Namen gelesen, ohne das Amulett zu benutzen. Verwirrt ging sie hinein.
Tanja und Sybille kamen ihr schon auf der Treppe entgegen. Sie trugen zwei leere Getränkekästen in den Händen. Als die beiden Mädchen Anne herzlich und mit einem zärtlichen Kuß begrüßten, verschwanden Annes Sorgen. Was immer auch mit ihr los war, es kam von ihr; nicht von den beiden Mädchen. Tanja gab Anne den Wohnungsschlüssel, damit Anne eben ihre Reisetasche abstellen konnte. Anne lief nach oben und war wenig später zurück. Sie nahm Sybille den leeren Kasten ab, dann gingen die drei hinaus. Sie brachten zuerst die leeren Kästen weg; neue wollten sie auf dem Rückweg mitnehmen.
Danach führte der Weg zu einem Geldautomaten. Tanja sah Sybille auffordernd an. Die Zehnjährige ballte die Fäuste, streckte die Zeigefinger aus, richtete sie auf den Automaten und murmelte eine Reihe von Wörtern. Nach dem letzen Wort schoß ein dunkelblaues, elektrisch geladenes Schimmern auf den Automaten zu und verschwand darin. Das Gerät begann zu summen und zu klicken, und einen Moment später ging die Klappe auf. Anne sah fassungslos, wie Sybille einen dicken Haufen Geldscheine heraus nahm. Die Kleine zählte die Hälfte ab, reichte sie Tanja und steckte das restliche Geld ein. Tanja wandte sich zu Anne.
"Wenn wir Scheckkarten klauen", sagte sie leise, "betrügen wir bestimmte Menschen. So klauen wir nur von der Bank."
Anne nickte schnell. Es blieb zwar Stehlen und Betrug, doch es traf wenigstens keinen armen Rentner, der sowieso schon kaum Geld zum Leben hatte.
"Genau." Tanja lächelte traurig, während sie das Geld verstaute. "Wir nehmen übrigens immer einen anderen Automaten, damit es nicht auffällt. Angefangen haben wir am anderen Ende der Stadt. Es gibt genau 47 Geldautomaten in der Stadt, und wir brauchen nur alle zwei, drei Wochen Bargeld. Die Banken sagen nichts, weil sie befürchten, die Kunden werden das Vertrauen verlieren. Es sind ja auch immer nur ein paar hundert Mark, die wir nehmen. Keine Tausende. Komm."
Sie gingen weiter, als Anne etwas einfiel.
"Tanja, jeder Automat ist mit einer Kamera überwacht. Was ist, wenn -"
"Darum habe ich mich gekümmert." Tanja zuckte mit den Schultern. "Schon bevor wir vor dem Gerät standen. Elektrizität ist Energie, und die kann man ohne Probleme nachmachen."
"Ohne Probleme. Klar. Kann ja schließlich jedes Kind." Anne schaute so verwirrt drein, daß Tanja sie lachend in den Arm nahm. Sybille schlang ihre Arme um beide und kicherte ebenfalls fröhlich. Schließlich seufzte Anne laut.
"Ich weiß nicht, warum ich nicht einfach verrückt werde. Da muß doch jeder normale Mensch bei durch drehen."
"Richtig. Jeder normale Mensch." Tanja schaute sie ernst an. "Gehen wir weiter."
Die Antwort verwirrte Anne noch mehr. Nachdenklich ging sie mit den Schwestern los.
"Weißt du", sagte Tanja wie zu sich selbst, während sie die Straßenseite wechselten, "die Zauberei ist eigentlich nicht schwierig. Du willst etwas, aber du darfst es nicht wollen. Je mehr du es willst, um so unmöglicher wird es. Du mußt einfach nur dran glauben, Anne. Du siehst das, was du willst, ganz klar vor dir und glaubst, es ist so. Du willst es nicht, du glaubst. Mit aller Kraft. Dann wird sich die Wirklichkeit auch nach deinem Glauben richten. Was mußt du einkaufen?"
"Ringbucheinlagen, zwei neue Stifte, Büroklammern. Und ihr?"
"Lebensmittel. Der kleine Knopf hier futtert für zwei."
"Weil ich noch wachse!", strahlte der kleine Knopf.
"Du sollst aber nicht in die Breite wachsen." Tanja schüttelte lächelnd den Kopf, fuhr ihrer kleinen Schwester durch das Haar und sah dann zu Anne.
"Worauf hast du Hunger? Wie lange bleibst du überhaupt?"
"Wenn ich darf, bis morgen Nachmittag."
"Natürlich darfst du. Was ißt du gerne?"
"Eigentlich alles. Hauptsache, was mit Gemüse und Kartoffeln."
Plaudernd gingen die drei Mädchen weiter in die Stadt und kauften ein. Mit der Zeit fühlte Anne sich in Gegenwart der beiden jüngeren Mädchen immer wohler. Sie hatte beinahe das Gefühl, die beiden wären ihre Schwestern.
Die letzte Station des Einkaufens war in einem Getränkemarkt. Dort liehen sich die beiden Schwestern einen Einkaufswagen und brachten damit die drei neuen Kästen nach Hause. Sie luden die Kästen in den Hausflur, danach brachte Tanja den Wagen zurück, und Sybille lauschte einen Moment konzentriert. Anne wollte sie gerade fragen, worauf sie hörte, als Sybille mit den Händen auf die Kästen zeigte, einige Worte murmelte und langsam los ging. Anne schnappte nach Luft, als die Kästen sich genauso langsam in Bewegung setzten und vor Sybille die Treppe hinauf schwebten. Im nächsten Augenblick sah sie ein helles Flimmern unter den Kästen, das mit Sybilles Händen verbunden war. Halb fassungslos, halb staunend ging sie so leise wie möglich hinter der Zehnjährigen her.
Sybille legte auf jedem Treppenabsatz eine kleine Pause ein, um zu lauschen. Doch niemand kam. Schließlich waren sie im zweiten Stock angelangt. Sybille ließ die Kästen auf den Boden sinken und schloß die Tür auf. Dann trugen die zwei Mädchen die drei Kästen in die Küche, wo sie unter die Arbeitsplatte kamen. Sybille legte einige Flaschen gleich in den Kühlschrank. Danach schloß sie die Kühlschranktür und drehte sich zu Anne um.
"Bist du jetzt unsere Freundin?"
Anne nicke lächelnd. Sie streckte die Arme aus. Sybille war mit einem Satz bei ihr und drückte sie stürmisch. Anne strich ihr über das Haar.
"Ich mag euch", flüsterte sie. "Euch beide."
"Wir dich auch!" Sybille reckte sich und drückte Anne einen dicken, feuchten Kuß auf den Mund, bevor sie sich wieder an die 14-Jährige schmiegte. Anne strich ihr sanft über den Rücken.
Die Wohnungstür ging auf und gleich wieder zu. Sekunden später stand Tanja in der Tür.
"Was ist das denn?", lachte sie. "Geschmust wird aber erst nach der Arbeit!"
"Du mich auch!" Kichernd streckte Sybille den Arm nach ihr aus.
Anne half den beiden bei der Hausarbeit, die schnell vonstatten ging. Sie konnte jedoch nicht viel tun; die beiden Schwestern waren so gut aufeinander eingespielt, daß Anne fast schon störte.
Um halb zwölf blitzte und blinkte die Wohnung. Die drei machten eine kurze Pause im Wohnzimmer, um sich mit kühlen Getränken zu stärken, bevor es um zwölf Uhr mit der Vorbereitung des Mittagessens weiter ging. Um zehn vor eins wurde gegessen, um halb zwei lief der Geschirrspüler. Die drei setzten sich wieder ins Wohnzimmer, auf ein Sofa. Sybille kuschelte sich zwischen Tanja und Anne ein, schaltete den Fernseher mit der Fernbedienung ein und lag dann still, von Tanjas und Annes Händen gestreichelt. Die beiden älteren Mädchen lächelten sich über Sybilles Kopf hinweg an.
Zehn Minuten später wurde Anne schläfrig. Das reichhaltige Mittagessen, die beruhigende Wärme von Sybilles Körper, das still Sitzen, der fehlende Schlaf... Ihre Augen fielen immer öfter zu, und es wurde jedesmal schwerer, sie wieder zu öffnen.
"Leg dich bei mir etwas hin", schlug Tanja vor. Anne nickte, schon halb schlafend. Tanja lief vor und schlug das Oberbett zurück, während Anne gähnend hinter ihr her trottete. Tanja zog sie vollständig aus. Anne legte sich in das Bett und ließ sich zudecken.
"Schlaf etwas", flüsterte Tanja. Anne nickte und rutschte zurecht. Tanja gab ihr einen sanften Kuß und ging leise hinaus. Als die Tür zu war, war es stockdunkel im Zimmer. Nicht ein einziger Lichtstrahl kam hinein, weder vom Flur noch durch das Fenster.
Dennoch fühlte Anne sich wohl. Es war ein beschützendes, tröstendes Schwarz. Die Abwesenheit jeglicher Ablenkung. Anne ließ sich in diese nie gekannte Ruhe fallen. Sie war schon fast eingeschlafen, als sie merkwürdige Formen sah, die sich wie Nebel im Wind bewegten. Doch sie machten ihr keine Angst. Sie lächelte halb, dann schlummerte sie ein.
Als sie erwachte, fühlte sie sich ausgeruht und frisch wie schon lange nicht mehr. Trotz der Dunkelheit konnte sie sehen, und da sie sehen konnte, machte sie sich keine Gedanken darüber. Sie suchte nach ihrer Kleidung, doch die war nicht da. Sie stand einen Moment unentschlossen in der Dunkelheit, dann ging sie zur Tür, öffnete sie und blinzelte einen Moment in die ungewohnte Helligkeit, bevor sich ihre Augen an das Licht anpaßten. Aus dem Wohnzimmer drang leise Musik. Anne schaute sich nervös um; sie war es nicht gewöhnt, nackt herum zu laufen.
"Tanja?", rief sie in Richtung Wohnzimmer. "Weißt du, wo meine Sachen sind?"
"Im Schlafzimmer!", kam die fröhliche Antwort. "Wir haben aber auch nichts an."
Das machte die Sache für Anne nicht unbedingt einfacher. Gestern war etwas anderes gewesen; gestern hatte sie Lust und Erregung empfunden. Doch heute...
Nein, verbesserte sie sich stumm kichernd; es war eigentlich nichts anderes. Nackt war nackt, aus welchem Grund auch immer.
Sie atmete tief durch und lief ins Wohnzimmer. Dort lagen die beiden Schwestern gemütlich und splitternackt auf den beiden Sofas.
"Komm zu mir!", rief Sybille einen Moment vor Tanja. Die Zwölfjährige seufzte gespielt resigniert, und Sybille streckte ihr kichernd die Zunge heraus. Anne lief zu Tanja, gab ihr einen langen, sanften Kuß und setzte sich dann zu Sybille, die sich gleich auf Annes Schoß schwang, mit dem Rücken zu ihr. Anne rutschte zurecht, bis sie mit dem Rücken an der weich gepolsterten Armlehne lag, dann zog sie die Beine an, so daß Sybille dazwischen saß, und klemmte das kleine Mädchen leicht dazwischen ein. Sybille kuschelte sich an sie, legte ihre Arme um Annes Oberschenkel und saß still. Anne gab ihr einen Kuß auf das Haar, schlang ihre Arme um die Zehnjährige und streichelte sanft deren Bauch und vollkommen flache Brust.
"Wie hast du geschlafen?"
Anne drehte den Kopf zu Tanja. "Super! Das war so schön still und dunkel... So gut hab ich selten geschlafen."
Tanja lächelte wissend. "Deswegen haben wir die Zimmer schwarz. Es wird alles ausgeschaltet. Alles. Krach, Licht, Sinne... Einfach alles. Totale Erholung. Vier Stunden Schlaf, und du fühlst dich, als hättest du eine Woche Schlafkur gemacht."
"Wie lange hab ich überhaupt geschlafen?"
"Fast zwei Stunden." Sybille drehte sich um und legte sich auf Anne. "Du bist jetzt fit? Richtig wach?"
Anne lachte, als sie die unausgesprochene Frage in Sybilles schwarzen Augen sah. Sie legte ihre Hände auf den Po des zehnjährigen Mädchens.
"Hellwach und bereit für schlimme Dinge."
"Cool!" Sybille zog kichernd die Beine an und wartete aufgeregt. Anne seufzte gespielt, ließ ihre linke Hand auf Sybilles Po und schob die rechte zwischen deren Beine. Die Zehnjährige seufzte, als Anne mit einem Finger in sie ging. Sie öffnete ihre Beine noch etwas mehr und legte dann ihre Lippen auf Annes Mund. Zwei Zungen trafen sich und gingen in den Nahkampf.
Anne ging voll zur Sache. Der Sex mit ihrem ersten Freund, den sie im Alter von 13 Jahren und acht Monaten hatte, war aufregend und schön gewesen, doch der Sex, den sie hier mit Tanja und Sybille erlebte, schlug durch bis in die letzte Faser. Ihre Finger streichelten über ebenso glatte und weiche Haut wie die ihre; ihre Bewegungen waren so, wie sie es selbst mochte. Es war, als würde sie Sex mit ihrem Spiegelbild betreiben. Sie fragte sich kurz, ob es bei allen Mädchen und Frauen so war, daß sie viel einfühlsamer miteinander umgingen, bevor Sybilles Stöhnen und ihre verlangenden Küsse wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Sie drückte einen zweiten Finger in die Zehnjährige, rieb mit beiden kräftig in Sybilles Scheide, massierte mit dem Daumen den Kitzler und drückte mit der anderen Hand auch noch auf Sybilles After, der widerstrebend nachgab und Annes Finger hinein ließ.
Die Zehnjährige bebte vor Lust. Ihre Küsse wurden wild, feurig, leidenschaftlich; ihre Hände kneteten Annes Brüste kräftig, aber nicht schmerzhaft. Sybille stöhnte tiefer und schneller, und im nächsten Moment preßte sie sich am ganzen Leib zitternd an Anne, die ihre Finger in Sybilles kleiner Scheide rasen ließ, bis das kleine Mädchen stöhnend die Beine ausstreckte und still auf ihr lag.
Anne streichelte sie zärtlich, fuhr mit den Fingern durch das kurze Haar, strich über Po und Rücken und ging wieder hinauf zu Sybilles Kopf. Tanja setzte sich neben sie auf den Rand des Sofas, zwinkerte Anne zu und half mit, Sybille zu streicheln.
Nach einer ganzen Weile kehrte Sybille zurück in diese Welt. Glücklich seufzend kuschelte sie sich an Anne und umarmte ihre Schwester mit einem Arm.
"So schön?", fragte Tanja schmunzelnd. Sybille nickte mit leuchtenden Augen.
"Bist du jetzt rundrum zufrieden?"
Sybille nickte wieder. Tanja gab ihr einen Klaps auf den nackten Po.
"Gut. Dann deckst du den Kaffeetisch."
Sybille schüttelte vehement den Kopf und versteckte sich kichernd an Annes Hals. Tanja kniete sich vor das Sofa, öffnete den Mund weit auf, stieß ihren Kopf dann zu Sybilles Po vor und biß die Zehnjährige so lange in die Hinterbacken, bis Sybille quietschend aufsprang und lachend in die Küche rannte.
"Das mag sie nicht", grinste Tanja, die sich wieder zu Anne setzte. "Ich beiße nicht feste; nur so, daß sie meine Zähne spürt. Anfangs erregt es sie etwas, dann kitzelt es, und dann kommt die Angst, daß ich doch zubeißen könnte. Dann haut sie ab." Sie senkte das Gesicht zu Annes Brüsten und saugte die linke in ihren Mund. Anne zitterte, als der Funke zündete. Tanja leckte über Annes Brustwarze, nahm sie behutsam zwischen die Zähne und zog daran, dann ließ sie sie frei und setzte sich wieder auf.
"Komm her." Anne streckte ihre Hände aus. Tanja ließ sich auf sie fallen. Anne schloß sie in die Arme und drückte sie.
"Seid ihr oft nackt?"
"So oft wie möglich. Wir finden das einfach schöner." Sie kuschelte sich zurecht. "Wir haben bei der Sitzgruppe und den Teppichen extra drauf geachtet, daß die ganz weich sind. Es gibt nichts Schöneres als abends nackt im Sofa zu liegen und jemanden im Arm zu haben, den man sehr lieb hat." Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie bestimmte Gedanken vertreiben, dann lächelte sie plötzlich verschmitzt.
"Wieso paßt du dich eigentlich so schnell an?"
Anne lachte laut. "Keine Ahnung! Vielleicht weißt du mehr darüber als ich?"
"Kann gut sein." Tanja gab Anne einen langen Kuß.
"Aber du mußt das selbst heraus finden", sagte sie dann, während ihre Finger leicht über Annes Brüste fuhren. "Heute Abend nehmen wir Sybille in die Mitte, ja? Sie ist noch viel zu sehr Kind."
"Und du?", fragte Anne behutsam. "Was ist mit dir?"
Tanja verzog kurz das Gesicht. "Ich muß erwachsen sein", flüsterte sie. "Für Sybille. Für uns." Anne erschrak, als sie Haß spürte, doch das Gefühl verschwand sofort wieder. Tanja schmiegte sich an sie.
"Wir mögen dich", wisperte sie. "Du bist die erste, die keine Angst vor uns hat."
Annes Finger fuhren durch Tanjas lange Haare, rollten sie auf und gaben sie wieder frei.
"Das verstehe ich allerdings auch nicht", gestand die 14-Jährige. "Ich werde hier mit Sachen konfrontiert, die weit über mein Verständnis hinaus gehen, und alles, was ich in mir fühle, ist ein Okay. Als wäre alles in Ordnung. Dabei sollte ich schreiend nach draußen laufen. Hast du das gemacht?"
"Nein." Tanja leckte kurz über Annes Lippen. "Das bist ganz allein du. Es kann sein, daß durch den Kontakt mit uns bestimmte - Dinge schneller nach oben kommen, aber es ist dennoch alles in dir."
"Danke." Anne verzog das Gesicht. "Jetzt bin ich so schlau wie vorher."
"Bitte." Tanja drückte sie leise lachend. Anne schnitt ihr eine Grimasse, dann legte sie ihre Finger auf die kleinen, gerade sprießenden Brüste von Tanja.
"Warum?", fragte sie leise. "Warum mache ich das, Tanja? Ich weiß, daß ich nicht lesbisch bin. Mark und ich... Nun, wir haben ziemlich heftig rumgemacht. Er bei mir und ich bei ihm. Ich hatte etwas Angst, sein - sein Glied bei mir rein zu lassen, aber alles andere habe ich genossen bis obenhin. Einmal..." Sie wurde rot. Tanja lächelte mitfühlend.
"Sprich es aus, Anne. Bei uns kannst du alles sagen. Wir haben auch keine Mikrofone versteckt, die unser Gespräch zu deinen Eltern übertragen."
"Hoffentlich!", prustete Anne mit roten Wangen. "Sonst erwartet mich zu Hause ein Donnerwetter!" Sie drückte Tanja. Die beiden küßten sich kurz, aber gefühlvoll, bevor Anne weiter redete.
"Also einmal, da... Da habe ich sein Glied in - in den Mund genommen und gerieben, bis er kam. Als er das Zeug in meinen Mund schoß, dachte ich, ich muß kotzen, und ich dachte, daß es kaum etwas Schöneres auf Erden geben kann. Ich fühlte mich versaut und schmutzig, war aber gleichzeitig so erregt, daß ich... meinen Mund ganz fest um sein Glied gelegt und alles geschluckt habe. Alles! Das war total irre!" Sie zuckte mit den Schultern. "Ab dem Tag haben wir das immer so gemacht, bis er dann schließlich eine Freundin fand, mit der er richtig ins Bett gehen konnte. Seitdem... Egal. Mit Mädchen hatte ich jedenfalls noch nie was im Sinn. Nie! Also warum mache ich das hier? Warum lasse ich das mit mir machen?"
"Darauf gibt es nur eine Antwort." Tanja lächelte zärtlich. "Weil es dir gefällt."
Anne seufzte. "Ja. Genau. Aber warum gefällt mir das?"
"Denkst du darüber nach, warum du dieses Essen lieber magst als ein anderes? Warum dir diese Farbe besser gefällt als jene? Warum du diesen und jenen als Freund hast und nicht jemand anderen?"
Anne schüttelte den Kopf.
"Also. Man kann Sachen auch zerreden, Anne. Wenn du nicht mehr zu uns kommen willst, dann kommst du einfach nicht mehr. Wir würden dich sehr vermissen, wir würden dich aber nicht aufhalten."
Anne schloß das zwölfjährige Mädchen fest in die Arme. "Ich kann kaum glauben, daß du noch keine 13 bist. Du klingst immer so erwachsen!"
"Muß ich doch auch!" Tanja schluchzte kurz, hatte sich jedoch sofort wieder im Griff. "An Sybilles siebtem Geburtstag wurde es so schlimm, daß wir es nicht mehr aushielten." Ihr liefen die Tränen über die Wangen. Anne zog sie fest an sich und drückte sie tröstend.
"Da mußten wir uns wehren, Anne. Es ging nicht mehr anders. Sybille und ich haben unsere Kräfte vereint und unsere Eltern ins Auto geschickt. Ein paar Sekunden später waren sie tot. Wir haben das gemacht, Anne. Wir haben unsere eigenen Eltern umgebracht. Sybille war sieben. Sieben Jahre! Und ich fast zehn. Ist doch wohl klar, wer die neue Mutter wurde, oder?"
Anne nickte betroffen. "Und dann?"
"Dann?" Tanja zog die Nase hoch und lächelte traurig. "Dann wurde es kompliziert. Wir mußten lernen, die Unterschriften unserer Eltern zu fälschen, damit wir Geld vom Konto abheben konnten. Bei der Bank kannten sie uns zum Glück, denn wir brachten oft die Überweisungen hin. Mit etwas Hexenkraft bekamen wir das Geld dann auch, denn keine Bank zahlt über tausend Mark an ein neunjähriges Mädchen aus. Irgendwann stand dann der Vermieter auf der Matte, weil er sein Geld haben wollte. Das war der erste Schock. Das hatten wir total vergessen. Wir haben ihm versprochen, unseren Eltern Bescheid zu sagen, und dann mußten wir einen Geldautomaten knacken. Wir haben beim ersten Mal über eine halbe Stunde gebraucht, bis es klappte. Tja, und dann kam das Stromwerk. Das Wasserwerk, das Telefon, die Gebühren für Radio und Fernsehen, die Heizung... Wir haben über ein Jahr gebraucht, bis wir alles auf der Reihe hatten. Für Sybille war das alles ein Spiel, aber ich wußte schon damals, daß das Heim auf uns wartet, wenn wir nicht höllisch aufpassen."
"Total!" Anne stieß den Atem aus, den sie unwillkürlich angehalten hatte. "Aber wie habt ihr die Abwesenheit eurer Eltern erklärt? Wenn das Auto gleich vor dem Haus -"
"Nein. Nicht vor dem Haus. Wir waren unterwegs."
Anne bekam ein sehr intensives Bild von einer Familie mit zwei kleinen Mädchen, irgendwo auf einer Wiese. Die Mutter trat mit voller Kraft nach dem kleinsten Mädchen, während der Vater das ältere Mädchen am Kragen gepackt hielt und ihr mit der Faust ins Gesicht schlug. Immer wieder. Anne spürte Übelkeit aufsteigen. Diesmal drückte Tanja sie tröstend.
"Als es vorbei war", flüsterte die Zwölfjährige, "sind wir nach Hause gelaufen. Natürlich total aufgelöst. Sybille blutete an der Hüfte, und ich im Gesicht. Ich habe unseren Weg 'abgesichert', sozusagen. Dafür gesorgt, daß uns keiner sieht. Am nächsten Tag haben wir uns die Nachbarn vorgenommen und sie etwas... beeinflußt. So fing das an."
"Warum haben sie euch so verprügelt, Tanja?"
"Wenn ich das wüßte..." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich denke, weil sie Angst vor uns hatten. Oder aus sonst einem Grund. Spielt ja auch irgendwo keine Rolle, oder?"
"Nein." Sie drückte Tanja fest an sich. "Aber was war mit der Polizei? Die haben das Auto doch bestimmt untersucht und -"
"Richtig. Erst mal haben wir uns ein paar Tage tot gestellt, bis wir wußten, was wir machen sollten. Ins Heim wollten wir beide nicht. In diesen paar Tagen hat es hier öfter mal geklingelt. Tagsüber, frühmorgens, spätabends... War uns schon klar, wer das ist. Wir haben aus lauter Panik nicht aufgemacht. Irgendwann wurde uns dann klar, daß wir hier bleiben wollten. In dieser Wohnung. Ohne Eltern. Nur Sybille und ich. Ab da haben wir geübt, Anne. Kräftig geübt. Alle möglichen Menschen manipuliert, bis wir uns im Umgang mit unseren Kräften sicher fühlten. Beim nächsten Klingeln haben wir dann aufgemacht." Sie wischte sich die Tränen weg.
"Wir haben über drei Dutzend Menschen getötet, Anne", flüsterte sie, während neue, dicke Tränen über ihre Wange liefen. "Sybille und ich. Erst die Polizisten, die zu uns kamen. Wir haben abgewartet, bis sie der Meinung waren, wir sollten ins Heim, dann haben wir sie nach draußen geschickt und vor ein fahrendes Auto laufen lassen. Immer und immer wieder mußten wir das machen, weil immer und immer wieder neue Polizisten ankamen und uns ausfragten. Am Schluß sind wir zur Wache gegangen und haben dort unsere Akten geschnappt, damit das endlich mal aufhört. Und seitdem hat es auch aufgehört." Sie sah Anne mit nassen Augen an. "Verstehst du jetzt, warum wir schwarze Hexen sind? Viele der Polizisten hatten Familie. Wir haben die Väter umgebracht. Um uns zu retten." Sie warf sich an Anne und weinte still.
Anne schloß sie automatisch in die Arme, während ihr Kopf rotierte. Erst durch den direkten Kontakt mit Tanja sah sie nun auch die Bilder, als wäre sie dabei gewesen. Zwei Polizisten gingen wie Marionetten aus dem Haus, warteten auf ein heran kommendes Auto und warfen sich gleichzeitig davor. Der Autofahrer hatte nicht die geringste Chance, den Wagen noch rechtzeitig anzuhalten. Dann die Bilder auf der Wache. Entsetzt schloß Anne die Augen.
"Mein Gott!", flüsterte sie schockiert. "Mein Gott!"
Polizisten, die ihre Waffen zogen und ein wahres Blutbad anrichteten. Zwei kleine Mädchen, die über Leichen stiegen und sich an Schränken zu schaffen machten. Die Papiere heraus zogen und anzündeten.
"Mein armer kleiner Schatz!" Betroffen wiegte sie die noch immer still weinende Tanja in ihren Armen.
* * *
Sybille hatte so leise wie möglich den Tisch gedeckt, ohne Anne und Tanja zu stören. Sie wartete geduldig, bis ihre Schwester sich wieder erholt hatte, und setzte erst dann Kaffee auf. Als dieser durch gelaufen war, konnte Tanja auch schon wieder etwas lächeln.
Die drei setzten sich an den Eßtisch. Sybille verteilte die restlichen Stücke von ihrem gestrigen Geburtstagskuchen, während Anne den Kaffee eingoß. Er war sehr mild und schwach.
"Ich glaube trotzdem nicht, daß ihr schwarz seid", sagte sie schließlich. "Auf keinen Fall seid ihr böse. Also tief innen. Ihr habt euch gewehrt." Sie zögerte, doch ein auffordernder Blick von Sybille ließ sie weiter reden. "Nur ziemlich heftig, wie ich finde. Gab es keinen anderen Weg?"
"Ich war neun, Anne." Tanja zuckte mit den Schultern. "Fast zehn, aber offiziell noch neun. Du bist 14. Wäre ich damals 14 gewesen, hätte ich bestimmt auch andere Wege gefunden. Aber ich war erst neun. Sybille und ich kannten nur Brutalität. Welcher andere Weg hätte mir einfallen sollen? Jetzt, heute, da weiß ich auch, wie ich es hätte anders klären können. Aber damals nicht." Sie schaute zu ihrer kleinen Schwester, die bedrückt zurück lächelte.
"Ich würde es gerne ungeschehen machen, Anne. Sehr gerne. Aber das geht nicht mehr. Auf jeden Fall haben Sybille und ich nun Ruhe. Und wir sind zusammen. Das war uns wichtiger als alles andere. Wir hatten doch sonst keinen mehr." Erst jetzt sah sie zu Anne, die ratlos nickte.
"Wer weiß, wie ich an eurer Stelle gehandelt hätte", gab sie zu. "Hinterher ist man immer schlauer, wie mein Vater sagt. Trotzdem seid ihr nicht böse."
Die beiden Schwestern lächelten dankbar, bevor sie sich wieder um ihren Kuchen kümmerten.
Kapitel 4
Anne kehrte am späten Sonntagnachmittag nach Hause zurück. Sie begrüßte ihre Eltern und stellte eine leichte Spannung fest, die sie jedoch nicht greifen konnte. Nach außen hin war alles normal. Diese Spannung lag tiefer, unsichtbar. Anne spürte sie mit einem neuen Sinn, der jedoch noch viel zu unvertraut war, um sich darauf verlassen zu können.
Sie tat es schließlich mit einem inneren Schulterzucken ab.
Ihre Eltern fragten sie gründlich über das Wochenende aus, bevor Anne endlich in ihr Zimmer gehen konnte, um die letzten Hausaufgaben für den Montag zu erledigen. Als sie damit fertig war, suchte sie die Radiosender ab, doch nirgendwo lief Musik, auf die sie in diesem Moment Lust hatte. Sie schaltete das Gerät wieder aus und ging zurück ins Wohnzimmer, wo sie den Rest des Tages mit ihren Eltern verbrachte.
Um halb zehn ging sie duschen, um halb elf lag sie im Bett und las noch etwas. Als sie sich müde genug fühlte, legte sie das Buch zur Seite, schaltete das Licht aus und -
- sah im gleichen Moment ein Mädchen in ihrem Zimmer stehen. Das Mädchen war fast nackt; an der Stelle, wo ihre linke Brust sein sollte, befand sich nur ein klaffendes, blutiges Loch von Faustgröße.
Anne fuhr in Panik auf. Sie griff hektisch nach dem Lichtschalter an der Wand und schlug förmlich darauf. Ihr Herz raste, als sie sich in dem nun erhellten Zimmer umsah. Das Mädchen war verschwunden.
Am ganzen Leib vor Schreck zitternd setzte Anne sich in die äußerste Ecke des Bettes, direkt an die Wand, zog die Knie an die Brust und das Oberbett bis zum Kinn. Ihre Augen suchten das Zimmer wieder und wieder ab, doch das Mädchen tauchte nicht mehr auf. In ihrer Furcht dachte Anne an Tanja und erhielt sofort Antwort.
'Was ist los?', hörte sie Tanjas tief besorgte Stimme irgendwo in ihrem Kopf. Anne griff mit fliegenden Fingern nach der Flasche Sprudel neben ihrem Bett und öffnete sie, während sie versuchte, Tanja in Gedanken zu erklären, was sie gerade gesehen hatte. Tanjas ruhige, sachliche Art half ihr, mit dem ersten Schock fertig zu werden.
'Tja', meinte Tanja schließlich. 'Schwer zu sagen, Anne. Es könnte ein Geist sein. Die Seele eines Menschen, der noch eine Aufgabe auf der Erde zu erfüllen hat. Es könnte ein Spuk sein. Die Seele eines Menschen, der nur Böses getan hat und jetzt keine Ruhe findet. Es könnte Einbildung gewesen sein, aber das glauben wir beide nicht. Es könnte eine Vision gewesen sein. Etwas, was in näherer oder fernerer Zukunft passiert. Es könnte ein Flashback gewesen sein. Etwas, was vor kurzem oder vor längerer Zeit geschehen ist. Doch was immer es ist, es hängt mit dir zusammen. Das Mädchen kam zu dir. Ganz gezielt. Hat sie dich bedroht?'
'Nein. Sie stand einfach nur da und schaute mich an. Und ihre Brust...' Anne zitterte wieder.
'Scht! Bleib ruhig, Anne. Sie ist offenbar umgebracht worden. Oder wird umgebracht werden. Kennst du sie?'
'Nein.'
'Ganz sicher nicht?' Tanjas Stimme blieb ruhig, fragend. Anne dachte angestrengt nach. Schließlich schüttelte sie den Kopf.
'Nein. Ganz sicher nicht.'
'Hm. Trotzdem steht sie irgendwie in Zusammenhang mit dir. War heute Abend etwas Ungewöhnliches? Auf dem Heimweg oder bei euch Zuhause?'
'Nein... Bei meinen Eltern war eine leichte Spannung, aber ich kann nicht sagen, woher die kommt.'
'Vom Sonntag.' Tanja lachte in Gedanken. 'Denn morgen ist Montag, und das bedeutet für uns Schule und für die Erwachsenen Arbeit. Sonntags Abends sind alle angespannt. Du spürst das jetzt nur, weil du sensitiver geworden bist. Laß das Licht brennen, Anne; dann kannst du wenigstens schlafen. Oder willst du zu uns kommen?'
'Würde ich gerne.' Anne seufzte sehnsüchtig, als sie an die letzte Nacht dachte. Die drei Mädchen hatten sich in dem großen Doppelbett eng zusammen gekuschelt, noch etwas miteinander geschmust und dann tief und fest geschlafen.
'Aber das würden meine Eltern nie erlauben. Weil morgen doch Schule ist.'
'Dann kündige deinen Eltern und zieh zu uns!', lachte Tanja und wurde sofort wieder ernst. 'Melde dich bitte sofort, wenn du das Mädchen noch mal siehst, Anne. Geister kommen nicht ohne Grund zu den Menschen. Entweder hast du ihr etwas getan, oder du kannst ihr helfen. Schaffst du es, ganz ruhig zu bleiben, wenn sie noch mal auftaucht, und sie zu fragen, was sie von dir will?'
Schon bei der reinen Vorstellung bebte Anne am ganzen Leib.
'Ist schon gut!', sagte Tanja schnell. 'Das ist der schwerste Weg, Anne, aber auch der beste. Nur so erfährst du, was der Geist von dir will. Aber ich verstehe vollkommen, wie du dich fühlst. Ganz bestimmt. Ich bleib noch etwas bei dir, ja? Leg dich hin.'
Verstört legte Anne sich wieder hin, ließ das Licht jedoch an.
'Was geschieht mit mir, Tanja?', fragte sie weinerlich. 'Was passiert hier?'
'Schlaf, mein Schatz', flüsterte Tanja. 'Schlaf und träum. Dort bekommst du die Antwort, wenn du sie wirklich wissen willst. Ich bleib bei dir. Sybille läßt dich schön grüßen. Nun schlaf.'
Sybille. Bei dem Gedanken an das unersättliche, verschmuste zehnjährige Mädchen mußte Anne lächeln. Sie zog das Oberbett bis zu den Ohren und schloß die Augen. Sie spürte, daß Tanja bei ihr war, und mit diesen Gedanken schlief sie endlich ein.
Sie träumte wirr und unzusammenhängend, doch sie wachte nicht auf. Am Morgen fühlte sie sich nur noch ein bißchen müde, der Schock des letzten Abends hatte sie jedoch nicht mehr in seiner Gewalt.
Sie brachte das Frühstück hinter sich, ohne sich etwas anmerken zu lassen, und machte sich dann auf den Weg zur Schule. Dort wurde sie gleich von einer aufgeregten Bettina empfangen, die eine gute Freundin von Anne war.
"Anne! Hast du schon gehört? Die Sabine ist verschwunden!"
"Sabine? Was für eine Sabine?", fragte Anne erstaunt.
"Die aus der 6C. Sie ist am Freitag in die Stadt gegangen und seitdem verschwunden."
"Nein, nichts von gehört. Verschwunden?"
"Spurlos. Hast du gestern keine Nachrichten gesehen? Da wurde ihr Bild gezeigt."
"Nein. Mein Vater wollte irgend ein total unwichtiges Länderspiel sehen. Radio hab ich auch nicht gehört. Hoffentlich ist ihr nichts passiert!"
"Das wünschen sich alle." Bettinas Augen sagten jedoch, daß sie anderes befürchtete. Beunruhigt gingen die Mädchen in das Schulgebäude.
In der dritten Stunde wurde ein großer Test für den nächsten Tag angekündigt, so daß Anne sich zu Hause, nachdem die normalen Hausaufgaben erledigt waren, auf die Bücher stürzte und alles nachlas, was in diesem Halbjahr durchgenommen worden war. Zwischendurch rief sie kurz Tanja an, um ihr zu sagen, daß sie heute nicht kommen würde, dann setzte sie sich wieder an die Bücher.
Es war fast halb sieben, als sie eine Gänsehaut im Nacken bekam. Sie wußte mit urplötzlicher Sicherheit, daß jemand hinter ihr stand und sie beobachtete. Sie wußte zwar auch, daß niemand in ihr Zimmer gekommen war, doch das erste Gefühl war viel stärker als das zweite.
Die Gänsehaut breitete sich über Arme und Beine aus. Ihr ganzer Körper kribbelte, selbst die Wangen und die Stirn. Sie hatte Angst, sich umzudrehen, und sie hatte Angst, sich nicht umzudrehen.
Schließlich drehte sie sich um.
Im gleichen Moment schrie sie entsetzt auf. Das Mädchen stand knapp einen Meter hinter dem Stuhl; aus dem Loch in ihrer linken Brust floß Blut. Sie hatte langes, helles Haar. Die Augen blickten beschwörend auf Anne, als wollten sie sie um etwas bitten.
Anne schüttelte wie in Terror den Kopf, streckte die Hände in einer abwehrenden Geste aus und rutschte von der Erscheinung weg. Dabei fiel sie vom Stuhl und knallte mit dem Kopf heftig gegen die Heizung.
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und ihre Eltern stürmten herein. Anne lag wie betäubt vor der Heizung. Ihr war etwas schwindelig, und sie hatte keine Kraft mehr im Körper.
Ihr Vater hob sie besorgt hoch und legte sie auf das Bett, während ihre Mutter ins Bad lief und einen kalten Umschlag aus einem Handtuch machte. Kurz darauf hatte Anne das feuchte, kühlende Handtuch um den Kopf. Ihre Eltern setzten sich zu ihr.
"Was ist passiert?", fragte ihre Mutter. Anne schluckte.
"Da - da war dieses Mädchen, und -"
Ihre Eltern wechselten einen schnellen Blick. "Was für ein Mädchen?"
"Na, dieses Mädchen, das..." Anne brach ab. Sie sah, daß ihre Eltern ihr kein Wort glauben würden. Sie glaubte es ja selbst nichts. Sie schüttelte vorsichtig den Kopf.
"Ich hab wohl zuviel gearbeitet und bin vom Stuhl gefallen. Ich seh schon Gespenster."
"Dann bleibst du jetzt im Bett", entschied ihre Mutter. "Ich bringe dir dein Abendessen. Hast du Kopfschmerzen?"
"Nur an der Beule hinten." Sie schaute ihre Eltern mit mehr Zuversicht an, als sie empfand. "Ist wirklich alles in Ordnung. Ganz bestimmt."
"Hoffentlich." Ihr Vater strich ihr zweifelnd über das Haar. "Was büffelst du denn so intensiv?"
"Für einen Test in Bio morgen. Eine Zusammenfassung des ganzen Halbjahres. Wenn ich den gut schaffe, kann ich mich auf eine Zwei im Zeugnis verbessern."
"Das ist aber kein Grund, deine Gesundheit zu riskieren." Ihre Mutter schaute sie vorwurfsvoll an. "Bleib liegen; ich mach dir was zu essen." Sie stand auf und eilte hinaus. Annes Vater blieb bei ihr.
"Bist du wirklich in Ordnung? Oder ist da etwas, was du mir erzählen möchtest? Was unter uns bleibt?"
Anne fuhr heftig zusammen, als für den Bruchteil einer Sekunde das Mädchen wieder auftauchte und auf ihren Vater deutete. Dann war sie verschwunden.
Anne geriet fast in Panik. Sollte das bedeuten, daß ihr Vater etwas mit dem Mädchen zu tun hatte? Das war doch völlig unmöglich!
Aber da war diese unerklärliche Spannung gestern Abend. Wo war die her gekommen? Und warum hatte ihr Vater das Länderspiel sehen wollen, obwohl Deutschland überhaupt nicht spielte? Hatte er nur von den Nachrichten ablenken wollen?
Annes Herz schlug wie ein Hammerwerk, als sie eine Frage an ihren Vater richtete.
"Hast du die Tageszeitung von heute?"
"Natürlich. Möchtest du sie haben?"
Anne nickte mit trockenem Mund. Ihr Vater stand auf und holte die Zeitung. Anne sah auf die Titelseite und starb beinahe vor Schreck. Sie sah das Bild des Mädchens, das ihr nun drei Mal erschienen war. Das Bild des Mädchens, von dem Bettina ihr heute Morgen erzählt hatte. Das Bild der zwölfjährigen Sabine, die seit Freitag Nachmittag verschwunden war.
Annes Kopf weigerte sich, auch nur einen einzigen Gedanken zu denken. Völlig verstört ließ sie die Zeitung sinken. Sie spürte kaum die Hände ihres Vaters an ihren Schultern.
"Anne! Was ist los? Kennst du das Mädchen? Weißt du etwas darüber?"
Anne sah ihrem Vater in die Augen. Dem Mann, auf den das Mädchen gedeutet hatte. Der irgend etwas mit ihr zu tun hatte. Dessen Hände fest ihre Schultern griffen. Seine Augen stellten für das verstörte Mädchen plötzlich eine Gefahr dar. Sie kämpfte dagegen an, doch das Bild des Mädchens, das auf ihren Vater deutete, schob sich in den Vordergrund. Er wußte etwas. Er hatte etwas damit zu tun. Wenn nicht sogar...
Annes Panik gewann den Kampf gegen den Verstand.
"Laß mich los!", schrie sie ihren Vater gellend an. "Laß mich los! Laß mich los!" Sie schlug sogar mit der Zeitung nach ihm. Sie war wie von Sinnen und merkte überhaupt nicht, daß er aufsprang und nach draußen lief. Sie schlug und schrie weiter und weiter, bis die Verzweiflung überhand nahm und sie bitterlich weinend zusammen brach.
Ihr eigener Vater! Ihr eigener Vater und ein zwölfjähriges Mädchen! Was hatte er bloß mit ihr gemacht? Was sollte das Loch in ihrer Brust bedeuten? Hatte er ihr vielleicht sogar das Herz entfernt?
Einen Moment später übergab sich Anne heftig würgend in ihr Bett.
* * *
Dreißig Minuten darauf war ihr Bett wieder in Ordnung, und das Fenster weit auf zum Lüften. Anne lag im Bett ihrer Mutter und wartete reglos auf den Arzt, den ihr Vater angerufen hatte. Sie fühlte sich tot. Sie konnte nicht glauben, daß ihr Vater irgend etwas mit dem Verschwinden des Mädchens zu tun haben sollte, doch da war diese Vision, die sie nicht mehr aus dem Kopf bekam. Und so hatte sie sich dafür entschieden, überhaupt nicht mehr zu denken.
Teilnahmslos griff sie nach dem Glas Wasser auf dem Nachttisch, als das Mädchen wieder erschien. Es stand am Fußende des Bettes und sah Anne an. Anne hatte keine Kraft mehr für Schocks. Sie schüttelte nur den Kopf und sah weg.
'Hilf mir!', hörte sie plötzlich in ihrem Kopf. Sie sah wieder auf. Das Mädchen bewegte die grauen Lippen. 'Hilf mir!'
"Wie denn?" Etwas Energie kam zurück; gerade soviel, um verzweifelt zu klingen.
'Dein Vater', wisperte das Mädchen. 'Frag deinen Vater.'
Anne platzte.
"Verschwinde!", brüllte sie das Mädchen an. "Ich weiß nicht, was du von mir willst, aber ich will dich nicht mehr sehen! Hau ab!"
"Anne!"
Annes Kopf fuhr herum. Sie entdeckte ihre Mutter in der Tür.
"Mit wem hast du geredet? Warum hast du so gebrüllt?"
Anne schüttelte nur den Kopf, ließ sich in das Bett fallen und weinte erschöpft.
'Anne! Was ist los?' Das war Tanjas sehr besorgte Stimme. Anne schlug verzweifelt auf das Bett.
"Könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen?", schrie sie weinend. "Müßt ihr euch alle in meinem Kopf treffen?"
"Kind!" Ihre Mutter stürzte zu ihr und nahm sie in die Arme. "Wer ist in deinem Kopf?"
"Niemand." Anne klammerte sich weinend an sie.
Der Arzt kam zehn Minuten später und diagnostizierte nach einer gründlichen Untersuchung eine leichte Gehirnerschütterung. Als Annes Mutter ihn daraufhin bat, ihn unter vier Augen sprechen zu dürfen, bekam Anne ein ganz ungutes Gefühl. Dieses ungute Gefühl verstärkte sich um ein Vielfaches, als sie den professionell neutralen Ausdruck im Gesicht des Arztes sah, der wenig später wieder zu ihr kam.
"Ihre Mutter hat mir gerade ein paar schwer wiegende Dinge gesagt", begann er. Seine Stimme war einfühlend, sanft. Anne bekam Beklemmungen. "Sie hören Stimmen? Sie unterhalten sich mit Personen, die nur Sie sehen können?"
"Nein", flüsterte Anne, ohne ihm in die Augen zu sehen. "Ich bin nur etwas überarbeitet. Gerade vor Weihnachten ist in der Schule viel los, und -" Sie riß die Augen auf, als das Mädchen direkt hinter dem Arzt auftauchte und in Richtung Wohnungstür deutete, wo vermutlich Annes Eltern standen. Der Arzt drehte sich schnell um, doch er sah natürlich nichts.
"Was haben Sie gesehen, Fräulein Bergmann? Sagen Sie es mir."
Anne ließ den Kopf sinken. "Nichts."
Der Arzt atmete stumm aus.
"Schauen Sie", sagte er dann sehr ruhig. "In Ihrem Alter sind bestimmte - Phänomene ganz normal. Sie sehen oder hören etwas, was Sie nicht einordnen können. Daran ist nichts Unnormales, solange es im Rahmen bleibt. Was haben Sie gesehen, Fräulein Bergmann? Mit wem haben Sie geredet?"
Anne zerbrach. Sie wollte, daß es aufhört. Sie wollte sich jemandem mitteilen; was immer auch daraus entstand. Sie mußte es einfach los werden.
"Das Mädchen, was verschwunden ist", flüsterte sie tonlos. "Sie taucht hier auf. Sie hat nur eine zerrissene Unterhose an, und..." Sie schluckte schwer. "Und anstelle ihrer linken Brust ist nur ein tiefes, blutendes Loch. Sie sagt, ich soll ihr helfen." Sie sah mit nassen Augen zu dem Arzt auf. "Ich weiß aber nicht, wie!"
"Diese Sabine Karl?", vergewisserte sich der Arzt. "Die seit Freitag vermißt wird?"
"Ja", wisperte Anne. "Sie kommt hierher und zeigt auf meinen Vater." Sie begann zu zittern. "Er kann doch nichts damit zu tun haben, oder? Das kann er doch nicht! Er war den ganzen Freitag in einem Meeting, wie er sagte. Er hat bestimmt nichts damit zu tun! Er ist doch mein Vater!"
Der Arzt griff nach ihren Händen und lächelte. "Er ist Ihr Vater, und er hat bestimmt nichts damit zu tun. Dieses Mädchen erscheint Ihnen?"
"Ja. Das erste Mal gestern Abend, kurz vorm Einschlafen. Dann heute Abend. Deswegen bin ich ja vom Stuhl gefallen. Als ich im Bett in meinem Zimmer lag, ein drittes Mal. Da hat sie auf meinen Vater gezeigt. Dann hier ein viertes Mal. Da sagte sie, ich soll ihr helfen. Und gerade eben ein fünftes Mal."
Der Arzt runzelte die Stirn. "Sie haben das Mädchen noch vor Ihrem Sturz gesehen?"
"Ja!" Annes Augen wurden feucht. "Ich hab mich doch selbst gefragt, ob ich verrückt werde, Herr Doktor. Das hab ich mich oft genug gefragt. Ich bin doch nur wegen ihr vom Stuhl gefallen. Weil ich mich so erschrocken hab!"
In diesem Augenblick erschien das Mädchen wieder. Anne fuhr entsetzt zusammen, als sie sich zu ihr auf das Bett setzte und sie beschwörend anschaute.
'Frag deinen Vater!', sagte sie drängend. 'Nach Freitag! Hilf mir bitte!'
"Fräulein Bergmann!" Die Stimme des Arztes ließ Anne ein weiteres Mal heftig zusammen zucken. "Was ist los?"
"Sie war gerade wieder da!", schluchzte Anne. "Sie sagt, ich soll meinen Vater nach Freitag fragen."
"Dann sollten wir das tun." Der Arzt lächelte sie aufmunternd an. "Schon in Ihrem eigenen Interesse. Sie möchten doch auch bestimmt, daß etwas Klärung in die Sache kommt, oder?"
Anne konnte seine Gedanken verfolgen, als ob er sie ausgesprochen hätte. Entweder hatte ihr Vater etwas damit zu tun, und die Sache würde an die Polizei übergeben, oder er hatte nichts damit zu tun, und Anne würde noch heute Abend in der Psychiatrie landen.
In diesem Moment verstand sie, was Tanja und Sybille zu ihrer Tat getrieben hatte. Hätte sie über die gleichen Kräfte verfügt, hätte sie sie in diesem Augenblick ohne zu zögern eingesetzt, um sich und ihren Vater aus dieser Falle zu befreien.
Doch so war sie nur ein 14-Jähriges Mädchen, das im Verdacht stand, verrückt zu sein. Ihr blieben nicht viele Möglichkeiten. Ihr blieb sogar nur eine einzige Möglichkeit.
Sie nickte weinend. Sie wollte nicht in die Klapsmühle.
Der Arzt stand auf und ging hinaus. Kurze Zeit später kehrte er mit ihren Eltern zurück, die äußerst besorgt aussahen. Der Arzt wandte sich direkt an Annes Vater.
"Ihre Tochter hat sich auf den letzten Freitag fixiert", begann er; die Worte sorgfältig wählend. "An diesem Tag ist offenbar etwas geschehen, was ihr sehr großen Kummer bereitet. Ich habe nicht das Recht, Sie danach zu fragen, Herr Bergmann, aber könnten Sie uns sagen, was Sie am Freitag gemacht haben?"
"Ich? Am Freitag?" Annes Vater schaute den Arzt verblüfft an. "Was hat das mit Anne zu tun?"
"Bitte, Papa!", flehte Anne ihn mit zitternder Stimme an. "Bitte sag es mir!"
Ihr Vater setzte sich verwirrt auf das Bett.
"Nun... Ich bin aufgestanden, wir haben alle zusammen gefrühstückt, dann bin ich zur Arbeit gefahren. Von halb neun bis halb fünf im Meeting gewesen, zwischendurch eine halbe Stunde Mittag. Dann bin ich nach Hause gekommen. Das war mein Freitag."
"Sonst war nichts?", fragte Anne halb verzweifelt.
"Nein, Anne. Was soll sonst gewesen sein?"
Anne öffnete den Mund, doch der Arzt war schneller.
"Anne ist der Meinung, daß Sie etwas mit dem Verschwinden eines jungen Mädchens am Freitag zu tun haben." Seine Stimme war nun völlig professionell. "Ich schlage vor, Anne für ein paar Tage zur Beobachtung in ein Krankenhaus einzuweisen. Sie hat schwere Halluzinationen, die nicht mit dem Sturz in Verbindung stehen. In ihrem eigenen Interesse sollte sie so schnell wie möglich dort hin."
Die Falle war zugeschnappt. Anne ließ sich zerstört in das Bett fallen und weinte lautlos. Ihre Eltern schauten sich an, als wären ihre schlimmsten Befürchtungen wahr geworden.
"Es ist nicht so schlimm wie Sie denken", beruhigte der Arzt sie. "Das kommt bei Jugendlichen in Annes Alter öfter vor. Die Chancen auf Heilung stehen sehr, sehr gut. Darf ich mal telefonieren?"
"Natürlich." Annes Vater drehte sich um und fuhr kurz vor Schmerz zusammen.
"Haben Sie sich etwas verstaucht?", fragte der Arzt mit beruflichem Interesse.
"Nein, nicht direkt. Als ich am Freitag nach Hause kam, ist mir ein Nachbar entgegen gekommen, der über uns wohnt. Schwer beladen mit Koffern. Fuhr wohl in Urlaub. Einer der Koffer ist heftig gegen mein Schienbein geschlagen, und das heilt nicht besonders gut."
Anne hatte nur mit halben Ohr zugehört, doch plötzlich war das Mädchen wieder da. Ihr Gesicht war ganz aufgeregt. Anne fuhr auf.
"Welcher Nachbar?"
"Der über uns. Das Telefon steht in der Diele, Herr Doktor."
Das Mädchen nickte aufgeregt und verschwand. Anne sprang aus dem Bett und ignorierte den heftigen Schmerz im Hinterkopf.
"Das ist es!", sagte sie völlig aus dem Häuschen. "Deswegen hat sie auf meinen Vater gezeigt! Sie ist bestimmt oben!"
Sie kämpfte sich durch die drei verwirrten Erwachsenen hindurch und lief aus der Wohnung. Der Arzt folgte ihr sogleich, die Eltern brauchten etwas länger, da sie nicht wußten, worüber ihre Tochter mit dem Arzt gesprochen hatte.
Anne flog die Treppe nach oben hinauf und klingelte Sturm. Doch alles blieb ruhig. Sie drehte sich aufgelöst zu dem Arzt.
"Rufen Sie die Polizei an! Bitte!"
"Fräulein Bergmann", sagte der Arzt ganz ruhig. "Wir haben keinen Beweis, daß -"
"Verdammt!", fauchte Anne. "Machen Sie schon!"
Als der Arzt sich nicht rührte, platzte Anne. Sie schob ihn zur Seite, stürmte die Treppe wieder herunter, wobei sie beinahe ihre Eltern über den Haufen rannte, und in die Diele und riß den Hörer des Telefons hoch. Sie tippte die drei Ziffern und wartete ungeduldig, bis sich jemand meldete. Sie brauchte fast zwei Minuten, um der Frau am anderen deutlich zu machen, was sie wollte, doch schließlich hatte sie die Zusage, daß sofort eine Streife vorbei kommen würde. Erleichtert legte sie den Hörer auf und sah im gleichen Moment das Mädchen wieder.
"Wir helfen dir", sagte Anne leise. "Wo bist du genau?"
'In einem Schrank.' Das Mädchen lächelte traurig. 'Aber ich werde bald tot sein.'
"Das werden wir sehen." Mit grimmigem Gesicht lief Anne nach unten und wartete ungeduldig vor dem Haus auf die zugesagte Streife, die fast fünf Minuten brauchte, um zu kommen. Anne erzählte ihnen noch auf der Treppe eine Räuberpistole, die sie sich ausgedacht hatte: Mädchenschreie in der Nacht in dem Zimmer über ihr, eine brutale Männerstimme und so weiter. Die beiden Beamten glaubten ihr auf Anhieb.
Schnell waren sie vor der Tür des Nachbarn. Ein Beamte klingelte mehrmals, was Annes Geduld auf eine harte Probe stellte, dann trat er kurz entschlossen die Tür ein. Anne lief blitzschnell vor, ohne daß die Polizisten sie aufhalten konnten. Sofort sah sie das Mädchen wieder vor sich, das erschöpft auf ein Zimmer deutete, das in der Tat genau über dem von Anne lag. Anne stürzte hinein und auf einen großen Schrank zu, wurde jedoch von zwei starken Händen recht unsanft zurück gerissen.
"Das ist unsere Aufgabe", meinte der Polizist. Sein Kollege öffnete den Schrank.
Er war bis auf zwei ältere Anzüge leer.
Anne wurde bleich wie der Schnee. Das konnte doch nicht sein! Das Mädchen hatte doch -
Das Mädchen erschien wieder und deutete drängend auf den offenen Schrank.
'Mach schnell!', flehte sie Anne an. 'Bitte!'
'Aber wo?', dachte Anne verzweifelt.
'Bitte hilf mir! Schnell!'
Mit der Kraft der Verzweiflung drängte Anne die Beamten vor dem Schrank weg und stieg hinein. Sie schaute sich nervös um und entdeckte in der Mitte der rechten hinteren Ecke einen versteckten Riemen in der Farbe des Holzes, der teilweise von einem der Anzüge verdeckt war. Entschlossen zog sie daran.
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