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SH-085 - Die Freundin meines Sohnes
Die Freundin meines Sohnes .... (sh-085.zip) (M/f cons rom slow 1st) (112k) (date posted: Friday PM, June 09, 2000)
Bernhard (14) stellt seinen Eltern voller Stolz seine neue Freundin vor: Alexandra (13). Bernhards Vater Bernd (46) verliebt sich Hals über Kopf in das Mädchen, und er hat den Eindruck, daß auch Alexandra ihn mag. Seine Frau Beatrix verstärkt die Probleme noch, indem sie Alexandra für den nächsten Tag zum Schwimmen an einem Baggersee einlädt. Was sie alles damit einläutet, ist ihr noch gar nicht bewußt.
Die Freundin meines Sohnes
Kapitel 1
Es fällt mir schwer, es zu sagen, doch Tatsache ist: ich bin in die 13jährige Freundin meines 14jährigen Sohnes verliebt. Ich weiß es, seitdem ich sie sah. Eine kindlich schlanke Figur in kunstvoll zerrissenen Blue Jeans, eine weiße Bluse, unter der sich zwei wunderschöne kleine Hügel abzeichnen, das leicht ovale Gesicht mit den ausdrucksvollen blaugrünen Augen, umrahmt von sanft gelocktem hellblondem Haar. Ein Engel in Menschengestalt, doch nicht deswegen verliebte ich mich in sie. Es geschah einzig und allein wegen ihrem Blick. Wegen dem Lachen in ihren Augen, als Bernhard sie nach meiner Frau mir vorstellt. "Das ist meine Freundin Alexandra Keller, Papa." "Sandra", sagt sie lächelnd und mit samtweicher Stimme, während sie meine Hand ergreift und sie leicht schüttelt. Warme, schlanke Finger, die sich fest um meine Hand schließen; die ich noch immer auf meiner Haut spüre. "Meine Freunde nennen mich Sandra." "Ich fühle mich geehrt, dein Freund zu sein", erwidere ich, und ihr Lachen in den Augen verstärkt sich noch. Dann legt mein Sohn besitzergreifend seinen Arm um ihre schmalen Schultern und führt ihre schlanke Gestalt in sein Zimmer. Alexandra - Nein, Sandra wirft mir noch einen Blick über ihre Schulter zu, lächelt mich an und verschwindet dann mit Bernhard in sein Zimmer. Und nun sitze ich hier und versuche, mit meinen Gefühlen ins Reine zu kommen. Schock Nummer Eins ist, daß ich überhaupt auf ein derart junges Mädchen reagiere. Wie alle Männer mittleren Alters schaue ich mir häufig junge Frauen auf der Straße an, doch Kinder unter 16 gehören nicht zur Zielgruppe meiner Blicke. Schock Nummer Zwei ist, daß ich ganz genau weiß, daß mein Gefühl für dieses Mädchen weder Einbildung noch Angst vor dem Alter oder Schwärmerei ist. Es geht tiefer. Sehr viel tiefer. So tief wie nie zuvor. In ihren Augen habe ich eine Seelenverwandtschaft entdeckt. Eine Übereinstimmung zwischen ihr und mir, die sich jeder Erklärung, sogar jedem Versuch einer Erklärung entzieht. Es ist sehr viel mehr als nur flüchtige Sympathie. Sogar sehr viel mehr als Zuneigung. Schock Nummer Drei ist, daß ich weiterhin automatisch mit meiner Frau rede. Sie sagt etwas, ich erwidere etwas. Wie immer. Nur daß es diesmal um mein Überleben geht. Das spüre ich wie glühende Herdplatten unter meinen Händen. Wenn sie heraus findet, was in mir vor geht, bricht ein Krieg aus, den ich nicht gewinnen kann. "Sie ist ein hübsches Mädchen", sagt Beatrix in diesem Moment. "Redet sehr gewählt." Ich brumme zustimmend, während ich nach der Programmzeitschrift greife. Beatrix lacht auf. "Sag jetzt nicht, daß du dafür schon zu alt bist, Bernd. Du darfst ruhig zugeben, daß sie hübsch ist. Ich verspreche dir auch, nicht eifersüchtig zu werden." Sie meint es nicht böse, doch ihre Worte tun mir weh. "Sie ist ganz nett", sage ich unverbindlich. "Aber warum muß sie ihre Hosen zerreißen?" "Weil das Mode ist", belehrt mich Beatrix lachend, bevor sie sich zu mir beugt. "Wir wollten doch morgen raus zum See, den Sonntag genießen. Sollen wir sie einladen? Dann wäre Bernhard auch mal wieder einen ganzen Tag bei uns." Einen ganzen Tag mit Sandra zusammen? Sie jede Sekunde lang sehen? Auch das wäre ein Krieg, den ich nicht gewinnen konnte. Aber ablehnen kann ich auch nicht. Beatrix würde sofort merken, daß etwas mit mir los ist. Also stimme ich zu. Gegen mein Gefühl, gegen besseres Wissen. "Wenn sie möchte...", sage ich nachdenklich. "Aber vielleicht hat sie schon andere Pläne. Oder der Junior. Vielleicht -" "Frag sie einfach", unterbricht sie mich. "Sie macht auf mich den Eindruck, als würde sie gerne an der frischen Luft sein." Ich soll sie fragen? Ich soll in Bernhards Zimmer gehen und Sandras unordentliche Haare sehen, weil Bernhard sie beim Küssen dort intensiv gestreichelt hat? Das kann ich nicht. "Wenn ich sie frage", widerspreche ich vorsichtig, "wird Junior bestimmt ablehnen. Er hört doch mehr auf dich als auf mich." "Aber sie ist ein Mädchen", wendet meine Frau ein. "Ein junges Mädchen, das dem Vater ihres Freundes bestimmt gefallen möchte, und deswegen wird sie zustimmen." "Genauso gut könnte sie der Mutter ihres Freundes gefallen wollen und deswegen zustimmen." Das wird jetzt wirklich lächerlich. "Falsch!", lacht Beatrix. "Die Mutter des Freundes ist immer Konkurrenz. Für das Mädchen. Der Vater des Freundes kann für ein Mädchen jedoch ein unschätzbarer Verbündeter werden, und somit wirst du jetzt deinen strapazierten Hintern in Bewegung setzen und sie fragen. Beide. Zuerst sie, dann Junior." Wann würde ich jemals gegen Beatrix in einer Diskussion über Privates gewinnen? Ich setze mich schleppend in Bewegung, voller Furcht über das Bild, was mich in Bernhards Zimmer erwartet. Wie lange kannte er Sandra überhaupt schon? Wie schnell waren die Jugendlichen heute, wenn es ums Küssen ging? Küßten sie sich schon am ersten Tag? Nach einer Woche? Nach einem Monat? Manchmal kommt es mir tatsächlich so vor, als hätte ich einen wichtigen Draht zum Leben verloren. Als ich 14 war, hatte ich meine damalige Freundin nicht in Anwesenheit meiner Eltern in den Arm genommen. Aber das ist dreißig Jahre her. Eine ganze Generation zurück. Ich unterdrücke einen großen Seufzer und klopfe an die Tür meines Sohnes; voller Angst und Sorgen. Doch sofort kommt seine Antwort. "Herein!" Ich öffne die Tür und sehe als erstes Sandra. Sie sitzt auf Bernhards Bett, die Schuhe ordentlich davor, die Beine im Schneidersitz verschränkt. Ihre Augen leuchten auf, als sie mich sieht. Oder bilde ich mir das ein, weil ich möchte, daß sie bei meinem Anblick aufleuchten? Nein. Sie freut sich tatsächlich. Kein Zweifel möglich. "Was ist denn?" Ich blinzle kurz, bevor ich meinen Kopf zu Junior drehe. Er sitzt vor seinem großen Schreibtisch, seine CDs vor sich ausgebreitet, sein Gesicht fragend auf mich gerichtet. Offensichtlich will er Sandra seine Sammlung vorspielen. Ich räuspere mich kurz. "Meine Frau fragt, ob ihr zwei morgen mit zum See möchtet." Sofort schaut Junior ablehnend. Ich sehe wieder zu Sandra, die leicht nickt. "Wir wollten nämlich den Tag dort verbringen", erkläre ich ihr. "Mit vorgebratenen Schnitzeln, Kartoffelsalat, Getränken und so weiter." "Das hört sich schön an!", schwärmt Sandra. Sie schaut zu meinem Sohn. "Da können wir den ganzen Tag an der frischen Luft sein, Bernhard." "Ja", murrt er. "Und den ganzen Tag unter Bewachung." Sandra lacht. Ein helles, fröhliches Lachen, wie helle, fröhliche Glocken. "Stell dich nicht so an! So, wie du mich immer anschaust, bin ich ganz froh, mal unter Bewachung zu stehen." Sie zwinkert ihm zu und sieht wieder zu mir. "Ist das ein richtiges Picknick? Den ganzen Tag in der Sonne liegen?" Mein Herz klopft zum Zerspringen, als ihr Blick tief in meine Seele geht. Ich nicke. "So hatten wir uns das gedacht, Sandra." "Dann würde ich gerne mitkommen." Sie löst den Knoten ihrer Beine, stellt die Füße auf den Boden vor das Bett und schaut auffordernd zu meinem Sohn. "Laß uns mitfahren!", bittet sie ihn. "Dann sind wir doch auch den ganzen Tag zusammen." Junior knurrt etwas Unverständliches und schaut abwechselnd zu Sandra und zu mir. Ich erkenne seinen Blick. Er wägt ab. Er plant. Er konstruiert Alternativen. Schließlich nickt er. Sandra klatscht auflachend in die Hände und schaut zu mir. Diesmal leuchten ihre Augen wirklich. "Störe ich auch nicht? Oder soll ich Essen von uns mitbringen?" Ich erlaube mir, sie schnell von oben bis unten anzusehen. Ich erschrecke, als ich erkenne, daß ich anfange, sie körperlich zu begehren. Ich wünsche, sie im Arm zu halten. Sie an mich zu drücken. Sie zu berühren. Ihr wunderschönes hellblondes Haar mit den sanften Locken an meiner Wange zu spüren. Ihr so zu zeigen, was ich für sie empfinde. "Nein, Sandra", sage ich, meine Gefühle unterdrückend. "Du siehst nicht so aus, als würdest du uns die Haare vom Kopf essen. Sollen wir dich morgen abholen? Wir wollten gegen zehn Uhr los." "Gerne!", freut sie sich. "Wir wohnen Kaiserallee 25. Zehn Uhr?" "Zehn Uhr", bestätige ich mit einem Lächeln, von dem ich hoffe, daß es nichts über meine Gefühle verrät. "Dann lasse ich euch mal wieder in Ruhe." "Ich habe es keineswegs als Störung empfunden", erwidert Sandra mit einem Blick, der mir beinahe das Wasser in die Augen treibt. "Ganz im Gegenteil." Beatrix hatte recht. Sie redet sehr gewählt. Nun weiß ich auch wieder, woran mich die Kaiserallee erinnert: an das Viertel der Reichen. Der wirklich Reichen. Beatrix und mir geht es wahrlich nicht schlecht, doch mit den Einkommen, die dort üblich waren, können wir nicht mithalten. Um so schlimmer für mich. Wenn ich Sandra auch nur berühre, werde ich eine Riege von Anwälten am Hals haben. Denn sie ist bestimmt hervorragend aufgeklärt und wird ihren Eltern sofort Bescheid sagen, wenn ihr etwas geschieht, was sie nicht will. Also verstecke ich meine Gefühle tief in mir und nicke ihr noch ein Mal zu, dann schließe ich die Tür. "Und?", fragt Beatrix mich gespannt, als ich wieder bei ihr bin. "Wie war's?" "Wie du sagtest. Er wollte nicht, aber sie, und so kommen sie morgen beide mit." "Prima. Dann werde ich heute Abend etwas mehr vorbereiten. Kommt Sandra zu uns, oder holen wir sie ab?" "Wir holen sie ab. Sie hat mir ihre Adresse gegeben." "Gut." Sie läßt sich zufrieden an die Lehne sinken und seufzt glücklich, voller Vorfreude. "Ein ganzer Tag faulenzen! Wir haben dieses Jahr richtig Glück mit dem Mai, oder?" "O ja!", stimme ich schnell zu. Das ist doch wenigstens ein unverfängliches Thema. "Hoffentlich haben wir dafür keinen verregneten Sommer." "Bestimmt nicht. Juli und August werden ganz sicher wieder heiß. Wo wohnt sie denn?" "Kaiserallee 25." "Oha." Beatrix grinst breit. "Tochter schwer reicher Eltern gibt sich mit einem Jungen aus dem oberen Mittelstand ab?" "Sie macht auf mich nicht den Eindruck, als würde sie ihre Freunde nach dem Verdienst der Eltern auswählen", entgegne ich etwas gereizt. Zum Glück interpretiert Beatrix meine Reaktion vollkommen falsch. "Ich beschwere mich doch nicht", sagt sie sanft. "Ich bin glücklich mit dir, Bernd. Wir haben alles, was wir brauchen. Mehr als wir brauchen. Wir fahren drei Mal im Jahr in Urlaub. Ich wunderte mich nur einen Moment lang." "Ich auch", stimme ich schnell zu. "Ich habe vorhin schon überlegt, daß ich irgendwie den Draht zur Jugend verloren habe. Also zu dem, was heute bei Teenagern so üblich ist." "Ich auch!", seufzt sie übertrieben, mit einem Lächeln in den Augen. Plötzlich fährt sie auf, die Augen zusammen gekniffen, den Kopf etwas schräg gedreht. Auch ich höre es: laute Stimmen aus dem Zimmer unseres Sohnes. Nein, nur eine laute Stimme. Bernhards Stimme. Was er sagt, kann ich nicht verstehen, aber er scheint sich mit Sandra über den morgigen Tag zu streiten. Sandra ist nicht zu hören, auch nicht in Bernhards Sprechpausen. Sie behält die Fassung, stelle ich anerkennend und bewundernd fest. Beatrix sieht mein Lächeln und erwidert es. "Was sich liebt, das neckt sich", sagt sie und wischt mit diesem Satz beinahe die Freude aus meinem Gesicht. Doch zu meinem Glück steht sie in diesem Moment auf und räumt den Kaffeetisch ab. Mit dem vollen Tablett geht sie in die Küche und gibt mir Zeit. Zeit zum Durchatmen. Zeit zum Fragen, was zur Hölle mit mir los ist. Zeit, mich auf morgen zu freuen. Und Zeit, mich wegen morgen zu sorgen. Sandra. Den ganzen Tag lang in meiner Nähe. Das würde ich nicht durchstehen. Das weiß ich. Das Haus, in dem Sandra wohnt, gehört zu meiner Erleichterung nicht zu der obersten Klasse der hier vertretenen Villen und Bungalows. Es entspricht eher dem, in dem wir wohnen. Etwas größer und teurer, aber nicht viel. Auch Beatrix schätzt das Haus sofort ein. "Doch nicht so weit weg von uns. Wer holt sie?" Sie schaut auffordernd nach hinten. Bernhard wirft ihr einen wütenden Blick zu, bevor er den Kopf zur Seite dreht und aus dem Fenster schaut. "Bernhard", versucht Beatrix es auf die sanfte Tour. "Du bist doch den ganzen Tag mit ihr zusammen. Wenn du weiter in dieser Stimmung bleibst, wirst du uns allen noch den Tag vermiesen. Aber ganz besonders dir." Bernhards Antwort darauf ist eisiges Schweigen. Beatrix wendet sich achselzuckend zu mir. "Ich geh", sage ich und schnalle mich gleichzeitig los. "Aber deine Mutter hat recht, Bernhard. Sandra ist ein sehr nettes, aber vor allem kultiviertes Mädchen. Du wirst ihr nicht mit Schmollen imponieren können." Warum sage ich das? Ich möchte doch eigentlich nicht, daß Sandra seine Freundin ist. Oder bleibt. Wird. Was auch immer. Doch solange sie zusammen sind, solange kann ich sie auch sehen. Kurz, wenigstens. "Du wirst nur dann Eindruck auf sie machen", rede ich weiter, "wenn du die Dinge ruhig und gelassen angehst. Aber -" "Hallo!" Ein fröhlicher Ruf unterbricht meine kleine Ansprache. Wir schauen zum Haus und sehen Sandra. Ihr Anblick verschlägt mir buchstäblich den Atem. Sie trägt ein ganz leichtes ärmelloses Sommerkleid in dunklem Blau mit vereinzelten grünen Quadraten, Dreiecken und Kreisen. Der Saum endet etwa in der Mitte ihrer schlanken, festen Oberschenkel; der Ausschnitt entspricht ihrem Alter und ist nicht allzu tief. Ein Stoffband gleicher Farbe ist als Gürtel um die schmale Taille geschlungen. Über der Schulter hängt eine große Kühltasche. "Was für ein hübsches Mädchen!" Beatrix schüttelt ungläubig den Kopf. "Kultiviert, intelligent, und auch noch hübsch. Bernhard, du solltest wirklich keinen unnötigen Streit mit ihr anfangen. So etwas findest du nicht alle Tage." Sandra ruft etwas ins Haus hinein, dann zieht sie die Tür zu und kommt fröhlich auf uns zu gelaufen. Beim Anblick ihres schlanken Körpers, der gelenkigen Beine, des lachenden Gesichts, der wehenden lockigen Haare wächst mein Gefühl für sie schlagartig in ganz verbotene Höhen. In streng verbotene Höhen. Sandra läuft vor dem Auto her zur Fahrerseite, da Bernhard hinter seiner Mutter sitzt, und lacht mich durch die geöffnete Seitenscheibe an. "Wo kann ich die hin tun?", fragt sie, während sie die Kühltasche am Riemen hoch hebt. "In den Kofferraum. Warte." Ich öffne die Tür mit einer schnellen Bewegung, und gleichzeitig macht sie einen Schritt auf das Auto zu. Es gibt einen häßlichen Laut, als die Tür gegen ihr Knie prallt. Sandra verzieht das Gesicht und hält sich am Türrahmen fest. Ich steige schnell aus. "Das tut mir leid", entschuldige ich mich betroffen. "Sandra, das wollte ich nicht." "Ich auch nicht." Sie lächelt verzerrt. "Da waren wir wohl beide zu aufgeregt." "Tut es sehr weh?", erkundige ich mich besorgt. Sie schüttelt den Kopf. "Nein. Die Tür ist zum Glück vor die Kniescheibe geschlagen. Die hat den Stoß aufgefangen. Sonst hätte es bestimmt weh getan." Ihre Augen schimmern mutwillig. "Du bist eine Marke!", stoße ich erleichtert hervor. "Gib mir die Tasche." Unsere Hände berühren sich für einen kurzen Moment, als ich ihr die Tasche abnehme. Während ich sie in den Kofferraum stelle, begrüßt Sandra meine Frau und Bernhard, der sich ebenso besorgt wie ich nach ihrem Befinden erkundigt. "Halb so wild", höre ich sie sagen, während sie auf dem Platz hinter mir einsteigt. "Beim Volleyball knalle ich andauernd auf Ellbogen und Knie. Das bin ich schon gewohnt." "Ich aber nicht." Ich schaue sie bedrückt an. "Es tut mir wirklich leid, Sandra. Ich hätte besser aufpassen sollen." "Vergeben, verziehen und vergessen", lacht sie mich an. "Machen Sie bitte keine schwere Verletzung aus einem blauen Fleck." Sie lächelt mir ganz besonders herzlich zu, wobei sich die Haut über der Nasenwurzel niedlich kräuselt, und wendet sich dann an Bernhard. "Immer noch brummig?" "Nein." Er schafft es sogar, ein freundliches Gesicht zu machen. "Vielleicht finden wir am See ein ruhiges Eckchen für uns zwei." "Bloß nicht!", lacht Sandra fröhlich, während sie sich anschnallt. "Was für dich ein ruhiges Eckchen ist, bedeutet für mich ganz bestimmt viel Streß." "Da sprichst du ein großes Wort gelassen aus!" Beatrix dreht sich herzhaft lachend zu ihr um, während ich den Wagen starte und los fahre. "Das war bei meinen Freunden früher auch der Fall. Bei den ‚ruhigen Eckchen' brauchte ich mindestens vier Leibwächter und zwei Maschinengewehre." "So wenig?", kichert Sandra ausgelassen. Beatrix grinst breit. "Damals waren die Jungs noch besser erzogen als heute." Sie fährt Bernhard durch sein struppiges Haar, das die Mädchen - aus welchem Grund auch immer - so anziehend finden. "Nicht wahr, junger Mann?" Bernhard lächelt nur geheimnisvoll. "Jetzt sind wieder wir schuld", beteilige ich mich an der Unterhaltung. "Jedes Mädchen weiß doch, was ein Junge unter einer ruhigen Ecke versteht, und daß er sie dort ausgiebig küssen will." "Wenn's nur das wäre!", stöhnt Beatrix übertrieben. "Dummerweise bekommen die Jungs an diesen ruhigen Ecken plötzlich zehn Arme und Hände." "Hundert!", kichert Sandra ausgelassen. "Mindestens!" "Ihr stellt euch an!", lache ich. "Schaut euch doch mal im Spiegel an. Sandra und du seid beide sehr luftig gekleidet. Da kann einem Jungen oder einem Mann doch nur das Wasser im Mund zusammen laufen." "Und schon sind wir wieder schuld." Beatrix nickt, das Gesicht ironisch verzogen. "Nur weil wir es mögen, wenn uns der Wind um die nackten Beine streicht..." "Und mit den langen Haaren spielt..." Sandra schaut mit leuchtenden Augen zu Beatrix. "Ist das dann unsere Schuld, wenn sich ein Junge nicht mehr beherrschen kann?" "Ja!", rufen Bernhard und ich gleichzeitig, worauf wir alle lachen müssen. Ich begegne Sandras lachenden Augen im Rückspiegel. Ich zwinkere ihr kurz zu und sehe wieder auf die Straße, doch einen Moment später schaue ich erneut in den Spiegel und begegne wieder ihrem Blick. Erst jetzt dreht sie den Kopf zu Bernhard. Warum tut sie das? Fühlt sie etwa auch, daß uns beide etwas verbindet? Ist es doch nicht nur einseitig? "Deswegen", meint sie mit einem Lachen in der Stimme. "Genau deswegen mag ich ruhige Ecken nur dann, wenn ich alleine bin." "Spielverderber", knurrt Bernhard, doch auch er muß lachen. Sandra lehnt sich zufrieden in den Sitz. "Außerdem kennen wir uns erst zwei Wochen", sagt sie dann ruhig, besänftigend. "Bevor ich küsse, möchte ich sicher sein, daß mein Freund nicht nur das von mir will. Sondern daß er wirklich mein Freund ist. Und auch bleibt." Also haben sie sich noch nicht geküßt, stelle ich mit großer Erleichterung fest, und im gleichen Moment erschrecke ich über meinen Gedanken. Ich lenke mich schnell ab. "Diese Ansichten kennt man von der heutigen Jugend kaum", sage ich, ihren Augen im Rückspiegel begegnend. Sandra zieht an ihrem Gurt, beugt sich weit vor und stützt sich auf meiner Lehne ab. Durch diese Bewegung schiebt sie die Luft vor sich her, in der ich ein ganz dezentes, unaufdringliches und sehr angenehm riechendes Parfum wahrnehme, vermischt mit dem Duft ihrer glatten Haut und des Shampoos. Sie hat heute Morgen frisch geduscht. Mein Herz schlägt schneller und kräftiger. "Weil uns kaum einer danach fragt", erwidert sie ernst. "Ich bin zwar erst 13, aber ich weiß aus Studien, daß sehr viele Mädchen so denken wie ich. Und auch bei den Jungen ist es nicht so schlimm, wie Ihre Frau und ich gerade gesagt haben. Es gibt zwar immer noch viele, die meinen, daß ein Mädchen nur aufgrund ihrer großen Klappe bei ihnen bleibt, aber die sind zum Glück die Ausnahme. Die meisten Jungen wissen inzwischen, daß ein Mädchen mehr von ihnen erwartet als nur Knutschen, und genauso wissen die Jungen, daß Mädchen nicht mehr so... Ich sag's mal ganz offen. Nicht mehr so leicht herum zu kriegen sind. Die Mädchen sind selbstbewußter, und die Jungen nicht mehr so auf Macho. Alle lassen sich mehr Zeit als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren." Ich drehe meinen Kopf etwas zu ihr, wobei ich ihre Wärme an meiner Wange spüre. Eine attraktive Wärme; keine abstoßende Wärme. Eine Wärme, die meiner entspricht. "Auf welche Studien beziehst du dich?", frage ich, bevor ich wieder nach vorne schaue. "Auf die, die in den Jugendzeitschriften stehen", erwidert sie. "Nicht in der ‚Bravo' oder ‚Mädchen'. Die beiden sind in etwa das, was die Bildzeitung für Erwachsene ist. In der Zeitschrift ‚16' war vor einigen Wochen ein Bericht dazu. Während auf der einen Seite mehr und mehr Mädchen schon recht früh ihre ersten Erfahrungen mit Sex machen, lassen sich auf der anderen Seite viele Mädchen mehr Zeit damit. Es hängt mit der gesellschaftlichen Stufe zusammen. Da scheint sich eine ebenso große Spaltung abzuzeichnen wie mit dem Einkommen. Auch da verschiebt sich der Mittelstand mehr und mehr, sowohl in Richtung Armut als auch in Richtung Wohlstand. Bei den Jungen sieht es ähnlich aus. Ein Teil der..." Sie lacht kurz. "Ein Teil der gemäßigten Mitte, wenn ich es mal so nennen darf, geht in Richtung Kriminalität und organisiertes Verbrechen, der andere Teil in Richtung Vernunft." Sie läßt sich wieder in den Sitz fallen und schaut zu Bernhard. "Zu welcher Gruppe gehörst du?" "Zu den Schwerverbrechern!", sagt er erwartungsgemäß, legt seinen Arm um Sandra und zieht sie an sich. Sie lacht fröhlich, während sie sich an ihn schmiegt. Doch ihre Augen schauen in den Rückspiegel und sehen in meine. "Du bist wirklich auf dem Laufenden", meint Beatrix bewundernd. "All diese Dinge habe ich zwar schon irgendwo gehört, doch nie in einen Zusammenhang gebracht." "Wir Jugendlichen schon", sagt Sandra. "Wir machen uns häufig Gedanken darüber, wo wir stehen und wo wir hin wollen. Viele Magazine oder Berichte stellen das immer sehr verzerrt da. Wie die ‚Bravo'. Die stürzt sich sehr auf die gegengeschlechtlichen Aspekte, weil sie mit derartigen Inhalten mehr verkauft. ‚16' hat den Blick schon auf die Jugendlichen gerichtet, die kurz davor stehen, ins Berufsleben zu gehen oder volljährig zu werden, und deren Berichte sind fundiert und erstklassig dokumentiert. Bei Umfragen legt ‚16' auch sehr viel Wert auf eine ausgeglichene und wirklich repräsentative Gruppe; nicht nur auf eine Schicht, wie andere es tun. So kommt ein zutreffendes Bild der heutigen Jugend zustande. Einige Artikel sind natürlich auch etwas ‚gewagt', wie meine Mutter sagen würde. Zum Beispiel der vor einigen Wochen über das gesetzliche Alter der sexuellen Selbstbestimmung." Sie löst sich von Bernhard, lehnt sich wieder vor und schaut abwechselnd meine Frau und mich an. "Hier in Deutschland ist das Alter 16. Ab 16 darf ein Jugendlicher selbst entscheiden, mit wem er oder sie sexuellen Kontakt hat. In Belgien ist es 14. In Spanien sogar 12. In Irland erst 17. Das macht fünf Jahre Unterschied. 17 oder 12. Gerade im Hinblick auf die Europäische Union finde ich das sehr interessant. Wie wollen die konservativen Länder wie Deutschland oder Irland damit umgehen? Irgendwann muß Europa sich auf einen Standard einigen. Genau wie die Strafen für derartige Kontakte. Die sind von Land zu Land dermaßen unterschiedlich, daß sich selbst Brüssel kaum mehr auskennt." "Das hat aber sehr viel damit zu tun, wie die Regierungen ihre eigenen Völker einschätzen", wirft Bernhard ein. "In Spanien ist das Alter so niedrig, weil dort noch sehr viel Landwirtschaft betrieben wird. Außerhalb der Metropolen wie Madrid oder Valencia. Dort sind Kinder das Überleben, also wird der Sex schon früh erlaubt. Deutschland..." Er lacht kurz. "Darüber sollten wir gar nicht erst reden. In Ländern wie Großbritannien oder den USA dürfen Jugendliche schon mit 16 oder 17 Auto fahren. Hier erst ab 18. Es ist wirklich ein Chaos." "Ganz genau." Sandra schaut wieder zu ihm, bleibt jedoch auf meine Lehne gestützt. "Ich würde auch gern mit 16 schon Auto fahren. Gut, du und ich haben Eltern, die gut verdienen und die uns ein Auto kaufen könnten. Insofern sind wir bevorteilt. Aber mir geht es da einfach ums Prinzip." Sie dreht ihren Kopf zu Beatrix, die genauso gebannt zuhört wie ich. "Ich will nicht sagen, daß ich Spaniens Regelung gut finde. Zwölf Jahre ist meiner Meinung nach zu früh. Aber 16, wie in Deutschland, oder sogar 17 wie in Irland ist definitiv eine veraltete, überholte Regelung. Ich kenne genügend Mädchen, die 15 sind und einen 18-Jährigen Freund haben. Der steht somit permanent mit einem Bein im Gefängnis. Oder ein Mädchen aus meiner Klasse. Sie ist auch 13, ihr Freund jedoch schon 17. Die müssen auch sehr aufpassen. Das finde ich einfach kindisch. Belgien liegt da schon mehr auf meiner Linie. Ich will damit nicht sagen, daß ich mit 14 Sex haben möchte, aber wenn es soweit ist, möchte ich nicht Dutzende von Gesetzen beachten. Das tötet jede Beziehung. Finde ich." Bernhard seufzt nach diesen Sätzen so laut, daß wir alle lachen müssen. Selbst Sandra. "Was würdest du denn als realistisches Alter für die Volljährigkeit ansehen?", fragt Beatrix dann. "16", erwidert Sandra spontan. "Frau Zimmermann, in den Augen von Erwachsenen wie Ihnen sind Jugendliche selbst mit 16 noch Kinder. Aus unserer Sicht jedoch nicht mehr. Es gibt vernünftige und unvernünftige Menschen, sowohl bei Erwachsenen wie auch bei den Jugendlichen. Viele haben schon mit 15 oder 16 ein ganz klares Bild von ihrer Zukunft, andere haben das noch mit 25 nicht. Aber ich denke, daß die Volljährigkeit mit 16 ein großer Schritt nach vorne ist. Oder es wird eine Volljährigkeit in Stufen eingeführt. Mit 16 Auto fahren, mit 17 heiraten dürfen, mit 18 wählen. Doch meiner Ansicht nach sollte das ganze Paket schon mit 16 erlaubt sein." "Und ab wann Sex?", fragt Bernhard neugierig. "Ab 14. Oder schon 13. Das ist schwer zu sagen. 13 ist so ein Mittelding. Aber auch da gibt es genügend, die schon wissen, was sie wollen. Nein. Bleiben wir bei 14." Sie grinst Bernhard an. "Sind ja nur noch elf Monate." "Du möchtest tatsächlich schon mit 14 Sex haben?", fragt Beatrix erstaunt. Sandra schüttelt den Kopf, daß ihre Haare gegen meine Wange fliegen. Sie sind sehr weich und glatt. "Nein", entgegnet sie bestimmt. "Ich möchte aber die Möglichkeit dazu haben, Frau Zimmermann. Ich bin jetzt 13, und ich weiß, daß Sex für mich etwas ist, was ganz unten auf der Liste meiner Wünsche steht. Das kommt nach Windpocken bekommen. Aber was ist in einem Jahr? Vielleicht bleiben Bernhard und ich so lange zusammen und wir verlieben uns so schwer ineinander, daß wir beide es möchten. Dann möchte ich jedoch auch Gesetze im Rücken haben, die mir dies gestatten. Bitte verstehen Sie mich richtig! Ich plädiere hier weder für freien, ungezügelten Sex noch sonst was. Ich möchte nur endlich ganz klare Linien. Wenn Bernhard und ich jetzt Sex miteinander haben, wird er nach dem Jugendrecht bestraft, weil ich noch keine 14 bin. Schlafe ich mit einem 13jährigen, passiert nichts. Schlafe ich mit einem Erwachsenen, ist die Hölle los. Ich gehe bei allen drei Punkten davon aus, daß der Sex von beiden gewollt ist", erklärt sie nachdrücklich. "Dennoch wird es nach drei unterschiedlichen Regeln behandelt. Das nervt mich. In einem Jahr bin ich 14. Dann dürfte ich mit allem schlafen, was unter 18 ist, doch mit Volljährigen... Knast. Punkt. Das ändert aber doch nichts an der Sache an sich, oder? Sex ist Sex, und wie alt mein Partner ist, ist einzig und allein meine Sache. Meine Entscheidung. Es regt mich sehr auf, daß der Gesetzgeber Jugendliche unter 16 als verantwortungslose, unvernünftige Kinder ansieht. Das sind wir nicht. Manche ja, manche nein. Aber so pauschal lasse ich mich nicht in eine Schublade quetschen. Wo bin ich anders als ein 13jähriges Mädchen aus Spanien? Was unterscheidet mich von ihr? Sie darf sich ihren Partner in jeder Altersgruppe aussuchen, ich hingegen nicht. Verstehen Sie? Das empfinde ich als ungerecht, und das regt mich auf. Ich will keinen Sex, aber ich will die gesetzliche Möglichkeit dazu für den Fall, daß es zwischen meinem Freund und mir so heftig knallt, daß wir beide den Sex wollen." Sie macht eine kurze Pause, die Beatrix und ich dazu benutzen, ihre Worte zu verarbeiten. Dann redet sie weiter. "Ich will aber nicht nur die ganzen Rechte, sondern auch die Pflichten. Ich finde es einfach lächerlich, daß 20-Jährige noch nach dem Jugendrecht bestraft werden." Sie lacht kurz. "Ein 20-Jähriger, der einen anderen Menschen umbringt, bekommt höchstens zehn Jahre, ein 21-Jähriger kann jedoch lebenslänglich ins Gefängnis. Ist doch völliger Unsinn! 20 und 21 sind so nah beieinander, daß selbst die 21-Jährigen zugeben, daß es sich kein Stück anders als 20 anfühlt. Wenn ein Mensch mit 18 volljährig wird und wählen gehen darf, muß er meiner Meinung nach auch nach dem Strafrecht für Erwachsene behandelt werden. Nicht hier so und da anders. Volljährig ist volljährig. Genauso unsinnig ist es, Jugendliche unter 14 nicht strafrechtlich belangen zu können. Wie ich vorhin sagte, wissen schon sehr viele in dem Alter, was sie wollen und was nicht. Meiner Meinung nach sollte die Grenze heutzutage bei zehn Jahren liegen. Mit zehn Jahren strafmündig, mit 16 volljährig. Das würde einerseits die ganzen Jugendgangs treffen, andererseits aber auch dafür sorgen, daß sich mehr Menschen Gedanken um die Folgen ihrer Taten machen würden." "Das sind recht radikale Einstellungen", wende ich ein und schaue sie kurz an. Ihre blaugrünen Augen halten meinem Blick stand, und für einen viel zu langen Moment tauschen wir mehr als nur einen Blick aus. "Nein", erwidert sie dann leise. "Ich werde für diese Einstellungen keine Bomben werfen. Ich denke mir eben nur, daß diese Altersstufen der heutigen Zeit mehr angepaßt sind. Die Basis unserer Gesetze kommt aus dem Jahr 1949. Das ist ein halbes Jahrhundert her! Das Pensionsalter in unserem Staat ist 65. Trotzdem haben wir Kanzler und Präsidenten, die weit über 70 sind. Warum greift die Pensionierung da nicht? Verstehen Sie, Herr Zimmermann, das sind für mich alles Ungereimtheiten. Dem Menschen auf der Straße wird nicht zugetraut, mit 66 noch zu arbeiten. Gut, der Staat sagt, daß es der ‚wohlverdiente Ruhestand' ist. Aber mein Großvater zum Beispiel würde gerne noch arbeiten. Er ist 66. Er ist Dachdecker, und seine Firma ist groß. Sehr groß. Papa hat sie übernommen, als Opa in Pension gehen mußte. Warum müssen Politiker nicht mit 65 in den Ruhestand? Darüber mache ich mir Gedanken. Ich bin nicht radikal. In keiner Weise. Ich denke eben nur, daß in unserem Staat viel falsch läuft. Mit zweierlei Maß gemessen wird. Daß es veraltete Gesetze gibt, die meiner Meinung nach endlich mal geändert und angepaßt werden sollten." Unsere Blicke begegnen sich wieder. Ich sehe in ihre Augen und sehe gleichzeitig das leise Beben ihrer Nasenflügel, die vollen, nicht geschminkten Lippen, die niedlichen Ohrläppchen mit den kleinen Steckern, die langen, dichten Wimpern. Ihre Wärme vermischt sich mit meiner. Ihre Augen gleiten kurz über mein Gesicht, bleiben einen Moment bei meinen viel zu trockenen Lippen hängen und sehen dann wieder in meine Augen. Ich nicke schnell und sehe wieder auf die Straße. Mein Herz rast. "Vieles von dem, was du gesagt hast, hat irgendwo Hand und Fuß", sagt Beatrix langsam. "Gerade die Jugendgangs, wie du sie genannt hast, profitieren von den heutigen Gesetzen." "Exakt. Weil die 13-Jährigen ganz genau wissen, daß sie nicht bestraft werden können. Gut, sie könnten ins Heim kommen, aber die sind mittlerweile auch vollkommen überfüllt. Und die Jugend- und Ordnungsämter wissen ganz genau, daß sie dem Jugendlichen damit erst recht den Weg in die Kriminalität öffnen. Überlegen Sie sich das doch mal! Ich könnte jetzt ein Messer ziehen und Ihrem Mann die Kehle durchschneiden, und alles, was ich dafür bekomme, ist gewaltiger Ärger, aber keine Gefängnisstrafe. Das Gericht würde davon ausgehen, daß ich nicht weiß, was ich tue, doch für mich weiß ich, daß ich sehr wohl weiß, was ich tue. Aber ich bin 13, und vor Gericht weine ich mir die Augen aus und beteuere, daß ich nicht weiß, was da über mich gekommen ist, und nach ein paar Besuchen beim Psychiater ist alles vorbei. Ich bin frei, doch Ihr Mann ist tot." Ihre Hand legt sich auf meine Schulter und drückt kurz zu. "Das tue ich natürlich nicht." "Will ich doch sehr hoffen!", lache ich und drücke kurz ihre Hand. Beatrix nickt betroffen. "Gibt es viele in deinem Alter, denen das so klar ist wie dir, Sandra?", fragt sie. "Ja. Sehr viele. Wenn nicht sogar den meisten. Aber diejenigen, die so etwas tun, verstecken sich hinter ihrem Alter und grinsen sich einen ab, wenn alles vorbei ist. Genau deswegen plädiere ich für eine Senkung des strafmündigen Alters." Sie löst ihre Hand von meiner Schulter und läßt sich wieder in ihren Sitz fallen. "Hast du ähnliche Ansichten?", fragt Beatrix unseren Sohn. "Ja. Sogar noch etwas extremer als Sandra. Ich denke, wer einem anderen Menschen das Leben nimmt, hat das Recht auf weiteres Leben verwirkt." "Du bist für die Todesstrafe?" Beatrix sieht so entsetzt aus, wie ich mich fühle. "Nein!", lacht Bernhard. "Ich bin nur dafür, überführte Mörder nicht unter lebenslänglich zu bestrafen und ihnen auch kein Recht auf Begnadigung oder gute Führung zu gewähren. Wer einen anderen Menschen tötet, gehört den Rest des Lebens eingesperrt." "Junior!" Beatrix stößt lachend den Atem aus. "Schockiere mich bitte nie wieder so wie gerade eben!" "Junior?" Sandra schaut ihn amüsiert an. "Du heißt Junior?" Bernhard stöhnt auf. "Nein!" "Junior!" Sandra lehnt sich lachend an ihn. "Süß!" Bernhard wirft knurrend seinen Arm um sie und nimmt sie in den Schwitzkasten. Sandra lacht hell. "Denk dran, daß du schon strafmündig bist! Wenn du mich umbringst, bist du im Knast." "Und? Mit 24 bin ich wieder draußen, dann kommt der Rest deiner Familie dran." Sandra lacht fröhlich, während sie versucht, sich aus seinem Griff zu befreien. Doch die ganze Zeit sind ihre Augen auf den Rückspiegel gerichtet und sehen in meine. Schließlich gibt Bernhard sie frei. Sandra stößt erleichtert den Atem aus, fährt sich mit beiden Händen durch die Haare, um sie in Ordnung zu bringen, und schaut dann aus dem Fenster. Während der nächsten Minuten unterhalten Beatrix, Bernhard und ich uns über Sandras Ansichten, ohne daß sie ein Wort dazu sagt. Immerhin erfahren wir, daß er Sandra bei einer Gesprächsrunde in der Schule kennen gelernt hat. Da beide sehr viele übereinstimmende Ansichten haben, wurden sie gleich Freunde. Noch keine guten, aber ein Anfang war gemacht. Schließlich kommt der See in Sicht. Ich fahre auf den Parkplatz. Wir sehen sehr schnell, daß wir nicht die einzigen sind, die diesen schönen Tag für einen Ausflug nutzen. Doch es sind noch genügend Plätze frei. Ich parke den Wagen, dann steigen wir aus. Wir holen unsere Sachen aus dem Kofferraum und gehen über die Wiese zum Ufer, wo wir unsere Decken ausbreiten. Dann frühstücken wir ausgiebig; mit Schnitzeln und Kartoffelsalat von uns, und knusprigen Frikadellen von Sandra. Ich sitze außen, neben mir Beatrix. Neben ihr, auf der zweiten Decke, ist Bernhard, Sandra außen neben ihm. Sie kniet. Meine Blicke irren immer wieder zu ihren schönen Beinen ab, zu ihren Haaren, zu ihrem Gesicht. Ich versuche, nicht hin zu sehen, doch ich schaffe es nicht. Oft genug treffen sich unsere Blicke. Zu oft. Manchmal sehe ich zuerst weg, manchmal sie. Und manchmal keiner. Das sind dann die Augenblicke, wo ich spüre, daß uns tatsächlich etwas verbindet. Daß es von meiner Seite aus Einbildung ist, glaube ich nicht. Bisher war alles unter 16 für mich uninteressant, und nie war in mir der Gedanke an einen Seitensprung gewesen. Auch jetzt nicht. Doch Sandra berührt etwas in mir, was ich nicht verstehe. Was ich nicht greifen kann. Doch es ist da. Kraftvoll. Beängstigend kraftvoll. Als wir mit Essen fertig sind, ist es fast elf Uhr, und die Luft sehr warm. Beatrix macht den Anfang. Sie zieht sich ihre Kleidung aus. Darunter trägt sie einen Bikini. Trotz ihrer 40 Jahre sieht sie noch immer fantastisch aus. Arme und Beine fest, der Bauch flach, der Busen stramm. Doch ich schaue sie kaum an. Ich sehe auf den See hinaus. Ich bete, daß Sandra ihr Kleid anbehält. Doch die Gebete meines Sohnes müssen auf größeren Anklang gestoßen sein, denn Sandra steht auf, löst den Stoffgürtel und läßt ihn fallen. Dann schaut sie sich kurz um. Ihr Blick bleibt bei mir hängen. "Könnten Sie mir den Reißverschluß aufmachen?", bittet sie mich. Bernhard fährt auf. "Ich bin auch noch da!" "Ich weiß." Sandra lächelt ihn verschmitzt an. "Aber du bist nicht verheiratet. Also traue ich dir nicht." Bernhard murmelt eine Verwünschung, die ich nicht verstehe, doch Sandra zum Lachen bringt. Sie kommt zu mir. Beatrix ist damit beschäftigt, ihre Kleidung zu falten und ordentlich zu verstauen. Sandra stellt sich mit dem Rücken zu mir, greift mit beiden Händen in den Nacken und hebt ihre Haare hoch. Bernhard schaut mir neidisch zu, wie ich mit leicht zitternden Fingern den Reißverschluß bis zur Hüfte herab ziehe. Sandra trägt ebenfalls einen Bikini, in Königsblau. Ihr Rücken ist so glatt wie ihr Gesicht. Sie dreht sich zu mir, bedankt sich lächelnd und steigt gleichzeitig aus dem Kleid. Dabei schwankt sie etwas. Ich greife schnell nach ihrem Arm, um sie zu stützen. Die Berührung ihrer nackten Haut versetzt mir einen fast betäubenden Schlag. "Danke." Sandra lächelt mich erneut an, während ich sie schnell los lasse, hebt ihr Kleid auf und geht wieder zu Bernhard, neben dem sie sich nieder läßt. Bernhard schaut sie so offen und bewundernd an, wie ich es tun möchte, doch nicht wage. Mein Sohn und ich folgen dem Beispiel der beiden Frauen, und kurz darauf liegen wir alle in Badekleidung auf den Decken. Aus den Augenwinkeln schaue ich nach den beiden Kindern. Sandra liegt mit dem Kopf auf Bernhards linkem Arm, doch mit genügend Sicherheitsabstand. Mein Sohn hat die Beine verschränkt, als müßte er etwas verstecken. Dann sehe ich zu Sandra. Mein Blick wandert heimlich über ihren schlanken Körper, die kleinen Brüste, den flachen Bauch, die schmale Hüfte, die festen Beine, die kleinen Füße, die geraden Zehen. Mein Gefühl für dieses Mädchen beginnt, die Oberhand zu gewinnen, und es ist noch viel stärker als das Gefühl damals, als Beatrix und ich den Schritt von Freunden zu Liebenden gemacht hatten. Sehr viel stärker. In diesem Moment stützt sich Sandra auf die Ellbogen, die Beine artig geschlossen, und schaut mich an. "Es ist schön hier", sagt sie mit leuchtenden Augen. "Wohnen Sie schon lange hier?" "Seit meiner Geburt. Meine Frau ebenfalls. Und du?" "Vor sechs Wochen her gezogen. Eben weil mein Vater den Betrieb meines Großvaters übernommen hat." "Aha?" Das erstaunt mich jetzt doch etwas. "Ich dachte, daß Söhne schon frühzeitig in solche Betriebe integriert werden." "Nicht mein Papa." Sandra lächelte bedrückt. "Der ist ein Dickkopf. Er wollte nach dem Studium unbedingt in die Industrie, und erst als Opa sagte, daß er den Betrieb verkaufen muß, hat Papa ihn übernommen. Waren aber beide ganz froh drum. Papa wurde es nämlich langsam schon langweilig in seinem Job, wie er sagte. Mein Bruder und ich sind aber ganz froh, endlich mal in einer großen Stadt zu wohnen. Bisher lebten wir immer nur auf dem Land." "Du hast einen Bruder?", meldete sich Bernhard erstaunt, irrationale Konkurrenz witternd. "Ja. Der geht nach den Sommerferien aber auf die Uni. Zur Zeit lebt er noch in unserer alten Stadt, bei Freunden. Bis er das Abi hat. Dann zieht er zu uns. Aber auch nur kurz, weil er sich eine Wohnung nehmen will." Sie seufzt glücklich. "Sobald er ausgezogen ist, bekomme ich sein Zimmer auch noch dazu. Daraus mache ich dann mein Schlafzimmer. Mein jetziges Zimmer geht zum Garten raus; wenn ich da drin schlafe, wäre es Verschwendung." Sie setzt sich vollständig auf und schlägt die Beine übereinander, während sie sich aufmerksam umschaut. "Sollen wir schwimmen gehen?", schlägt Bernhard vor. Die letzten Wochen Sonnenschein haben den See so aufgeheizt, daß die Wassertemperatur bei knapp 22 Grad liegt, wie ein Schild am Eingang verkündet. Sofort ist Beatrix zur Stelle. "Auf keinen Fall! Wir haben erst vor ein paar Minuten gegessen." "Mutter!", stöhnt Bernhard. "Das trifft bei kleinen Kindern zu, weil die nach dem Essen todmüde werden, aber nicht mehr in unserem Alter." Er springt auf und schaut auf Sandra herunter. "Kommst du?" Das Mädchen schüttelt schnell den Kopf; etwas ängstlich, wie mir scheint. "Nein. Später vielleicht." "Ach was." Er beugt sich, hebt Sandra so schnell hoch, daß sie kaum mitbekommt, was er tut, und läuft mit ihr zum See. Wir hören Sandra erschreckt aufschreien, und lächeln uns zu. Im nächsten Moment verschwinden die beiden im ruhigen Wasser. Dann hören wir Sandra wieder schreien, dieses Mal jedoch schrill, und eindeutig in Panik. "Hilfe! Ich kann nicht schwimmen!" Der See ist ein alter Baggersee. Direkt am Rand geht es etwa acht, neun Meter in die Tiefe. Ich springe auf und renne die vier Meter zum Wasser. Um mich herum schrecken Menschen hoch. Bernhard schaut sich verstört nach Sandra um, doch sie ist verschwunden. Ich hechte kopfüber in das Wasser. Sofort sehe ich sie; das Wasser ist um diese Jahreszeit noch klar. Sie rudert krampfhaft mit Armen und Beinen, das Gesicht in Panik verzogen, die Augen weit aufgerissen. Doch sie schwimmt nach unten; sie hat jede Orientierung verloren. Ich weiche ihren panischen Bewegungen aus, tauche hinter sie, fasse sie mit links um den Bauch und bringe uns beide nach oben. Als ihr Kopf über Wasser ist, hustet sie erstickt und spuckt Wasser. Ihre Hände und Füße fahren unkontrolliert umher. Ich drücke sie mit beiden Armen an mich. "Alles in Ordnung, Sandra", flüstere ich direkt in ihr Ohr. "Ich halte dich." Meine Stimme dringt jedoch nicht zu ihr durch. Sie wendet und dreht sich panisch unter meinem Griff; bemüht, dem vielen Wasser um sie herum auszuweichen. Ich bringe uns schnell zum Ufer. Sandra klammert sich wie verzweifelt an den Rand. Ich hebe sie etwas hoch. Ihr Po und ihre Schenkel streichen fest über mein Gesicht, als sie sich an der Felskante nach oben zieht, dann ist sie draußen. Bernhard und ich klettern ebenfalls ans Ufer. Sandra sitzt bereits auf ihrer Decke. Der Kopf ist gesenkt, die Schultern zucken. Beatrix ist neben ihr, doch Sandra weicht ihr aus. Bernhard läßt sich neben ihr nieder und entschuldigt sich betroffen. Sandra nickt nur wortlos und rutscht auch von ihm weg. "Laßt sie erst mal zur Ruhe kommen", sage ich, während ich mich vor Sandra auf die Decke knie. Beatrix und Bernhard setzen sich nervös hin. Sandra atmet mehrmals kräftig durch und schaut dann mit feuchten Augen auf. Sie öffnet den Mund, doch ich wehre lächelnd ab. "Nein, Sandra. Das bist du nicht. Wieso kannst du nicht schwimmen, wenn ich fragen darf?" "Weil ich als Kind Meningitis hatte", erklärt sie, und gleichzeitig fragt Beatrix: "Was ist sie nicht, Bernd?" "Eins nach dem anderen." Ich sehe wieder zu Sandra. "Wieso hat dich das vom Schwimmen abgehalten?" "Weil ich das genau da hatte, als wir Schwimmen lernten." Sie zuckt bedrückt mit den Schultern. "Ich lag eine ganze Zeit im Krankenhaus, und als ich wieder zu Hause war, mußte ich die Nachmittage mit Nachhilfe verbringen. Vom Sport war ich lange befreit. Schwimmen habe ich nie gelernt." "Das wußte ich nicht", entschuldigte Bernhard sich erneut. "Wirklich nicht." Sandra lächelt ihm kurz zu. "Woher denn auch. Ich bin gerne am Wasser, weil mich das beruhigt, aber hinein gehen... Da ist eben Ende." Sie schaut wieder zu mir. "Sie haben mein Leben gerettet", sagt sie leise. "Danke." "Jederzeit", entgegne ich lächelnd. "Jetzt mach aus dem kleinen Unfall bitte keine große Sache." Sie erwidert mein Lächeln herzlich; die bedrückte Stimmung verschwindet aus ihrem Gesicht. Etwas fließt zwischen uns. Ich spüre es, und ich sehe an Sandras Augen, daß auch sie es spürt. Doch sie senkt den Blick nicht. Sie atmet nur tief durch. Ich wende mich ab, bevor auch mich dieses Gefühl überwältigt, und schaue zu meiner Frau. "Ihre Augen zeigten ganz deutlich, daß sie sich für einen Versager hält", erkläre ich. "Deswegen wußte ich, was sie sagen wollte." "Das bist du nicht!" Beatrix rutscht wieder näher zu ihr, nimmt ihre Hände und drückt sie sanft. "Du hast viel auf dem Kasten, Sandra. Du bist intelligent, und du bist hübsch. Du bist kein Versager. Jetzt, wo wir alle wissen, daß du nicht schwimmen kannst, wird auch keiner mehr auf dumme Ideen kommen." Sie wirft Bernhard einen kurzen Blick zu, doch das ist gar nicht nötig. Er macht sich selbst schon genug Vorwürfe. "Es war keine dumme Idee." Sandra lächelt Bernhard an. "Wenn ich schwimmen könnte, hätte es mir bestimmt viel Spaß gemacht. Er konnte es nicht wissen." "Das denke ich auch", stimme ich zu. "Beim nächsten Mal bringen wir für Sandra eine aufblasbare Gummiente mit; die kann sie sich dann umlegen." "Boah!", lacht Sandra. "Das war ein Tiefschlag." "Kein böse gemeinter." Wieder schauen wir uns tief in die Seele, und ich erkenne, daß Sandra auch auf mich reagiert, so wie ich auf sie. Wo soll das hin führen?
Kapitel 2
Um zwei Uhr essen wir zu Mittag. Danach wird Bernhard mürrisch, denn Sandra macht keine Anstalten, mit ihm etwas zu laufen, wie er so oft vorgeschlagen hat. Gegen halb drei steht er wortlos auf, läuft zum See und springt hinein. Beatrix seufzt leise und erhebt sich. "Ich rede mal mit ihm." Bevor ich etwas sagen kann, ist auch sie unterwegs zum Ufer und springt ins Wasser. Sandra und ich schauen zu, wie sie mit kräftigen Stößen hinter ihm her schwimmt und ihn schließlich einholt. Sandra zieht im Sitzen die Knie an die Brust, umarmt die Unterschenkel und legt das Kinn auf die Knie. Dann richten sich ihre Augen auf mich. Ihr Blick ist forschend, fragend; als müßte sie nach einer Antwort auf eine Frage suchen, die sie sich selbst gestellt hat. Ich versuche, woanders hin zu sehen, doch es gelingt mir nicht. Ihre Augen halten mich fest. Ich entscheide mich für ein unverfängliches Thema. "Du verstehst dich gut mit Bernhard?" Sie nickt mit einem leichten Lächeln. "Ja. Er ist etwas zu direkt für meinen Geschmack, aber beim Diskutieren mag ich es." Ihr Lächeln verschwindet. "Ich möchte meinen Freund wirklich erst gut kennen, bevor ich küsse", sagt sie leise. "Finden Sie das falsch?" "Nein, Sandra. Ich finde eher das Gegenteil falsch. Wenn es zu schnell zu... Zu diesen Kontakten kommt. Manche werden vielleicht sagen, daß ein Kuß doch nichts Schlimmes ist, aber er ist der erste Schritt zu allem weiteren, und ich finde es sehr gut, daß du dir eine klare Grenze setzt." Sie lächelt beruhigt. "Waren Sie früher auch so wie er? Ich meine, so direkt?" "O ja!", lache ich. "Ich hatte aber das gleiche Glück wie Bernhard. Nämlich eine Freundin zu finden, die schwer in Ordnung war und mir gezeigt hat, wo es lang geht. Wir haben uns erst nach drei Monaten zum ersten Mal geküßt." "Da bin ich ja beruhigt!", lacht Sandra, dann wird sie sehr ernst. "Finden Sie wirklich, daß ich schwer in Ordnung bin?" Nun muß ich tief durch atmen. "Laß uns nicht darüber reden", bitte ich sie. "Du bist Bernhards Freundin." Sie versteht, was ich damit sagen will. Ihre Augen weiten sich kurz, dann gleitet ihr Blick über mein Gesicht, verharrt wieder bei meinen Lippen, bevor er sich zurück auf meine Augen richtet. "Woran merkt man, daß man richtig verliebt ist?", fragt sie mich leise. "Also nicht nur schwärmt oder so, sondern wirklich richtig tief verliebt ist." "Schwer zu sagen." Ich reiße meinen Blick von ihr los und schaue zu meiner Familie. Beatrix und Bernhard sind in ein angeregtes Gespräch vertieft. Genug Zeit für uns, zu reden. "Das ist wirklich nicht einfach zu beantworten, Sandra. Beim zweiten Verlieben weißt du es, denn dann empfindest du mehr als beim ersten Mal. Oder du empfindest anders. Tiefer. Stärker. Intensiver. Aber wie es beim ersten Mal ist... Ich kann dir nur sagen, wie es bei mir war." Sie schüttelt den Kopf. "Nicht nötig. Ich war schon zweimal verliebt. Beim ersten Mal vor knapp einem Jahr, in einen Jungen aus der Neunten. Vor fünf Monaten das zweite Mal. In einen aus der Achten. Beide waren aber schon vergeben." Sie lächelt kurz. "Und jetzt eben das dritte Mal. Es ist wirklich viel tiefer als die anderen beiden Male." Ein Messer fuhr in mein Herz und drehte sich langsam herum. "Bernhard hat wirklich viel Glück", sage ich so neutral wie möglich. "Mit dir." Sie lächelt verlegen, nickt und zuckt gleichzeitig mit den Schultern. "Glauben Sie an Liebe auf den ersten Blick?" "Nein", antworte ich wehmütig lächelnd. "Ich weiß, daß es sie gibt." "Ich auch." Sie streckt sich kurz, dann steht sie auf, streckt sich ausgiebig und gründlich und setzt sich wieder hin, die Arme um die Unterschenkel geschlungen, den Kopf am Kinn auf die Knie gestützt, die Augen auf mich gerichtet. "Seit wann wissen Sie, daß es sie gibt?" "Liebe auf den ersten Blick?" Sie nickt stumm. Ich schüttle langsam den Kopf. "Reden wir über etwas anderes. Bitte. Hast du jemals versucht, schwimmen zu lernen?" "Ja. Papa hat mir eine Lehrerin engagiert, aber ich konnte mit dieser Stange nicht umgehen. Ich fühlte mich eingesperrt und hatte darin mehr Angst als ohne diesen Ring um meinen Bauch." Sie zuckt mit den Schultern. "In unserer alten Stadt habe ich einen Trainer gefragt, ob er mir das beibringt, aber der war ausgebucht bis zum Jüngsten Tag. Seitdem habe ich es nicht mehr versucht." Sie seufzt und schaut mich an. "Glauben Sie, daß ich es noch lernen kann?" "Das hängt davon ab, wie sehr du es möchtest, und wieviel Angst du davor hast." Sie nickt nachdenklich. "Angst habe ich nur, wenn ich urplötzlich im Wasser bin. So wie vorhin. Wenn ich langsam hinein gehe und immer den Boden unter den Füßen spüre... Dann wage ich mich schon etwas hinein. Es kostet zwar Überwindung, aber ich finde es schön, wenn mir das Wasser bis zum Hals geht." Sie lächelt plötzlich. "Blöder Spruch, nicht wahr?" "In dem Zusammenhang ja, aber ich verstehe, was du meinst." Ich sehe sie an, und wieder können sich unsere Augen nicht voneinander lösen. In mir erwacht die Sehnsucht, sie im Arm zu halten und zu küssen, und ihre Augen spiegeln meine Sehnsucht wieder. Ich schaue zuerst weg; ich habe wohl mehr Kraft, meine Gefühle zu kontrollieren. "Herr Zimmermann?", höre ich ihre leise Stimme. "Würden Sie mir Schwimmen beibringen?" "Nein, Sandra", erwidere ich spontan, ohne nachzudenken. "Dazu müßte ich dich durchgehend berühren, stützen, festhalten. Ich kenne jemanden, dem das nicht gefallen wird." "Es wird mir gefallen", widerspricht sie bestimmt. "Ganz sicher." "Ich rede von meinem Sohn." Ich drehe mich zu ihr. "Glaubst du, er würde das ohne Kommentar hinnehmen?" "Ich gehöre Bernhard nicht." Ihre Augen blitzen entschlossen. "Er sagt immer, daß ich seine Freundin bin, aber das stimmt nicht. Im Moment sind wir noch Bekannte. Erst wenn ich jemanden küsse, bin ich dessen Freundin. Keinen Moment vorher. Und selbst dann lasse ich mir nicht vorschreiben, was ich tun und lassen soll. Bringen Sie mir Schwimmen bei?" Ich atme tief ein, um meine Verzweiflung zu unterdrücken. "Nein, Sandra. Ich würde es gerne, aber... Du bist 13, Mädchen. 13 Jahre. Wenn du diesen Ring nicht magst oder verträgst, muß ich dich am Bauch stützen. Eventuell rutsche ich ab und berühre dich versehentlich, wo dich niemand ohne dein Einverständnis berühren darf. Verstehst du? Und selbst wenn ich die Unmöglichkeit annehme, daß du es mir erlaubst, bleibt immer noch die Tatsache bestehen, daß du erst 13 bist, und was das in unserem Fall bedeutet, hast du auf der Fahrt hierher ausgiebig und völlig zutreffend geschildert." "Ich weiß." Sie lächelt schüchtern. "Ich gehe aber davon aus, daß - so eine zufällige Berührung genau das wäre: zufällig. Ohne Absicht von Ihnen. Vor Bernhard hatte ich schon einen Freund. Einen Bekannten!", verbessert sie sich lachend. "Zum Küssen kam es erst gar nicht. Der hatte nämlich einhundert Hände. Ein Abend im Kino hat mir gereicht. Bei Ihnen weiß ich aber, daß ich Ihnen vertrauen kann. Das spüre ich ganz sicher. Und wenn Ihre Hand wirklich mal abrutscht..." Sie schaut mich forschend an. "Dann bin ich mir ganz sicher, daß es Ihnen mindestens so unangenehm wäre wie mir. Also: Bringen Sie mir Schwimmen bei?" "Nein, Sandra", sage ich so leise, daß sie es gerade eben versteht. "Wenn du so bohrst, muß ich dir eben die wahren Gründe nennen." Ich sehe wieder auf, direkt in ihre schönen Augen. "Willst du sie hören?", frage ich sie eindringlich. "Willst du die Gründe dafür hören und das Risiko eingehen, Antworten zu bekommen, mit denen du nicht umgehen kannst?" "Ich möchte die Wahrheit hören", antwortet sie in gleicher niedriger Lautstärke. "Die wirkliche Wahrheit. Damit kann ich umgehen. Ich mag nur keine Lügen oder Ausflüchte." Also schön. Ich atme tief durch. Ich werde es ihr sagen, und damit wird sie aus meinem Leben verschwinden. Das ist das Beste; für sie wie für mich. "Du bist 13", flüstere ich. "Du bist die Freundin - die vielleicht zukünftige Freundin meines Sohnes. Das sind zwei Gründe, warum ich mich nicht in dich verlieben darf. Trotzdem ist es geschehen. Gestern. Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe." Ihre Augen weiten sich etwas. Vor Angst? Hoffnung? Ich will es nicht wissen. Ich rede weiter. Noch kann ich es sagen. In ein paar Tagen vielleicht schon nicht mehr. "Wenn ich dich jetzt noch beim Schwimmen festhalten soll, wo du einen Bikini trägst, ich deine Haut spüre, dich ganz nah bei mir halte, und du mir in gewisser Weise ausgeliefert bist..." Ich schüttle traurig den Kopf. "Es geht nicht, Sandra. In den 16 Jahren, in denen ich verheiratet bin, habe ich meine Frau nicht ein einziges Mal betrogen. Nicht mal eine andere Frau geküßt. Beim Tanzen im Arm gehalten, ja. Aber nicht mehr. Ich weiß nicht, warum ich mich in dich verliebt habe, aber uns beiden ist bestimmt klar, daß jeglicher Kontakt zwischen uns unterbleiben muß. Körperlicher Kontakt. Wie der, wenn ich dir Schwimmen beibringen würde." Ich stieß den Atem aus. "Und jetzt vergessen wir das, Sandra. Ich rede nicht mehr davon, und du auch nicht. Dieses Gespräch hat nie stattgefunden. Einverstanden?" "Einverstanden", sagt sie spontan. "Ich habe schon vollkommen vergessen, worüber wir gesprochen haben. Ich weiß nur noch, daß Sie mir Schwimmen beibringen wollten. Wann fangen wir an?" Ich starre sie ungläubig an. Ihr Blick ist fest und entschlossen auf mich gerichtet. Ihre Augen zeigen keinerlei Unsicherheit. "Hast du nicht kapiert, was ich dir gesagt habe?", sage ich fassungslos. "Hast du kein einziges Wort verstanden, Sandra?" "Ich habe alles verstanden", erwidert sie ruhig. "Aber ich habe auch alles vergessen. Ich weiß nur zwei Dinge: daß ich Ihnen vertrauen kann, und daß Sie mir auch vertrauen können. Bernhard und ich sind nicht fest zusammen. Das wird sich - sollte sich in den nächsten Wochen entscheiden. Er weiß das so gut wie ich." Sie beugt sich etwas vor. Ich widerstehe der mächtigen Versuchung, in den Ausschnitt ihres Bikinis zu blicken. "Außerdem", sagt sie sehr leise, "haben Sie meine Fragen vorhin völlig mißverstanden. Ob Sie wirklich finden, daß ich schwer in Ordnung bin. Seit wann Sie wissen, daß es Liebe auf den ersten Blick gibt. Ob Sie mir Schwimmen beibringen. Den Zusammenhang dieser Fragen haben Sie nicht gesehen. Oder nicht sehen wollen." Sie schaut kurz nach unten, auf die Decke, und sofort wieder auf. Mein Herz rast wieder. Ich weiß, was sie sagen will, und ich schüttle ablehnend den Kopf, doch sie redet ungerührt weiter. "Ich fühle das auch", flüstert sie. "Ich fühle, daß wir uns sehr nahe sind. Warum, weiß ich nicht. Aber es ist ein schönes Gefühl. Das schönste, was ich jemals hatte. Ich möchte Sie nicht mit unwichtigen Details meines Familienlebens langweilen, Herr Zimmermann. Ich möchte nur sagen, daß ich gestern, als wir uns das erste Mal gesehen haben, gespürt habe, was es heißt, richtig verliebt zu sein. Auch das ist ein Gefühl, das ich nie wieder hergeben möchte. Bringen Sie mir Schwimmen bei?" Meine Gedanken sind ein verschwommenes Durcheinander. Dieses Mädchen fühlt das gleiche für mich wie ich für sie? Was werden ihre Eltern dazu sagen? Was wird meine Frau dazu sagen? Was wird Bernhard dazu sagen? Es ist doch zum Scheitern verurteilt, noch bevor es überhaupt begonnen hat! "Etwas muß ich Ihnen doch verraten", sagt sie mit einem traurigen Lächeln. "Aber behalten Sie das bitte für sich, ja? Das soll keiner wissen. Die Woche über bin ich allein zu Haus. Tag und Nacht. Meine Eltern werden sich höchstwahrscheinlich scheiden lassen. Mein Vater hat vor zwei Jahren meine Mutter betrogen. Besser gesagt: da hat sie es zum ersten Mal heraus gefunden. Daraufhin hat sie sich für einen Monat einen Liebhaber genommen. Aus Rache. Das hat mein Vater natürlich nicht auf sich sitzen lassen und sich noch mehr in seine - amourösen Abenteuer gestürzt. Mama hat es ihm mit gleicher Münze heim gezahlt, und seit einem halben Jahr sind sie in der Woche nicht mehr zu Hause. Das Wochenende benutzen sie nur, um ihre Wäsche zu machen, sich anzuschreien, und bei Gelegenheit mal nachzusehen, ob ich noch da bin. Das heißt, wenn sie daran denken, daß es mich gibt." Sie wischt sich unwillig eine Träne ab. Das Verlangen, sie in den Arm zu nehmen, wird beinahe übermächtig. "Ich will aber nicht so leben", sagt sie dann mit tiefem Ernst. "Weder jetzt noch später. Ich möchte einen Freund, bei dem ich sicher bin, daß ich einige Jahre mit ihm zusammen bin. Der mir treu ist. Der mir Stabilität gibt. Äußerlich wie innerlich. Auch ich wußte nicht, warum ich so stark auf Sie reagiere. Es konnte daran liegen, daß sie ein guter Vater sind. Es konnte aber auch daran liegen, daß ich Sie tatsächlich liebe. Ich wußte es nicht. Ich wollte heute mit Ihnen kommen, um Sie näher kennen zu lernen. Um mir ein Bild zu machen. Und was tun Sie? Sie retten einfach mein Leben." Sie lächelt voller Herzlichkeit. "Ich könnte mich jetzt über die Symbolik der Rettung auslassen, aber das wäre Ihnen bestimmt unangenehm. Darüber können wir ein anderes Mal reden. Heute möchte ich von Ihnen, daß Sie mir Schwimmen beibringen. Machen Sie das, Herr Zimmermann?" Ich muß über ihre Hartnäckigkeit lächeln. Das Mädchen gibt nicht auf. Das sage ich ihr auch. Sie lächelt zurück, voller Wärme. "Nicht bei wichtigen Sachen. Fangen wir an?" "Nein." Ich rutsche näher an sie heran. Sie schaut mich fragend an. "Erstens müssen wir warten, bis meine Frau oder Bernhard zurück sind. Einer muß auf unsere Sachen aufpassen." Sandra nickt schnell; erfreut über meine Zustimmung. Ich möchte ihre Hand in meine nehmen, unterlasse es jedoch. Ich schaue sie ernst an; bemüht, nicht in ihren schönen Augen zu ertrinken. "Zweitens möchte ich von dir, daß du dir sehr gründlich Gedanken machst, Sandra. Darüber, was dies anrichten könnte. Bei den Menschen, die du jetzt kennen gelernt hast. Bei meiner Frau, bei meinem Sohn. Wenn du glaubst, zu einer Entscheidung gekommen zu sein, reden wir noch einmal darüber. Nicht vorher. Und drittens denkst du bitte darüber nach, warum du die - Abenteuer deiner Eltern verurteilst, mich aber praktisch dazu verleiten willst. Einverstanden?" "Einverstanden." Ihre Augen bohren sich in meine. "Und Sie überlegen, warum Sie diese Unterhaltung überhaupt zugelassen haben." Ich weiß die Antwort darauf. Weil ich nicht ihr, sondern mir ein paar Dinge klar machen wollte. Weil meine Vernunft einen Halt braucht, um gegen das Gefühl bestehen zu können. "Ich möchte auch keine Freundschaft kaputt machen", sagt sie leise. "Eine Ehe erst recht nicht. Ich würde das bei mir nicht wollen, also mache ich das bei anderen auch nicht. Dachte ich bisher jedenfalls." Sie schaut mich traurig an. "Aber bisher war auch kein so starkes Gefühl in mir. Worüber ich nachdenken soll, habe ich gestern Abend schon nachgedacht, Herr Zimmermann. Gründlich. Ich wollte erst nicht mitfahren heute. Ich habe es mir ganz fest vorgenommen, Bernhard anzurufen und zu sagen, daß ich nicht kann. Daß mir etwas dazwischen gekommen ist. Ich hatte das Telefon schon in der Hand, als ich an Sie denken mußte. Da konnte ich nicht mehr anrufen. Ich wollte bei Ihnen sein. Sie sehen. Mit Ihnen reden. Ich mußte bei Ihnen sein. Wissen Sie, warum?" Sie schaut zum See, wo meine Frau und mein Sohn wieder zum Ufer schwimmen. Sie sind nur noch wenig davon entfernt. Die Zeit läuft ab. Unsere Blicke begegnen sich wieder. "Weil ich Sie liebe", flüstert Sandra mit feuchten Augen. "Ich weiß nicht, wieso und warum, aber es ist so. Und Sie? Werden Sie auch ehrlich sein und sagen, was Sie fühlen?" Beatrix und Bernhard ziehen sich gerade an der Felskante hoch. Sandras Augen sind voller Hoffnung, voller Erwartung, und voller Angst. Unsere Zeit ist um. "Ich liebe dich auch", flüstere ich verzweifelt. "Na, ihr zwei?" Leicht atemlos läßt sich Beatrix neben mir nieder. Bernhard fällt neben Sandra auf die Decke. Beatrix sieht Sandras feuchte Augen und mein verstörtes Gesicht. "Alles in Ordnung?", fragt sie besorgt. "Natürlich", antworte ich schnell. "Sandra hat sich gerade die letzten Reste von der Seele geredet. Von ihrer Angst, zu ertrinken und zu sterben." "Und von all den Dingen, die ich noch tun wollte", sagt Sandra mit einem glücklichen Lächeln. "Und die ich jetzt doch noch machen kann." "Verstehe." Beatrix greift nach ihren Händen. "Bist du wirklich in Ordnung, Kind? Sollen wir dich sicherheitshalber ins Krankenhaus bringen, damit du gründlich untersucht wirst?" "Körperlich fehlt mir nichts", wehrt Sandra ab. "Ich bin nur noch etwas durcheinander, aber das legt sich gleich. Bestimmt." Sie drückt Beatrix' Hände zur Bestätigung. Meine Frau lächelt mitfühlend. "Und wir wollten dir einfach nur einen schönen ruhigen Tag machen." Sandra lacht hell. "Dann laden Sie mich bitte nie für einen aufregenden Tag ein, ja?" "Versprochen!" Beatrix umarmt sie lachend. Nun ist alles geklärt. Alles. Nur nicht, wie es weiter gehen soll. Ob es weiter gehen soll. "Bernhard sagte, daß Sie arbeiten?", fragt Sandra in diesem Moment. Beatrix bestätigt durch eine Kopfbewegung. "Richtig." Sie läßt Sandra los und setzt sich auf ihren Platz. "Als Bernhard 13 wurde, habe ich mir wieder eine Stelle besorgt. Zu Hause war ja nichts mehr für mich zu tun." "Was arbeiten Sie denn? Bernhard schweigt sich darüber aus." "Weil es ihm peinlich ist!" Beatrix wirft unserem Sohn einen fröhlichen Blick zu, doch Bernhard zieht nur eine Grimasse. "Ich arbeite in einer Boutique. Als Verkäuferin." "Cool!", freut Sandra sich. "Wo denn?" "In der Innenstadt. Sie heißt: ‚Die Frau'. Mode für Frauen ab 30. Euch jungen Dingern könnte ich höchstens ein Eis verkaufen." Sie zwinkert Sandra zu. Sandra macht eine abwehrende Geste. "Das stimmt nicht, Frau Zimmermann. Frauen Ihres Alters haben neben einem sehr guten Geschmack auch sehr viele Moderichtungen erlebt und können Jugendliche bestimmt besser beraten als jemand, der gerade erst 18 geworden ist." "Das stimmt auch wieder nicht, Sandra. 18-Jährige sind mitten im Trend, mitten in der Szene, und wissen viel besser, was morgen aktuell ist. Ich erfahre das immer erst aus Zeitungen; nämlich dann, wenn der Trend schon Mode ist." "Na gut!", lacht Sandra. "Sie haben gewonnen." Sie schaut zu mir. "Und Sie? Arbeiten Sie auch?" "Hat Junior darüber auch nichts gesagt?", frage ich schmunzelnd. Bernhard holt tief Luft und wird rot, während er Sandra einen beschwörenden Blick zuwirft. Sie lacht wieder hell, ausgelassen. "Doch! Aber das glaube ich ihm nicht." "Bist du still!", zischt Bernhard leise. "Also hat er es doch gesagt." Ich lächle Sandra zu. "Und zwar, daß ich den ganzen Tag faul zu Hause herum sitze, nicht wahr?" Bernhard wird tiefrot im Gesicht, und Sandra nickt zögernd. "Ja. Tun Sie das etwa?" "Abgesehen von dem Wort ‚faul'? Ja." "Nun komm!" Beatrix hängt sich lachend bei mir ein. "Bernd war Mitte der Siebziger bis Anfang der Achtziger Jahre ein bekannter Tennisspieler, Sandra. Nicht berühmt, aber bekannt. 1984 hat er sich bei einem Autounfall das rechte Handgelenk sehr kompliziert gebrochen, und als das wieder ausgeheilt war, war es vorbei mit Tennis. Das Handgelenk ist zwar wieder völlig hergestellt, doch ein Match von mehreren Stunden..." Sie zuckt mit den Schultern. "Danach", erkläre ich weiter, "wurde Bernhard geboren, und mit einer richtigen Familie setzte auch die Verantwortung ein. Ich habe mein Geld in mehrere Sportgeschäfte und zwei Fitneß-Studios gesteckt, und davon leben wir heute. Was meine Frau verdient, nehmen wir für unseren Urlaub. Aber faul bin ich nicht. Es gibt genug Arbeit mit dem ganzen Papierkram, und außerdem müssen jährlich neue Verträge mit unseren Lieferanten ausgehandelt werden. Die werden auch nicht an einem Nachmittag beschlossen. Andererseits... Ich war damals rund um die Uhr auf Achse; von einem Court zum anderen, und mit der Familie kam auch die Ruhe. Ich genieße es heute, mal eine ganze Woche auf der Terrasse zu sitzen und braun zu werden. Das war früher alles nicht möglich. Ich habe in einem Jahr so viel gearbeitet wie andere in fünf Jahren." "Ich weiß!", unterbricht sie mich aufgeregt. "Ein Mädchen aus meiner alten Klasse spielt auch Tennis. Sie kam nach der Schule nach Hause, aß schnell, machte ihre Hausaufgaben und war weg, zum Trainieren. Bis in den Abend rein. Freizeit kennt die gar nicht mehr." "Genau. Wenn du nicht täglich mehrere Stunden lang hart trainierst, kommst du nie weit nach oben." Ich schaue zu meinem Sohn. "Es ist aber gut, daß ich mal erfahre, was Junior so über mich erzählt. Ich habe das schon halb vermutet." "Ich sagte", verteidigt sich mein Sohn mit roten Ohren, "daß du häufig untätig zu Hause sitzt." "Ja, ja", erwidere ich grinsend. "Ich arbeite, wenn du in der Schule bist, damit ich nachmittags aufpassen kann, daß du keinen Unsinn anstellst." Bernhard schweigt vernichtet. Sandra und Beatrix schauen ihn mitfühlend an, dann sieht Sandra wieder zu Beatrix. "Ich habe Ihren Mann vorhin gefragt, ob er mir Schwimmen beibringt", beginnt sie. "Hätten Sie etwas dagegen?" "Überhaupt nicht!" Beatrix dreht sich schnell zu mir. "Das ist eine hervorragende Idee, Bernd. Du hast doch die Ruhe dazu. Die Nerven, meine ich. Die Geduld. Die Zeit natürlich auch." "Und warum kann ich dir das nicht beibringen?" Bernhard zeigt erste Spuren von Eifersucht. "Weil du noch niemandem etwas so Wichtiges beigebracht hast", erwidert Beatrix ruhig. "Bernhard, dein Vater hat schon mehrere Leute trainiert. Das war zwar beim Tennis, aber er weiß, wie er mit Menschen umgehen muß. Er kann auf sie eingehen. Auf ihre Schwächen und Stärken. Kannst du das auch?" "Sandra ist immerhin meine Freundin", beharrt er stur. "Bernie." Sandra dreht sich zu ihm. "Wenn ich schwimmen kann, bist du der erste, der mich ins Wasser werfen darf. Okay? Was ist dir lieber? Daß mir dein Vater Schwimmen beibringt, oder jemand in deinem Alter?" Was hat dieses Mädchen nur an sich? Niemand kann ihr etwas abschlagen. Beatrix ist schon auf ihrer Seite, und selbst Bernhard nickt murrend. Damit kann auch ich nicht mehr ablehnen. Das würde zu viele Erklärungen erfordern. "Vernünftig von dir", sagt Beatrix anerkennend, als Bernhard auch verbal zustimmt. "Dann fangt am besten gleich an." "Genau." Sandra springt auf. "Wie lange werde ich brauchen?" "Nicht lange." Hoffentlich nicht. "In einer Stunde wirst du schwimmen können. Keine Rennen gewinnen, nicht kraulen, aber schwimmen können." Sandra atmet tief durch und schluckt, als hätte sie Angst vor diesem Schritt. Doch ich weiß, warum sie nervös ist. Und sie weiß, daß ich es weiß. Sie schaut mich an. "Fangen wir an?" Es gibt kein Zurück. Der Schritt ist getan. In welche Richtung auch immer. Wenigstens habe nicht ich ihn getan. Ein schwacher Trost. "Fangen wir an." Ich stehe auf. "Und du bleibst hier." Beatrix schnappt sich Bernhards Arm, als er aufspringt. "Sandra braucht jetzt etwas Ruhe. Es hilft ihr nicht, wenn zwei Leute gleichzeitig auf sie einreden. Verstanden?" Nun ist Bernhards Laune gründlich zerstört. Sein wütender Blick wandert über uns drei, bevor er sich mit einem bitteren Schimpfwort auf den Hosenboden fallen läßt und dem See und damit uns den Rücken zukehrt. Sandra wirft ihm einen kurzen Blick zu, bevor sie entschlossen auf den Rand des Ufers zu geht. Ich folge ihr. Hinter uns redet Beatrix sehr ernst mit unserem Sohn, doch der blockt ab. Am Rand des Ufers bleiben wir stehen. Ich sehe in Sandras Augen, daß sie Angst hat. Also rede ich nicht auf sie ein, daß Schwierigkeiten wie diese gerade in massiver Form auf uns warten. Ich konzentriere mich nur auf ihr Lernen. "Ich gehe ins Wasser", sage ich zu ihr. "Du kommst nach, und ich halte dich." "Okay", wispert sie. Ich springe vom Rand, tauche unter und komme wieder hoch. Ich streiche mit beiden Händen die nassen Haare aus dem Gesicht, reibe kurz über die Augen und schaue sie auffordernd an. Ich sage nichts. Es ist jetzt ihre Entscheidung. Sandra schluckt schwer. Sie setzt sich hin. Sie stützt die Arme auf den Rand. Sie schaut erst auf mich, dann auf das Wasser. Wieder auf mich. Sie drückt die Arme durch. Ich strecke meine Hände nach ihr aus. Sie drückt sich nach vorne. Ihr Po schwebt über dem Rand. Ich lege meine Hände an ihre Hüften. Ich spüre ihre Wärme, ihre Haut, ihr Zittern. Sie drückt sich entschlossen ab und hängt einen Moment später ängstlich an meinem Hals. Ihr schlanker Körper drückt sich an mich, auf der Suche nach Halt. Ihre Beine schlingen sich um meine Hüfte. Ich fühle ihren ganzen Körper an meinem. Die ganze warme, glatte Haut. "Ich hab Angst!", flüstert sie. "Wie tief ist das?" "Ist egal." Ich streiche ihr beruhigend über den Kopf. "Wie tief es ist, spielt keine Rolle, wenn du schwimmen kannst. Und wenn du nicht schwimmen kannst, ist es auch egal." Ich hoffe, sie hat sich so im Griff, daß sie den Scherz versteht. Sie zittert kurz und heftig, dann nickt sie. "Okay. Was muß ich tun?" "Vertrauen haben. Das Wasser trägt dich, wenn du ruhig bleibst. Wenn du nicht in Panik gerätst. Laß mich jetzt vorsichtig los." "Nein." Sie klammert sich mit all ihrer Kraft an mich. "Dann geh ich unter." "Na schön." Ich halte sie fest, lege mich etwas auf den Rücken und stoße mich mit den Füßen am Felsen ab. Sandra schreit erschrocken, als das Wasser um uns herum sich bewegt. "Ganz ruhig", sage ich leise. "Spüre, wie das Wasser uns trägt. Spüre es. Schau dich ganz ruhig um." Ich bewege meine Beine, um uns über Wasser zu halten. Sandra hebt zitternd den Kopf. Ihre Lippen beben, ihre Haare streichen über mein Gesicht. Unsere Blicke begegnen sich, und nun erkennt auch sie, was ich vorhin meinte. Wir liegen eng aneinander, nur durch eine minimale Menge an Stoff getrennt. Sie ist an mich geklammert, ich umarme sie. Für einen Moment vergißt Sandra, wo sie ist; ihre Augen bekommen einen weichen, warmen Ausdruck. "Nein!", sage ich leise, doch bestimmt, als sie den Mund öffnet. "Du lernst jetzt schwimmen. Für alles andere ist kein Platz." "Hast recht." Sie atmet tief durch. Ich spüre ihre kleinen Brüste gegen meinen Oberkörper drücken. "Trotzdem liebe ich dich." "Laß mich jetzt vorsichtig los." Ich muß uns ablenken. Ich will sie streicheln und küssen, deshalb muß ich uns ablenken. "Beweg deine Arme ganz langsam hin und her, damit dein Kopf über Wasser bleibt." Die Angst steigt wieder in ihre Augen, doch ihr Griff löst sich langsam. Ich halte meine Beine still. Wir drehen uns allmählich in die Senkrechte. Sandra schaut ängstlich auf meine Hände; wie sie sich im Wasser bewegen. Ihr Atem geht schneller, als sie ihre Hände nur noch leicht auf meine Schultern legt. "Bleib so, Sandra. Jetzt tu so, als würdest du Radfahren. Beweg deine Beine langsam hin und her." Sandra tritt Wasser. Ihr Körper kommt ein Stück aus dem Wasser, und im gleichen Moment reißt sie vor Überraschung die Augen auf. "Ich kann schwimmen!" "Na!" Lachend drücke ich sie an mich. "Sagen wir, du kannst dich über Wasser halten." "Ich liebe dich!", flüstert sie überwältigt, während sie mich kräftig umarmt. Ich drehe uns langsam herum, mit meinem Rücken zum Ufer, und streichle ihre Haut. Dann lasse ich sie sofort wieder los, um in ihre Augen zu schauen, doch die leuchten vor Freude. "Teil Zwei", sage ich schnell. "Wasser treten und Arme bewegen. Lerne, dich zu drehen." Sandra nickt ganz aufgeregt. Ich lasse sie vollständig los. Sie wirft den Kopf in den Nacken, um bloß kein Wasser zu schlucken, und bewegt Beine und Arme gleichzeitig. Ihr Körper fährt auf und ab, als sie das Tempo mit den Beinen variiert, und sie dreht sich noch etwas unkontrolliert, doch sie lernt schnell. Sehr bald hat sie den Bogen raus, und sie dreht sich vor Freude quietschend ein Mal um sich selbst. Beatrix winkt ihr vom Ufer her zu, doch Sandra hat nur Augen für mich. Ich zeige Beatrix mit der rechten Hand den erhobenen Daumen, während ich Sandra mit links leicht am Arm halte. Ihre Augen strahlen förmlich vor Glück. Jetzt spüre ich ganz deutlich, daß ich sie liebe. Wirklich liebe. Doch ich sage es nicht. Ich leugne es, weil ich es leugnen will. Leugnen muß. Auch wenn ich weiß, daß ich es nicht leugnen kann. "Kommen wir zu Teil Drei. Dem richtigen Schwimmen. Jetzt muß ich dich anfassen, Sandra." "Ich freue mich drauf", sagt sie leise. "Wie?" "So." Ich drehe sie behutsam im Wasser, bis sie schräg liegt; mit dem Rücken nach oben. Sie hebt ängstlich den Kopf, während ich sie mit links am Bauch stütze. Ihre Muskeln spüre, die sich beim Atmen bewegen. Ihre Rippen, die sich beim Atmen bewegen. Ihre Haut, die sich beim Atmen dehnt und entspannt. "Hände gerade nach vorne und in weitem Bogen zurück", sage ich mit leicht rauher Stimme. "Und immer wiederholen. Dabei immer gut im Wasser bleiben." Sie nickt angespannt; das Kinn so gerade eben über dem Wasser. Sie streckt ihre Arme aus, beschreibt einen Kreis und zieht sie wieder an. Sie und ich spüren den leichten Zug, der uns nach vorne bringen will, in die Richtung ihrer Schwimmbewegungen. Meine Hand fährt leicht über ihren Bauch. Schnell korrigiere ich den Griff. Ich lasse Sandra die Bewegung einige Male üben, dann kommen ihre Beine dran. "Arme nach vorne", erkläre ich, "und gleichzeitig die Beine anziehen." Sandra streckt die Arme aus und zieht gleichzeitig die Beine an. Ihr Gewicht verschiebt sich nach vorne, und sie rutscht ab. Ich greife nach; stütze sie mit links unter dem Bauch und mit rechts im Rücken. Mein Herz beginnt, schnell und hart zu schlagen. "Arme im Kreis wieder an den Körper, Beine breit und kräftig im Wasser zusammen bringen." Sandra kombiniert Arme und Beine, und sofort schießt sie ein kleines Stück nach vorne. Sie rutscht mir durch die Hände. Meine linke Hand gerät direkt auf ihren Unterleib, meine rechte auf ihren Po. Ich stoße mich im Wasser ab und greife wieder richtig. Meine Wangen brennen, wie meine Hände. "Entschuldigung", murmle ich betroffen. "Kein Problem", sagt sie atemlos. "Du hast mich ja gewarnt." Ihr Kopf dreht sich zu mir, ihre Augen lachen. "Und es ist dir genauso peinlich wie mir. Das sehe ich dir an." Da hat sie recht. Es ist mir äußerst peinlich. Ich halte sie wieder locker fest, und im gleichen Moment macht sie die vollständige Bewegung. Wieder schießt sie ein Stück nach vorne, doch dieses Mal halte ich sie fest. Sandra jubelt leise. "Ich kann schwimmen!" "Jetzt kannst du schwimmen", bestätige ich gerührt. "Mach weiter, Sandra." Sie nickt konzentriert und schwimmt. Gelegentlich stößt sie mit ihrem Oberschenkel gegen meine Hüfte. Ich halte sie immer lockerer, bis ich schließlich meine Hand aus ihrem Rücken nehme. Sandra merkt es nicht. Sie schwimmt voller Konzentration auf ihre Bewegungen. Mitten im Schwimmzug nehme ich meine linke Hand von ihrem Bauch weg. Sandra zuckt voller Angst zusammen; ihre Arme und Beine beginnen, sich unkontrolliert zu bewegen. "Schwimm!", sage ich streng. "Arme strecken, Beine anziehen, alles schließen." Sandra zittert vor Angst, doch sie gehorcht. Mit einem kräftigen Zug trennt sie sich von mir. Ich lege mich auf die Seite und kraule langsam neben ihr her. "Super machst du das", lobe ich sie. "Weiter. Immer weiter." Sandra schaut mich nicht an, doch sie nickt leicht. Ihre Augen sind starr nach vorne gerichtet. "Nun zum letzten Teil, Sandra. Der Ruhe. Dem Vertrauen. Das Wasser trägt dich. Du mußt nicht angespannt schwimmen. Bleib ganz locker, voller Ruhe und Vertrauen." Sie schluckt schwer. Dann beruhigen sich ihre Bewegungen. Das nervöse Zappeln verschwindet und wird von immer ruhigeren, ausgeglicheneren Bewegungen abgelöst. "Und kreisen. Schwimm im Kreis. Schlag mit einem Arm stärker als mit dem anderen und dreh dich gleichzeitig in diese Richtung." Sandra geht in eine Linkskurve. Leise jauchzend dreht sie eine vollständige Runde um mich herum. Ihr Atem geht sehr schnell. "Perfekt. Und zurück zum Ufer." Sandra schaut sich suchend um und vergißt, sich über Wasser zu halten. Sofort verschwindet ihr Kopf unter Wasser. Ich greife nach ihr und ziehe sie wieder hoch. Sie hustet hektisch und klammert sich zitternd an mich. "Na komm", flüstere ich, während ich ihren Rücken streichle. "Du hast nur vergessen, dich zu bewegen. Gleich noch mal." Sie schüttelt zitternd den Kopf und drängt sich an mich. Dann holt sie tief Luft und nickt. "Schwimm", sage ich zärtlich. "Im Kreis." Zögernd löst sich Sandra von mir. Diesmal helfe ich ihr nicht. Sie bringt sich selbst in die Schräge und schwimmt nervös los. "Ruhig und ausgeglichen, Sandra. Voller Vertrauen." Sofort wird sie ruhiger. Sie schwimmt einen Kreis um mich herum. "Und zum Ufer." Wieder schaut sie sich um, doch diesmal bewegt sie Arme und Beine im Wasser. Sie dreht sich auf der Stelle, bis sie das Ufer entdeckt hat. Sofort schwimmt sie los; mit ruhigen, kräftigen Zügen. Ich bleibe neben ihr. Beatrix und Bernhard erwarten uns schon am Ufer. Sandra hält sich mit den Händen an der Felskante fest und schaut mit leuchtenden Augen zu meiner Frau auf. "Ich kann schwimmen!" Beatrix nickt gerührt, und als sich Sandra vor Glück weinend an meinen Hals wirft, legt sie ihren Arm um Bernhard. "Na?", höre ich sie sagen. "Hättest du das geschafft, ohne Sandra von oben bis unten zu berühren?" "Laß mich doch in Ruhe!", knurrt Bernhard. Ich schaue lächelnd nach oben, während ich Sandra festhalte. Das Mädchen beruhigt sich schnell, und mit meiner Hilfe klettert sie über den Rand auf die Wiese. Sie steht etwas unsicher, als ich wieder neben ihr bin. "Meine Beine sind ganz weich", meint sie verlegen. "Dabei treibe ich doch so viel Sport." "Aber nicht Schwimmen. Da werden andere Muskeln bewegt als beim Volleyball." Bernhard springt noch während meiner Erklärungen zu ihr und legt seinen Arm um ihre Taille. "Ich helf dir." Widerspruchslos läßt Sandra sich von ihm zur Decke führen, wo sie sich seufzend fallen läßt. Beatrix wirft ihr ein Handtuch zu, mit dem sie sich schnell abtrocknet. Auch ich trockne mich ab. Als Sandra das Handtuch zur Seite legt, nimmt Bernhard sie sofort in den Arm und zieht sie an sich. Für einen Moment sehe ich Verärgerung über Sandras Gesicht ziehen, doch sie schweigt. Auch ich schweige. Jedes Wort könnte verraten, was ich für Sandra empfinde. Dabei bin ich jedoch unsicher, was Sandra vor hat. Will sie bei Bernhard bleiben und ihn quasi als Vorwand benutzen, mich zu sehen? Oder wird sie ihm sagen, was los ist? Oder wird sie irgend eine Geschichte erfinden? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht mal, was ich an ihrer Stelle tun würde. "Bernhard", höre ich Sandra in diesem Moment sagen. Ganz ruhig, ganz sachlich. "Ich habe dir schon mal gesagt, daß ich nicht gerne so eingeengt werde." "Ich halte dich doch nur!", protestiert Bernhard sofort. "Nein, du quetscht mich. Ich bin ziemlich geschafft, weil das Schwimmen anstrengend war, und ich würde ganz gerne richtig atmen können." "Dann leck mich doch Arsch!", explodiert Bernhard. Sandra, meine Frau und ich zucken zusammen. "Bernhard!", sage ich autoritär, doch er ist in seiner Wut und läßt alle Schranken fallen. "Seit zwei Wochen stellst du dich an wie eine kostbare Blume!", wettert er los. "Nicht anfassen, nicht angucken. Was stellst du dir eigentlich vor? Glaubst du echt, daß auch nur ein Junge zwei Wochen auf den ersten Kuß wartet, ohne zumindest mal den Versuch zu machen? Verdammt noch mal! Warum gehst du immer gleich auf die Palme? ‚Ich werde nicht gerne so eingeengt.' Ist doch Scheiße! Sag doch gleich, daß ich dich zu fest halte, aber tu nicht so, als würde ich dir überhaupt nichts erlauben." "Das tust du ja auch nicht!" Zum ersten Mal sahen wir Sandra erzürnt. "Du bist dagegen, daß dein Vater mir Schwimmen beibringt. Du bist dagegen, wenn ich mich mit Marcel aus der Gruppe mal ungestört unterhalten möchte. Du bist dagegen, wenn ich alleine nach Hause möchte. Du bist dagegen, wenn ich alleine zur Schule fahren will. Du bist dagegen, wenn Tanja und ich uns alleine in der Stadt treffen wollen. Du bist dagegen, wenn ich mal in Ruhe zu Hause einen Film sehen möchte. Du engst mich ein!" Sie atmet tief durch und schüttelt den Kopf. "Laß uns morgen darüber reden, ja?", bittet sie Bernhard. "Unter uns." "Morgen, morgen!" Bernhard zieht eine Grimasse. "Immer ist alles morgen. Wie lange muß man dich denn kennen, bevor man den ersten Kuß bekommt?" "Morgen!", wiederholt Sandra entschlossen. "Wir reden morgen darüber." "Nein, jetzt." Beatrix und ich schauen uns besorgt an. Bernhard macht in diesem Moment nicht den Eindruck, als würde er in zwei Monaten 15 werden. "Also schön." Sandra setzt sich gerade hin. "Dann rede." Bernhard wirft seiner Mutter und mir einen zögernden Blick zu. "Nicht hier." "Hier." Sandra strahlt plötzlich eine kühle Überlegenheit aus, die Bernhard unvorbereitet trifft. "Wenn du mir in aller Öffentlichkeit Vorwürfe machst, wehre ich mich auch in aller Öffentlichkeit dagegen. Also los. Was stört dich? Daß ich mich nicht am ersten Tag küssen lasse? Daß ich es nicht mag, wenn ich nicht mal mehr richtig atmen kann?" "Mich stört dein Getue!", erwidert Bernhard hitzig. Feuer und Eis, denke ich halb belustigt, halb besorgt. Bernhard hat schon verloren, doch er weiß es noch nicht. Sandra ist trotz ihrer zwei Jahre Unterschied zu Bernhard die Stärkere, weil sie ruhig bleibt. "Du weißt ganz genau, daß jeder Junge gerne seine Freundin spürt. Daß er sie küssen will. Aber anstatt einfach ‚Nein' zu sagen, tust du so, als würde ich dir ans Leben wollen." "Ich drücke nur das aus, was ich in dem Moment empfinde", erwidert Sandra ruhig. "Ich bin in meinem ganzen Leben noch nicht geschwommen, Bernhard. Dein Vater hat es mir gezeigt, und ich war todmüde danach. Weil ich Angst hatte, zu ertrinken; weil ich mich sehr gefreut habe, daß ich jetzt doch etwas schwimmen kann; und weil sich meine Arme und Beine schlapp anfühlen. Du hast mich nicht einfach nur umarmt. Du hast mich so stark an dich gezogen, daß ich wirklich Mühe hatte, richtig zu atmen." Sandras Ruhe strahlt auf unseren Sohn aus. "Na gut", gibt er mürrisch nach. "Das hättest du mir aber auch sagen können. Aber du kommst gleich mit ‚einengen'." "So fühlte ich mich in dem Moment auch." Sie beugt sich etwas vor. "So fühle ich mich eigentlich die ganze Zeit bei dir, wenn ich mal richtig darüber nachdenke. Ich brauche morgens ziemlich lange, bis ich richtig wach werde, und ich mag es nicht, wenn du vor der Tür auf mich wartest und fröhlich auf mich einredest. Ich möchte in den Pausen gerne mal mit meinen Freundinnen reden, aber dann stehst du schon da und nimmst mich in Beschlag. Ich bin kaum zu Hause, da rufst du auch schon an und fragst, wann ich für dich Zeit habe. Habe ich keine, bist du gleich beleidigt." Sie schüttelt den Kopf. "Du engst mich wirklich ein, Bernhard", sagt sie leise. "Ich dachte, daß du anders bist als die anderen. Daß du etwas reifer bist. Aber das bist du nicht. Du willst mich nur küssen, und du willst mich schnell im Bett haben. Stimmt's?" Bernhard wurde feuerrot bei diesen Worten. Ich sah zu Beatrix; mit der Frage, ob wir uns einmischen sollen, doch sie verneint stumm. ‚Laß sie es untereinander klären', sagt ihr Blick. ‚Es scheint die Zeit dafür zu sein.' "Sag mir doch mal, was du unter Freundschaft verstehst", bohrt Sandra. "Ganz genau." "Na, daß man zusammen was unternimmt. Eben daß man zusammen ist." "Immer zusammen?" "So oft wie möglich." "Danke. Weißt du, was ich unter Freundschaft verstehe? Daß mein Freund mir Ruhe gibt. Daß er mir mein eigenes Leben gestattet." Zorn blitzt in Sandras Augen auf. "Du redest von Besitz, Bernhard. Du willst deine Freundin ganz allein für dich haben. Das mache ich nicht mit. Ich werde nicht meine Interessen, meine Hobbys, und schon gar nicht meine anderen Freunde aufgeben, nur weil ich plötzlich einen Freund habe. Das habe ich dir schon mal gesagt, aber wie alle Jungs dachtest du dir bestimmt, daß du eine solch überragende Ausstrahlung hast, daß sich deine Freundin zu deinen Füßen einrollt und auf deine Befehle wartet." Nun erkennt Bernhard, aus welcher Richtung der Wind weht. Ich bin gespannt, wie er darauf reagiert. Und besorgt. "Du willst keinen Freund", behauptet er sicher. "Du bist überhaupt nicht fähig, einen Freund zu haben. Gut, ich gehe vielleicht etwas zu sehr in Richtung Besitz. Du gehst aber genau so weit in Richtung Distanz. Küssen? Nein. Im Arm halten? Nein. An der Hand halten? Nein. Du kommst mir keinen einzigen Schritt entgegen, Alexandra." Ihren Vornamen spricht er betont ironisch aus. "Keinen einzigen Schritt. Vielleicht suchst du nur einen Freund, den du als Vorwand benutzen kannst, um keinen Freund zu haben." "Das wäre gut möglich", erwidert Sandra, während meine Frau und ich uns fragend anschauen. "Wenn alle so sind wie du, möchte ich wirklich keinen Freund haben." "Den hast du auch nicht mehr." Bernhard steht wütend auf. "Ich mache Schluß! Verstanden?" "Klar und deutlich. Du hast es ja laut genug gesagt. Kann ich davon ausgehen, daß du es ernst meinst? Rufst du mich nicht mehr an und nervst? Wartest du nicht mehr in aller Frühe vor dem Haus? Stehst du nicht mehr in jeder Pause auf meinen Zehen?" "Ich habe schon völlig vergessen, wer du bist!" Bernhard macht ein arrogantes Gesicht, bevor er sich abwendet, zum See läuft und mit einem sauberen Kopfsprung in das Wasser taucht. Sandra stößt fast lautlos den Atem aus. Sie schaut eine Weile auf die Decke unter ihren Beinen. Beatrix und ich suchen nach Worten, doch die passenden fehlen. Wie so oft. Schließlich sieht Sandra wieder auf. "Können wir gleich noch mal schwimmen?", fragt sie mich. Ihre Stimme zeigt nichts mehr von dem Streit. "Wir können aber auch reden", schlägt Beatrix besorgt vor. Sandra schüttelt den Kopf. "Es ist doch alles gesagt. Ich möchte niemandem gehören, und ich will nicht alles aufgeben, nur weil da plötzlich ein Freund ist." "Das mußt du auch nicht", entgegnet Beatrix sanft. "Aber manche Dinge verlieren an Bedeutung, wenn du einen Freund hast, und neue Interessen schälen sich heraus." "Ich weiß, daß das kommen wird, Frau Zimmermann. Aber ist das auch am ersten Tag der Freundschaft schon so?" Sie lächelt amüsiert. "Muß ich mir doch einen älteren Freund suchen. Welches Alter würden Sie empfehlen? 17? 18?" Beatrix macht ein ablehnendes Gesicht. "Nein. Lieber so um die 90 herum. Dann sind sie pflegeleicht." Die beiden Frauen lachen, während ich die erwartete Grimasse schneide, dann schaut Sandra mich an. "Können wir gleich noch mal schwimmen?" "Natürlich, Sandra. Ruh dich noch etwas aus. Und überleg dir die Sache mit Bernhard noch mal, ja?" "Nein." Sie lächelt leicht bedrückt. "Ich dachte, daß ich ihm genug Zeichen gegeben habe, wie ich bin und was ich erwarte, aber die sind wohl irgendwie nicht angekommen. Waren Sie damals auch so?" "Wird meine Aussage irgendwann mal gegen mich verwendet?" "Ja!" Sandra lacht fröhlich auf, wie meine Frau. "Ja, ich war auch so, Sandra. Das liegt an zwei Punkten. Erstens sind Mädchen während ihrer Entwicklung den Jungen immer ein, zwei Jahre voraus und haben dadurch eine andere Sichtweise, und zweitens sind Jungen - wie Männer auch - von ihrer Veranlagung her grundsätzlich eifersüchtig." "Und wieso?" "Das kommt noch - und lach jetzt bitte nicht! -aus der Zeit der Höhlenmenschen. Damals waren die Weibchen lebensnotwendig für das Fortbestehen des Stammes. War ein Stamm ohne gebärfähige Weibchen, war er automatisch am Ende. Außerdem - und das kommt aus der langen Entwicklung der Menschheit - sind Frauen während der Schwangerschaft sehr anfällig, und so hat sich beim Mann ein Beschützerinstinkt Frauen gegenüber entwickelt. Beides sind sehr starke Eigenschaften, die nicht so einfach zu kontrollieren sind. Gerade während des Heranwachsens kommen diese Eigenschaften heraus. Einmal in Form von Eifersucht, zum anderen aber auch in der Form, wie Bernhard sie zeigt. Du sagt, er will dich besitzen. Sein Gefühl ist jedoch, daß er dich in seine sichere Höhle bringen will, um mit dir einen neuen Stamm zu gründen." "Was?", prustet Sandra. Sie lacht so stark, daß sie die Arme vor dem Bauch verschränkt. "Was will er?" "Nicht nur er. Alle männlichen Lebewesen wollen das. Dieser Drang nach dem Sichern des Stammes in Form der Fortpflanzung kommt während der Pubertät heraus und muß da kanalisiert werden. Die meisten Männer schaffen das auch, eben weil heute eine ganz andere Zeit ist. Nur bei manchen bleibt Eifersucht und Besitzstreben das, was es ist: ein Überbleibsel aus ganz alten Zeiten." "Aha." Ihre Augen schimmern mutwillig. "Welcher Drang war denn bei Ihnen am Werk, als Sie mich gerettet haben?" "Langeweile." "Boah!" Sie greift sich das Handtuch, mit dem sie sich abgetrocknet hatte, und wirft es lachend nach mir. Es trifft mein Gesicht, und für einen Moment fährt mir Sandras Geruch in die Nase. Ich drücke es mit den Händen zusammen und tue so, als wolle ich es mit voller Kraft auf Sandra werfen. Sie wehrt erschrocken mit beiden Händen ab. Ich täusche mehrmals einen Wurf an, bis Sandra vor Angst lacht, dann werfe ich es mit einer Hand ganz locker zu ihr. Beatrix lacht fröhlich, und Sandra schneidet ein grimmiges Gesicht, bevor sie sich nach hinten fallen läßt und sich ausruht. Beatrix legt sich schmunzelnd auf den Bauch und schließt die Augen. Ich schaue zu Sandra. Sie schaut zu mir. Wieder verschmelzen unsere Blicke. Die Sehnsucht wächst. In mir? In ihr? Ich kann es nicht mehr trennen.
Kapitel 3
Es ist fünf Uhr durch, als Sandra noch ein Mal schwimmen möchte. Bernhard ist schon länger wieder bei uns, doch er sitzt nicht neben Sandra, sondern stumm wie ein Fisch im Gras. Als Sandra und ich aufstehen, um ins Wasser zu gehen, wünscht er uns sarkastisch "viel Spaß". Sandra schaut ihn nur an, ohne etwas zu sagen, und er hält ihrem Blick gerade mal zwei Sekunden stand, bevor er sich murmelnd abwendet. Beatrix zuckt nur mit den Schultern; ihr Zeichen, daß jedes weitere Wort sinnlos ist. Zumindest im Moment.
Also gehen wir. Wieder bin ich zuerst im Wasser. Als Sandra sich auf den Rand setzt, halte ich sie auf. "Wir können etwas probieren, wenn du möchtest, Sandra. Atme tief ein, halte die Luft an und spring ins Wasser. Warte!", sage ich, als sie voller Angst widersprechen will. "Ich bin ja hier, Sandra. Spring ins Wasser und mach die Augen auf. Oben ist da, wo es hell ist. Du hast genug Luft in den Lungen, um ein bis zwei Minuten unter Wasser zu bleiben. Das wird dir helfen, keine Panik zu bekommen. Spring hinein, bleib so ruhig wie möglich, und orientiere dich." Sandra schaut ängstlich auf das ruhige Wasser. "Dann ertrinke ich", flüstert sie. "Nein, Sandra. Du ertrinkst nur, wenn du Panik bekommst. Du mußt es nicht tun, aber jetzt bin ich hier, um dir zu helfen, wenn es nötig ist. Tust du es hier und jetzt, wirst du sehr viel Angst verlieren." Ich sehe, wie die Gedanken durch ihren Kopf rasen. Ihre Augen sind auf mich gerichtet, sehen jedoch nach innen. Ich lege meine Hände an ihre Fußgelenke; meine Daumen fahren sanft auf und ab. Im gleichen Moment erwacht das Verlangen, sie zu umarmen, wieder mit voller Macht. "Nein", flüstert Sandra. "Du würdest mich nicht hereinlegen. Oder belügen." "Nein, mein Engel. Niemals." Meine Kehle wird zu eng für die Gefühle, die aufsteigen. Sandra schaut auf meine Hände an ihren Füßen. Sie bewegt ihre Unterschenkel. Einen Moment später ruhen ihre Füße auf meinen Schultern. Mein Blick fällt auf ihre rauhen Knie, die wohl von ihrem Sport kommen, weiter über ihr Bikinihöschen und den Bauch, die kleinen Brüste und den Hals bis zu ihren Augen. Meine Hände drücken ihre Füße an meinen Hals. Sandra reißt sich los, springt auf und läuft weg. Ich bekomme fast einen Herzschlag, als sie so plötzlich verschwindet. Sofort setzen die Vorwürfe ein. Ich habe sie berührt. Angefaßt. Ohne sie zu fragen. Sie hat ihre Füße bestimmt nur deswegen auf meine Schultern gestellt, um mich auf Abstand zu halten. In diesem Moment fliegt ein Schatten über mich hinweg. Ich drehe mich erschrocken um. Sandra fällt mit einem lauten Schrei ins Wasser. Sofort tauche ich hinter ihr her. Sie ist knapp einen Meter unter mir. Ihre Augen sind offen. Sie zeigt mir den erhobenen Daumen, dann schaut sie sich in alle Richtungen um. Mit Händen und Füßen bringt sie sich in die Senkrechte, tritt kräftig Wasser und schwimmt an mir vorbei nach oben. Mein Herz zerspringt fast vor Liebe zu ihr. Was für ein mutiges, tapferes, unerschrockenes Mädchen ist sie. Im nächsten Moment tauche ich auf. Zwei Arme und Beine schlingen sich um mich, ein nasser Mund drückt sich auf meine Wange. "Ich hab's getan!", schluchzt sie glücklich. "Ich hab's getan! Ich hab's getan!" Ich kann nicht reden. Ich drücke sie an mich, fahre mit beiden Händen über ihren Kopf und den Rücken, liebe sie durch meine Berührung. Sie klammert sich fester an mich, schluchzt und jauchzt abwechselnd, küßt meine Wange, und kriegt sich vor Freude nicht mehr ein. "Du bist ein tapferes Mädchen", flüstere ich durch ihre nassen Haare. "Verdammt tapfer, wenn ich das mal sagen darf." "Darfst du." Lachend und gleichzeitig vor Glück weinend schmiegt sie sich an mich. "Ich fühl mich im Moment auch verdammt gut!" Ich will ihr einen Kuß auf die Wange geben, doch sie dreht in diesem Augenblick den Kopf. Unsere Lippen berühren sich einen Sekundenbruchteil, bevor ich erschrocken den Kopf zurück reiße. Sandra lächelt verschämt, legt ihre Wange an meine und bleibt einige Sekunden lang still an mir. Dann macht sie sich energisch los. "Noch mal!" Ihre Augen leuchten. Wir schwimmen die zwei Meter ans Ufer. Sie klettert hinaus. "Du hast jetzt nasse Füße!", erinnere ich sie. "Lauf vorsichtig, Sandra." "Warum?", fragt sie mit einem schelmischen Lachen. "Könnte ich sonst ins Wasser fallen?" "Das auch", erwidere ich schmunzelnd. "Aber du könntest genau beim Absprung ausrutschen und mit dem Kopf auf den Fels fallen. Das ist hier schon einige Male passiert." "Oh." Sie schaut betroffen auf das Gras, das bis zum Rand des Felsens wächst. "Okay. Ich bin vorsichtig." Mit diesen Worten verschwindet sie aus meinem Sichtfeld. Ich drehe mich zum See. Sekunden später fliegt Sandra über mich hinweg und fällt platschend ins Wasser. Ich tauche unter und sehe, wie sie die Fassung behält, sich orientiert und Sekunden später wieder auftaucht. Ihre Augen strahlen mich an, dann dreht sie sich und schwimmt langsam und ruhig auf den See hinaus. Ich folge ihr. "Das macht Spaß!", sagt sie etwas außer Atem, als wir etwa zwanzig Meter vom Ufer und somit fast in der Mitte vom See sind. Sie stellt ihr Schwimmen ein und tritt auf der Stelle. "Wie tief ist das hier?" "In der Mitte? Fast sechzehn Meter. Noch ein Tip, Sandra: teil dir deine Kräfte ein. Laß immer mindestens die Hälfte der Kraft für den Rückweg übrig." "Warum mindestens?" "Hier ist das Wasser ruhig. Wenn du im Fluß schwimmst, mußt du mit der Strömung rechnen. Gegen die Strömung zu schwimmen kostet sehr viel mehr Kraft als mit ihr. Daran haben sich schon einige verrechnet." Sie nickt nachdenklich. "Das verstehe ich. Wie geht Rückenschwimmen? Ich würd gerne mal beim Schwimmen in den Himmel schauen." "Auf den Rücken legen und mit den Beinen strampeln. Abwechselnd mit rechts und links. Mit den Händen steuern. Probieren wir es." "Stützt du mich?" "Muß ich das?" Sie lächelt voller Erwartung. "Ja." Sie legt sich auf den Rücken; ihre Beine bewegen sich langsam. Ich halte meine Hand unter ihren Rücken und schwimme neben ihr her. Sandra schaut überwältigt nach oben. "Das ist ein tolles Gefühl!", sagt sie leise, fast ehrfürchtig. "Das fühlt sich an, als ob ich schwebe." Meine Finger fahren leicht über ihre Haut, als ich meine Hand wegziehe. Sofort konzentriert sich Sandra auf das Schwimmen. Wir üben Brust- und Rückenschwimmen, das Drehen vom einen zum anderen, und das Tauchen. Schließlich ist Sandra sehr erschöpft. Wir schwimmen langsam zurück zum Ufer. Ich helfe ihr hinaus. Nun erkennt sie, was ich mit ‚Kraft einteilen' meinte: ihre ist am Ende. Ich fasse sie bei den Oberschenkeln und hebe sie weit hoch. Sie fällt mehr auf das Ufer als daß sie sich hebt. Schnell bin ich neben ihr, helfe ihr auf. Sie lächelt müde. "Heute nacht kann ich bestimmt sehr gut schlafen." "Das denke ich auch. Komm." Ich gehe los, sie schwankt. "Hey!", lacht sie erschrocken und greift schnell nach meiner Hand. "Ich hab überhaupt keine Kraft mehr in den Beinen!" Ich hebe sie hoch, trage sie zur Decke und lege sie vorsichtig ab. Beatrix lacht mitfühlend. "Vor Begeisterung verausgabt?" "Und wie." Sandra greift dankbar nach der Fanta, die Beatrix ihr reicht, und trinkt gierig die halbe Dose leer. Danach schaut sie zu Bernhard, der sie geflissentlich übersieht. "Jetzt kann ich schwimmen", leitet sie ihr Friedensangebot ein. "Gib mir fünf Minuten, dann kannst du mich ins Wasser werfen." Nicht nur tapfer, sondern auch großmütig. Bernhard ist jedoch stur. "Kenne ich dich?", fragt er sie kühl. Sandra zuckt mit den Schultern. "Ich hab's wenigstens versucht", seufzt sie. "Danke für alles, Herr Zimmermann, aber besonders dafür, daß Sie mir das Schwimmen beigebracht haben. Das war sehr nett von Ihnen." "Heirate ihn doch!", meint Bernhard wütend, bevor ich etwas sagen kann. Beatrix muß sich das Lachen verkneifen und wendet sich schnell ab. Sandra dreht sich zu ihm. "Kenne ich dich?", fragt sie im gleichen Ton wie vorher er. Auch ich wende mich ab; ich kann mein Lachen nicht so gut unterdrücken wie meine Frau. "Du bist ja so bescheuert!", knurrt Bernhard. "Ach ja?", erwidert Sandra. "Da ich dich nicht kenne, bedeutet mir deine Meinung auch nicht viel. Nein, sie bedeutet mir gar nichts." Plötzlich lächelt sie versöhnlich. "Hören wir auf damit, Bernhard. Das bringt doch nichts. Vertragen wir uns wieder." "Du kannst mich mal!" Er fährt wütend auf. "Ich hab mich so darauf gefreut, den Tag mit dir zu verbringen, und du hängst nur mit meinem Vater zusammen. Was ist los mit dir? Stehst du etwa auf ihn?" "Bernhard!" Beatrix' Geduld ist mit einem Schlag am Ende. "Im Gegensatz zu dir bemüht dein Vater sich, Sandra -" "Stop!" Sandra hebt die Hand. "Ich kläre das." Sie ist sehr blaß im Gesicht; ihre Augen sprühen vor Ärger. "Bernhard, du sagst immer nur: ‚Ich'. ‚Ich möchte.' ‚Ich will.' ‚Ich denke.' Ist dir jemals in den Sinn gekommen, daß ich auch etwas möchte?", Sie springt trotz ihrer Schwäche auf. 1,66 gegen 1,78. 45 Kilo gegen 68. "Ich schäme mich seit Jahren, daß ich nicht schwimmen kann", sagt sie leise, doch mit so viel Wut in der Stimme, daß Bernhard einen Schritt nach hinten geht. "Dein Vater treibt mir nicht nur die Angst vor dem Wasser aus, sondern macht mich auch noch auf die ganzen Fallen aufmerksam, die auf einen warten. Er geht auf das ein, was ich will und was mir wichtig ist. Ganz im Gegensatz zu dir Looser." "Ich soll ein Looser sein?", lacht Bernhard überrascht. "Wer kann denn nicht schwimmen?" "Keine Ahnung. Ich kann es ja. Noch nicht gut, aber ich kann es jetzt. Du willst doch allen deine Meinung aufdrücken. Deinen Willen. Aber nicht mit mir!", Sie macht einen Schritt auf ihn zu, er weicht einen zurück. "Ich habe zwei Mal versucht, auf dich zuzugehen. Zwei Mal! Du hast beide Male gekniffen, weil du meinst, stolz sein zu müssen. Jetzt kannst du mich auch mal. Und zwar kreuzweise. Bleib nur weiter bei deinem Glauben, daß Mädchen nur deswegen existieren, damit du sie begrabschen kannst. Du bist ein reinrassiger Looser, Bernhard. Weil du nicht mal versuchst, meine Ansichten zu verstehen. Jetzt bin ich wirklich fertig mit dir. Endgültig. Von mir aus kannst du herum prahlen, daß du Schluß gemacht hast. Meiner Meinung nach hat es nie angefangen, aber das ist jetzt egal. Wenn ich dich noch ein Mal vor unserem Haus herum lungern sehe, rufe ich die Polizei. Im gleichen Moment." Sie wendet sich ab. Sie zittert. Vor Wut, und vor Erschöpfung. Bernhard starrt sie verblüfft an. Plötzlich dreht sie sich wieder zu ihm. "Dein Vater hat mir das Leben gerettet", sagt sie leise. "Während du nicht wußtest, was du machen solltest. Ich habe deine Füße gesehen, als ich unterging. Du warst ganz nah bei mir. Aber du hast nichts gemacht. Obwohl du immer so herum tönst, daß du mit 16 in den DLRG willst. Denk mal drüber nach, wer der Looser ist. Du bist nur heiße Luft." Das trifft schwer. Bernhard wird rot. Tiefrot. Sein Blick fällt gen Boden. Sandra kniet sich bebend am ganzen Körper hin und sortiert ihre Sachen. Beatrix und ich schauen uns nur kurz an, dann wendet sie sich zu Sandra. "Ich fahr dich nach Hause, Sandra", sagt sie sanft. Das Mädchen schüttelt den Kopf. "Nein, danke. Wir sind zusammen gekommen, wir werden auch zusammen gehen. Ich flüchte nicht vor Problemen oder Auseinandersetzungen. Ich wollte mir nur das Kleid wieder anziehen, weil mir kalt ist." Sie nimmt das Handtuch und beginnt, sich abzutrocknen. Weder Beatrix noch ich halten etwas davon, peinliche Gespräche durch einen schnellen Themenwechsel abzubiegen. Wir haben beide gelernt, daß es viel mehr Sinn macht, zu warten, bis wirklich alles gesagt ist. Oft genug kommt nach dem ersten Donnerwetter noch mehr heraus. Doch offenbar hat Sandra alles gesagt, was ihr wichtig war. Als sie das Kleid anhat, setzt sie sich wieder, zieht die Knie an, schlingt die Arme um die Unterschenkel und schaut reglos auf den See. "Na schön", sagt Beatrix in die Runde. "Wer hat Hunger? Nach dem Abendessen können wir dann fahren." Sie verteilt die restlichen Schnitzel. Sandra bekommt ein großes, damit sie wieder zu Kräften kommt. Ich lege ihr noch ein Mars dazu. Sie lächelt erst Beatrix, dann mir dankbar zu, bevor sie sich hungrig auf das Schnitzel stürzt. Bernhard schweigt das ganze Essen über. Ihm macht wohl schwer zu schaffen, daß Sandra ihn in unserer Gegenwart fertig gemacht hat. Ich seufze stumm. War ich damals anders? Nein. Auch ich mußte immer die Nummer Eins sein. Keiner konnte mir was. Und wenn mir doch einer was konnte, war ich so zerstört wie Bernhard jetzt. Aber da muß er durch. Wie ich auch. Er tut mir einerseits leid, doch andererseits weiß ich, daß am Ende dieser Krise die Vernunft steht. Er hat so viel von seiner Mutter und mir geerbt, da muß das einfach gut gehen. Ich schaue zu Beatrix, deren Augen das gleiche ausdrücken. Sie lächelt mir aufmunternd zu. Dann sehe ich zu Sandra. Sie beißt sich hungrig durch das Schnitzel, nimmt abwechselnd Senf und Ketchup dazu. Zwischendurch immer wieder mal ein Schluck Fanta. Wenn sie aufschaut, dann zu mir. Ich sehe ihr an, daß ihr der Streit mit Bernhard sehr nahe geht. Ich schenke ihr einen tröstenden Blick; sie mir dafür einen warmen, herzlichen. Ich liebe dich tatsächlich, denke ich bewegt. Aber es darf nicht sein, mein Engel. Verstehst du das? Auch wenn wir uns zueinander gehörend fühlen, darf es nicht sein. Versteh das bitte. Ihr Blick sagt etwas anderes. Ihre Sehnsucht schneidet wie ein stumpfes Messer in mein Herz. Ich möchte in deinen Arm, sagt ihr Blick. Halt mich, sagt er. Ich schaue weg. Dann sehe ich wieder hin, weil ich es nicht ertragen kann, sie heute das letzte Mal zu sehen. Ich möchte sie wiedersehen. Ich muß sie wiedersehen. "Wie hält sie sich?", höre ich Beatrix flüstern. Sie hat gemerkt, daß ich Sandra anschaue. "Gut", wispere ich zurück. "Die Kraft kommt zurück." "Prima." Und wieder einen Fallstrick überlebt. Meine Kraft verbraucht sich rapide, ohne Chance auf Regeneration. Schließlich sind wir fertig mit Essen. Wir bleiben noch ein paar Minuten sitzen oder liegen, dann gibt Beatrix das Signal für den Aufbruch. Wir packen unsere Sachen und sind wenig später am Auto. Beatrix setzt sich nach hinten, zu Bernhard, damit es keinen weiteren Streit gibt. Ich fahre Sandra nach Hause und bringe sie noch zur Tür. Sie schließt auf und ruft: "Hallo?", doch es kommt keine Antwort. Sie dreht sich schulterzuckend zu mir. "Wieder weg. Jetzt hab ich Ruhe bis Freitag Abend." Sie streckt ihre Hand aus. "Sehe ich dich wieder?" Ich greife nach ihrer Hand. "Nein." Sie lächelt. Sie liest in mir wie in einem offenen Buch. Wie ich in ihr. "Wann?" "Ruf mich morgen an. Ab zwei. Du hast Bernhards Nummer?" "Ja." "Wähl am Ende statt der ‚6' die ‚2', dann hast du mich. Du weißt, daß es falsch ist?" "Ich weiß, daß es schön ist." Sie zieht lächelnd ihre Hand zurück. "Nochmals Danke für alles, Bernd. Ich liebe dich." "Ich liebe dich, mein Engel. Paß auf dich auf." "Mach ich." Sie lächelt herzlich, wobei sich wieder die Haut über der Nasenwurzel kräuselt, tritt ins Haus, wirft mir einen letzten Blick zu und schließt die Tür. "Ihr habt euch ja noch angeregt unterhalten", meint Bernhard bissig, als ich wieder im Auto sitze. Beatrix holt tief Luft, doch ich bin schneller. "Ich habe sie gefragt, ob sie sich kräftig genug fühlt, um alleine zu bleiben, bis ihre Eltern kommen. Reicht dir das?" "Und falls du es nicht mitbekommen haben solltest", stimmt Beatrix aufgebracht ein; "Sandra wäre heute beinahe ertrunken. Fast zu sterben geht den meisten Menschen ziemlich an die Nieren, junger Mann. Und wenn ich noch eine einzige Unverschämtheit in Richtung Sandra und deinem Vater höre, wirst du mich kennen lernen. Das schwöre ich dir, Bernhard Zimmermann. Was du dir heute geleistet hast, waren unglaubliche Frechheiten und Unterstellungen. Ab und zu möchte ich wirklich wissen, was in deinem Kopf vorgeht." "Das kann ich dir sagen!" Er beugt sich wütend nach vorne. "Du hast wohl gar nicht mitbekommen, wie die zwei sich angesehen haben, oder? Die haben ja nichts anderes mehr gesehen als sich!" Beatrix wirft sich in ihrem Sitz herum. "Und weißt du auch, wieso?", schnauzt sie unseren Sohn an. "Weil dein Vater sich Sorgen um Sandra gemacht hat. Wie ich auch. Verflucht, Bernhard! Das Mädchen wäre beinahe unter unseren Augen abgesoffen! Weißt du überhaupt, was das heißt? Du konntest nicht wissen, daß sie nicht schwimmen kann; das gestehe ich dir zu. Heutzutage kann kaum einer nicht schwimmen. Aber daß du deinem Vater, der sich wie ich große Sorgen um das Mädchen gemacht hat, das unterstellst, was du ihm unterstellst, das macht mich nicht nur wütend, sondern sogar richtig sauer. Ich will jetzt nicht auf deinem Alter herum reiten. Ich will nur so viel sagen, daß Sandra während des heutigen Tages unter unserer Verantwortung stand. Unter der von deinem Vater wie unter der von mir. Wenn sie wirklich ertrunken wäre, hätten sowohl dein Vater wie auch ich uns vor Gericht verantworten müssen. Genau wie du, junger Freund! Du wärst wegen fahrlässiger Tötung dran, wir wegen Vernachlässigung unserer Aufsichtspflicht, die in einem Todesfall resultierte." Beatrix spricht genau das aus, was mir auf der Zunge liegt. "Und deshalb", droht sie dem nun völlig vernichteten Bernhard, "will ich kein einziges Wort mehr darüber hören. Sandra kann morgen oder übermorgen immer noch zum Anwalt gehen und uns anzeigen. Uns drei. Mach deinem Vater noch ein einziges Mal den Vorwurf, Sandra angesehen zu haben, und ich vergesse mich!" Bebend vor Zorn dreht sie sich wieder nach vorne. Ihre Lippen sind zwei dünne Striche. Ich sage nichts. Beatrix hat alles gesagt, was auch ich sagen wollte. Und wesentlich zorniger als ich, was auf Bernhard mehr Eindruck gemacht hat. Denn in diesem Punkt sind sich Beatrix und Sandra sehr ähnlich: bei beiden brauchte es viel, bis sie laut wurden. Wie wird Beatrix reagieren, wenn sie heraus findet, daß Bernhards Unterstellungen völlig der Wahrheit entsprechen?
* * *
Punkt 14 Uhr klingelt das Telefon. Sofort sehe ich Sandra vor mir, wie sie nervös in der Diele ihres Hauses von einem Fuß auf den anderen tritt. Mein Herz rast wieder. "Hallo, mein Engel", melde ich mich sanft. Am anderen Ende seufzt eine Stimme. "Hallo, Bernd! Woher wußtest du, daß ich es bin?" "Ich melde mich immer so", meine ich scherzhaft. "Man kann ja nie wissen, wer dran ist." "Boah!", lacht sie. "Das glaube ich dir nicht. Woher?" "Ich wußte es einfach. Warum setzt du dich nicht?" "Weil ich zu aufgeregt bin!", kichert sie. "Magst du zu mir kommen? Hier haben wir Ruhe." Ich zögere kurz. "Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Sandra. Deine Eltern könnten unvorhergesehen zurück kommen. Eure Nachbarn werden mich sehen. Und ich weiß wirklich nicht, ob ich mit dir allein sein möchte. Ich meine, ich möchte es schon, aber..." Ich stoße den Atem aus. "Ich liebe dich wirklich, Sandra", sage ich leise in den Hörer. "Und deswegen möchte ich nicht mit dir allein sein." "Dann laß uns darüber reden", schlägt sie ruhig vor. "Komm zu mir, Bernd. Wir setzen uns nach draußen. Ich bau ein paar Schulbücher auf dem Tisch auf, und alle werden denken, daß ich Nachhilfe bekomme. Dann können wir reden." Das klingt vernünftig. Ich stimme zu. "Ich freue mich so", flüstert sie in den Hörer. "Wann kommst du?" "Ich fahre sofort los. Bis gleich." "Bis gleich, Bernd. Ich liebe dich auch. Das nimmst du vielleicht nicht ernst, aber für mich ist das, was ich fühle, die große Liebe." "Ich nehme dich ernst, mein Engel. Sonst würde ich überhaupt nicht so mit dir reden. Bis gleich." Keine fünfzehn Minuten später sitze ich auf ihrer Terrasse. Auf dem großen Tisch liegen Sandras Schulbücher. Sie baut Gläser auf und füllt sie mit kühlem Orangensaft. Sie trägt eine Shorts in einem sehr hellen Rot, dazu ein T-Shirt ohne Ärmel in einem blassen Gelb. Ihre lockigen hellblonden Haare fallen heute besonders voll und locker. Es ist jedoch nicht ihr wirklich hübsches Äußeres, was mich fasziniert. Es ist sie, der ganze Mensch. Außen wie innen. Körper, Geist, Seele. Sie setzt sich neben mich. Sie greift nach ihrem Glas und hebt es hoch. "Auf uns." "Auf uns." Die Gläser stoßen leise klirrend gegeneinander. Wir trinken einen Schluck, ohne die Augen voneinander zu lösen. Wieder erwacht die Sehnsucht in ihren Augen, wieder verspüre ich das Verlangen, sie in den Arm zu nehmen. Wir stellen die Gläser ab, lassen unsere Finger jedoch daran liegen. Sandra schaut wie abwesend auf den Saft darin. "Ich werde nicht sagen, was ich will", beginnt sie leise. "Ich werde sagen, was ich fühle. Was ich denke. Dann du. Du sagst auch nicht, was du willst, sondern nur das, was du fühlst und denkst." Sie schaut auf, mit einem leicht schiefen Lächeln. "Wir versuchen es zumindest. Denn mir liegt ziemlich viel auf der Zunge, was ich will. Okay?" "Okay. Fang an." Sie nickt. Sie trinkt einen kleinen Schluck Saft, stellt das Glas ab und dreht es in den Fingern. "Ich war bisher nie in so einer Situation", beginnt sie. "Ich habe bisher immer nur Freunde in meinem Alter in Erwägung gezogen, Bernd. Etwas älter als ich, so wie Bernhard. Höchstens drei Jahre älter als ich. Bernhard hat viel von euch erzählt. Von dir, von deiner Frau. Wie toll ihr miteinander auskommt und umgeht. Daß es oft Differenzen gibt, daß ihr euch aber beide bemüht, auch seine Seite zu sehen. Das hat mir schon imponiert. Ich höre nämlich häufig nur, daß Eltern befehlen, reglementieren, anordnen. Ich wurde also neugierig auf euch. Auf euch beide. Deswegen war ich einverstanden, als Bernhard mich fragte, ob ich euch am Samstag - also vorgestern - mal besuchen wollte. Wollte ich. Also holt er mich ab, und wir gehen zu euch. Dann sehe ich dich. Ich habe deine Augen gesehen, und in mir fing alles an zu flattern. Nicht vor Angst, sondern vor... Tja, das wußte ich da noch nicht so genau. Du hast mich begrüßt und meine Hand genommen, und da wußte ich plötzlich, was das in mir ist." Sie lächelt etwas beschämt. "Ich konnte meine Gefühle schon immer gut unter Kontrolle halten, Bernd, aber vorgestern ging es beinahe über meine Kraft. Ich hab dich gesehen und wollte... Nein!", lacht sie hell auf. "Darüber wollte ich doch nicht reden!" "Sprich es aus, mein Engel", sage ich zärtlich. "Wir kommen nicht drum herum. Ich überlege auch schon, wie ich meine ganzen Sätze umformuliere, um ‚Ich möchte' zu vermeiden. Es geht nicht." "Gut!", lacht sie fröhlich. "Ich dachte schon, ich könnte kein Deutsch mehr. Also." Sie atmet tief durch. "Ich wollte in deinen Arm, Bernd. Schon da. Als die Ehe meiner Eltern noch in Ordnung war, war unser Haus immer voll mit Gästen. Ich habe irgendwie früh gelernt, Menschen einzuschätzen. Oder ich spüre ihre Ausstrahlung. Keine Ahnung. Deswegen bin ich auch so zögernd bei Freundschaften. Ich spüre, daß viele Jungen nur küssen und schmusen wollen. Aber damit haben wohl alle Mädchen in meinem Alter zu kämpfen." Sie schaut mich verschmitzt an. Ich nicke lächelnd. "Nicht nur in deinem Alter, mein Engel." "Dachte ich mir. Da stand ich Samstag also vor dir und habe dich... Ja, gespürt. Ich habe gespürt, daß du ruhig bist. Nicht still, sondern innerlich ruhig. Ausgeglichen. Stabil. Und reif. Das sind aber viele, die ich kenne. Das ist noch nichts Besonderes. Dann kam der Blick in deine Augen. Und da... Da war ich weg." Sie zuckt verlegen mit den Schultern. "Ich wollte in deinen Arm. Ich habe gespürt, daß wir beide uns sehr, sehr ähnlich sind. Ich wollte in deinen Arm und nicht mehr weg von dir. Dabei weiß ich aber ganz genau, daß ich dich nicht als Vater will, Bernd. Ich will dich als Freund. Als meinen Freund. Und genau das war der Grund, warum ich Samstag Abend so unentschlossen war wegen Sonntag. Ich weiß ganz genau, daß wir sehr, sehr vorsichtig sein müssen. Fast schon paranoid vorsichtig. Doch ich will dich. Das weiß ich. Ich bin erst 13. Ich habe Angst vor Sex, weil ich mich dafür noch nicht reif fühle. Du bist ein erwachsener, erfolgreicher Mann. Verheiratet. Mit Kind. Aber ich will dich. Mehr als alles andere. Ich werde mich nicht zwischen deine Frau und dich drängen, wenn du das nicht willst. Ich werde dir auch keinen Ärger machen, wenn du mich zurück weist. Eben weil ich dich liebe." Sie stößt den Atem aus. "So. Das war ich. Jetzt schauen wir ein paar Minuten auf die Blumen, dann bist du dran." Ihre rechte Hand fällt nach unten, greift nach meiner, und hält sie fest. Wir schauen in den schönen, gepflegten Garten; mein Daumen fährt sanft über ihre Haut. "Ein Gärtner kommt zwei Mal die Woche", sagt Sandra leise. "Wenn meine Eltern das machen würden, wäre alles schon eingegangen. Ich lauf jeden Abend eine halbe Stunde mit dem Schlauch herum und mache alles gründlich naß. Der Gärtner kümmert sich um Unkraut und tote Pflanzen." Ihre Hand drückt plötzlich ganz fest zu. Auch mich überkommt die Sehnsucht nach ihr. "Ich bin traurig, weil meine Eltern sich wahrscheinlich trennen, Bernd. Ich werde vielleicht bei meiner Mutter bleiben, aber das weiß ich noch nicht so genau. Ich will keinen Ersatzvater. Dafür bin ich schon zu alt. Oder fühle mich zu alt dafür. Wie auch immer. Das wollte ich nur klar stellen." "Das weiß ich, Alexandra." Ich hebe meine Hand mit ihrer darin zu meiner Wange und drücke sie daran. Sandra lächelt verliebt. "Du hast im Grunde sehr viel von dem gesagt, was ich auch sagen wollte, mein Engel. Bei mir hat es auch Samstag zugeschlagen. Meine Ehe ist gut und glücklich. Beatrix und ich reden über alles und sehen zu, daß wir Probleme so früh wie möglich lösen, bevor sie unlösbar geworden sind. Bernhard ist manchmal etwas schwierig, aber ich war früher nicht anders. Kein Stück anders. Es tut mir leid, daß es gestern zu dem Streit gekommen ist." "Mir nicht. Das zeichnete sich schon am ersten Tag ab. Er klammert. Er engt ein. Manche Mädchen mögen das. Ich nicht." "Trotzdem tut es mir leid. Ich weiß, wie schwer es für mich damals war, den richtigen Umgang mit Mädchen zu finden. Ich denke aber, daß er es schaffen wird." "Wird er bestimmt. Nun red wieder von dir." "Okay." Ich streiche mit dem Daumen leicht über ihre Hand an meiner Wange. "Samstag hat es bei mir auch gefunkt, Sandra. Im gleichen Moment wie bei dir. Als ich dich gesehen habe. Und je öfter ich dich sehe, um so stärker wird der Wunsch in mir, dich in den Arm zu nehmen und so lange zu streicheln, bis mir die Hände abfallen." Sandra lächelt herzlich. "Und noch länger." "Und noch länger. Genau. Und im gleichen Moment, wo ich das denke, kommen die Sorgen, Sandra. Die ganz großen Sorgen, die du schon erwähnt hast. Dein Alter. Meine Familie. Wo es hinführt. Wo es endet. Ob es überhaupt beginnen soll." "Möchtest du, daß es aufhört?", fragt sie leise, ängstlich. Ich zucke mit den Schultern. "Nein. Und ja. Ich möchte nicht auf dich verzichten, Sandra. Ich möchte aber auch nicht, daß wir in große Schwierigkeiten geraten. Besonders du nicht." Sandra nickt bedrückt. Sie entzieht mir langsam ihre Hand, trinkt einen Schluck und sinkt in ihren Stuhl. "Ich will auch nicht auf dich verzichten, Bernd. Ich kann es nicht. Ich mußte mich in der Schule richtig zwingen, aufzupassen. Ich mußte immer an dich denken. Ich sagte ja schon, daß ich bisher erst zwei Mal verliebt war. Aber das war nichts im Vergleich zu dem, was ich jetzt fühle." Sie schüttelt den Kopf, stellt entschlossen das Glas auf den Tisch und steht auf. "Komm." Ich folge ihr durch das Wohnzimmer und die Diele, dann die Treppe hinauf und in ihr großes Zimmer. Es ist im Großen und Ganzen ordentlich, nur die Wäsche vom Morgen liegt über der Lehne eines Stuhles. Ich ahne, was sie möchte, und mir wird warm. Wenn wir das tun, ist es vorbei. Dann hat es begonnen, und wir müssen es durchstehen. Egal, wie. Sandra schließt die Tür und lehnt sich dagegen. Ihre Augen ruhen auf mir. Auch ihr Atem geht schneller. Wieder wächst die Sehnsucht in uns beiden, und diesmal geben wir ihr nach. Wir machen einen großen Schritt aufeinander zu und liegen uns in den Armen. Sie preßt sich kräftig an mich, legt ihre Wange an meine Schulter. Ich ziehe sie an mich, küsse ihr Haar. Sandra schaut auf. Ihre Augen wandern über mein Gesicht, machen bei meinen Lippen Halt. Sie schließt die Augen, öffnet den Mund. Das Spiel ist vorbei. Meine Lippen pressen sich zärtlich auf ihren Mund, der mir weich entgegen kommt. Meine Hände gleiten sanft über ihren Rücken und das Haar; ihre Hände streichen über meinen Rücken. Ich spüre ihre kleine, heiße Zunge vorsichtig an meinen Lippen tasten. Meine Hände fahren über ihre bloßen Arme, meine Zunge kommt hervor und legt sich an ihre. Sandra seufzt stumm. Ihre Umarmung wird stärker. Endlos lange stehen wir so, küssen uns, streicheln uns, spüren uns. Meine Finger folgen den Linien ihrer Ohren, streichen über die weichen Haare an ihren Schläfen, über die Haut über den Wangenknochen. Meine Hände legen sich an ihren Kopf; die Daumen vor die Ohren, die Finger in den Nacken. Wie klein ihr Kopf ist, fährt mir durch den Sinn. Klein und verletzlich, und doch der Sitz einer entwickelten Persönlichkeit. Eines Menschen, der urplötzlich in mein Leben getreten ist, mir gezeigt hat, wieviel Liebe in mir ist, und diese Liebe erwidert. Unser Kuß wird intensiver, als würde Sandra das gleiche denken wie ich. Ihr Körper drängt sich an meinen. Unsere Hände werden fordernder. Ihre gehen unter mein Hemd, spüren nackte Haut. Meine legen sich an ihre Achseln, schieben sich unter ihr Shirt, spüren ebenfalls nackte Haut. Ein weiterer Schritt in das große, verbotene Gebiet. Ihre Sätze von gestern kommen mir in den Sinn, während wir mehr und mehr von uns erforschen. Ihre Ansichten über Altersgrenzen. Über Gesetze. Es beruhigt mich etwas, doch es ändert nichts am Ernst unserer Situation. Ich löse meine Lippen von ihrem weichen Mund, streiche damit über ihr Gesicht, über ihre Wangen. "Wir müssen aufhören", murmele ich, während meine Hände an ihrem Shirt ziehen. "Nein!", wispert sie zurück. "Küß mich!" Unsere Lippen treffen sich wieder. Vier Hände gehen weit unter Stoff, streicheln kräftig bloße Haut. Mein Verlangen wächst, verändert sich. ‚Aber sie ist doch erst 13!', sagt mein Verstand. ‚Sie will es doch!', sagt mein Gefühl. ‚Erst 13!' - ‚Sie will es!' - ‚13!' "Sandra", keuche ich erstickt. "Schluß. Bitte." "Nein." Ihre Hände greifen in das Fleisch in meinem Rücken, ziehen mich an sich. Ihre Zunge leckt fordernd über meine Lippen, stößt dazwischen, geht in meinen Mund. Meine Hände wandern über ihre Shorts, über die bloßen Oberschenkel, wieder hinauf, unter das Shirt, streichen über ihre Seiten. Unter meinem Daumen spüre ich den Ansatz ihrer kleinen Brust. Schnell ziehe ich meine Hand zurück, doch das Gefühl von Feuer bleibt. Von streng verbotenem Feuer. Ihre Hände kratzen leicht über meine Haut, reizen mich, erregen mich. Doch auch sie spürt das Feuer; ihre ganzen Bewegungen zeigen es mir. Doch ich muß der Stärkere sein, weil ich der Stärkere bin. Ich will ihr nicht weh tun. "Ich will dich!", flüstert sie mit rauher Stimme. Ihre Lippen streichen über mein Ohr. "Und ich habe furchtbare Angst." "Ich auch." Ich spüre, daß sie mich schiebt. Mit ihrem Körper, mit ihren Lippen. Ich trete nach hinten, stoße an den Rahmen ihres Bettes. Sandra preßt sich weiter gegen mich, bis ich das Gewicht verliere. Wir fallen in ihr Bett. Sie atmet erregt, schiebt ihre Arme unter meinen Hals, küßt mich auf das ganze Gesicht. Ich greife mit links unter ihr volles Haar, streichle die weiche Haut in ihrem Nacken, gehe mit rechts über ihre Hüfte zu den Schenkeln. Unsere Lippen drücken sich wieder aufeinander. ‚Schluß!', denke ich verzweifelt, während meine rechte Hand wieder nach oben, unter ihr T-Shirt geht. Ihr Rücken ist viel wärmer als vorhin. Sie zieht die Beine an, kniet über mir. Ihr Mund öffnet und schließt sich schnell, ihre Zunge leckt wie wild an meiner. Plötzlich reißt sie den Kopf zurück, preßt ihre Wange an mich, und weint leise. "Ich habe Angst", schluchzt sie. "Aber ich will es. Und doch ist die Angst größer." Sie klammert sich mit aller Kraft an mich. "Ich weiß nicht, was ich machen soll!" "Nichts, mein Engel." Ich kämpfe das Tier in mir zurück, schließe es wieder hinter die Gitter der Zivilisation. "Du sollst gar nichts machen. Bleib einfach bei mir, so wie jetzt. Okay?" Sie nickt leise. Sie zieht die Nase hoch, schluchzt noch einige Male, dann liegt sie still. Die viel zu schnell gekommene Erregung baut sich wieder ab, verflüchtigt sich. Am Ende wissen wir beide, daß wir einen weiteren großen Schritt getan haben. Miteinander. Aufeinander zu. Sandra fängt sich wieder. Meine Hand gleitet sanft, beruhigend über ihren Rücken, zieht sich zurück, zieht das T-Shirt wieder richtig, bleibt dann ruhig liegen. Meine Wange reibt sich leicht an ihrer. Spürt ihre Haut. Spürt ihre Jugend. "Du bist 13", flüstere ich. "Sandra, wir haben genau das gemacht, was ich wollte. Uns im Arm gehalten. Gestreichelt. Beim nächsten Kuß halten wir beide uns mehr zurück, okay?" "Nein." Ich spüre ihr leises Lachen. "Das gerade war mein allererster Kuß, Bernd. Ich habe von anderen gehört, wie das geht, aber bis jetzt noch nie gemacht. Trotzdem war das ein total irres Gefühl. Das ging irgendwie alles wie von selbst ab. Beim nächsten Kuß halten wir uns nicht zurück. Klar?" "Na gut." Ich drücke sie kräftig an mich. Dann schlägt die Erkenntnis mit voller Wucht zu. Wir haben uns geküßt. Leidenschaftlich. Wäre Sandra älter, hätte es nicht mit dem Kuß aufgehört, sondern es wäre bis zum Ende weiter gegangen. Und ich habe keinen einzigen Moment Schuldgefühle deswegen gehabt. Nur ihr Alter steht als Mahnung zwischen uns. Und das - das erkenne ich in diesem Moment mit schmerzhafter Klarheit - würde nicht lange so bleiben. In diesem Moment meldet sich Sandra, als wäre sie meinen Gedanken gefolgt. "Nimm mir die Angst, Bernd", flüstert sie. "Wie beim Schwimmen. Stück für Stück." "Nein." Ich küsse sie lautlos auf das Ohr. "Das ist etwas völlig anderes, mein Engel. Beim Schwimmen ging es ums Überleben." "Ist nicht anders." Ihre Zähne schließen sich um mein Ohrläppchen, ziehen sanft daran, geben es wieder frei. "Beide Male will ich etwas, wovor ich Angst habe. Nimm sie mir. Bitte." Kann man das Unvermeidliche vermeiden? Kann man einer Situation ausweichen, die man mit jeder Faser möchte? Noch während mein Kopf Gegenargumente formuliert, rollen meine Hände sie herum, von mir herunter, drehen sie auf den Bauch, schieben ihr T-Shirt hoch. Meine Lippen legen sich auf ihren heißen Rücken, küssen ihre heiße Haut; von rechts nach links, von unten nach oben. Sandra atmet schwerer. Meine Hände streichen über ihre Seiten, die Finger arbeiten sich mehr und mehr zu ihren Brüsten vor. Zu den Brüsten eines 13-Jährigen Mädchens. Und damit werden wir das Minenfeld betreten. Im Laufschritt. Meine Lippen saugen sich an ihrem glatten, heißen Fleisch fest. Sandra dreht sich voller Wonne unter mir, bietet mir ihren Bauch an. Ihre Augen zeigen etwas Angst, und viel Sehnsucht. Unser lautes Atmen erfüllt ihr Zimmer. ‚Das ist falsch!', schreit eine Stimme in mir. ‚Laß es sein!' Ich kann nicht. Meine Lippen fahren kräftig über ihren Bauch. Meine Hände streicheln ihre Seiten, die Rippen. Meine Nase schiebt ihr T-Shirt höher und höher. Sandra stöhnt leise, als meine Oberlippe den Ansatz ihrer kleinen Brust berührt. Ihre Hände gehen zu meinem Kopf, halten ihn, führen ihn. Führen ihn höher. Ihre Beine pressen sich an mich, reiben sich an mir, suchen noch mehr Kontakt, noch mehr Reiz. Meine Oberlippe streift über ihre Brustwarze, über den sehr harten Nippel. Sandra stöhnt schwer. Sie preßt mir ihren Oberkörper entgegen. Mein Mund schließt sich um die kleine Brust, saugt daran. Meine Zunge schlägt heftig gegen die Brustwarze. Sandra stöhnt erneut; noch schwerer, noch tiefer. Ihre Finger fahren kräftig durch mein Haar. Meine Hände ziehen an ihrem T-Shirt. Sie hebt den Oberkörper an, hilft mir. Ihr Shirt fällt zu Boden. Meine Hände gleiten erregt über ihre ganze Brust, über jeden Millimeter. Dann trennen sie sich. Eine bleibt an ihrer Brust, die andere geht zu ihrer Shorts. Der Knopf öffnet sich. Der Reißverschluß geht auf. Sandra stöhnt, preßt sich an mich, küßt mich erregt. Meine Finger schieben sich unter den Stoff der Shorts, legen sich auf weichen, dünnen Stoff. Sandra zittert kurz, drückt sich an mich. Ihre Hände zerren an meinem Hemd. Ich hebe mich etwas hoch. Ihre Finger nesteln an den Knöpfen herum, meine Finger liegen still. Mein Hemd fällt zu Boden. Zwei bloße Oberkörper pressen sich hungrig aneinander. Wir umarmen uns; voller Angst, voller Erregung. Vier Hände bewegen sich wieder, zwei Zungen spielen wild miteinander. Ihre Zähne beißen leicht in meine Zunge, halten sie fest, geben sie frei. Meine Hand in ihrer Shorts bewegt sich vorsichtig, bogenförmig, tiefer nach unten, streicheln sie durch den dünnen Stoff hindurch. Zwei schlanke Beine öffnen sich ängstlich ein kleines Stück. Geschult durch lange Erfahrung legt sich mein Mittelfinger genau auf die sensible Stelle. Sandra erschauert heftig, stöhnt erschrocken und erregt, klammert sich an mich, küßt mich wilder. In diesem Moment läutet das Telefon. Laut, drängend, störend, beängstigend. Wir erschrecken zu Tode. Wir schauen uns einen Augenblick lang an, sehen die Angst in unseren Augen, und springen auf. Sandra wirft mir panisch mein Hemd zu, greift nach ihrem Shirt und schlüpft hinein. Unsere Herzen rasen, als wir uns schnell anziehen. "Ich kann nicht ran gehen", sagt Sandra mit Angst in den Augen. "Wenn das Mama oder Papa ist... Die hören doch sofort, daß was nicht stimmt." Ich nicke mit trockenem Mund. Ich lege meinen Arm um sie. Wir lassen uns auf ihr Bett sinken. Sie drückt sich ängstlich an mich, wartet mit mir, bis der Anrufer aufgibt, doch der ist hartnäckig. Es läutet volle zwanzig Mal, erst dann ist Stille. Sandra schaudert vor nervöser Anspannung und Erleichterung. "Das war gerade so schön!", beschwert sie sich traurig. Ich ziehe sie an mich, fahre durch ihr schönes Haar. "Das war eine Warnung, mein Engel", sage ich sanft. "Was alles passieren kann." Sie nickt betrübt, und im gleichen Moment läutet das Telefon wieder. Sandra springt auf. "Gehen wir runter", sagt sie bedrückt. "Ich muß mich melden." Wir laufen schnell die Treppe hinunter. Sandra nimmt den Hörer, während ich weiter ins Wohnzimmer gehe. "Sandra Keller", meldet sie sich. Einen Moment lang höre ich nichts, erst als ich schon halb das Wohnzimmer durchquert habe, redet Sandra wieder. Voller Zorn. "Ich habe dir gesagt, daß ich mit dir fertig bin, Bernhard!", faucht sie in den Hörer. Ich mache auf dem Absatz kehrt und eile leise zu ihr zurück. "Ja, du störst, und zwar ganz gewaltig! - Das geht dich überhaupt nichts an, ob jemand bei mir ist, und wer das ist, schon gar nicht. - O nein! Darf ich dich in aller Ruhe an Sylvia erinnern? Die du letzte Woche, wo wir deiner Ansicht nach befreundet waren, gefragt hast, ob ihr euch mal in der Stadt zum Eis treffen könnt? - Ich habe meine Quellen. Ich will damit nur sagen, daß ich nicht zwei Freunde gleichzeitig habe. Wir sind seit gestern auseinander, weil du ganz offiziell Schluß gemacht hast, und was ich mache, geht dich absolut nichts mehr an. Außerdem - Laß mich ausreden! Außerdem hatte ich dich gebeten, mich nicht mehr anzurufen. Bye!" Sie knallt wütend den Hörer auf und schaut mich an. "Jetzt ist die Stimmung endgültig hin." "Na komm, mein Engel." Ich strecke meine Arme nach ihr aus, doch bevor sie bei mir ist, klingelt das Telefon wieder. Sandra quietscht wütend auf und reißt den Hörer hoch. "Sandra Keller." Sie lauscht eine ganze Weile ausdruckslos. Ich spüre eine Kälte in ihr, die sich mehr und mehr aufbaut. Schließlich redet sie. Kalt und hart wie Stahl. "Gut. Du hast mir jetzt klar und deutlich gesagt, was du von mir hältst. Hast du genug Ehre im Leib, jetzt ein paar Worte von mir anzuhören? - Danke. Ich möchte dir nur eins sagen, Bernhard. Wenn du mich noch ein einziges Mal anrufst, werde ich deine Eltern informieren, daß du mich telefonisch terrorisierst." Ohne ein weiteres Wort knallt sie den Hörer auf und ist einen Moment später in meinem Arm. Ihre wunderschönen blaugrünen Augen schauen mich an. "Du bist als mein Freund hier", sagt sie leise. "Nicht als Bernhards Vater. Klar?" "Kapiert." Ich streiche lächelnd durch ihr Haar. "Und außerdem belausche ich keine Telefonate." "Gut." Sie schmiegt sich an mich. "Trotzdem ist die Stimmung jetzt hin. Warum können Jungen ein Nein nicht einfach akzeptieren?" "Weil wir Jäger sind", erwidere ich schmunzelnd. "Mach ihm keinen Vorwurf, daß er es versucht, mein Engel. Das sage ich nicht, weil er mein Sohn ist, sondern weil ich auch ein Mann bin." Sandra seufzt schwer, sagt aber nichts darauf. Sie legt ihre Wange an meine Schulter. Meine Finger gleiten sanft durch ihre Haare, spreizen sie, lassen sie fallen, beginnen von vorne. Schließlich sieht sie zu mir auf. "Gehen wir wieder raus", schlägt sie vor. "Erst mal Danke, Bernd. Du hast mir wirklich schon viel von meiner Angst genommen." "Und von meiner, Sandra." Ich ziehe sie bewegt an mich. "Deine - Reaktionen haben mir gezeigt, daß dein Alter nur von sekundärer Bedeutung ist. Zumindest in diesem Punkt." "Wir können es ja gleich noch mal versuchen." Ihre Augen schauen mich fest an. "Ich muß mich erst mal abregen. Hilfst du mir bei den Hausaufgaben?" "Sehr gerne. Was soll ich tun?" Ihre Augen blitzen listig auf. "Ich zeige auf die Aufgabe, und du löst sie." Kapitel 4 Es ist kurz nach vier, als Sandra und ich mit ihren Hausaufgaben fertig sind. Zufrieden räumt sie ihre Sachen auf einen Stapel. Ich nehme ihn. Sie trägt die Gläser und den Saft hinein. Kurz darauf sind wir wieder in ihrem Zimmer, sitzen nebeneinander auf ihrem Bett. "Ich habe sehr viel Vertrauen zu dir", sagt sie leise, während sie mein Hemd aufknöpft. "Daß du mich nicht ausnutzt. Oder einfach nur benutzt. Der Freund, den ich vor Bernhard hatte, ist im Kino gleich an - an meinen Busen gegangen. Und mit der anderen Hand an meinen Oberschenkel. Weit oben. Ich habe ihm eine Ohrfeige gegeben und bin geflüchtet. Aber bei dir..." Sie zieht mir das Hemd aus. "Bei dir habe ich keine Angst, Bernd. Nur vor - vor dem richtigen Sex an sich. Gibst du mir Zeit?" Ich ziehe sie so fest an mich, daß es ihr beinahe schon weh tut. "Alle Zeit, die du brauchst, mein Engel", flüstere ich. "Wenn ich an dich denke, denke ich überhaupt nicht an Sex. Ich denke nur an im Arm halten, an streicheln, an küssen. Daran, mit dir zusammen zu sein. So wie jetzt." "Das reicht mir aber nicht", wispert sie. "Nicht mehr. Ich dachte, es würde reichen, aber... Je mehr ich von dir spüre, um so mehr will ich von dir." Sie hebt die Arme. Ich ziehe das Shirt über ihren Kopf und lasse es auf mein Hemd auf dem Boden fallen. Sandra schmiegt sich an mich. Ihre kleinen Brüste pressen sich in meine Haut. "Das jetzt", flüstert sie. "Das hätte ich bei einem anderen nie gewagt. Aber bei dir will ich es. Brauche ich es. Würdest du in mein Höschen gehen, wenn ich die Shorts ausziehe?" "Weder dann noch zu irgend einer anderen Zeit. Warum willst du die Shorts ausziehen?" Ihr Mund legt sich an mein Ohr, ihre Zunge stößt kurz hinein. "Weil ich es will", flüstert sie rauh. "Weil ich dich ohne besser spüren kann." Sie zieht mich in ihr Bett. Ich streife mir schnell die Schuhe ab. Sie fallen mit einem leisen Poltern auf den Boden. Sandra schwingt sich auf mich, kniet über mir. Ihre Augen spiegeln meine Sehnsucht wider. Unsere Lippen pressen sich aufeinander, und sofort ist die Erregung wieder da. Bei uns beiden. Meine Hände gleiten über ihren Rücken nach unten, ihre streichen über mein Gesicht und den Hals. Unsere Zungen pressen sich aneinander, um miteinander zu verschmelzen. Meine Hände gehen zu ihrer Shorts, öffnen den Knopf und den Reißverschluß. Sandra rollt zur Seite. Ich halte sie fest, folge ihr, liege über ihr. Ich küsse ihren Mund, ihr Kinn, den Kehlkopf, das Brustbein, das Sonnengeflecht, den Bauchnabel. Meine Hände ziehen sanft an ihrer Shorts. Sie hebt ihr Becken an. Die Shorts fällt zu Boden. Ich lege mich neben sie, an ihre rechte Seite, nehme sie mit links in den Arm. Meine Finger gleiten zu ihrer Brust, streicheln sie, massieren sie. Ihr Atem wird schwerer, schneller. Ihre Hände streichen forschend über meine Brust, entdecken neues, unbekanntes Territorium. Meine rechte Hand streicht sanft über ihre Hüfte, den Oberschenkel, tastet sich behutsam zu dem streng verbotenen Gebiet vor. Sandra seufzt leise, drängt sich an mich. Ihre Beine öffnen sich etwas. Ihre Lippen pressen sich auf meine, unsere Zungen begegnen sich. Meine Finger gleiten sanft über ihr Höschen, zwischen ihre Beine, finden den Punkt. ‚Sie ist 13!', meldet sich mein Verstand wieder, doch diesmal besteht keine Gefahr. Die Grenzen sind abgesteckt. Sandra stöhnt leise, als meine Finger beginnen, ihr intimstes Gebiet zu streicheln. Selbst durch das Höschen wirkt es noch stark. Ihr unteres, rechtes Bein drängt sich an mich. Sie dreht sich ganz zu mir, schlingt ihre Arme um mich, küßt mich erregt. Ich erwidere den Kuß, verstärke ihn mit meinem Gefühl, mit meiner Erregung, mit meiner Erfahrung. Meine Finger an ihrer Scheide bewegen sich in einem kräftigen, wirkungsvollen Rhythmus. Der dünne Stoff wird allmählich feucht. Sandra löst ihren Mund von mir. Sie legt ihren Kopf auf meinen; ihr heißer, schwerer Atem fährt in mein Ohr. Ihre Hände fahren kräftig über meine Brust und den Bauch. Ich möchte in ihr Höschen. Ich möchte ihre heiße, feuchte Haut spüren. Ich möchte es ihr so schön machen wie nur möglich. Ich weiß, daß es ohne Höschen schöner ist. Doch sie ist 13. Sie weiß es nicht. Sie hat Angst davor, das letzte Stück Stoff fallen zu lassen. Welches Mädchen hat diese Angst nicht, denke ich zärtlich. Meine Zunge leckt behutsam über ihr Ohr, meine linke Hand liegt an ihrer Brust, meine rechte an ihrer Scheide. Ich fühle, wie sich die Spannung in ihr mehr und mehr aufbaut. "Das ist so herrlich schön!", flüstert Sandra in diesem Augenblick. "Ich liebe dich, Bernd." "Ich liebe dich, Sandra. Laß dich in dein Gefühl fallen." "Gerne." Sie kuschelt sich an mich, voller Vertrauen. "Laß es mich lange genießen, ja?" "Jedes einzelne Mal, mein Engel." Unsere Lippen treffen sich zu einem zärtlichen Kuß, der schnell leidenschaftlich wird. Meine Hand an ihrer Scheide wird schneller. Auch ich möchte, daß sie es so lange wie möglich auskostet, doch ich bin 46, während sie 13 ist. Ich denke nicht daran, wie schnell der Orgasmus bei Jugendlichen kommen kann. Ich spüre es erst, als Sandras Atmung schneller und hechelnd wird. Sofort verringere ich meine Bemühungen, doch zu spät. Das Mädchen stöhnt tief auf und verspannt sich. Ich drücke kräftig zu, reibe so hart wie möglich, und sie bäumt sich auf, voller Lust und Erfüllung. Sie wimmert leise, glücklich, im Rhythmus ihres Höhepunktes. Ihr schlanker Körper verspannt und entspannt sich, drängt sich an mich. Ihr Höschen wird naß. Meine Finger legen noch ein letztes Mal zu. Sandra erschauert in meinem Arm. Die Wellen in ihr schlagen ein letztes Mal höher, reißen sie mit. Ihr heißer Atem fährt in Stößen in mein Ohr. Unsere Münder treffen sich zu einem kurzen, glühenden Kuß, ihre Arme umklammern mich wie einen Felsen in stürmischer Brandung. Dann entspannt Sandra sich glücklich seufzend. "Ich liebe dich!", flüstert sie atemlos, erfüllt. "Ich liebe dich!", erwidere ich, sie an mich drückend. Ihr schwerer Atem, der sich nur langsam normalisiert, ist das einzige Geräusch in dem Zimmer, in dem Haus, in dieser Welt. Ich halte sie, spüre sie, fühle sie. Ihre Haut an meiner. Ihre Brust an meinen Rippen. Ihre Haare an meiner Wange. Ihr feuchtes Höschen an meiner Hand. Ihr heißer Atem an meinem Hals. Ihre Finger an meiner Brust. "War es zu schnell?", frage ich besorgt. Sie schüttelt leicht den Kopf. "Es war wundervoll, Bernd. Es war stark, und es war von dir. Es war so, wie ich es mir gewünscht habe. Warum fragst du?" "Weil ich dachte, es wäre zu schnell." "Nein." Sie lacht leise, noch etwas atemlos. "Aber wir können das gerne noch üben." Ich drücke sie schmunzelnd an mich. Sie kuschelt sich an mich, wie ich an sie. Dann spüre ich ihre Hand an meinem Gürtel. "Was machst du?", frage ich leicht schockiert. "Dich spüren", flüstert sie. Sie öffnet meine Hose. "Zieh sie aus, ja?" "Und dann?" "Dann liegen wir nebeneinander und spüren uns." Ihre Hand zieht an meiner Hose. Mit einem sehr beklemmenden Gefühl im Bauch ziehe ich mir die Hose aus. Der Stapel vor Sandras Bett wird immer größer. Ich lege mich wieder neben sie. Sie setzt sich auf, zieht das Oberbett vom Fußende über uns, schmiegt sich an mich und zieht das Oberbett bis zu unseren Hälsen. Ihre Augen schauen mich verliebt an. "Hast du morgen Zeit für mich?" Ich schließe sie in die Arme, voller Sorgen über die Zukunft. Unsere Zukunft. "Nichts lieber als das, mein Engel. Wieder hier?" "Nein. Morgen habe ich nicht so viel auf. Treffen wir uns irgendwo? Gegen halb vier?" Erleichterung erfüllt mich. "Ja. Wo?" Sie erklärt mir den Weg zu einem kleinen Parkplatz in der Nähe, direkt bei einem Wald. Sie kommt dort vorbei, wenn sie in die Stadt fährt. "Halb vier." Ich ziehe sie fest an mich. Sie legt ihr oberes, linkes Bein über mich und liegt still wie ich. Unsere Körperwärme baut sich unter der Decke auf, umschmeichelt uns, vereint uns. Es wäre alles viel einfacher, wenn ich sie nicht so sehr lieben würde, wie ich es tue. Dann könnte ich es beenden. Mit einem Satz, mit einer Geste. Aber so... Ich umarme sie kräftig, als ich erkenne, daß ich sie nicht verlieren will. Nie wieder. Ich will bei ihr sein. Mit ihr zusammen sein. Mit Sex, oder ohne. Das spielt keine Rolle. Aber ich will bei ihr sein. Sie sehen, mit ihr reden, sie in meiner Nähe wissen, sie im Arm halten. Doch wie soll ich das erklären? Bisher war ich jeden Nachmittag zu Hause gewesen. Fast jeden Nachmittag. Doch nun werde ich jeden Nachmittag außer Haus sein. So gut wie jeden Nachmittag. Wie soll ich das erklären? Ich drücke mein Gesicht in ihre Haare, nehme den weichen Geruch auf, tröste mich damit. "Nicht!", ermahnt sie mich leise. "Denk nicht so viel nach. Denk an jetzt, an hier. An uns. Wann mußt du gehen?" Ich muß lachen. "Du bist herrlich. Wie soll ich an uns denken, wenn ich sage, wann ich nach Hause muß?" "Ich wollte dich nur ablenken", kichert sie munter. Sie preßt sich an mich. "Habe ich das?" "Das hast du." Ich küsse sie zart. Sie schaut mich verschmitzt an, leckt plötzlich kräftig über meine Lippen, und küßt mich dann hungrig. Wir umarmen uns mit aller Kraft, während wir uns küssen, bis wir keine Luft mehr haben. "Dein Glied ist knochenhart", flüstert sie atemlos. "Tut's weh?" "Nein. Geht schon. Denk nicht daran." "Okay." Sie versteckt sich kichernd an mir. "Ich spüre es halt nur." "Ich auch!", seufze ich, dann schaukle ich sie sanft hin und her. Sandra stößt langsam den Atem aus. "Das ist so schön, Bernd!", flüstert sie. "Ich spür dich bei mir, und ich vertraue dir. So wollte ich das haben. Du auch?" "Ja, mein Engel. Genau so, und nicht anders." "Warum sagst du immer ‚Engel' zu mir?" "Weil das mein erster Gedanke war, als ich dich gesehen habe. Dein Lächeln, das hübsche Gesicht umrahmt von deinem wunderschönen hellblonden Haar, dazu die leichten Locken... Wie ein Engel." "Danke", flüstert sie verliebt. Einen Moment später küssen wir uns wieder, voller Hunger und Gier. Ich greife zu ihren Beinen, halte sie mit den Armen fest, rolle mich auf den Rücken und sie damit auf mich, ziehe ihre Beine an und drücke sie mit ihrem Unterleib zu meinem harten Glied. Sandra stöhnt leise, als ihre Scheide dagegen drückt. Ich bewege sie an den Hüften vor und zurück, bis sie weiß, was ich will. Sofort übernimmt sie die Bewegung, reibt sich an mir. Ich hebe den Kopf, halte ihren Kopf fest und küsse sie. Sandra stöhnt leise in meinen Mund, während sie sich an mir befriedigt. Ich streichle sie an jedem erreichbaren Stück Haut, küsse sie mit meiner ganzen Liebe für sie, helfe ihr durch kräftige Bewegungen meines Beckens. Sandra kommt schnell in Erregung. Ich jedoch auch. Der direkte - nun gut: fast direkte Kontakt mit ihrer Scheide erregt mich über jedes bekannte Maß hinaus. Immer wieder zuckt mir ihr Alter durch den Kopf, vermischt mit der Sorge, ihr unabsichtlich weh zu tun, doch alles geht gut. Diesmal läßt Sandra sich Zeit. Sie hat die Kontrolle, und sie nutzt es aus. Doch dadurch hilft sie mir. Wir schaukeln uns gegenseitig hoch. Zwar langsam, doch sicher. Schließlich höre ich an ihrem Atem, daß sie ganz dicht davor steht. Ich warte ab, was sie macht. Läßt sie nach und genießt die Spannung, oder geht sie in den Endspurt? Sie ist 13. Sie geht in den Endspurt. Ihr Becken bewegt sich kräftig vor und zurück, auf und ab. Ich greife sie bei den Hüften, nutze ihre Bewegungen für meine Erregung, ohne an die Folgen zu denken, reibe mich an ihr wie sie an mir, stoße mein hartes Glied kräftig und hart gegen ihre Scheide, und mit einem langen Wimmern kommt sie stark. Sie reibt sich wild an mir, wimmert und stöhnt, verspannt sich zuckend, und auch ich zucke heftig, als die Spannung sich löst, Und wir umarmen uns mit aller Kraft, mit viel mehr als aller Kraft, in unserem gemeinsamen Höhepunkt. Welle auf Welle rast durch meinen Leib und durch mein Glied, strömt gegen Sandra, mit Sandra, vermischt sich mit ihren Wellen, ihrem Stöhnen und Wimmern, bis die Erschöpfung und Erfüllung siegt und wir schwer atmend aufeinander liegen. Sandra streckt ächzend, keuchend die Beine aus. Es ist glühend heiß unter der Bettdecke, doch wir bleiben still liegen, spüren unsere Hitze, unseren Schweiß, unsere Erfüllung. "Der war toll!", keucht sie. "Du hattest auch einen, nicht wahr?" "Ja. Und was für einen." Sie lacht atemlos. "Bei mir auch. Boah!" Glücklich schmiegt sie sich an mich. Meine Hände fahren über ihren verschwitzten Rücken, spüren ihren feinen Schweiß, verreiben ihn. "Zwei Stück!", flüstert sie glücklich. "An einem Tag. Das ist einer mehr als die ganze letzte Woche über." Ich drücke sie gerührt an mich. "Verrate mir nur dann die Details, wenn du dabei alleine warst." "War ich!", kichert sie verlegen. "Aber trotzdem verrate ich keine Details. Nachher verlierst du noch die Beherrschung." "Wahrscheinlich." Ich gebe ihr einen kräftigen Kuß auf den Mund. "Allerdings stelle ich in der nächsten halbe Stunde keine große Gefahr dar." "Das kann man nie wissen." Leise ächzend rollt sie sich von mir und schlägt das Oberbett zurück. "Puh! Ich verglühe!" Ich drehe mich auf die Seite, zu ihr, und lege meinen Kopf auf ihre Brust. Dann küsse ich ihren kleinen, wunderschönen Busen. Sandra legt ihre Hände an meinen Kopf und streichelt mich. "Bernd?", höre ich sie leise fragen. "Ich liebe dich wirklich. Glaubst du, daß ich vor irgend etwas flüchte?" Ich küsse sie zart auf die Brust, bevor ich mich wieder neben sie lege. "Nein, Sandra. Das glaube ich nicht. Nicht, wenn du ein gleiches Gefühl in dir hast wie ich." "Das habe ich." Sie lächelt verlegen. "Ein ganz, ganz starkes Gefühl. So stark, daß ich nicht will, daß du jemals wieder nach Hause gehst." Sie legt mir schnell den Finger auf die Lippen. "Aber das mußt du", flüstert sie. "Ich wollte nur sagen, wie stark mein Gefühl ist. Ich bin vernünftig, Bernd. Versprochen. Keine flehenden Anrufe mitten in der Nacht. Keine Drohungen. Seit wir hierher gezogen sind, bin ich mehr alleine als mit jemandem zusammen. Jetzt habe ich dich, und damit alles, was ich brauche. Es reicht mir, wenn wir uns alle zwei, drei Tage sehen." Sie schaut mich an und kichert plötzlich mit roten Wangen. "Hoffentlich reicht mir das!", prustet sie. "Ich hab mir diese kleine Rede heute Morgen in der Schule ausgedacht, aber ich hab dich ja schon vorhin gefragt, ob wir uns morgen sehen. Also reicht mir das doch nicht! Waaah!" Lachend wirft sie sich an mich. Ich schließe sie bewegt in meine Arme. "Doch!", kichert sie. "Wir sehen uns morgen, und dann erst wieder am Freitag. Nein, Donnerstag. Ja. Donnerstag. Mist! Was mache ich dann bloß am Mittwoch? Und was machst du Mittwoch?" Sie drückt mich lachend. "Du? Sehen wir uns Mittwoch?" "Du erinnerst mich gerade an jemanden", erwidere ich mit einem breiten Grinsen. "Laß mich in Ruhe!" Kichernd schiebt sie ihren Kopf halb unter meinen. "Du bist einmalig, Alexandra Keller." Meine Hände fahren kräftig über ihren Rücken und den Po unter dem Höschen. "Bleib bitte so." Sie antwortet mir nicht, bleibt nur still an mir liegen. Erst einige Sekunden später schaut sie mich an. "Muß ich mich bei Bernhard entschuldigen?" fragt sie nachdenklich. "Er hat ja eigentlich nur das gleiche gemacht wie ich jetzt. Mich immer wieder gefragt, ob wir zusammen sein können. So wie ich jetzt bei dir gedrängt habe." "Du hast nicht gedrängt, Sandra. Du hast gesagt, was du möchtest, aber du drängst mich nicht zu einer Entscheidung. Das mal vorab. Was Bernhard zu dir gesagt hat und wie er es gesagt hat, weiß ich nicht. Ich war nicht dabei. Das mußt du wissen. Wenn du der Meinung bist, du hast gerechtfertigt gehandelt, mußt du dich nicht entschuldigen. Wenn du übermäßig reagiert hast... Dann möglicherweise ja." "Habe ich nicht." Sie schmiegt sich wieder an mich, legt einen Arm und ein Bein über mich, klemmt mich sanft ein. "Er hat wirklich gedrängt. Er hat gefragt, ich hab Nein gesagt. Er hat wieder gefragt. Ich hab wieder Nein gesagt. Und so ging das weiter. Egal. Jetzt hab ich dich. Brauchst du auch ein Taschentuch?" "Drei oder vier wären besser." "Okay." Sie haucht mir einen Kuß auf den Mund, dann einen stärkeren, gefühlvolleren. Dann springt sie auf und läuft zu ihrem Tisch, von dem sie eine Packung Taschentücher nimmt. Sie nimmt zwei heraus und reicht mir die restlichen. "Ich bin im Bad", sagt sie etwas verlegen. "Ich klopfe, und wenn du fertig bist, sagst du Bescheid. Sonst warte ich noch." Sie dreht sich um. Ich greife schnell nach ihrer Hand. Sie wirbelt erschrocken herum. "Ich liebe dich, mein Engel." Ich lasse ihre Hand los. Ihre Augen werden so feucht wie meine. "Ich dich auch", haucht sie, dann ist sie draußen. Ich stehe vorsichtig auf, ziehe die Unterhose aus und trockne mich gründlich ab. Als Sandra klopft, bin ich fertig. Sie steckt vorsichtig den Kopf durch die Tür und schaut fragend auf mich, denn ich halte meine Hose vor den Unterleib. "Ich muß ins Bad", entschuldige ich mich. "Hast du einen Fön?" "Klar. Ich mach den eben fertig." Keine Minute später bin ich im Bad. Ich wasche die Unterhose aus und meinen Unterleib ab, dann wringe ich die Unterhose gründlich aus und trockne sie mit dem Fön. Nach einigen bangen Minuten bin ich wieder gesellschaftsfähig. Sandra hat die Fenster in ihrem Zimmer offen und steht davor. Ich stelle mich neben sie. Unsere Hände tasten nach einander und verschränken sich ineinander. Wir schauen stumm auf den gepflegten Garten herunter. "Jetzt weiß ich, warum ich immer so alleine bin", sagt sie plötzlich, ohne mich anzusehen. "Damit ich mich auf deinen nächsten Besuch freuen kann." Sie dreht sich zu mir, streicht mir mit ihren Fingern über die Wange. "Bis morgen, Bernd", flüstert sie mit leuchtenden Augen. "Ich liebe dich." Ich lege meine Hand an ihre Wange. "Bis morgen, Sandra. Ich liebe dich auch." Wir lösen uns voneinander. Sie bringt mich hinaus und wartet in der Tür, bis ich im Auto sitze. Sie winkt mir zu, als ich los fahre, und bleibt in der Tür stehen, bis ich sie nicht mehr im Rückspiegel sehe. Im gleichen Moment spüre ich die Trauer. Ihre und meine. Und die Freude auf morgen.
* * *
Beim gemeinsamen Abendessen fällt mir auf, daß unser Sohn uns mit merkwürdigen Blicken anschaut. Vielleicht fällt es mir auf, weil ich ein sehr schlechtes Gewissen habe. Vielleicht bilde ich mir die Blicke auch nur ein. Ich weiß es nicht. Nicht genau. Doch ich habe es mir nicht eingebildet. Beatrix sieht es auch, und sie hat kein schlechtes Gewissen, also spricht sie ihn darauf an. "Hast du etwas, Bernhard?" "Nein, nein!", flötet er. "Nichts. Wirklich nichts." Er wirft mir einen Blick zu, unter dem mir heiß wird. Er weiß es! "Warum schaust du dann so merkwürdig in die Gegend?" "So schaue ich immer, wenn ich etwas nicht verstehe." Er läßt sich in seinen Stuhl sinken, in der linken Hand die Gabel, die er konzentriert hin und her dreht. Beatrix seufzt, während mir fast der Schweiß ausbricht. "Und was verstehst du nicht?" fragt sie ihn geduldig. Bernhard sieht wieder zu mir. Ich sehe Triumph in seinen Augen aufblitzen. Die Hitze in mir wandelt sich zu kalter Angst. "Ich verstehe nicht", sagt er voller Genuß, jedes einzelne Wort dehnend, "warum Papas Auto den ganzen Nachmittag vor Sandras Haus stand." "Wie bitte?" Beatrix nagelt ihn mit den Augen fest. Er hält ihrem Blick trotzig stand. "Frag ihn doch." Beatrix fährt herum. "Bernd?" Ihre Stimme zittert kaum merklich. Ich nicke. "Er hat recht." Ich schaue zu Bernhard, der über mein "Geständnis" sehr verblüfft ist, dann zu meiner Frau. "Sandra hat gegen zwei Uhr angerufen", erkläre ich; den Plan benutzend, den ich mir halb verzweifelt auf dem Rückweg überlegt hatte, um den ‚freien' Nachmittag zu erklären. "Sie war völlig aufgelöst und machte sich Vorwürfe, weil sie sich gestern mit Bernhard vor unseren Augen so gestritten hat. Ich habe versucht, sie zu beruhigen, doch sie weinte und heulte nur. Also bin ich hin gefahren und habe sehr lange mit ihr geredet." Beatrix nickt verstehend. Ich schaue zu unserem Sohn, der mit dieser Entwicklung ganz und gar nicht zufrieden ist. Ich auch nicht, doch jetzt gibt es kein Zurück mehr. Jetzt muß ich das Messer tief in ihn stoßen, um nicht selber das Opfer zu werden. In meinen eigenen Sohn. "Du bist eifersüchtig und verletzt", sage ich mit aller Ruhe, die ich aufbringen kann. "Ich war mit 15 nicht anders als du, Bernhard; deswegen mache ich dir auch keine Vorwürfe. Allerdings dachte ich, daß deine Mutter und ich uns die größte Mühe bei deiner Erziehung gegeben haben, um dir wenigstens etwas Respekt vor anderen Menschen einzuflößen. Du kannst mich gerne unter Druck setzen. Mir Vorwürfe machen. Ich komme damit klar. Aber es gibt andere Menschen, die damit nicht so gut umgehen können. Weil sie jünger sind als ich, und jünger als du. Verstehst du, was ich damit sagen will?" Er wird etwas blaß. Beatrix schaut verstört von einem zum anderen. "Wovon redet ihr?" "Bernhard weiß, wovon ich rede." Mein Blick wird kühl; ganz im Gegensatz zu dem, wie ich mich fühle. "Es ist eine Sache, ein Mädchen zu einer Umarmung oder einem Kuß zu überreden. Es ist aber eine ganz andere, sie per Telefon zu beschimpfen. Die arme Sandra war so gerade wieder auf den Beinen, als sie zwei Telefonate bekam. Hintereinander. Beide gingen ihr sehr an die Nieren. Da ich nur Gast in ihrem Haus war, habe ich sie nicht darauf angesprochen. Und damit Schluß. Ich möchte nur noch sagen, daß ich meinen Sohn nicht darauf ansprechen werde, solange er seine Ex-Freundin in Ruhe läßt. Ob diese Ex-Freundin nun Sandra, Bettina oder Anita heißt. Oder Sylvia." Bei dem letzten Namen zuckt er heftig zusammen. "Du warst da!", flüstert er verstört. "Das sagte ich doch. Mein Auto stand ja auch den ganzen Nachmittag vor dem Haus." "Was - ist - los?" Beatrix beugt sich grimmig über den Tisch. "Ich will wissen, worum es geht!" "Bernhard hat eine kleine Dummheit gemacht, Bea. Das weiß er jetzt, und damit ist es gut. Er wird draus lernen. Hoffe ich." Ich werfe ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. "Sekunde. Willst du sagen, daß er Sandra per Telefon beschimpft hat?" "Laß gut sein, Bea", bitte ich sie. "Wie gesagt: ich war zu Gast bei Sandra und habe nur ihre Seite am Telefon gehört. Sie hat nach den Gesprächen auch nicht darüber geredet. Was ich ihr hoch anrechne. Und sie hat mich auch nicht verführt, wie Bernhard wohl annimmt. Natürlich hat ein gerade mal 13-Jähriges Mädchen nichts anderes im Kopf, als den Vater ihres Ex-Freundes zu verführen." Bernhard sucht schon das Loch im Boden, in dem er sich verstecken kann. Bea kocht vor Wut. Ich brenne vor Scham über meine Lügen. Und heute ist erst der erste Tag. "Okay", sagt sie beherrscht. "Punkt Eins. Sandra hat - Nein. Du hast mit Sandra Schluß gemacht. Also laß sie auch verdammt noch mal in Frieden! Ruf sie erst dann wieder an, wenn du die Courage hast, dich für den ganzen Bockmist, den du los gelassen hast, zu entschuldigen." Bernhard wird flammend rot im Gesicht und springt auf. "Setz dich hin!", herrscht seine Mutter ihn an. "Punkt Zwei. Du hast offenbar den ganzen Nachmittag vor ihrem Haus verbracht. Oder in der Nähe. Sind deine Hausaufgaben fertig?" Er verneint bedrückt. "Punkt Drei." Beatrix zittert vor Wut. "Was es mit dem Namen Sylvia auf sich hat, will ich gar nicht wissen. Aber ich denke, daß du in der denkbar schlechtesten Position bist, mit dem Finger auf deinen Vater zu zeigen. Ich habe dir gestern schon gesagt, was ich von diesen Unterstellungen halte. Bernd, warum hat das Gespräch den ganzen Nachmittag gedauert?" "Weil Sandra nach den zwei Telefonaten wieder völlig down war. Aber laß das bitte außen vor, Bea. Das müssen die zwei unter sich klären." Immer tiefer in das Geflecht aus Ausflüchten und Halbwahrheiten "Das hatte ich auch vor. Wann waren die Anrufe?" "Gegen halb drei, schätze ich." Als Sandra und ich uns küßten. Als ich ihren Busen küßte. Als ich ihre Shorts öffnete. Als meine Finger auf ihrer Scheide lagen. "Danke." Sie schaut wieder zu unserem Sohn. "Also hat dein Vater den ganzen Nachmittag damit verbracht, deinen Unfug glatt zu biegen. Ich bin sehr versucht, dir für dein Verhalten in den letzten beiden Tagen das Taschengeld zu streichen, den Ausgang, und sogar die Luft zum Atmen. Aber ich denke, das wird überhaupt nichts bringen. Du wirst statt dessen morgen Nachmittag einen Aufsatz für mich schreiben. Thema: ‚Warum ich eifersüchtig bin'." "Was?" Bernhard starrt sie fassungslos an. "Was soll ich?" "Du hast mich genau verstanden. Morgen Abend, Punkt neunzehn Uhr, will ich den Aufsatz haben. Die Länge ist mir egal, aber nicht der Inhalt. Ich will ganz genau wissen, warum du eifersüchtig bist. Und jetzt setz dich wieder hin und iß zu Ende. Anschließend geht es an die Hausaufgaben, die ich mit dem Stundenplan für heute und morgen zusammen haben will." Bernhard setzt sich vernichtet. Ich atme stumm durch und sehe zu meiner Frau. "Sandra hat mich gefragt, ob sie und ich morgen schwimmen gehen können, Bea. Sie will es noch nicht alleine versuchen." Ich schaue zu Bernhard, doch der blickt stumm auf sein Essen. "Ich möchte das lieber in aller Öffentlichkeit klären." "Sicher gehst du mit." Beatrix ist noch immer sehr wütend. "Erstens, weil sie nach dieser kurzen Einführung noch lange nicht schwimmen kann, und zweitens, damit ein gewisser junger Mann endlich mal den Blick für die Realität bekommt." Sie knallt wütend ihr Messer auf den Tisch, was uns zusammen zucken läßt. "Den eigenen Vater verdächtigen! Mit einem 13-Jährigen Mädchen! Herrgott, ich möchte wirklich wissen, was in deinem Kopf abgeht!" Und heute ist erst der erste Tag. "Laß ihn leben, Bea. Bitte. Es ist gut." "Es ist nicht gut, und das weißt du auch!" Sie atmet tief durch. "Aber du hast recht", sagt sie dann ruhiger. "Morgen Abend um diese Zeit wissen wir schon mehr." "Und wenn ich den Aufsatz nicht schreibe?", fragt Bernhard kleinlaut. Bea wirbelt herum. "Dann, mein lieber, ach so erwachsener Sohn, werden dein Vater und ich in die Garage gehen, uns Werkzeug nehmen und dein Rad in sämtliche Einzelteile zerlegen. Und zwar so, daß eine Reparatur völlig unmöglich ist. Zweitens werde ich deine Karte für den Bus einziehen. Wenn du auf Schusters Rappen in die Stadt tigerst, kannst du dir sehr viele Gedanken über dich machen. Die Zeit werden wir dir mit dem größten Vergnügen geben. Das Taschengeld wird gestrichen, und zwar ersatzlos. Du bekommst morgens abgezähltes Geld, um zur Schule und zurück zu kommen. Hast du noch weitere Fragen?" Bernhard verneint stumm. Der arme Kerl tut mir schrecklich leid; vor allem, weil er so recht hat mit seiner unausgesprochenen Vermutung. Doch die Chance auf Offenheit ist vorbei. Endgültig. Ab jetzt sind Sandra und ich in unserem selbst gemachten Sumpf gefangen, und wir rutschen mit jedem Tag tiefer. Und heute ist erst der erste Tag.
* * *
Ich rufe Sandra um zwei Uhr an und informiere sie kurz, daß sich der Plan geändert hat und sie Badezeug anziehen soll. Warum, sage ich nicht; sie fragt auch nicht danach. Vielleicht spürt sie, daß es Ärger gegeben hat. Sie ist jedenfalls sehr sanft und einfühlend am Telefon und baut mich wieder auf. Wir verabschieden uns mit diesem unsinnigen, schon blödsinnigen Liebesgeflüster, das aus einem viel zu vollen Herzen entsteht, und lachen fröhlich, als es gar zu kitschig und schmalzig wird. Dann warten wir, wer zuerst auflegt, und lachen wieder, bis Sandra schließlich entschlossen und herzhaft lachend als erste auflegt. Um halb drei kommt Bernhard nach Hause. Er sieht mich, und sofort verfinstert sich seine Miene. Er wendet sich ab, ich halte ihn auf. "Bernhard, darf ich dir einen Tip geben?" "Kann ich mich dagegen wehren?", erwidert er bitter. "Ja. Dein ganzes Leben lang, wenn du möchtest. Bernhard, sei ganz ehrlich zu dir selbst. Der Aufsatz ist nicht für deine Mutter oder mich, sondern für dich. Ganz allein für dich. Schreib ihn so offen und ehrlich wie es dir nur möglich ist. Lerne von dir selbst. Aus deinen eigenen Gefühlen." Er schwankt einen Moment zwischen Annehmen und Ablehnen. Dann siegt die Vernunft über die Wut. "Okay", sagt er leise. "Danke." "Bedanke dich nicht dafür. Warum sollen deine nächsten Freundschaften genauso kaputt gehen wie die letzte? Deine Mutter und ich sind nur deswegen seit achtzehn Jahren zusammen, weil wir aufeinander zu gehen, die Ansichten und Wünsche des anderen respektieren und darauf eingehen. Wir sind zwar um einiges älter als du oder Sandra oder Sylvia, aber am Prinzip einer Freundschaft ändert das nichts. Es ist das gleiche. Es ist die Basis einer Freundschaft." Das Argument trifft. Er nickt nachdenklich und geht dann in sein Zimmer. Ich hole sein Essen aus dem Ofen und decke für ihn den Tisch, dann lasse ich ihn in Ruhe. Er muß über viele Dinge nachdenken. Wie ich, doch ich blocke es ab. Ich will weder Beatrix noch Bernhard noch Sandra verlieren. Es muß erst mal so weiter laufen wie bisher. Irgendwie. Um halb vier bin ich bei Sandra vor dem Haus. Sie kommt sofort nach draußen, zieht die Tür zu und schließt sie ab, dann läuft sie mit strahlendem Lächeln auf das Auto zu und wirft sich auf den Beifahrersitz. Die kleine Tasche läßt sie auf den Boden vor sich fallen. Ein kurzer Händedruck und ein tiefer Blick muß reichen. Dann fahre ich los. Ich steuere den Wagen zu einem anderen Baggersee; einem versteckten, nur Einheimischen bekannten. Er ist klein, doch dafür kaum besucht. Nur am Wochenende während der Schulzeit ist hier etwas los. Als ich den Wagen anhalte, sehe ich, daß wir wie erhofft alleine sind. Sandra steigt aus, auf ihrem Gesicht ein aufgeregtes Leuchten. Wir lassen unsere Wertsachen im Auto; den Schlüssel stecke ich in die Badehose unter der Hose. Dann gehen wir zum Ufer. Hier wächst kein Gras; das Ufer ist sandig, ohne Steine. Wir breiten die Decke aus, legen die Handtücher daneben und schauen uns um. Wir sind allein. Im nächsten Moment liegen wir uns in den Armen, küssen uns voller Glut, und streicheln uns, als hätten wir uns ein ganzes Jahr nicht gesehen. Unsere Hände sind heute nicht mehr forschend, sondern verlangend. Sandras Oberteil wird nach oben geschoben, sie läßt sich auf den Rücken fallen. Ich sinke über sie, küsse ihre Brust, streichle ihre Beine, die sich unter meinen Fingern öffnen. Meine Hand drückt gegen ihre Scham. Sandra preßt sich seufzend in meine Hand. Die Vernunft schweigt. Ich sauge ihre kleine Brust, diese winzige, warme Halbkugel, in meinen Mund, lecke sie gierig ab, und hebe mit dem Daumen den Bund ihrer Unterteils an. Sandra nickt atemlos; auch ihre Vernunft liegt brach. Meine Finger stehlen sich in das Bikinihöschen, spüren einen Hauch von Haar, gleiten darüber und legen sich auf die heiße, feuchte Stelle. Sandra bäumt sich leicht auf und stöhnt voller Lust. Ihre nackte, heiße Scheide trifft mich voll. Meine Erregung steigt urplötzlich an. Meine Finger verwöhnen sie nach allen Regeln der Kunst, mein Mund tobt sich an ihrer Brust aus. Sandra windet sich voller Vergnügen unter mir; ihr Atem rast schon. Meine Finger sind so naß wie sie; gleiten und reiben, massieren und drücken, kneten und ziehen. Sandra zieht meinen Kopf zu sich. Unsere Lippen treffen sich zu einem glühend heißen Kuß, unsere Zungen schlingen sich fast umeinander. Meine Hand in ihrer Hose wird schneller, kräftiger. Sandra schnauft in meinen Mund, und Sekunden später stößt heißer Atem kräftig in meinen Rachen. Sie hat ihr Ziel erreicht. Ich reibe sie, dringe sogar ein kleines Stück in sie ein. Sandra erschauert unter mir, bäumt sich auf, klammert sich an mich, zittert heftig und preßt ihren Unterleib an meine Hand. Ich reibe in ihr, bis sie sich mit einem lauten Stöhnen entspannt und fallen läßt. Sofort ziehe ich meinen Finger zurück, lege meine Hand auf ihre Scheide und reibe sie ganz zärtlich. "Boah!", keucht Sandra atemlos unter mir. "Der war irre!" Sie läßt ihren Kopf zur Seite fallen. Ich gebe ihrer kleinen Brust einen Abschiedskuß, lege mich neben Sandra, mit meiner Hand in ihrer Hose, und schiebe meinen Arm unter ihren Kopf. Sie schmiegt sich an mich, bleibt dann still liegen, um Luft zu schnappen. Ich schaue mich um, doch wir sind allein. Sandra seufzt glücklich, zieht die Beine an, schließt sie, klemmt meine Hand ein. Ihre Augen leuchten verliebt, als sie ihren Kopf zu mir dreht. "Guten Tag!" "Guten Tag, Sandra." Wir küssen uns zärtlich, dann liegen wir eng aneinander, bis Sandra sich wieder erholt hat. Als ich meine Hand aus ihrer Hose ziehe, schaut sie mich enttäuscht an, dann lächelt sie verlegen und schiebt ihren Kopf halb unter meinen. "Schön langsam", flüstere ich in ihr Ohr. "Wir haben schon mehr, als wir beide uns erträumt haben." "Stimmt", wispert sie zurück. "Trotzdem war's schön." Ich spüre, daß sie rot wird, und streichle schweigend ihr Haar. Kaum eine Minute später richtet sie sich auf und zieht mich hoch, bis ich sitze. Dann schwingt sie sich auf meinen Schoß, wirft ihre Arme um meinen Hals und bleibt still an mir. "Mein kleiner Engel", flüstere ich gerührt. "Ich liebe dich." "Ich liebe dich auch, Bernd." Ihre Lippen drücken sich leicht auf meine Wange. "Bleiben wir zusammen?" Ich denke an gestern Abend. An die ganzen Ausflüchte, Lügen, und verdrehten Wahrheiten. Dann denke ich an Sandra. An ihr Lachen, ihre Augen, ihre Stimme. Es gibt nur eine Antwort für mich. "Wir bleiben zusammen, Sandra. Solange du willst." "Du hast gründlich darüber nachgedacht?" "So gründlich es möglich ist." "Ich auch, Bernd. Ich werde in den Sommerferien durchdrehen, wenn ihr in Norwegen seid. Meine Eltern fahren getrennt weg, und beide haben vergessen, an mich zu denken. Frank wird da eben auf mich aufpassen. Frank ist mein Bruder. Aber das sind nur drei Wochen. Dann sind wir wieder zusammen. Darauf freue ich mich schon jetzt mehr als daß ich dich vermisse. Ich will auch mit dir zusammen bleiben. Sehen wir uns morgen? Sag Ja, wenn's geht, und sag Nein, wenn's nicht geht." Auch jetzt gibt es nur eine Antwort für mich. "Es muß gehen, mein Engel. Wir sehen uns morgen." "Enge ich dich ein?", flüstert sie ängstlich. Ich drücke sie fest an mich. "Noch lange nicht eng genug." Sandra umarmt mich glücklich. "Liebst du mich?" "Ich liebe dich, Alexandra Sandra Keller." Sie schmiegt sich kichernd an mich. "Ich liebe dich auch, Bernd Joachim Zimmermann." "Hey!", lache ich auf. "Wer hat dir meinen zweiten Vornamen verraten?" "Dein treuloser Sohn!" Sie drückt mich lachend. "Aber ich finde, das ist ein schöner Name." "Na gut", brumme ich. "Kommst noch mal mit dem Leben davon." "Vielen Dank, Herr Scharfrichter!" Wir drücken uns kräftig. Dann setzt Sandra sich auf, legt mir die Hände auf die Schultern und schaut mich musternd an. Ihr Blick wandert über mein ganzes Gesicht. Ich lege meine Hände auf ihre festen Oberschenkel und streichle sie, während ich den forschenden Blick ihrer wunderschönen Augen genieße. Wenn wir uns tief in die Augen sehen, ist es kein Wettkampf, kein Starren. Es ist Kommunikation. Ein Austausch, den wir mit Worten kaum beschreiben können. Schon von daher weiß ich, daß es richtige Liebe zwischen uns ist. Bea und ich können uns zwar mit den Augen unterhalten, doch nicht so austauschen wie Sandra und ich. Unsere Basis ist tiefer in der Seele; weg vom Verstand, hin zum Gefühl. Deswegen genieße ich ihren Blick, weil er mir die Möglichkeit gibt, in ihren Augen zu lesen. Das gleiche Gefühl dort zu finden, was ich in mir spüre. Schließlich schaut sie mir wieder in die Augen. "Ich hab gerade geguckt, was ich an dir liebe", sagt sie leise. "Und was?" "Alles." Sie wirft sich so stürmisch an mich, daß wir beide nach hinten fallen. "Alles!" Im nächsten Moment küssen wir uns wieder leidenschaftlich. Meine Hände gehen in ihr Höschen, legen sich auf die festen Backen und kneten sie zärtlich. Sandra seufzt zufrieden. Nach einigen Sekunden lösen wir uns erhitzt voneinander. Sie setzt sich auf, ich bleibe liegen. Sie klemmt mich zwischen ihren Beinen ein, auf die ich meine Hände lege. Sie rutscht etwas nach unten, bis ihre Scheide gegen mein Glied drückt. Dann bleibt sie still sitzen, die Augen fest auf meine gerichtet. Ich erwidere ihren ausdruckslosen Blick zuerst verdutzt, dann amüsiert. Schließlich muß ich lachen. "Was hast du vor, Sandra? Worauf wartest du?" "Daß du die Beherrschung verlierst." "Bitte?" Ich setze mich lachend auf. "Sag das noch mal. Du wartest darauf, daß ich dich - äh... vergewaltige?"
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