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SH-060 - Fantasy Nights

 

Fantasy Nights .... (sh-060.zip) (ffff cons ws tragic) (92k)
Vier Mädchen zwischen 13 und 14 Jahren haben ein gemeinsames Hobby: Rollenspiele. Sie entwerfen ihre Abenteuer selbst und spielen sie am Samstag in ihrer "Fantasy Night". Nach und nach verlangen die Abenteuer reale Handlungen, und nach und nach vermischen sich Wirklichkeit und Fantasie...


Copyright © 1999, Shana.

Date of first publication
Tuesday AM, May 18, 1999



Fantasy Night




Anmerkungen / Allgemeine Informationen für alle meine Geschichten
* In dieser Geschichte werden sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen deutlich beschrieben. Wenn diese Art Geschichten nicht Deinen Vorstellungen von einer erotischen Geschichte entsprechen oder Du selbst nicht volljährig bist oder diese Art Geschichten dort, wo Du lebst, nicht den lokalen Gesetzen entsprechen, lösche sie jetzt bitte sofort. Oder lies sie erst dann, wenn du volljährig bist oder sie in deinem Land legal wird.
* Geschichten in der Art von "Erwachsener Mann trifft minderjähriges Mädchen, und zehn Minuten später rammelten sie wie die Karnickel" finde ich persönlich sehr unwahrscheinlich und an den Haaren herbeigezogen, vor allem, wenn das Mädchen weit unter 16 Jahren alt ist. Daher versuche ich, in meinen Erzählungen mögliche Wege aufzuzeigen, wie eine Verbindung Mann - Mädchen zustande kommen kann. Wem dies zu langatmig ist, kann gerne auf andere Geschichten ausweichen. Zu einer guten Geschichte gehört für mich auch Logik. Ich möchte damit nicht behaupten, daß meine Geschichten gut sind, sondern nur eine Feststellung treffen.
* Die meisten meiner Geschichten sind reine Erfindung. Namen, Personen, Orte und Daten sind frei erfunden, jedoch geändert in den Fällen, in denen ein realer Vorfall die Basis für eine Geschichte bildet.
* Es wird ausdrücklich davor gewarnt, die Intimsphäre eines jungen, minderjährigen Menschen gegen seinen / ihren Willen zu verletzen! Nicht, weil es gegen das Gesetz ist, sondern weil es gegen den Willen des Menschen ist!!! Es entsteht kein gutes Karma, wenn Du dies tust, und du wirst früher oder später dafür bezahlen müssen.
* Für Handlungen, die aus dem Genuß dieser Geschichte entstehen, übernehme ich keinerlei Verantwortung. Ich habe schon genug damit zu tun, mein eigenes Leben in den Griff zu kriegen ;-).
* Falls diese Geschichte dem entspricht, was Du suchst: Viel Spaß beim Schmökern!



Spezielle Anmerkungen:
######################
* Diese Geschichte kommt, was die sexuellen Aktionen angeht, ohne Erwachsene aus. Dafür endet sie tragisch. Wer Happy Ends liebt, wird hier NICHT auf die Kosten kommen. Eine Begründung steht im Nachwort.



Begonnen: 09. Mai 1999 Beendet: 18. Mai 1999 Nr.: SH-060




Einleitung



Der Samstag war der Tag, für den die vier Mädchen lebten. Samstags trafen sich Sybille, Ariane, Anna und Fabiola immer zu dem, was sie ihre "Fantasy Night" nannten: ein Abend voller Lachen und Schrecken, voller Spannung und Erleichterung, voller Konzentration auf eine Welt, die nur in ihren Köpfen existierte. Von Sonntag mittag nach einer Fantasy Night bis Freitag abend vor der nächsten, manchmal auch bis Samstag mittag, saß abwechselnd eines der Mädchen über einer neuen Geschichte, die von den anderen drei Mädchen am Samstag gespielt werden mußte. Das Mädchen, das sich die Geschichte ausgedacht hatte, war die Spielleiterin für den Abend. Ihr Wort war Gesetz.
Natürlich hatte jedes Mädchen eine bestimmte Vorliebe. Sybille, die gerade 14 geworden war, liebte Geschichten mit Vampiren und Särgen. Ariane, 13 Jahre und 7 Monate jung, zog Handlungen mit Elfen und Wäldern vor. Anna, die zwei Tage nach Sybille Geburtstag hatte und soeben 13 geworden war, war in dunkle Höhlen mit Gespenstern verliebt. Fabiola, Spitzname "Fabi", war mit 12 Jahren und 10 Monaten die jüngste in dem Verein. Ihre Vorlieben waren Hexen, Zauberer und Magier.
Die Mädchen trafen sich nunmehr seit fast einem Jahr. Sie hatten sich im Februar letzten Jahres während einer Theaterprobe in der Schule kennengelernt und innerhalb von drei Tagen ihr gemeinsames Hobby entdeckt. An diesem dritten Tag gingen sie nach der Probe zusammen Eis essen, wobei sie ziemlich schnell überein kamen, sich wöchentlich zu treffen. Jedes Mädchen hatte schon einen Grundstock an Geschichten geschrieben, doch erst in der kleinen Gruppe, die sie nun bildeten, stellten sich die Schwächen in den einzelnen Handlungen heraus.
Alle vier waren zuerst bitter enttäuscht, daß ihre Geschichten einer strengeren Prüfung nicht standhielten, aber da sie alle davon betroffen waren, ärgerten sie sich nicht lange, sondern gingen gleich daran, gemeinsam sämtliche Unterlagen zu überarbeiten. Keine drei Monate später hatten sie den Bogen raus, selbst Fabis Hexengeschichten bekamen nun den Schliff, der ihnen anfangs noch fehlte.
Ab Ende Mai war die selbstgewählte Probezeit für alle Mädchen vorbei, dann wurde es Ernst. Jedes Mädchen hatte vier Wochen Zeit für seine Geschichte; meistens aufgeteilt in drei Wochen zum Überlegen und Ausarbeiten, und eine Woche zum Vorbereiten. Das Mädchen, das in der jeweiligen Woche seine Geschichte vorlegte, war gleichzeitig auch Gastgeberin.
Wir springen nun direkt in die Handlung, und zwar zu Ariane, die an diesem Samstag im Januar die anderen Mädchen unterhalten darf. Arianes Geschichte - Nein, das soll sie selbst erzählen. Vorhang auf!






Kapitel 1



Das kleine Zimmer war von sieben Kerzen mild und gemütlich beleuchtet. Die vier Mädchen saßen oder lagen auf dem Boden, vor sich Getränke und Knabbereien. Die Uhr zeigte 20:47 an, doch die Rolläden in Arianes Zimmer waren schon seit drei Uhr nachmittags dicht geschlossen. Aus ihrer Musikanlage erklang leise Naturmusik, wie den ganzen Tag über.
Ariane betrachtete ihre drei Freundinnen gespannt. Würden sie es schaffen, dem verwunschenen Wald zu entkommen? Fabi hatte natürlich wieder ein paar Hexentricks versucht, doch die Kraft der Elfen war stärker. Kein Wunder; gab es Elfen doch schon lange vor den Hexen, und ihre Magie war die der Erde. Sybille wollte sich mit Gewalt aus dem Wald schlagen, doch das hatte ebensowenig Erfolg gezeigt wie Annas kühle Logik.
Ariane grinste verstohlen. Es half nichts; die drei Mädchen saßen in der Falle, und aus der konnten sie sich vorerst nicht befreien.
Sybille gab als erste auf. "Mann!" stöhnte sie laut. "Ich kapier' das nicht! Wieso laufen wir immer im Kreis, obwohl wir geradeaus gehen?"
"Weil wir um die Ecke denken", erwiderte Anna abwesend. "Ariane, haben wir irgendeinen Gegenstand nicht gefunden? Etwas übersehen? Sind wir an irgend etwas vorbeigelaufen?"
"Nein." Ariane konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. "Ihr habt alles gefunden und gesehen, was ihr braucht."
"Nur keinen Ausgang." Fabi legte ihre Stirn in Falten. "Sag mal... Wie stabil ist dieser Dolch aus Glas?"
"Wie Glas eben."
"Sch- Mist." Fabi schüttelte den Kopf. "Nee, ich krieg's nicht."
"Ich auch nicht." Sybille setzte sich frustriert auf. Gleichzeitig griff sie nach ihrer Fanta, um einen großen Schluck davon zu trinken.
Nur Anna ließ nicht locker. "Glas... Wenn ich damit gegen einen Stein steche, zerbricht der Dolch, oder?"
"Garantiert." Ariane schaute besonders unschuldig drein. Anna sah das zum Glück nicht, aber Fabi.
"Warte mal!" Aufgeregt schaute sie auf ihre Notizen. "Stein... Wir sind doch vorhin an so 'nem merkwürdigen Stein vorbeigekommen!"
"Und?" Sybille schaute etwas mißmutig drein; sie fühlte sich nicht gerne so ratlos und unsicher wie in diesem Augenblick.
"Na, Ariane sagte nur, daß der Stein im Weg ist. Wir sind drumherum gelaufen und haben uns nicht weiter darum gekümmert." Fabi schaute Ariane an. "Wie weit sind wir von dem Stein weg?"
Ariane sah auf ihre Unterlagen. "Noch zweihundert Meter, dann steht ihr wieder davor."
"Also los." Anna war konzentriert dabei. Fabi beugte sich aufgeregt vor, selbst Sybille fing wieder Feuer. "Wir gehen die zweihundert Meter bis zum Stein. Wie sieht er aus?"
"Etwa einen halben Meter hoch", erklärte Ariane, während sie gleichzeitig mit den Händen den Stein in der Luft formte. "Ganz gerade, wie eine Säule. Durchmesser genau siebzig Zentimeter. Er ist dunkelgrau und so schwer, daß ihr ihn nicht wegschieben oder umwerfen könnt."
"Hm." Sybille faltete die Stirn. "Irgendwelche Besonderheiten?"
"O ja!" grinste Ariane. Nun waren ihre Freundinnen auf dem richtigen Kurs. "Die obere Seite ist ganz glatt, wie ein Tisch. Genau in der Mitte ist ein ganz feiner Schlitz."
"Wow!" Fabis Augen leuchteten. "Ist dieser Schlitz so groß, daß der Glasdolch reinpaßt?"
"Ja."
"Dann rein damit!" Sybille ballte die Fäuste. "Hau den Dolch -"
"Nein!" Anna schrie fast. "Bloß das nicht! Der geht doch kaputt!" Sie sah zu Ariane. "Wir stecken den Dolch ganz vorsichtig in den Schlitz, mit der Spitze voran."
"Schade." Ariane lachte hell. "Beinahe wärt ihr erledigt gewesen. Gut. Der Dolch ist jetzt in dem Stein. Es passiert nichts."
"Mist!" Sybille sah auf ihre Zettel, auf denen sie ihre Notizen niedergeschrieben hatte. "So... Wir haben noch ein Amulett an einer Halskette gefunden, und einen Ring. Fehlt uns noch etwas?"
"Nein." Ariane lächelte versteckt. "Ihr habt alles."
"Dann noch einmal von vorne." Anna nahm ihren Stift zur Hand. "Wie sieht der Dolch genau aus? Ganz genau?"
"Die Schneide ist aus Glas, wie schon gesagt. Ganz klares, durchsichtiges Glas. Der Griff ist golden und abgenutzt, als ob der Dolch schon viele Jahre benutzt worden ist. Am Knauf scheint etwas zu fehlen, er ist nicht so dick wie der Rest des Griffes. Außerdem hat er in der Mitte ein kleines Loch."
"Paßt der Ring da drauf?" fragte Sybille aufgeregt. Ariane nickte.
"Wie angegossen."
"Und was passiert?"
"Nichts." Ariane grinste. "Wieso sollte auch etwas passieren?"
"Genau!" Fabi schlug sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. "Die sind ja noch getrennt, Sybille. Wir stecken den Ring jetzt vorsichtig auf den Knauf. Müssen wir ihn drehen, damit er fest sitzt?"
"Nein, nur draufstecken. So, er sitzt. Es passiert nichts."
"Bleibt noch das Amulett", überlegte Anna laut. "Hat das irgendwelche Besonderheiten?"
"Ja, ein kleines Loch an der Rückseite. Aber das paßt nirgendwo hin."
"Hm." Anna sah abwesend auf den Plan in der Mitte der vier Mädchen. "Dann müßte es die Kette sein. Wie sieht die aus? Kann man die abnehmen, ohne daß was kaputtgeht?"
"Ja. Die Öse, durch die die Kette geht, kann abgeschraubt werden."
"Wir schrauben sie ab." Anna wurde fast nervös. "Was sehen wir?"
"Eine Kette mit einer Öse, an deren Ende ein kleines Gewinde ist, und ein Amulett mit einen Loch oben, in das dieses Gewinde paßt."
"Okay... Dieses Gewinde - paßt das irgendwo an den Dolch oder den Ring?"
Ariane nickte schmunzelnd. "Ja."
"Und wo?"
"In die Mitte von dem Knauf."
"Wir schrauben die Öse da fest." Fabi trank aufgeregt einen Schluck Cola. "Was passiert?"
"Nichts."
"Mann!" Sybille wurde ärgerlich. "Das darf doch nicht wahr sein! Was ist mit dem Loch auf der Rückseite von dem Amulett? Wie sieht das aus?"
"Es sieht so aus, als ob die kleine Schraube von der Öse auch da passen würde."
"Aha. Dann schrauben wir die Öse wieder von dem Dolch los und in dieses Loch auf der Rückseite."
"Getan. Es passiert nichts."
"Wie tief ist das Loch?" fragte Anna. "Und wie dick ist das Amulett?"
"Das Loch ist so tief wie die Schraube: drei Millimeter. Das Amulett ist sieben Millimeter dick."
"Na schön." Anna atmete tief durch. "Wir drücken auf die Öse."
Ariane nickte anerkennend. "Vom unteren Ende des Amuletts löst sich etwas und verschwindet mit einem leisen Zischen."
"Wie sieht das untere Ende jetzt aus?" wollte Fabi wissen.
"Ganz glatt und gerade. Genau in der Mitte ist eine kleine Schraube."
"Gut, dann bleibt ja nicht mehr viel." Sybille stopfte sich einen Haufen Kartoffelchips in den Mund. "Wir schrauben das untere Ende vom Amulett auf den Dolch, und dann die Kette - also die Öse - wieder an das Amulett, wo sie auch vorher war."
"Erledigt. Der Stein beginnt, ein helles Schimmern auszustrahlen. Sonst passiert nichts."
Anna nickte lächelnd. "Wir fassen die Kette an und ziehen. Sanft, aber gleichmäßig."
"In welche Richtung?"
"Nach oben!" Fabi hüpfte vor Aufregung auf dem Boden. "Wir ziehen nach oben!"
"PENG!" schrie Ariane ohne Vorwarnung. Die drei Mädchen erschraken zu Tode. "Ein furchtbarer Knall ertönt, um euch herum verschwimmt alles, und euch wird furchtbar schwindelig! Dann ist es vorbei." Sie griff in einen kleinen Beutel neben sich. "Ihr seid wieder in dieser Welt, und habt sogar ein Andenken an den Elfenwald!" Sie gab jedem Mädchen einen kleinen Opal, wie er in vielen Geschäften für zwei, drei Mark zu bekommen war. "Jede bekommt 2000 Erfahrungspunkte!"
"Abgefahren!" Fabi schaute mit leuchtenden Augen auf ihren Edelstein. "Ariane, das war super!"
"Ja, wirklich sehr gut." Anna schüttelte ihren Kopf. Sogar Sybille lachte wieder.
"Wirklich Spitze, Ariane. Ich dachte schon, daß die Höhle in dem Gebirge die Lösung wäre."
"War sie ja auch halb", schmunzelte Ariane. "Da habt ihr den Ring gefunden."
"Ja, und jede Menge Staub!" Fabi trank noch einen großen Schluck. "Das war wirklich toll, Ariane. Ich hab das alles richtig vor mir gesehen!"
"Wir werden wirklich immer besser." Anna sah ihn die Runde. "Sybille, deine letzte Geschichte war auch sehr interessant. Du hattest den Obervampir richtig gut ausgearbeitet. Genau wie Fabi letztens ihren Zauberer."
"Ja, und wie du deine Gespenster." Fabi strahlte. "Wir werden wirklich von Woche zu Woche besser!"
"Aber dafür werden die Abenteuer auch immer schwerer." Sybille sagte dies ganz sachlich. "Was haltet ihr von einer kleinen Änderung? Ich wollte nämlich vorschlagen, daß wir für fast aussichtslose Situationen, wie letztens bei Anna, einen anderen Weg suchen sollten."
"Was meinst du?" fragte Anna verwundert.
"Du weißt schon! Als wir in diesem Raum gefangen waren und alle Gespenster auf uns zu kamen, da hat keine von uns daran gedacht, seelenruhig die Wände abzusuchen. Den versteckten Schalter haben wir nur gefunden, weil du Mitleid mit uns hattest. Doch, doch!" wehrte sie Annas Widerspruch ab. "Du hast gesagt, daß ich gestolpert und mit dem Ellbogen an einen geheimen Stein gekommen bin, der eine Tür öffnete. Und hinter der Tür war dann die geheime Waffe, um alle Gespenster auf einen Schlag zu vernichten. Sag nicht, daß es kein Mitleid war!"
Anna druckste etwas herum, von den anderen Mädchen gespannt beobachtet, dann nickte sie zerknirscht.
"Du hast recht", sagte sie leise. "Ich wollte euch nicht sterben lassen. Was für einen anderen Weg meinst du denn genau?"
"Etwas wie eine - eine Lösung in dieser Welt." Sybille sah ihre Freundinnen der Reihe nach an. "Etwas wie eine Ersatzaufgabe. Die Spielleiterin überlegt sich eine Aufgabe, die eine von uns machen muß, wenn wir wirklich total festsitzen. So etwas wie eine Mutprobe."
"Und wie soll das gehen?" fragte Fabi neugierig.
"Zum Beispiel so: als wir gerade in dem Elfenwald festsaßen, hätten wir gesagt, daß wir nicht weiterwissen und daß wir die Mutprobe machen. Es ist natürlich immer nur eine pro Abenteuer erlaubt. Nämlich für die ganz harten Fälle. Ariane hätte uns dann gesagt, was wir machen müssen, und eine von uns hätte das dann auch gemacht."
"Kapiert." Anna verzog nachdenklich das Gesicht. "So wie in meinem Abenteuer. Ich hätte euch den Schalter nicht gezeigt, sondern gesagt, daß ihr einmal auf das Dach klettern müßt."
"So etwa!" Sybille beugte sich begeistert vor. "Nur machen wir nichts Gefährliches, das ist wohl klar! Aber es muß etwas sein, was genau so schwer ist wie das in dem Abenteuer. Anna, du hättest da zum Beispiel sagen können, daß eine von uns einer Spinne einen Kuß geben muß."
"Äh!" - "Igitt!" - "Spinnst du?"
"Seht ihr?" lachte Sybille begeistert. "Ich meine, das ist doch total fair, oder? Immerhin hätten wir bei Anna im Spukschloß alle draufgehen können! Oder wir wären in Arianes Wald verhungert! Oder Fabis Zauberer hätte uns mit seinen Blitzen den Schädel zertrümmert! Oder mein Vampir hätte euch alle ausgesaugt! Dann wären unsere Figuren erledigt gewesen, und wir hätten von vorne beginnen müssen. Versteht ihr? Wenn unsere Figuren im Abenteuer sterben können, dann sollte die Mutprobe etwas sein, was zwar nicht gefährlich, aber wenigstens richtig unangenehm ist! Total eklig und widerlich! Oder etwas, was wir überhaupt nicht mögen! Wie Fabi Fischstäbchen essen lassen."
"Da küsse ich lieber eine Spinne!" rief Fabi aufgebracht. "Weißt du eigentlich, was alles für ein Abfall in diesen Stäbchen ist? Da kann ich ja gleich eine Mülltonne auslecken!"
"Klar!" grinste Sybille. "Deswegen ja! Das wäre eben die Mutprobe!"
Ariane und Anna sahen sich nachdenklich an. "Fair wäre das schon", überlegte Anna. "Ich meine, in meinem Spukschloß kamen die Gespenster so langsam auf euch zu, daß ihr in Ruhe nach dem Schalter hättet suchen können, aber ihr habt ja lieber mit allen Waffen auf sie geschossen, bis sie euch so nahe waren, daß es fast aus war."
"Stimmt", gab Ariane zu. "Ich hab' mein Abenteuer für heute auch noch ganz schnell umgeschrieben, damit es etwas leichter wurde. Ich hatte nämlich noch einen riesigen Bären als Wächter vor den Stein gesetzt, und mit dem hättet ihr wirklich große Mühe gehabt." Sie zeigte den anderen Mädchen das letzte Blatt. Als die Mädchen die Kampfwerte des Bären sahen, schluckten sie mit großen Augen.
"Fabi?" Sybille sah zu dem noch 12jährigen Mädchen. "Was meinst du?"
"Tja..." Fabi sah die anderen Mädchen nachdenklich an. "An sich wär' das 'ne gute Methode. Gefährlich darf das ruhig sein. Ich lauf' lieber auf dem Dach rum als daß ich Fischstäbchen esse."
"Nein." Sybille schüttelte energisch den Kopf. "Die Abenteuer sollen uns Spaß machen, und das haben sie bisher ja auch immer. Gut, ich reg' mich zwar immer tierisch auf, aber trotzdem hab' ich meinen Spaß dabei. Und den würden wir verlieren, wenn wir plötzlich was Gefährliches machen müßten. Nein, das will ich nicht. Denn das ist genau das Problem, Fabi. Du hast keine Angst, auf dem Dach zu laufen, aber ich würde dabei sterben! Ich krieg' schon Höhenangst, wenn ich auf 'nem Stuhl stehe. Dafür hab ich kein Problem, an 'ner offenen Steckdose herumzubasteln, wo noch Strom drauf ist. Nein, das wäre ungerecht. Dann lieber etwas, wovor sich alle ekeln." Sie grinste spitzbübisch. "Immerhin kennen wir uns alle so gut, daß wir wissen, was wir mögen und was nicht. Was meint ihr? Machen wir das so?"
Die Mädchen redeten noch ein paar Sekunden miteinander, dann nickten sie alle.
"Klasse!" freute Sybille sich. "Und ab wann? Schon ab nächste Woche?"
"O nein!" wehrte Ariane lachend ab. "Da bist du dran, Sybille! Du hattest genug Zeit, dir was Gemeines auszudenken! Das wäre unfair!"
"Find' ich auch", feixte Anna. "Außerdem... Wegen nächster Woche. Der Gerd von der Schülerzeitung hat mich gefragt, ob er einen Bericht über uns schreiben kann. Er wollte uns mal einen Abend zusehen."
"Wir kommen in die Zeitung?" fragte Sybille erstaunt. "Echt?"
"Wenn wir Pech haben", grinste Anna. "Nein, er meinte, daß das eine tolle Freizeitbeschäftigung wäre, nur hat er keine Ahnung, wie so etwas abläuft. Deswegen wollte er zusehen. Er sitzt nur still da, schaut zu, und macht sich Notizen. Er wird sich nicht einmischen oder uns mittendrin was fragen, das hab' ich schon mit ihm geklärt. Wenn überhaupt, wird er uns erst am Montag ansprechen, in der Schule."
Sybille zuckte mit den Schultern. "Von mir aus. Will er auch bei der Vorbereitung dabei sein?"
"Nein, das wird er dann nach dem Wochenende mit uns durchsprechen. Ich habe ihm erzählt, was für eine tolle Stimmung bei unseren Fantasy Nights ist, und er hat kapiert, daß er dabei nicht stören darf. Er will so reinspringen wie wir auch."
"Na schön." Ariane machte ein gleichgültiges Gesicht. "Hauptsache, er quatscht nicht dazwischen. Wenn doch, fliegt er raus."
"Genau." Fabi nickte entschlossen. "Ein dummes Wort, und er ist draußen."
"Dann wärst du schon gar nicht mehr hier", grinste Sybille mutwillig. Fabi reagierte wie erwartet.
"Boah!" Sie warf sich mit einem Satz auf die 14jährige, und schon rangen die beiden lachend und schimpfend miteinander. Anna und Ariane sahen zu, daß sie die Gläser mit den Getränken und die Schalen mit den Knabbereien schnellstens in Sicherheit brachten.

* * *

"Nun, ihr tapferen Heldinnen", sagte Sybille eine Woche später, als die Mädchen sich bei ihr versammelt hatten. "Seid ihr bereit für einen weiteren Kampf?" Ariane, Anna und Fabi nickten aufgeregt. "Überlegt es euch gut!" warnte Sybille, die ganz in Schwarz und Rot gekleidet war; die gleichen Farben, mit denen sie auch ihr Zimmer dekoriert hatte. Es wirkte nicht satanisch, sondern einfach nur ganz normal bedrohlich, denn das Schwarz überwog, und nur vereinzelt war Rot. Wie es sich für einen rechten Vampir gehörte.
"Ihr seid bisher glücklich gewesen in euren behüteten Leben", fuhr Sybille eindringlich fort. "Doch das kann sich sehr schnell ändern! Wollt ihr wirklich auf eine Reise gehen, von der ihr womöglich nie wieder zurückkehren werdet?"
"Ja!" riefen die drei Mädchen aufgeregt. Gerd, der 17jährige Journalist von der Schülerzeitung, saß mucksmäuschenstill in einer Ecke, ausreichend mit Süßigkeiten und Getränken versehen, und schaute interessiert zu.
"Ihr habt es so gewollt", seufzte Sybille, als würde sie die Mädchen in den sicheren Tod schicken. Dieses Anheizen gehörte dazu, nur so kam die richtige Stimmung auf. Wie schon in der Woche zuvor bei Ariane war auch Sybilles Zimmer nur von Kerzen erhellt. Allerdings einige mehr als üblich, damit Gerd auch sah, was er schrieb.
"So hört euren Auftrag! Seit Wochen haben wir keine Nachricht mehr aus dem Dorf Nidua. Geht dorthin, schaut nach, was los ist, und erstattet mir Bericht. So ihr denn zurückkehrt, was sehr unwahrscheinlich ist."
Aufgeregt schossen die Mädchen ihre ersten Fragen ab. Die Fantasy Night begann.
Während die Mädchen ihr Gold zählten, um zu entscheiden, wie sie am schnellsten und gleichzeitig am günstigsten in das Dorf Nidua kämen, schrieb Gerd eifrig mit. Nach gut einer halben Stunde Spielzeit kamen die Mädchen in dem Dorf an; zwischendurch hatten sie sich mit Wegelagerern, Wölfen, und einem aggressiven Bienenschwarm abgeben müssen. Sybille war groß in Fahrt.
Gegen sechs Uhr hatte Gerd so ziemlich alles zusammen, was er für seinen Artikel brauchte. Er wußte nun, was er wie schreiben mußte, und hatte jetzt die Muße, sich die Mädchen anzusehen, die vollkommen in ihrer Fantasiewelt gefangen waren.
Sein erster Blick galt Anna. Sie war gerade erst 13 geworden, wie Gerd wußte, und sie war hochintelligent. Sie trug ihre schulterlangen, schwarzen Haare offen, die klaren, braunen Augen schauten durch eine modische Brille auf den Plan, der mehr und mehr Gestalt annahm, je mehr die Mädchen von dem Dorf erforschten. Anna war vielleicht 1,65 groß, bei kräftiger Statur. Sie konnte jedoch in keinster Weise als dick bezeichnet werden.
Genauso wenig wie Sybille, deren breite Schultern von sehr langen, dunkelblonden Haaren verdeckt wurden, die sie in der Schule meistens als Pferdeschwanz trug. Ihr Schopf reichte ihr bis weit über die Mitte des Rückens. Sie hatte blaugrüne Augen, mit mehr Grün als Blau. Sie war mit ihren 14 Jahren das älteste der vier Mädchen, mit nur 1,53 Größe jedoch auch das kleinste. Dafür war sie die energischste und temperamentvollste von allen. So glich sich alles aus.
Ariane mit ihren 131/2 Jahren war die ruhigste der vier. Sie war ziemlich schlank, fast schon dünn, aber sie hatte auch einen sehr zierlichen Knochenbau. Wie Sybille hatte sie dunkelblonde Haare, jedoch eine Spur heller. Und sie hatte einen Pagenschnitt, der ihr hervorragend stand. Mit 1,58 lag sie im guten Mittelfeld. Ihre Augen waren grün.
Fabi, die in zwei Monaten 13 werden würde, war die jüngste der vier Freundinnen. Sie hatte lockige, blonde Haare, die bis knapp unterhalb der Schulter reichten. Dazu klare blaue Augen, und sie mußte den Spott als typische Blondine erdulden. Damit konnte sie aber umgehen, denn nicht nur durch die Abenteuer, die sie entwarf, wußte sie, was sie konnte. Obwohl die jüngste, überragte sie mit 1,60 sowohl Ariane als auch Sybille. Von der Statur her war sie nicht so dünn wie Ariane, aber auch nicht so athletisch wie Sybille. Sie war einfach nur schlank, ohne besondere Attribute zusätzlich.
Nach außen so unterschiedlich, von innen her so ähnlich. Gerd sah und hörte zu, wie Fabi sich geschickt vor einem Kampf mit einem Berglöwen drückte, der viel zu stark für sie alleine war. Schnell wich sie unter dem Schutz des herbeigezauberten Nebels zu ihren Freundinnen, von denen sie sich nur ganz kurz getrennt hatte, um ein verlassenes Haus zu untersuchen. Aber Sybille hatte für alle Situationen vorgesorgt. Sie ließ Fabi entkommen, schickte den drei Mädchen dann jedoch einen verwundeten und dementsprechend sehr gereizten Tiger entgegen. Gebannt notierte sich Gerd, wie die drei mit allen Waffen und Zauberkräften den Tiger schließlich besiegten. Er erschrak heftig, als Fabi plötzlich laut jubelte.
"Ein neuer Level! Pause! Muß rechnen!" Sie schnappte sich Papier und Stift, dann warf sie in aller Eile Zahlen auf das Papier und rechnete vor sich hin murmelnd. Anna ließ sich zur Seite fallen und sah Gerd auffordernd an, der sich zu ihr beugte.
"Für jeden Sieg", flüsterte Anna schnell, "gibt es Erfahrungspunkte, und alle paar tausend Punkte mehr steigt die Figur einen Level auf. Dadurch wird sie stärker und erfahrener. Genauer sag' ich dir das am Montag. Das System haben wir geklaut und für uns etwas geändert, weil viele Dinge einfach viel zu viel Zeit kosteten." Gerd nickte kurz und schrieb schnell auf, was Anna ihm verraten hatte. Fabi war inzwischen durch.
"Wahnsinn!" sagte sie überwältigt. "Nur noch ein Level, dann bin ich Hexe im Meisterrang!"
"Wie verteilst du deine Punkte?" fragte Sybille, ihren Notizblock und einen Kugelschreiber haltend.
"Einen auf Weisheit, damit habe ich 25 Zauberpunkte mehr als bisher. Den zweiten auf Fallen entdecken; da bin ich jetzt auf 48 Prozent. Den dritten auf Tiere beschwören, da hab ich inzwischen 66 Prozent."
Sybille nickte und schrieb schnell mit, wie die anderen auch. So hatte jedes Mädchen eine aktuelle Übersicht für die eigenen Abenteuer und die zu erfindenden Gegner, die nicht zu einfach zu besiegen sein durften.
Nach dieser kurzen Pause ging das Spiel weiter. Sybille hatte so viele Fallen, Gegner und Irrwege eingebaut, daß es schon halb elf war, als die drei Mädchen endlich dem Oberbösewicht gegenüber standen. Der Kampf wurde mit Würfeln ausgetragen, die Ergebnisse flogen so schnell hin und her, daß Gerd nicht mehr mitkam. Am Ende war Fabi so gut wie tot; ihre Figur hatte nur noch 13 Lebenspunkte und war halb bewußtlos. Anna und Ariane versetzten dem am Boden liegenden Obervampir den Gnadenstoß, dann umarmten die drei sich glücklich und aufgekratzt.
Das Spiel war vorbei.
Aufgedreht redeten die Mädchen noch eine ganze Weile über besonders haarige Situationen in dem Spiel, während Gerd zügig seine Sachen einpackte und sich auf den Weg nach Hause machte. Die Mädchen bekamen das nur am Rande mit, so vertieft waren sie noch in ihre Welt.
"Fabi, wirst du bis nächste Woche wieder gesund?"
"Mal sehen." Konzentriert rechnete Fabi, dann schüttelte sie den Kopf. "Nicht ganz, mir fehlen 16 Punkte. Aber ich schaff' das schon!"
"Sie muß doch gar nicht so schnell gesund werden", erinnerte Anna die Mädchen. "Sie ist doch nächste Woche dran, und bis übernächste Woche ist sie wieder auf dem Damm."
"Richtig!" - "Stimmt ja!" - "Total vergessen!"
Fabi sah Sybille an. "Ab dann mit Mutprobe?"
"Ja, wenn du das bis dahin noch einbauen kannst..."
"Das krieg' ich schon hin", lächelte Fabi. "Ein Glas trink' ich noch, dann geht's in Richtung Bett."
"Du kannst gerne hier schlafen", bot Sybille an. "Wir haben doch genug Platz im Haus."
"Na toll!" stöhnte Fabi. "Jetzt sagst du mir das, wo ich keine Sachen für morgen dabei habe?"
"Alles Berechnung", grinste Sybille unter dem Lachen der anderen beiden Mädchen. "Nein, ich dachte nicht, daß das heute so lange dauert."
"Du hast aber auch Feinde ins Abenteuer geworfen..." Ariane schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. "Wo kam denn eigentlich diese Horde dreiköpfiger Fledermäuse her?"
"Aus meinen dunkelsten Träumen!" erwiderte Sybille mit hohler Stimme. Sie riß die Augen auf und streckte die gekrümmten Finger nach Ariane aus.
"Ey!" lachte diese und rollte sich schnell außerhalb Sybilles Griffweite. "Das Abenteuer ist vorbei!"
"Ich weiß." Sybille seufzte laut. "Wäre das nicht schön, wenn wir uns eine ganz tolle Welt ausmalen würden und dann darin leben könnten? Eine Welt mit richtig großen Wäldern und Seen, mit Heldinnen und Schurken, mit mächtigen Schlössern und dunklen Höhlen? Die nur ganz alleine für uns vier da wäre?"
"Wartet mal!" Aufgeregt setzte Fabi sich auf. "Was haltet ihr davon, wenn wir das wirklich machen? Ich meine, bisher hatten wir doch immer nur so einzelne Städte oder Dörfer, aber nie eine richtige Welt! Sollen wir uns einfach mal so eine Welt ausmalen? Mit Kontinenten, Ländern und Städten? In der alles richtig zusammenhängt?" Aufgewühlt sah sie ihre drei Freundinnen an, die ihr gebannt zuhörten.
"Ja? Machen wir das? Eine Welt mit vier Kontinenten, und jede von uns entwirft einen. Dann setzen wir uns zusammen und mischen die, damit nicht Annas Gespenster nur auf einem einzigen sind. Sollen wir?"
"Au ja!" Sybille war Feuer und Flamme. "Aber nicht nur mit unseren Lieblingsfeinden, sondern mit allem möglichem! Mit Rittern und Prinzessinnen, mit Königen, Kaisern und Bauern, mit -"
"Mit Drachen!" unterbrach Anna begeistert. "Mit großen, fliegenden, goldenen Drachen! Und mit -"
"Mit Einhörnern!" Arianes Augen leuchteten. "Mit Dämonen und heiligen Priestern! Mit vielen Bodenschätzen und Zwergen! Und -"
"Und mit fliegenden Pferden!" Fabi zerrte aufgeregt an ihren Haaren. "Und mit Lehrerinnen, bei denen wir für Gold unsere Talente ausbauen können! Und dann -"
"Redende Bäume!" - "Ungeheuer, die im Meer hausen!" - "Unsichtbare, riesengroße Insekten, mit Nestern in total hohen Bergen!"
Völlig aus dem Häuschen plapperten die vier durcheinander, erst nach fünf oder sechs Minuten kehrte wieder so etwas wie Ruhe ein. Sybille verteilte Papier und Stifte.
"Okay", sagte sie mit einer Stimme, die vor Aufregung vibrierte. "Boah, ich bin total aufgedreht! Also: jede von uns entwirft einen eigenen Kontinent, mit Ländern, Städten, Dörfern, Menschen, Tieren, Feinden, Freunden und so weiter. Aber es soll ja auch spannend bleiben! Deswegen schlage ich vor, daß wir es so machen: wir zeichnen nur die wichtigsten Städte ein, wegen Nachschub und Training und so, aber der Rest bleibt dunkel. Nur diejenige von uns, die den Kontinent entworfen hat, weiß, was unter den dunklen Flecken ist. Und an jeder Fantasy Night wird eine kleine, dunkle Ecke aufgedeckt und erforscht, mit allem Drum und Dran!"
"Super!" quietschte Ariane begeistert. "Und hinterher haben wir eine vollständig erforschte, eigene Welt, nur für uns alleine!"
"Und wenn wir die dann erforscht haben, gehen wir an die nächste!" Anna setzte ihre Brille ab; sie war weitsichtig und konnte ihre Freundinnen auch ohne Brille gut sehen. Die Augengläser brauchte sie nur zum Schreiben und für die Abenteuer. "Die Fehler, die wir in der ersten Welt garantiert noch machen, werden wir dann vermeiden. Und so wird jede Welt besser und schöner!"
"Und aufregender!" Fabi schüttelte überwältigt den Kopf. "Stellt euch das nur vor! Wir können Planeten machen, die nur aus Wüste bestehen, aber unterirdisch ein Paradies sind! Wir können Gebirge erschaffen, die vor Gold nur so blitzen und blinken!"
"Und Piraten!" seufzte Sybille sehnsüchtig. "Wenn wir von einem Kontinent zum anderen fahren, laufen wir denen über den Weg und machen sie platt!"
"Wir können die Magie der Drachen lernen!" Ariane schaute die anderen Mädchen an. "Leute, wißt ihr, was das heißt? Wir könnten rund um die Uhr in unseren Welten leben und sie spielen! Täglich kleine Abenteuer, und am Samstag dann die Fantasy Night mit einem ganz großen!"
"Genau!" stimmte Fabi eifrig zu. "Wir können total gefährliche Ecken machen, wo wir nur mit Mutproben überleben können, und wir können richtig friedliche Ecken machen, wo wir uns viel schneller erholen als sonst."
"Du hast recht!" Sybille umarmte Fabi stürmisch. "Wir können heilige Plätze errichten, wo wir uns in Stunden wieder total gesund machen können! Dann könnten wir jeden Tag etwas spielen!"
"Und am Wochenende auch mal die Nacht durch!" Anna biß sich vor Aufregung in die Unterlippe. "Unsere Eltern sind ja absolut mit unseren Fantasy Nights einverstanden. Wir können bis tief in die Nacht spielen, oder bis zum Morgen, und gegenseitig bei uns pennen!"
"Traumhaft!" Ariane schauderte vor Freude. "Bei uns wird's zwar ein bißchen eng, aber das geht schon. Fabi, du kannst mit in meinem Bett schlafen, Anna und Sybille packen wir ins Gästezimmer."
"Ey!" lachte Sybille. "Soll das heißen, daß Anna und ich dick sind?"
"Dicker als Fabi allemal!" kicherte Ariane. Sie streckte ihre Arme aus. "Kommt her!"
Die vier Mädchen rutschten eng zu einem kleinen Kreis zusammen und legten sich gegenseitig die Arme auf die Schultern.
"Wir vier", sagte Ariane ergriffen, "bauen uns eine Welt. Eine Welt, in der wir so leben können, wie wir wollen. Ist euch klar, was das bedeutet?" Ihre drei Freundinnen nickten bewegt.
"Und das soll unser Welt bleiben." Ariane sah die drei Mädchen eindringlich an. "Ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber mir sind die Abenteuer viel wichtiger als Partys oder Weggehen am Wochenende."
"Uns auch!" erwiderten Anna, Fabi und Sybille spontan.
"Ich muß in der Woche eh viel für die Schule tun", meinte Sybille. "Ich bin ja nicht so gut wie ihr. Aber die Abenteuer... Die bedeuten mir alles! Ist schon komisch!" kicherte sie plötzlich. "In Deutsch krieg' ich keinen Aufsatz richtig hin, und hier baue ich eine komplette Stadt mit Wirtschaftskreislauf und Sozialstruktur. Ich hab zwar keine Ahnung, ob das alles echt ist, aber es klappt!"
"Geht mir genauso", meinte Anna leise. "Ich muß kaum was für die Schule tun, das wißt ihr alle. Aber gerade weil ich so gut bin, hängen mir immer irgendwelche Leute am Arsch, die nur was von mir wissen wollen. Ihr drei seid wirkliche Freundinnen für mich."
"Ist bei mir doch nicht anders", tröstete Fabi sie. "Ich bin die Doofe. Die Blonde. Die doofe Blonde. Aber ihr... Bei euch fühl' ich mich nicht nur wohl, es ist - Ich weiß nicht, ich kann's nicht beschreiben!"
"Ich aber." Ariane lächelte verzerrt. "Mich sieht kaum einer an, weil ich so dünn bin. Euch ist das egal. Ihr mögt mich, weil ich so bin, wie ich bin."
"Genau das wollte ich sagen!" rief Fabi aus. "Genau so ist das!"
"Und so soll das auch bleiben." Ariane sah sich im Kreis um. "Wir vier sind Freundinnen. Wir vier sind Heldinnen. Wenn der Gerd wirklich über uns in der Schülerzeitung schreibt, dann werden uns bestimmt viele fragen, ob sie mitmachen dürfen, und damit hätten wir alle möglichen Leute dabei."
"No way!" sagte Sybille bestimmt. "Hier kommt keiner rein!"
"Find' ich auch." Anna nickte entschlossen. "Wir haben uns so prima aneinander gewöhnt, da würden andere nur stören."
"Find' ich auch", meinte Fabi ernsthaft. "Unsere Figuren sind schon so stark und weit, ein Anfänger würde sofort umgeblasen werden. Außerdem passen mehr als vier nicht in mein Zimmer."
"Bei mir ja auch nicht", feixte Ariane. "Abgemacht? Nur wir vier? Und das für immer?"
"Für immer!" Die Mädchen drückten sich kräftig.










Kapitel 2



Auch Fabi hatte sich alle Mühe gegeben, ihr Zimmer ansprechend auszustatten. Es war dunkel, da die Mädchen nur bei geschlossenen Rolläden spielten (im hellen Licht des Nachmittags kann man einfach keine dunklen Stollen stimmungsvoll erforschen!), anstelle der Kerzen hatte Fabi jedoch Öllampen, die einen strengen Geruch verbreiteten. Genau passend zum Thema des heutigen Tages. Verzeihung, der heutigen Fantasy Night.
"Ein paar Worte vorweg", meinte sie, als die vier Mädchen in ihrem Zimmer saßen. "Als erste Neuerung haben wir die Mutproben. Sybille, soll das wirklich nur eine pro Fantasy Night sein? Ich meine, letzte Woche sind wir ja mehrmals beinahe draufgegangen."
"Ich weiß nicht." Unschlüssig sah die 14jährige sich um. "Zu viele sollten das auf keinen Fall werden, sonst kommen wir vor lauter Mutproben gar nicht mehr zum Spielen."
"Sagen wir drei?" schlug Ariane vor. "Jede von uns hat doch mindestens drei gefährliche Gegner im Spiel eingebaut. Mindestens! Bei drei Mutproben bleibt immer noch genug übrig."
"Genau." Anna nickte bekräftigend. "Mehr als genug. Drei klingt okay."
"Gut." Sybille sah sich kurz um. "Also drei pro Fantasy Night. Hast du noch was auf dem Herzen, Fabi?"
"Ja." Die fast 13jährige wühlte kurz durch ihre Unterlagen, dann zog sie ein Blatt heraus. "Wegen der neuen Welten... Ich finde, wir sollten unsere Figuren schlafen schicken, wenn wir eine neue Welt bauen, und wieder mit neuen beginnen. Ich find' das so geil, wenn wir am Anfang so total ungeschickt sind, und dann immer besser und besser werden."
"Find' ich auch", schmunzelte Ariane. "Die Freude, einen neuen Level zu erreichen, ist einmalig."
"Und noch etwas sollten wir nicht vergessen!" Anna sah ihre Freundinnen eindringlich an. "Fabi steht kurz vor dem Meisterrang. Wir anderen sollten bis zu den Osterferien auch so weit sein. Was dann? Irgendwann werden unsere Figuren so stark und perfekt sein, daß eine von uns es alleine mit einer Horde Drachen aufnimmt und locker gewinnt. Na ja, nicht so ganz locker, aber ihr wißt, was ich meine. Wir können doch nicht jede Fantasy Night gegen die stärksten und wildesten Monster und Feinde kämpfen!"
"Genau!" seufzte Fabi. "Ich hab' mich damals, ganz am Anfang, so tierisch gefreut, als meine kleine, schwache Hexe gegen den wildgewordenen Esel kämpfen mußte. Ich hab' zwar geblutet wie ein Schwein am Spieß, aber ich hab' gewonnen!" Sie lächelte entschuldigend. "Das fand ich schöner und aufregender, als wenn ich jetzt gegen eine Horde Monster gewinne."
"Dann machen wir das", nickte Sybille. "Ich war auch immer total begeistert, wenn ich gegen einen kleinen Strauchdieb gewonnen habe. Und heute? Heute muß ich bei vielen Gegnern gar nicht mehr würfeln, weil ich selbst mit einer 1 noch locker gewinne. Anna hat völlig recht. Ich kam mir schon blöd vor, weil ich so starke Gegner eingebaut habe. Aber schwächere hatten ja keinen Sinn!"
"Weißt du noch?" sinnierte Ariane versunken. "Mein erster Kampf gegen die Horde Maulwürfe? Fabi hat ihre ganzen Zauberpunkte verschleudert, um mich zu retten, und du hast ein Wurfmesser nach dem anderen geworfen, aber nur ganz selten getroffen. Und heute machst du das gleiche mit einem Schwert."
"Mit den zwanzigfachen Werten, und jeder Wurf ein Volltreffer." Sybille nickte bedrückt. "Fabi, du hast vollkommen recht. Neue Welten, neue Heldinnen. Die alten heben wir auf, bis wir sie mal wieder brauchen."
"Brauchen wir denn überhaupt Figuren?" fragte Ariane leise. "Ich meine, wir sind doch immer dieselben, egal wie unsere Figuren heißen."
"Wäre schon besser", überlegte Anna. "Wenn wir eine neue Welt fertig haben und zur nächsten gehen, wie willst du das denn dann machen? Es tut mir schon weh genug, meine Arlia nicht mehr zu benutzen, aber wenn ich das bei mir machen müßte, bei meinem eigenen Namen..."
"Vielleicht hast du recht." Ariane lächelte schief. "So kann ich mir mal eine richtig vorlaute und freche Heldin zulegen."
"Wie?" lachte Fabi. "Reicht Sybille noch nicht?"
"Ey, du!" Sybille drohte scherzhaft mit der Faust. "War's das, oder kommt noch mehr?"
"Das war's." Fabi legte ihren Zettel beiseite, dann nahm sie einen Stapel Papier auf, von dem sie einige Blätter ordentlich auf den Boden legte. "Muß noch jemand, bevor wir loslegen?"
"Ich!" Anna sprang auf und lief hinaus.
"Dann warten wir." Fabi richtete die Blätter auf dem Boden ganz sauber aus, dann verklebte sie die Nahtstellen sauber und konzentriert mit Tesafilm. Als alle acht Blätter miteinander verbunden waren, kam Anna zurück. Fabi lief zu ihrem Ghettoblaster und schaltete ihn ein. Dumpfe, bedrückende Musik ertönte.
"Gestern abend", erklärte sie feierlich, als sie wieder bei ihren Freundinnen saß, "habt ihr in der Kneipe gehört, daß das Schloß des Königs von ganz merkwürdigen Gestalten besetzt sein soll. Was für welche, und wie viele, weiß niemand so richtig. Der König bietet eine Belohnung von 5.000 Goldstücken für diejenigen, die sein Schloß befreien und ihm zurückgeben." Die Mädchen tuschelten aufgeregt, denn die Belohnung war die höchste, die sie jemals in einem Spiel bekommen hatten.
"Außerdem", sprach Fabi weiter, als die leichte Unruhe sich gelegt hatte, "bietet er jeder Heldin eine Waffe oder Rüstung aus seiner Waffenkammer." Sie ließ ihren Zettel sinken und sah die Mädchen mit einem aufgeregten Lächeln an. "Nur zwei Menschen wissen, was für Waffen da drin sind: der König und sein General. Aber man flüstert sich zu, daß dort viele magische Waffen sein sollen, die der König früher, als er noch jung war, erobert hat. Viel Glück, meine Heldinnen!"
Die Fantasy Night begann.
Schon nach ein paar Minuten waren die drei Heldinnen auf einem Schiff, das sie zu dem Gebiet brachte, in dem des Königs Schloß stand. Die Reise verlief ohne Störungen. Die Mädchen benutzten die Ruhezeit dafür, ihre Waffen oder Zaubergegenstände einsatzbereit zu machen. Als sie im Zielhafen ankamen, war alles bereit. Fabi führte die Mädchen über eine ganz normale Straße, auf der auch wieder nichts passierte. Das erhöhte die Spannung mehr, als es viele und schwere Gegner getan hätten.
"Wir stehen vor dem Schloß", sagte Anna nun. "Wie sieht es aus?"
"Groß!" antwortete Fabi mit ehrfürchtiger Stimme. "Es erstreckt sich weit nach links und rechts, und es hat sehr dicke Mauern. Genau in der Mitte ist das Burgtor." Sie machte einen kleinen Strich auf den Plan, der auf dem Boden lag, genau ein Kästchen lang, und zwar direkt vorne, am Rand des Blattes. Die Mädchen schluckten, als ihnen die Ausmaße des Schlosses bewußt wurden. Fabis Augen hingegen leuchteten. Dieses Schloß war ihr Meisterstück! Drei ganze Wochen hatte sie über dem Grundriß gesessen, Fallen und versteckte Türen eingeplant, Monster und Feinde verteilt, Schätze und Belohnungen versteckt. Wenn die Mädchen das überlebten, würden sie reich sein. Außerdem hatte Fabi zugesehen, daß ihre Freundinnen am Ende des Spiels, wenn sie es schafften, auch ganz dicht vor dem nächsten Level standen, wie Fabis Figur. Das war etwas, was sich im Laufe der Monate stillschweigend eingeschlichen hatte: da immer nur drei Mädchen spielten, sahen sie zu, daß sie für die jeweilige Spielleiterin auch Belohnungen und Schätze einsammelten. Schließlich waren sie ja Freundinnen.
Es war Ariane, die nach einigen Minuten den versteckten Knopf fand, der das Burgtor herab ließ. Vorsichtig betraten die Mädchen den Innenhof, dessen Ecken Fabi kurz auf dem Plan eintrug. Sybille sah sich um und stellte Fragen, dann waren alle Türen und Durchgänge eingezeichnet.
"Gut", meinte Anna angespannt. "Was sehen wir in dem Hof?"
"Etwa fünf Meter vor euch liegt ein riesiger Werwolf auf dem Boden. Er schläft unruhig und zuckt öfters im Schlaf." Sie reichte den Mädchen einen kleinen Zettel mit den Kampfwerten des Werwolfes. Sybille riß die Augen auf.
"2600 Lebenspunkte?" Die stärkste Heldin hatte gerade mal 194 Lebenspunkte. Fabi nickte aufgeregt.
"Ja. Er ist riesig und fast unbesiegbar. Fast."
Die Mädchen tuschelten kurz und leise, dann schlug Ariane vor, daß sie ganz vorsichtig und leise weiterschlichen.
"Ihr seid jetzt noch zwei Meter von dem Werwolf entfernt", sagte Fabi. Sybille fuhr verärgert auf.
"Wieso das denn?"
"Weil ihr nicht gesagt habt, daß ihr nach rechts oder links schleicht. Ihr seid von dem Burgtor geradeaus gegangen, und in diese Richtung seid ihr auch geschlichen."
"Fuck!" murmelte Sybille. "Wir drehen uns ganz leise um und schleichen drei Meter zurück."
"Pech gehabt. Der Werwolf wittert euch und wird wach. Er greift an. So schnell, daß ihr zwar noch eure Waffen ziehen könnt, aber verteidigen geht nicht mehr. Der erste Schlag trifft euch voll." Sybille verzog frustriert das Gesicht, während Fabi die Würfel rollte.
"37 Trefferpunkte", verkündete sie. "Anna, du gehst vorne, deswegen trifft es dich." Anna nickte bedrückt. Ihre Heldin hatte fast ein Viertel ihrer Lebenspunkte eingebüßt.
"Ich greife mit meinem Lichtschwert an." Sybille griff nach ihren Würfeln und rollte sie. "18. Dreifacher Schaden wegen Lichtschwert, plus 17 Punkte wegen Stärke und Geschick. Macht 71 Trefferpunkte."
Fabi würfelte die Abwehr. "15. Ergibt 56 Trefferpunkte."
Ariane stöhnte. 2600 minus 56! Das konnten sie einfach nicht schaffen! Sie würfelte ihren Angriff, anschließend kam Anna dran. Der Werwolf konnte sich nur einmal verteidigen und mußte daher ihre erwürfelten Punkte mit voller Wucht einstecken. Er verlor weitere 97 Lebenspunkte. Dann griff er wieder an.
Nach einigen Runden war Anna fast erledigt. Ihre Heldin hatte gerade noch 12 Lebenspunkte.
"Mutprobe!" rief sie verzweifelt aus. Fabis Augen leuchteten vor Freude; genau so hatte sie das geplant.
"Kampf gestoppt." Sie griff nach einer kleinen, flachen Schachtel hinter ihr auf dem Boden. Gespannt und aufgeregt sahen die Mädchen zu, wie Fabi langsam den Deckel abhob und die Hand über die nun offene Schachtel legte.
"Ablecken." Sie reichte Anna die Schachtel. Anna nahm sie mit einem mißtrauischen Blick entgegen und sah hinein. Unwillkürlich schüttelte sie sich vor Ekel, denn in der Schachtel war ein dicker, fetter Regenwurm.
"Nein! Das kann ich nicht!"
"Na gut." Fabi zuckte die Schultern. "Der Kampf geht weiter. Der Werwolf -"
"Warte!" Anna atmete tief durch. "Hast du Pfefferminz?"
"Du sollst den nicht essen!" grinste Sybille. "Sondern nur ablecken!"
"Das meine ich ja!" Anna schaute sie wütend an. "Sobald ich das gemacht habe, will ich ein Pfefferminz essen. Ich hab' keine Ahnung, wie ein Regenwurm auf der Zunge schmeckt, und ich will das auch nicht wissen!"
"Ich hab' Pfefferminz." Fabi reichte Anna eine Rolle extra starker Pfefferminzbonbons. Sie waren weich und gefüllt. Anna nahm sie seufzend entgegen, packte eines davon aus und legte es griffbereit vor sich hin, dann schaute sie in die Schachtel. Sie war so flach, daß sie den Wurm nicht anfassen mußte. Zögernd streckte sie ihre Zunge vor und zog sie gleich wieder zurück. Sie schüttelte sich heftig, dann holte sie tief Luft, riß sich zusammen, und leckte schnell über den Wurm, der sich erschrocken zusammenkringelte. Praktisch im gleichen Moment schnappte Anna sich das Bonbon und zerbiß es. Der scharfe Saft verdeckte den Geschmack des Regenwurmes sofort. Sybille und Ariane schauten Anna besorgt an, als diese sich schüttelte wie ein nasser Hund.
"Ist okay", meinte Anna erleichtert. "Ich hab' nichts geschmeckt, und ich schmeck' nichts mehr."
"Gratuliere!" lächelte Fabi. "Der Werwolf ist von eurem Mut so beeindruckt, daß er verschwindet. Er flüchtet aus dem Schloß. Auf seiner Flucht verliert er einen Beutel, der mit einem lauten Klirren auf den Boden fällt."
"Wir untersuchen den Beutel!" rief Ariane aus.
"Ihr findet drei Flaschen mit Heiltränken."
"Wir trinken sie!"
"Jede von euch erhält 150 Trefferpunkte zurück." Die Mädchen atmeten erleichtert auf; damit waren ihre Figuren wieder gut im Rennen. Fabi lächelte still, denn sie hatte noch mehr Heiltränke versteckt. Und weitere Mutproben, denn sie hatte fest damit gerechnet, .daß ihre Freundinnen sich für mehr als eine pro Spiel entscheiden würden.
Gegen acht Uhr hatten die Mädchen fast das ganze Schloß erobert, nur ein kleiner Fleck in der Mitte war noch weiß. Vom Maßstab her entsprach dieser Fleck jedoch mindestens zwei, wenn nicht sogar drei sehr großen Räumen.
"Ihr steht vor dem Festsaal", verkündete Fabi. "Die Tür ist geschlossen, zu hören ist nichts."
"Ich lege mein Ohr an die Tür", sagte Ariane, deren Figur das höchste Talent beim Lauschen hatte. "Was höre ich?"
"Ganz, ganz leises Schnarchen."
"Hm." Ariane sah ihre Freundinnen an. "Was machen wir? Leise auf?"
"Bleibt ja nichts anderes übrig", meinte Anna. "Eine andere Tür gibt es nicht, Fenster auch nicht."
"Gut. Sybille?"
Sybille nickte, ihre Figur hatte das höchste Geschick. "Ich öffne die Tür leise."
"Pech." Fabi zuckte die Schultern. "Selbst dein hohes Geschick kann nicht verhindern, daß die Tür laut quietscht und knarrt, als du sie öffnest. Im Festsaal wird es sehr laut."
"Mist!" Ariane bekam fast Panik. "Was ist da drin?"
Fabi grinste voller Genuß. "Etwa fünfzig Kampfzwerge, die auf euch zu kommen."
"Verfluchte Hacke!" Sybille schüttelte den Kopf, als sie die Kampfwerte für einen Zwerg sah. "Wer ist vorne?"
"Du."
"Zweimal verfluchte Hacke!" Sie atmete tief durch. "Welche Chancen haben wir?"
"Inzwischen keine mehr. Die Zwerge haben euch umzingelt. Ihre Äxte sind noch gesenkt, aber ihre Blicke sind sehr unfreundlich."
"Fünfzig Kampfzwerge!" Sybille sah ihre zwei Mitstreiterinnen verzweifelt an. "Schaffen wir das?"
Beide Mädchen schüttelten traurig die Köpfe. "Zehn oder zwölf ja", meinte Anna. "Mehr nicht. Und das heißt -"
"Wir müßten die Angriffe von 38 Zwergen über uns ergehen lassen, bei einem Trefferwert von 35 pro Schlag. Ohne Verteidigung. Wir sind tot." Ariane schaute traurig auf ihren Zettel.
"Dreimal verfluchte Hacke! Mutprobe!" Sybille sah zu Fabi. "Laß mich bloß keinen Wurm ablecken! Oder du frißt tiefgefrorene Fischstäbchen!"
"Keine Sorge", grinste Fabi. "Vor eurer Abfahrt habt ihr ein weiteres Gerücht gehört. Und zwar sollen Kampfzwerge beim Anblick eines nackten Hinterns die Flucht ergreifen."
"Was?" Sybille sah Fabi fassungslos an. "Ich soll -"
"Du sollst gar nichts", grinste Fabi. "Die Zwerge rücken langsam näher an euch heran. Einer fragt etwas, was ihr nicht versteht, aber seine Stimme klingt sehr böse."
"Ja, ja, schon gut!" sagte Sybille hastig. "Wie lange?"
"Fünfzig Zwerge... Eine Minute sollte reichen, dann hat jeder einen Blick darauf geworfen."
"Na warte!" murmelte Sybille, während sie mit wütendem Gesicht aufstand. "Komm du erst mal in meine nächste Höhle!"
"Ach, komm" beruhigte Ariane sie. "So schlimm ist das doch nicht!"
"Für dich nicht, aber für mich!" fuhr Sybille sie aufgebracht an. "Du weißt genau, daß ich Hemmungen bis obenhin habe, mich vor anderen auszuziehen! Zum Glück ist das hier nicht so hell. Mist, verdammter!"
"Natürlich!" Ariane sah Fabi mit plötzlichem Verstehen an. "Du hast das so geplant!"
"Ja", gab Fabi zu. "Ich hab' mir für jede von euch drei Mutproben ausgedacht, für alle Fälle. Der Zwerg, der euch etwas gefragt hat, wiederholt seine Frage, und er hebt seine Axt. Auch die anderen stellen sich in Angriffsposition."
"Ich mach ja schon!" Sybille nestelte an dem Gürtel ihrer Stoffhose herum. "Eine Minute?"
Fabi stellte ihre Stoppuhr ein. "Ja. Eine Minute. Gebückt, damit die Zwerge auch wirklich alles sehen."
"Ich bring dich um!" Sybille wandte den drei Mädchen den Rücken zu und ließ schweren Herzens Hose und Unterhose sinken. Dann beugte sie sich weit nach vorne. Fabi drückte gleichzeitig einen Knopf an ihrer Stoppuhr.
Zuerst beschämt, dann mit immer größer werdendem Interesse sahen Fabi, Anna und Ariane auf Sybilles entblößtes Hinterteil, und auf den dunklen Schlitz ihres Geschlechtsteiles darunter. Ariane registrierte erstaunt, daß sie plötzlich tiefer und schwerer atmete. Schnelle Seitenblicke zeigten ihr, daß auch Anna und Fabi tief ein und aus atmeten. Die Blicke der drei Mädchen glitten über Sybilles Pobacken, den After, und blieben schließlich an ihrer Scheide hängen. Sie sahen die dicht geschlossenen Schamlippen mit der leichten Wölbung noch oben. Allen drei Mädchen setzte der Anblick mächtig zu, und alle verspürten ein merkwürdiges Kribbeln im Unterleib.
Fabis Stoppuhr piepste. Die drei Mädchen erschraken und blinzelten mehrmals. Sybille richtete sich auf, zog erst die Unterhose, dann die Hose an. Auch ihre Augen hatten ein merkwürdiges Schimmern. Ohne sich weiter aufzuregen setzte sie sich wieder zu den Mädchen. Atemlos und aufgewühlt spielten sie weiter.
"Die Zwerge haben solch große Panik bekommen", sagte Fabi mit schwerer Stimme, "daß sie abgehauen sind. Einige von ihnen haben etwas Gold verloren, das ihr einsteckt. Jede von euch findet 16 Goldstücke." Die Mädchen notierten sich das Gold auf den Spielzetteln ihrer Figuren. Langsam ließ die Aufregung nach, das Spiel schob sich wieder in den Vordergrund.
"Wir gehen langsam durch den Festsaal", sagte Anna. "Fällt uns etwas auf?"
"Nein. Es ist alles ziemlich versaut und schmutzig, aber es liegen keine Schätze herum. Auch keine Fallen. Am anderen Ende des Saales ist eine breite Tür, die zum Thronsaal führt. Sie ist geschlossen."
"Na dann!" seufzte Ariane laut. "Auf zum Endkampf. Jetzt bin ich dran. Ich lege zwei Pfeile auf den Bogen."
"Ich ziehe mein Lichtschwert!"
"Ich nehme den Zauberstab mit Blitzen in die rechte und den Giftdolch in die linke Hand." Anna sah fragend zu Ariane, die schnell nickte. "Ich öffne die Tür, Ariane springt vor und schaut in den Saal."
"Der Thronsaal ist leer." Fabi grinste breit, als die Mädchen sie erstaunt ansahen.
"Leer?"
"Leer. An den Wänden hängen viele dicke Teppiche mit Bildern, fast am Ende des Saales steht der Thron, dahinter ist eine breite Tür, die zur Waffenkammer führt. Und zum Büro des Königs."
"Ich gehe hin und öffne die Tür", sagte Ariane entschlossen. "Was sehe ich?"
"Einen breiten Gang. In der rechten Mauer ist eine Tür zum Büro, am Ende des Ganges ist wieder eine große Tür. Beide sind zu."
"Erst ins Büro." Ariane grinste angespannt. "Das sagte mein Vater immer, wenn ich mal was mit ihm unternehmen wollte."
"Du öffnest die Tür. Du siehst einen großen Tisch mit vielen Papieren und Briefen, einen hohen, bequemen Stuhl, und ein paar Gemälde an der Wand."
"Keine Feinde?"
"Keine Feinde."
"Wir untersuchen das Büro."
"Ihr findet nichts Interessantes."
"Und hinter den Gemälden?"
"Nur Mauer."
"Wir gehen wieder in den Gang und zur letzten Tür. Ich öffne und halte den Bogen bereit." Ariane beugte sich vor. "Was sehe ich?"
"Eine riesige Halle voller Waffen. Viele Holzregale, in denen Schwerter, Säbel, Dolche und Messer liegen. An den Wänden hängen jede Menge Schilde, von kleinen runden bis hin zu großen rechteckigen. In der zweiten Hälfte der Halle liegen Keulen, Morgensterne, Speere, Hellebarden, und magische Waffen. Aber denkt daran: ihr dürft nichts wegnehmen! Ihr müßt erst dem König Bescheid sagen!"
"Das ist viel zu einfach!" murmelte Anna. "Wir untersuchen den Raum gründlich, Meter für Meter, von vorne bis hinten. Jedes einzelne Regal."
"Bingo!" Fabi grinste breit. "Im letzten Regal ganz hinten findet ihr einen Brief." Sie nahm sich einen zweiten Zettel und las ihn laut vor.
"Liebster Freund, auch genannt König der Schatten! In der nächsten Zeit werden viele Abenteurer Euer Schloß betreten und versuchen, es zu befreien. Laßt sie gewähren, denn den geheimen Raum unterhalb der Waffenkammer werden sie niemals finden. Und falls doch... Dann werden sie es nicht überleben. Bald ist unser Plan erfüllt, das Land von Helden zu befreien, und dann sind wir die wahren Herrscher! Ihr und ich, mein Freund! Gemeinsam werden wir erst dieses Land, dann alle anderen unterwerfen, von Küste zu Küste! Unterzeichnet: Gilbor, General der Armee der Schattenkrieger."
"Schluck!" Ariane sah Fabi mit aufgerissenen Augen an. "Da verstecken sie sich also! Wo ist dieser geheime Raum?"
"Das ist geheim!" grinste Fabi. "Sucht halt!"
Konzentriert suchten die Mädchen Stein für Stein ab, bis sie endlich den versteckten Stein hinter einem unscheinbaren, kleinen Schild gefunden hatten. Die drei sahen sich kurz an, dann nickte Ariane.
"Ich drücke gegen den Stein."
"Mit lautem Knirschen öffnet sich eine geheime Tür in der Mauer, zwei Meter links von euch."
"Ich gehe hin und sehe hinein. Was sehe ich?"
"Nichts mehr. In dem Moment, wo du hinein gesehen hast, hat dir ein mächtiger Zauberer die Augen geblendet. Du steckst 100 Schadenspunkte ein und kannst nicht mehr kämpfen."
"Ich ziehe Ariane zurück!" sagte Sybille schnell. "Was sehe ich?"
"Einen Raum voller Zauberer, die auf die Tür zueilen."
"Oh, verdammt!" Anna schaute sich panisch die Werte der Zauberer an. "Wie viele sind das?"
"Zehn. Der erste schießt einen Blitz auf dich. Du kannst etwas ausweichen, steckst aber 50 Schadenspunkte ein."
"Ich greife mit dem Lichtschwert an!" Sybille beugte sich vor und würfelte. "Mist! Nur 32 Punkte!"
"Die übrigen neun Zauberer greifen dich an." Seelenruhig griff Fabi nach ihren Würfeln.
"Mutprobe!" rief Ariane verzweifelt.
"Kampf gestoppt." Fabi sah ihre Freundin an. "Sicher? Du bist doch geblendet!"
"Sicher. Was muß ich tun?"
"Tja..." Fabi schmunzelte versteckt. "Diese Magier gehören zu der Sorte, die Angst vor Pipi hat. Wenn du auf den Boden machst, bekommen sie Panik und zaubern sich weg, weil Pipi die Blitze auf sie zurück wirft."
"Was soll ich?" Ariane wurde feuerrot im Gesicht. "Ich soll auf den Boden machen? Hier? Vor euch?"
"Nein!" lachte Fabi. "Auf dem Klo natürlich! Wir tun so, als würdest du auf den Boden machen. Aber wir sehen zu!"
"Niemals!" Ariane schluckte schwer. "Ich hab' zwar nicht so viel Hemmungen wir Sybille, aber das... Nie!"
"Okay." Fabi griff gleichmütig nach den Würfeln und rollte sie. "Der erste Magier erwischt Sybille mit 60 Trefferpunkten. Der zweite erwischt Sybille mit 48 Trefferpunkten. Der dritte -" Sybille schrie frustriert auf, als ihre Heldin so gut wie tot war.
"Halt!" Ariane zog eine Grimasse und sah zu Boden. "Ich mach's."
"Dachte ich mir." Fabi stand auf. "Gehen wir ins Bad."
Dreißig Sekunden später standen die vier im Badezimmer, das Fabi auch sehr dunkel dekoriert hatte. Denn im Verlauf einer Fantasy Night tranken die Mädchen sehr viel, und das normale, helle Licht im Bad, das sie demzufolge häufig aufsuchen mußten, hätte die Stimmung zerstört.
"Dann mal los", meinte Fabi auffordernd. Ariane stand mit gesenktem Kopf vor dem Becken und machte sich zögernd frei, dann setzte sie sich. Sie mußte sich ziemlich konzentrieren, doch dann ging es. Fasziniert, verlegen und aufgeregt gleichzeitig schauten die drei Mädchen zu, wie die gelbe Flüssigkeit stark aus Arianes Scheide lief. Unwillkürlich rückten die drei enger zusammen, um besser sehen zu können. Wieder veränderte sich ihre Atmung. Auch Arianes Brust hob und senkte sich deutlicher als vorher. Wie von alleine öffneten sich ihre Beine ein kleines Stück mehr. Ihre drei Freundinnen sahen schwer atmend auf die kaum behaarte Scham und den leicht geöffneten Schlitz darunter.
Als der Strom dünner wurde und schließlich verschwand, seufzte Ariane unwillkürlich. Sie machte sich schnell sauber, stand auf, zog sich an und spülte. Ohne ihre Freundinnen anzusehen, ging sie beschämt zur Tür, doch Sybille legte ihren Arm um Arianes Schulter, drückte sie an sich und ging mit ihr in Fabis Zimmer, wo sie sich wieder alle auf den Boden setzten oder legten. Keine hätte es zugegeben, aber alle waren sehr aufgewühlt von dem eben Erlebten.
"Gewonnen!" verkündete Fabi. "Die Magier sehen, was du machst, und zaubern sich weg. Der Raum ist erobert."
"Wir sehen uns gründlich um." Sybille schaute auf den Plan. "Was sehen wir?"
"Eine kleine Kommode, auf der viele Flaschen mit Heiltränken stehen. In einer Wand ist eine Tür. Sie ist verschlossen."
"Wir trinken!"
"Eure vollen Trefferpunkte sind wiederhergestellt, und eure Wunden geheilt."
"Wir untersuchen die Kommode."
"Ihr findet wichtige Dokumente, die den König mit der Schattenarmee in Verbindung bringt, und einen Schlüssel."
"Paßt der in die verschlossene Tür?"
"Ja."
"Wir öffnen die Tür."
"Ihr steht vor einer Treppe, die nach unten führt."
"Wir gehen sie langsam und leise hinunter. Ich geh vor." Sybille nahm einen Stift. "Wie lang ist die Treppe?"
Fabi zeichnete kurz das Ende der Treppe ein. "Ihr steht vor einer breiten, schweren Tür. Dahinter hört ihr metallische Geräusche, als ob Leute kämpfen würden."
"Na Spitze!" stöhnte Anna. "Wer öffnet?"
"Ich." Sybille sah zu Fabi. "Ich öffne die Tür. Ganz schnell. Was sehe ich?"
"Einen Raum voller Wachen. Keine weiteren Türen. Sechs Ritter in voller Rüstung trainieren gerade." Sie verteilte Zettel mit den Kampfwerten.
"Das sollten wir eigentlich schaffen", meinte Sybille. "Wir bleiben vor der Tür stehen, so daß immer nur einer der Ritter durchkommen kann."
"Zwei", verbesserte Fabi sie. "Die Tür ist sehr breit."
"Also zwei!" seufzte Sybille. "Der Kampf beginnt."
Am Ende des Kampfes siegten die Mädchen knapp. Diesmal war Sybille ziemlich fertig, doch dank Fabis Heiltränken waren die Heldinnen schnell wieder auf den Beinen.
"Das war's dann wohl", meinte Ariane erleichtert. "Jetzt zurück zum König."
"Warte!" Anna sah zu Fabi. "Der König steckt also mit den Schattenkriegern unter einer Decke?"
"Genau", lächelte Fabi. "Wenn ihr lebend zurückkommt, wird der König mißtrauisch, denn er kann sich denken, daß ihr alles über ihn wißt."
"Und das heißt?" fragte Ariane voll böser Vorahnung.
"Das heißt", grinste Fabi breit, "daß ihr dann gegen die Schattenkrieger selbst kämpfen müßt. Und die sind echt fies und hart!"
"Och nö!" stöhnte Sybille. "Schau doch mal auf die Uhr, Fabi! Das schaffen wir doch nie!"
"Müßt ihr doch auch nicht", lachte Fabi. "Erst mal müßt ihr den König finden. Das dauert schon drei oder vier Wochen, weil die Zauberer ihm Bescheid gesagt haben, daß ihr sie besiegt habt, und der König hat sich daraufhin versteckt. Aber ihr habt etwas ganz Wichtiges vergessen."
"Ja?" Anna schaute sie fragend an. "Was denn?"
"Das mußt du selbst rausfinden."
"Natürlich!" Ariane schlug Anna auf den Oberschenkel. "Anna, wir können das Schloß besetzen! Wenn der König so ein Schurke ist, darf er nicht länger König sein!"
"Genau!" jauchzte Fabi. "Du hast es! Mit den ganzen Waffen und dem ganzen Gold in der Schatzkammer könnt ihr eine eigene Armee aufstellen und den König mitsamt seinen Schattenkriegern vernichten! Das war es, Leute! Jede von euch bekommt 2000 Erfahrungspunkte, und Ariane noch 100 extra, weil sie drauf gekommen ist! Außerdem steckt sich jede von euch zwei große Beutel voller Gold ein!" Sie verteilte kleine Netze mit Schokoladentalern, in Goldfolie verpackt. "3000 Gold für jede!"
"Wahnsinn!" jubelte Sybille. Sie warf sich auf Fabi und umarmte sie herzhaft. "Ich brauch' nur noch 27 Punkte zum nächsten Level!"
"Ich nur 8!" rief Anna begeistert. "Noch ein winzig kleiner Gegner, und ich hab's!"
"Und ich brauch' noch 77!" Ariane warf sich zu Sybille und Fabi, die nebeneinander auf dem Boden lagen. "Das war einmalig, Fabi! Du hast dir total Mühe gemacht mit dem Schloß! Da stimmte einfach alles! Der Grundriß, die Fallen... Perfekt!"
"Ich fand den Schacht mit den Riesenratten so gruselig." Anna legte sich zu den drei Mädchen auf dem Boden, neben Ariane. "Aber daß unsere Fackeln immer wieder ausgingen, war echt gemein von dir!"
"Mußten sie doch!" grinste Fabi. "Bei dem Durchzug..."
"Jetzt gehört uns ein Schloß." Sybille seufzte sehnsüchtig und drückte Fabi enger an sich. "Wann fangen wir mit der neuen Welt an?"
"Laß uns noch eine Runde bei Anna machen", schlug Ariane vor, die an Fabis anderer Seite lag. "Dann ist der Januar rum. Im Februar können wir dann gründlich planen und vorbereiten, da sollten wir dann vielleicht sogar mit den normalen Fantasy Nights aussetzen."
"Wäre besser", meinte Fabi. "Sonst wird das alles zu eng. Die Fantasy Night vorbereiten, die neue Welt entwerfen... Das wird zu viel, fürchte ich."
"Nicht nur du." Sybille legte ihren Kopf an den von Fabi. "Was machen wir für eine Welt?"
"Eine schöne!" Fabi kuschelte sich an Sybille. "Wir bauen kleine Dörfer ein, in denen wir wohnen können, wenn wir sie befreit haben, damit wir nicht immer in Kneipen übernachten müssen."
"Super!" Ariane schmiegte sich an Fabis andere Seite. "Machen wir dann auch verschiedene Stufen der Erholung? So wie ein Punkt pro Stunde in der Natur, zwei in einer Kneipe, und drei in einem eigenen Haus?"
"Genau so." Anna hockte sich breitbeinig über Fabi und setzte sich auf ihre Beine. Arianes und Sybilles Bäuche drückten gegen ihre Schenkel. "Das können wir auch mit dem Essen machen, Leute! Wenn wir Pakete von zu Hause mitnehmen, wirken die besser, als wenn wir welche aus der Kneipe oder vom Markt kaufen."
"Wird das schön!" seufzte Sybille. "Wir bauen kleine Tempel in die Dörfer, wo Priester sind, die Flüche von uns nehmen können, und große Tempel in die Städte, wo wir wieder zum Leben erweckt werden, wenn wir mal gründlich verlieren."
"Sollen wir das alles eben aufschreiben?" fragte Ariane eifrig.
"Nein!" protestierte Fabi lautstark. "Nicht aufstehen! Ist gerade so gemütlich!" Sie drückte Sybille und Ariane fest an sich.
"Mehr als gemütlich", sagte Anna leise. "Merkt ihr das auch?"
Sybille und Ariane nickten verschämt.
"Es hat sich was verändert", meinte Ariane scheu. "Aber ich find's schön."
"Ich auch." Sybille drehte ihren Kopf zu Fabi. "Du auch?"
"Ja!" hauchte Fabi. "Es ist toll, euch alle so dicht bei mir zu haben."
"Wir haben viel Glück, wißt ihr das?" fragte Ariane in die Runde. "Daß unsere Eltern uns so in Ruhe lassen."
"Da hast du recht." Anna rutschte etwas höher, ihr Po drückte gegen Fabis Schoß. "Wißt ihr noch, wie sie bei unseren ersten Fantasy Nights dabeisaßen und alle möglichen Fragen gestellt haben, was wir da eigentlich machen, woher unsere Rüstungen kommen, warum wir würfeln, anstatt richtig zu kämpfen, und so weiter?"
"Ja", kicherte Sybille. "Bis die kapiert haben, daß wir nur spielen und nichts Gefährliches anstellen, hat's ganz schön gedauert." Sie schaute ihre Freundinnen an. "Klingt vielleicht komisch, aber für mich ist das inzwischen kein Spiel mehr. Kein richtiges, meine ich."
"Für mich auch nicht." Fabi lächelte verlegen. "Ich freu' mich die ganze Woche auf unsere Fantasy Night. Manchmal kann ich nur noch daran denken."
"Genau wie ich", gestand Ariane. "Manchmal - nein, eigentlich sehr oft fällt mir in der Schule was für mein Abenteuer ein, und dann bin ich weg. Zumindest so lange, bis ich das aufgeschrieben hab'."
"Geht mir ganz genauso." Anna zuckte hilflos mit den Schultern. "Zum Glück sind das immer nur zwei, drei Minuten, das kann man schnell wieder aufholen."
"Stimmt." Sybille sah Anna tief in die Augen. "Sag mal... Spürst du auch so ein komisches Kribbeln? Ganz tief unten?"
Anna nickte wortlos.
"Ich auch", flüsterte Fabi.
"Bei mir auch." Ariane stützte sich auf den Ellbogen. "Ich kenn' das nicht, aber es ist aufregend."
"Laß uns nächste Woche darüber reden", schlug Sybille vor. "Oder wir reden gar nicht darüber, sondern freuen uns einfach." Sie grinste schief. "Wißt ihr, daß ich mir immer Schwestern wie euch gewünscht habe?"
"Nicht nur du", schmunzelte Ariane. "Ist schon komisch, was? Wir sind alle Einzelkinder, aber wir hängen zusammen wie Kleister."
"Ich find' das toll!" sagte Fabi ernst. "Bevor ich euch kennenlernte, war ich immer nur für mich und hab' meine Abenteuer für mich selbst geschrieben. Hat natürlich kaum Spaß gemacht, weil ich ja wußte, wie ich die lösen muß."
"Ach ja?" grinste Sybille. "Ich hab' mich anfangs immer selbst beschissen. Beim Würfeln und so, ihr wißt schon. Als ich euch bei der Probe getroffen hab', war ich kurz davor, alles hinzuschmeißen, weil's keinen Spaß mehr machte."
"Wie ich", meinte Anna. "Ich habe mir so viel Mühe mit allem gegeben, und dann war niemand da, der es mit mir spielen wollte. Meine Eltern hatten keine Zeit für so einen Unsinn. Zitat Ende."
"Meine auch nicht." Ariane zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Ich hab' mir extra Fallen einfallen lassen, die ich dann für mich ausgewürfelt habe. Aber richtig Spaß macht's erst mit euch zusammen."
"Uns allen!" lächelte Fabi. "Wißt ihr, daß ich schon ganz heiß bin wegen der neuen Welt? Wollen wir wirklich noch einmal spielen?"
"Ja." Anna nickte entschlossen. "Noch einmal bei mir, dann ist die Runde durch. Außerdem sind Ariane, Sybille und ich dann auch einen Level weiter, denn meine Figur spielt die ersten paar Minuten mit, bevor sie sich ausklinkt. Danach schicken wir unsere Figuren in Urlaub. Wollen wir uns gleich am nächsten Sonntag treffen? Nach dem Abenteuer?"
"Gleich morgens um neun?" Fabi stützte sich auf die Ellbogen. "Bei mir? Wir können runter in den Keller, mein Vater braucht den am Wochenende nicht. Da haben wir einen riesigen Tisch für uns!"
"Stimmt ja!" Arianes Augen wurden groß vor Freude. "Der ist Architekt, nicht?"
"Hm-m!" nickte Fabi aufgeregt. "Der Tisch ist so groß, weil er da immer riesige Pläne ausbreiten muß. Da passen wir alle gut dran."
"Dann gerne." Sybille sah sich kurz um. "Aber wir bringen dann Getränke von zu Hause mit. Nachher erlauben uns Fabis Eltern nicht mehr, daß wir so oft kommen."
"Oder wir fragen unsere Eltern, ob sie uns bringen, und nehmen jede einen Kasten mit", schlug Anna vor. "Dann haben wir Vorrat."
"Das schaffen wir schon", unterbrach Ariane. "Fabi, in der Woche braucht dein Vater den Keller?"
"Ja, ziemlich oft. Leider."
"Dann machen wir das lieber bei uns im Gästezimmer." Ariane sah jedes Mädchen kurz an. "Meine Eltern brauchen das nur an Ostern und zu Weihnachten, wenn Muttis Bruder und seine Frau kommen. Sonst steht das leer. Ich kann das bestimmt haben, und wir müssen unsere Sachen dann nicht jedesmal wieder aufräumen, sondern können sie auch mal ein paar Tage liegen lassen. Da steht zwar nur ein kleiner Tisch drin, aber der müßte reichen."
"Super!" freute Sybille sich. "Wenn's nicht klappt, red' ich mal mit meinen."
"Machen wir dann jetzt Schluß?" fragte Fabi aufgeregt. "Ich will meinen Kontinent bauen!"
"Du baust deinen Kontinent erst nächste Woche!" Sybille warf sich mit grimmigem Gesicht auf Fabi und stieß dabei Anna um, die protestierend auf Ariane fiel. Fabi kicherte hell, als Sybille ihre Nasenspitze an die von Fabi brachte. "Mit uns zusammen! Kapito?"
"Ja!" lachte Fabi fröhlich. "Darf ich denn wenigstens eine kleine Insel bauen?"
"Nein!"
"Einen Strand?"
"Nein!"
"Eine -"
"Nein!"
"Oder -"
"Nein, nein, nein!" Sybille legte sich ganz auf Fabi, die wegen Sybilles Gewicht aufstöhnte. "Du wartest auf uns! Klar?"
"Ja!" ächzte Fabi lachend. "Mußt du mich so quetschen?"
"Ja!" Sybille schaute Fabi gespielt grimmig an. Fabi lachte und versuchte, sich zu befreien, doch Sybille war stärker. Plötzlich lag Fabi ganz still, die Augen auf Sybille gerichtet, die ebenfalls sehr ruhig wurde. Zögernd legte Fabi ihre Arme um Sybille, die ihren Kopf etwas drehte und ihre Wange an die von Fabi drückte. Anna und Ariane sahen gebannt zu, wie die beiden Mädchen kurz miteinander schmusten und sich dann mit etwas roten Gesichtern voneinander lösten. Sybille stand verlegen auf und entdeckte Anna, die ihre Arme ausstreckte. Mit einem schiefen Grinsen ließ sie sich umarmen, während Ariane sich neben Fabi legte und sie drückte.
"Ich freu mich auf die neue Welt", flüsterte Fabi.
"Ich auch." Ariane lächelte verlegen, dann gab sie Fabi einen sanften Kuß, direkt auf den Mund.










Kapitel 3



Den ganzen Februar über planten, zeichneten, malten und schrieben die vier Mädchen. Sie entschieden sich im Vorfeld für ein feudalistisches System, mit einem Kaiser pro Kontinent, einem König pro Land, und weiter unterteilt in Gebiete, regiert von Baronen, Grafen und Bürgermeistern. Abgesicherte, bewachte Handelswege zwischen den großen Städten wurden bestimmt, Warenkreisläufe und Industrien eingerichtet, und sogar ein eigenes Währungssystem eingeführt. Grundpreise für Lebensmittel, Rohstoffe und Fertigprodukte wurden festgelegt, dann gingen sie an die Details wie erhöhte Preise in Hafenstädten oder niedrigere Preise in den Gebieten, aus denen die Waren stammten. Um den Handel zwischen den Kontinenten zu erhöhen, wurden die Rohstoffe geschickt auf die Kontinente verteilt, was auch wieder ein sehr großes Potential für spannende und realistische Fantasy Nights in sich trug.
Die Schule litt nicht darunter; die Mädchen machten erst in aller Eile ihre Hausaufgaben, bevor sie sich trafen. Sie saßen jeden Abend bis mindestens zehn Uhr zusammen und planten, diskutierten, warfen Pläne um und erstellten neue, bis Ende Februar eine Welt entstanden war, deren Grundlagen stimmig waren. Wirtschaft wie Politik wie Religion war berücksichtigt worden, Bündnisse und Fehden schon vorprogrammiert. Doch trotz aller peniblen und sauberen Vorarbeit waren noch Unmengen unerforschter Flecken auf den Landkarten, und somit genug Freiraum für die Mädchen, ihre Abenteuer auszuarbeiten. Bevor sie dies jedoch taten, bauten sie ein neues Wertungssystem auf. Die Figuren der Abenteuer bekamen zusätzliche Eigenschaften wie Schwimmen, Klettern, Tauchen, Springen, Tanzen, Lügen und so weiter, wobei die Herkunft der Figur eine wichtige Rolle spielte. Ein Wüstenbewohner konnte nun mal nicht so gut schwimmen wie jemand, der in der direkten Nachbarschaft von Seen, Flüssen und Meeren aufgewachsen war. Ohne es zu merken, kopierten sie mehr und mehr das System, was sie anfangs als zu zeitaufwendig betrachtet hatten. Was jedoch blieb, war das einfache Kampfsystem. Rüstungen wurden nicht berechnet, ebenso wie das Gewicht, was eine Figur tragen konnte, ohne in der Leistungsfähigkeit behindert zu sein. Jede Figur bekam einen Verteidigungswert, berechnet aus Geschick und Kraft, und ein Gesamtgewicht, was sich aus Kraft und Ausdauer zusammensetzte, und das war's. Bis zu diesem Gesamtgewicht konnte ein Figur Waren und Ausrüstung problemlos tragen, alles was darüber hinaus ging, ließ den Charakter erschöpft und auf der Stelle zusammenbrechen. Außerdem führten sie ein Magiesystem ein, das sich nach den erreichten Stufen der Charaktere richtete und die Zaubersprüche bestimmten Stufen zuordnete.
Und sie änderten das Wertungssystem der Erfahrungspunkte. Waren die Level in den früheren Spielen willkürlich festgesetzt worden, so wurden sie nun fein aufeinander abgestimmt. Ein Zauberer, der jeden Abend seine Bücher las, erhielt am Ende des Abenteuers einige Extrapunkte, genau wie der Kämpfer, der am Lagerfeuer den Messerkampf trainierte. Die Mädchen erschufen verschiedene Klassen mit eigenen Grundwerten, die es zu erreichen galt, wenn eine Figur eine solche Klasse innehaben wollte. Ein Kämpfer mußte stark und gewandt sein, ein Zauberer intelligent, und so weiter. Jede Klasse bekam eine fest definierte Liste mit Erfahrungspunkten, bei deren Erreichen der jeweilige Aufstieg in einen höheren Level möglich war. Was als reines Spiel begonnen hatte, wurde nun tiefer Ernst, doch die Mädchen gingen voll und ganz in ihrer Welt auf. Für sie war es eine reine Freude, die Welt zu planen und aufzubauen.
Am Sonntag, dem 28. Februar, stand die Welt. Voller Eifer gingen die Mädchen an die Erschaffung neuer Spielfiguren und gaben ihren Heldinnen Namen, die eine sehr starke Ähnlichkeit mit ihren richtigen Namen erkennen ließen. Arianes Elfenfigur hieß Arina, die Kämpferin von Sybille Ybli, Annas Mischfigur aus Hexe und Wissenschaftlerin war A'Na, und Fabi nannte ihre neue Hexe Biola. Obwohl Anna die letzte Runde vor der Pause geleitet hatte, war nun wieder sie an der Reihe, denn die Mädchen einigten sich auf eine neue Reihenfolge, nach den Anfangsbuchstaben des Vornamens. Anna, Ariane, Fabi, Sybille. Anna ging gleich mit Feuereifer daran, ihre erste Geschichte für die neue Welt zu schreiben. Nach weniger als einer halben Stunde war sie fertig damit, weil es nur eine kleine Geschichte für brandneue, schwache Figuren war, die ihre ersten Erfahrungen sammeln sollten. Die anderen drei Mädchen schauten sie gespannt an, als Anna langsam und unsicher auf sie zukam.
"Verzeiht mir", sagte sie mit brüchiger Stimme. "An Eurer Kleidung kann ich erkennen, daß Ihr Abenteurer seid. Könntet Ihr einer alten Frau vielleicht helfen?"
"Mit dem größten Vergnügen", kicherte Fabi aufgeregt. "Was für ein Problem habt Ihr?"
"Ich nicht, aber meine Tochter. Sie lebt in dem Dorf hinter dem Wald und soll gegen ihren Willen verheiratet werden."
"Wir helfen ihr!" sagte Sybille entschlossen. "Wie finden wir sie?"
Anna beschrieb das Aussehen ihrer Tochter, dann machten die drei Mädchen sich auf den Weg. Im Wald selbst trafen sie einen Jäger, der ihnen verriet, daß die junge Frau, der die Mädchen helfen sollten, wohl unter magischem Einfluß stehe. Also offenbar eine Aufgabe für Fabi und Ariane, deren Figuren beide über Magie verfügten.
Im Gegensatz zu dem letzten Spiel waren die Figuren richtig ärmlich ausgestattet. Sie hatten nur ein paar Kupfermünzen, um sich etwas zu essen zu kaufen, und mickrige Waffen. Ariane hatte einen selbstgebauten Kurzbogen, aus Zweigen geschnitzte Pfeile, die überall hinflogen, nur nicht dahin, worauf sie zielte, und ein schartiges Küchenmesser. Sybille hatte einen schmalen Säbel, der rostig und schief war, und Fabi kannte gerade mal zwei Zaubersprüche: "Licht" und "Stroh anzünden".
Aber gerade das war das Aufregende daran. Die Erfahrung, die die Mädchen in den früheren Spielen gesammelt hatten, machte ihnen deutlich, daß nun eine neue Welt mit neuen Figuren vor ihnen lag, und das war mindestens so aufregend wie das allererste Spiel. Nur daß sie jetzt natürlich wesentlich gewitzter und die Abenteuer ausgefeilter waren.
Sie erreichten das Dorf, dessen Plan Anna vor sie legte. Die Mädchen fragten sich durch, klopften an jede Tür, bis fast jedes Haus mit Notizen versehen war. Endlich standen sie vor dem letzten Haus des Dorfes.
"Was wollt ihr?" fragte Anna mit tiefer Stimme, die einen barschen Mann darstellen sollte.
"Luni", erwiderte Sybille knapp. Luni war der Name der Frau, der sie helfen sollten.
"Sie ist nicht zu sprechen. Verschwindet." Anna grinste. "Er schlägt die Tür zu."
"Ich stelle meinen Fuß dazwischen!" sagte Sybille schnell.
"Und das tut weh!" grinste Anna hämisch. "Du mußt einen Trefferpunkt abziehen, aber die Tür ist wenigstens nicht zu. Der Mann reißt die Tür wieder auf und hebt die Hände. Er malt merkwürdige Muster in die Luft."
"Feuerstrahl!" rief Fabi, und wurde gleich darauf rot. "Ähm - den kenn' ich ja noch gar nicht! Tut mir leid!"
"Ich schlage mit dem Säbel zu!" rief Sybille.
"Der Mann dreht sich schnell weg. Du schlägst vorbei."
"Mist!" Aufgeregt wackelte Sybille hin und her. "Das hat man davon, wenn man Anfänger losschickt!"
"Ich steche mit dem Messer zu!" sagte Ariane schnell. Anna nickte.
"Du triffst ihn in den linken Unterarm. Der Mann bekommt einen Schadenspunkt."
"Einen!" stöhnte Ariane. "Das hab' ich früher mit Pusten geschafft!"
"Der Mann hebt seine rechte Hand. Euch wird etwas schwindelig."
"O nein!" jammerte Fabi. "Wir müssen den ablenken, besiegen können wir den noch nicht!"
"Aber wie?" fragte Sybille nervös.
"Wie lenkt man Männer ab?" schmunzelte Ariane. "Ich tanze!"
Anna nickte grinsend. "Der Mann läßt seine Hand sinken und schaut dir zu."
"Ich tanze weiter."
"Er schaut weiter zu, behält Fabi und Sybille aber im Auge."
"Ich tanze immer noch."
"Er schaut immer noch zu, achtet aber weiter auf Fabi und Sybille."
"Das dauert ja ewig!" schnappte Sybille. "Ariane, lenk' ihn richtig ab! Laß ihn was sehen!"
Ariane nickte entschlossen. "Ich ziehe mein Hemd aus."
Anna blieb still sitzen und sah Ariane nur an. Ariane schaute fragend zurück, dann kapierte sie. Sie wurde feuerrot.
"Ich - ich soll - du willst..."
Anna nickte schweigend. Ariane schaute in die Runde. Fabi und Sybille nickten schnell. Mit glühendem Gesicht stand Ariane auf, zog sich das Hemd aus der Hose und knöpfte es zögernd auf.
"Der Mann sieht dir ganz aufmerksam zu", sagte Anna leise. "Nur noch ganz selten schaut er zu Sybille und Fabi."
"Ich ziehe mein Hemd aus", flüsterte Ariane. Sie öffnete das Hemd und ließ es zu Boden gleiten. Mit großen Augen schauten Sybille, Anna und Fabi auf Arianes sprießende Brüste, die kaum mandarinengroß waren.
"Tanz!" sagte Anna leise. "Tanz für uns!"
Ariane bewegte sich unsicher im Takt einer unhörbaren Musik. Erst als sie die Augen schloß, wurden ihre Bewegungen geschmeidiger und wirkungsvoller. Die drei Mädchen hielten den Atem an. Ariane tanzte, als würde sie ein sehr gefühlvolles, ruhiges Lied hören. Die Stimmung in dem Zimmer war sehr angespannt.
Anna riß endlich ihre Augen von Arianes kleinen Brüsten los. "Der Mann streckt seinen Kopf weit aus der Tür heraus", sagte sie mit belegter Stimme.
"Ich schlag' zu!" Auch Sybilles Stimme klang rauh.
"Geschafft!" rief Anna aus. "Du hast ihn getötet und Luni befreit!"
"Wow!" Ariane bückte sich und hob ihr Hemd auf, das sie schnell anzog. Ihre Augen schimmerten merkwürdig. "Leute, war das aufregend!"
"Hat's dir gefallen?" fragte Sybille verblüfft.
"Das Tanzen? Ja." Ariane lächelte verlegen. "Ich hab' mich zwar total geschämt, aber plötzlich war das weg. Dann ging's mir nur noch richtig gut."
"Es hat auch richtig toll ausgesehen", sagte Anna leise. "Ich war total begeistert von dir."
"Ich auch!" riefen Sybille und Fabi fast gleichzeitig.
"Danke." Ariane wurde wieder rot, diesmal jedoch vor Freude. "Wie stehen wir jetzt?"
"Was? Ach ja!" Anna grinste dümmlich und nahm ihren Zettel auf. "Also: für das gewonnene Abenteuer erhält jede von euch 25 Erfahrungspunkte. Ariane bekommt 10 extra, und Luni schenkt jeder von euch einen Silbertaler."
"Cool!" quietschte Fabi ausgelassen. "Unser erstes Geld! Gehen wir einen saufen!"
"Nein!" rief Sybille über das Lachen hinweg. "Erst das Haus durchsuchen!"
"Sehr gut!" sagte Anna voller Respekt. "Beinahe hättet ihr es verpaßt. Ihr findet..." Sie sah auf ihren Zettel. "Einen schönen Kurzbogen, 3 Trefferpunkte, mit Ersatzsehne, Pflegeöl, und einem Köcher mit fünfzig Pfeilen. Außerdem zwei schlanke Dolche, jeweils 2 Trefferpunkte, und einen brandneuen Säbel, 3 Trefferpunkte. Fabi findet ein Zauberbuch und lernt die Sprüche 'Regen' und 'Sonne'. Regen kosten einen Zauberpunkt, Sonne zwei. Und ihr findet noch 10 Goldstücke, die Luni gehören."
"Die geben wir ihr zurück", sagte Fabi großherzig.
"Luni schenkt sie euch aus Dankbarkeit." Anna ließ ihren Zettel sinken. "So, dann verteilt mal alles gerecht."
"Gar kein Problem!" grinste Sybille. "Ich nehm' den Säbel, Fabi kriegt ihre Zaubersprüche und einen Dolch, und Ariane bekommt den Bogen, die Pfeile, und den zweiten Dolch. Fabi und ich bekommen drei Goldstücke, Ariane vier. Weil sie so mutig war."
"Den Dolch bekommst du", sagte Ariane zu Anna.
"Nicht nötig. Du kannst mich in deinem nächsten Abenteuer versorgen."
"Das werde ich", versprach Ariane mit einem Funkeln in den Augen.
"Ach ja!" rief Fabi aufgeregt. "Sollen wir das ab jetzt so machen wie Ariane? Ich meine, daß wir bestimmte Sachen in echt machen?"
"Kommt drauf an", erwiderte Sybille zögernd. "Ganz ausziehen werde ich mich auf gar keinen Fall!"
"Schauen wir doch einfach mal", meinte Ariane. "Wir haben ja immer noch die Mutprobe, wenn's zu schlimm wird."
"Genau", stimmte Anna zu. "Ich hab' wirklich gedacht, daß Ariane zur Mutprobe greift, aber daß sie sich echt das Hemd auszieht... Total mutig von dir!"
"Halb so wild", wehrte Ariane geschmeichelt ab. "War nur erst ungewohnt, weil ich mich sonst nur beim Sport vor anderen ausziehe, und das macht mir nichts aus. Von mir aus können mehr so Sachen kommen."
"Na schön!" Fabi klatschte in die Hände. "Der nächste Level ist bei 500, richtig?"
"Genau. Erst ab Stufe 7, der Expertin, trennt sich das. Dann steigen die Kämpfer schneller auf, aber die Hexen, Elfenmagier und Zauberer können höhere Stufen erreichen, damit ihre Kampfkraft genauso groß wird wie die der Kämpfer. Gleicht sich am Ende alles aus."
"Klasse! Ari, wie sieht's bei dir am Samstag aus? Können wir bei dir schlafen?"
"Sicher." Ariane nickte spontan. "Meinen Eltern macht das nichts aus. Nur wenn ihr zum Mittagessen bleiben wollt, sagt vorher Bescheid, weil sie dann etwas mehr einkaufen müssen."
"Und du hast bis Samstag das Abenteuer fertig?"
"Garantiert." Ariane lächelte verschmitzt. "Und da werde ich mich furchtbar rächen! Für die Toilette, und für das Tanzen gerade."
"Oh-oh!" lachte Sybille. "Zieht euch warm an, Mädchen!"
"Wohl eher das Gegenteil", erwiderte Anna mit einem Seitenblick auf Ariane, die still vor sich hin lächelte.



Die Woche über bastelte Ariane an ihrem Abenteuer, das sie ihren Freundinnen am nächsten Samstag mit folgenden Worten präsentierte:
"Erst mal 'ne Einleitung. Unsere Figuren sind noch sehr schwach, aber wir haben durch unsere Fantasy Nights sehr viel Erfahrung. Deswegen habe ich ein Abenteuer in mehreren Teilen geschrieben, damit wir nicht schon in zehn Minuten fertig sind. Anna, Sybille, ist es okay, wenn Fabi meine Arina führt? Ich hab' nämlich so viele Erfahrungspunkte eingebaut, daß ihr am Ende des Abenteuers den zweiten Level erreicht. Natürlich nur, wenn ihr es schafft."
"Tja...", meinte Anna. "Wie soll das gehen?"
"Wie sonst auch, nur daß Fabi eben zweimal angreift. Einmal mit ihrer Biola, und dann mit meiner Arina. Wenn Fabi das möchte, heißt das."
"Klar!" rief Fabi mit leuchtenden Augen. "Ich schieß' gerne mit dem Bogen!"
"Eigentlich 'ne gute Idee", überlegte Sybille. "Das könnten wir doch am Anfang machen, oder, Anna? Ich meine, bis wir Expertinnen sind."
"Hm-m", nickte Anna nachdenklich. "Das würde uns helfen, immer auf dem gleichen Level zu sein. Später ist das nicht so wild, weil die Level viel weiter auseinander sind. Von den Punkten, meine ich." Sie sah zu Ariane. "Ist okay. Machen wir. Fabi, traust du dir das zu?"
"Sicher!" erwiderte Fabi entrüstet. "Arina kann ja auch etwas zaubern! So schwer wird das nicht."
"Danke." Ariane lächelte Fabi an. "Hier, mein Spielzettel." Sie gab Fabi das Blatt, auf dem die Werte ihrer Figur standen. Fabi machte sich kurz mit Fähigkeiten und Schwächen vertraut, dann nickte sie.
"Hab's."
"Toll. Ich danke dir." Sie sah ihre Freundinnen an. "Dann wollen wir mit der heutigen Fantasy Night beginnen.
Nach der Rettung von Luni", begann sie ihre Einführung in das heutige Abenteuer, "ist euer Name sehr bekannt geworden. Es hat sich erst später, als dieser böse Zauberer schon tot war und ihr sein Haus als Wohnsitz übernommen habt, herausgestellt, daß er viele junge Frauen belästigt hat. In den Tagen nach Lunis Befreiung habt ihr Geschenke über Geschenke bekommen. Meistens Lebensmittel und Getränke, aber auch Bücher und Waffen. Anna findet unter den Büchern eines, aus dem sie den Spruch 'Holz zu Eisen' lernt."
"Wow!" rief Anna überwältigt. Ihre Figur war eine Mischfigur: Hexe und Wissenschaftlerin. Das bedeutete, sie konnte die Fähigkeiten beider Charakter kombinieren und somit auch chemische Transformationen durchführen, die Fabi niemals hexen konnte.
Ariane lächelte herzlich. "Der Spruch kostet allerdings 25 Zauberpunkte."
"Oh!" Annas Gesicht verzog sich enttäuscht. Sie hatte derzeit gerade mal 8 Zauberpunkte. Doch als Ariane ihr zuzwinkerte, verbesserte sich ihr Laune schlagartig. Es gab ja Zaubersprüche auf Schriftrollen, die bestimmte Fähigkeiten für einen kurzen Zeitraum immens steigerten. Spannung machte sich breit.
"Sybille findet unter all den Geschenken ein sehr leichtes, aber höllisch scharfes Kurzschwert, 5 Trefferpunkte, und einen kleinen Schild, Verteidigung plus Zwei."
"Boah!" staunte Sybille. "Cool!"
"Fabi findet zwei Zaubersprüche. 'Holzpfeil' und 'Nebelsicht'. Beide kosten je 2 Zauberpunkte."
Anstatt sich zu freuen, zögerte Fabi. "Sind das Zaubersprüche für Hexen?" fragte sie.
"Auch. Hexen, Zauberer und Elfen können das lernen."
"Aha." Sie überlegte kurz. "Dann lerne ich Nebelsicht. Den Holzpfeil schenke ich dir."
"Das ist lieb!" freute Ariane sich. "Schreiben wir das mal eben alles auf."
Die Mädchen notierten sich ihre neuen Waffen und warfen anschließend die alten, rostigen weg. Dann sahen sie erwartungsvoll auf Ariane.
"Wie gesagt" fuhr diese fort, "ist euer Ruf gestiegen. Ihr erhaltet viele Angebote, aus denen ihr ein ganz bestimmtes auswählt." Sie legte ihren ersten Zettel mit der Schrift zum Boden ab und griff nach dem zweiten. Die Spannung der drei Mädchen stieg noch mehr an. Die lange Einleitung ließ auf ein sehr komplexes Abenteuer schließen.
Ariane redete weiter. "Ein junger, reicher Kaufmann namens Digo liebt eine junge Frau namens Tena. Und sie liebt ihn auch, doch ihre Eltern wollen sie lieber mit dem Bürgermeister verheiraten. Tena hat sich deswegen vor vielen Wochen nachts aus dem Haus geschlichen, ist zu Digo gelaufen und hat ihn gebeten, ihr Geld zu geben, damit sie sich eine Weile verstecken kann. Das hat er auch getan. Tena ist danach verschwunden. Digo hat noch einen Brief von ihr bekommen, daß sie glücklich und sicher in Gonto - der Hafenstadt - angekommen ist, und seitdem hat er nichts mehr von ihr gehört." Sie ließ ihren Zettel sinken.
"Eure Aufgabe ist, Tena zu suchen und zu Digo zurückzubringen. Digo gibt euch als Vorschuß einen Beutel Gold mit 100 Goldstücken und die Adresse eines befreundeten Händlers in Gonto. Bei dem könnt ihr wohnen, während ihr in Gonto nach Tena sucht. Viel Glück."
"Wow!" Anna sah Ariane anerkennend an. "Das klingt wie in echt!"
"Soll es ja auch", schmunzelte Ariane. "Wie fangt ihr an?"
"Wir packen Essen ein und reisen ab", sagte Sybille.
"Warte!" meldete Fabi sich. "Wir sollten zuerst mit Tenas Eltern reden. Vielleicht wissen die etwas."
"Wieso? Die haben Tena doch vergrault!"
"Trotzdem", beharrte Fabi. "Es sind ihre Eltern, und sie machen sich bestimmt Sorgen. Vielleicht haben sie ja inzwischen kapiert, daß Tena Digo heiraten will." Sie sah zu Ariane. "Wir reden mit ihren Eltern."
"Gut gedacht!" lobte Ariane sie. "Von ihren Eltern erfahrt ihr, daß sie Verwandte in Gonto haben, bei denen Tena vielleicht wohnt. Auch sie wollen Tena wiederhaben, und sie bieten euch 50 Goldstücke an, wenn ihr Tena zurückbringt. Außerdem könnt ihr vier Pferde geliehen haben."
"Geil!" freute Anna sich. "Super Idee, Fabi! Klasse!"
Die fast 13jährige freute sich ungemein. "Dann auf!" sagte sie mit leuchtenden Augen. "Wie lange brauchen wir mit den Pferden bis Gonto?"
"Sechs Tage. Ihr kommt um die Mittagszeit in Gonto an. Wo geht ihr hin?"
"Zu den Verwandten", sagte Fabi.
"Zu dem Händler", sagte Sybille gleichzeitig.
"Zum Friseur", lachte Anna. Die Mädchen kicherten fröhlich, dann gab Fabi nach.
"Erst zum Händler."
"Okay. Der Händler bietet euch an, die Pferde bei ihm zu lassen, während ihr in Gonto nach Tena sucht. Er weiß aus Digos Briefen, wie Tena aussieht, und er glaubt, sie einmal in einer Kneipe am Hafen gesehen zu haben, als er dort mit einem Kapitän geredet hat. Die Kneipe heißt 'Seglers Kunst' und ist Treffpunkt aller möglichen Seeleute, von Kapitänen bis zu Piraten."
"Cool!" freute Sybille sich. "Piraten plattmachen!"
"Langsam!" lachte Fabi. "Erst mal ausquetschen, dann plattmachen."
"Na gut", grinste Sybille. "Kann der Händler uns noch mehr sagen?"
"Nicht viel. Er gibt euch zwei Zimmer, in denen ihr wohnen könnt, und sagt, daß er euch hilft, wo er nur kann, denn er ist Digo zu Dank verpflichtet, weil Digo ihm geholfen hat, als er mal Geldprobleme hatte."
"Ein Verbündeter", murmelte Anna und notierte sich dies auf einem Blatt Papier. "Gut. Dann gehen wir jetzt zu Tenas Verwandten."
"Deren Haus ist leer." Ariane lächelte fein. "Sie sind weggezogen."
"Aha?" Sybille sah Ariane überrascht an. "Weiß jemand, wohin?"
"Keine Ahnung", grinste Ariane.
"Ah so. Schön. Wir klappern die Nachbarn ab."
"Niemand weiß, wo sie sind. Abends waren sie noch da, morgens war alles weg."
"Dann zur Kneipe." Fabi zog eine Grimasse. "Hoffentlich haben die was gesehen!"
"Die Kneipe ist sehr sauber und groß, mit etwa dreißig Tischen. Viele Tische sind besetzt, mit drei bis vier Leuten. Im hinteren Teil sind zwei große Tische, an denen jeweils neun oder zehn Leute sitzen. An den Wänden hängen Gemälde von Schiffen und berühmten Seefahrern. Der Boden besteht aus dicken, dunklen Holzbrettern. An der linken Wand ist die Theke. Der Wirt steht dahinter und schaut euch an."
"Wahnsinn!" flüsterte Anna ehrfürchtig. "Ariane, du bist Spitze! Hast du jedes Gebäude so detailliert ausgebaut?"
"Fast", lächelte Ariane schüchtern. "Was macht ihr?"
"Wir gehen zum Wirt." Fabi setzte sich bequemer hin. "Wir fragen, ob er Tena gesehen hat."
"Hat er. Er sagt, daß sie mit einem Reeder gesprochen hat, der im Moment aber nicht in der Stadt ist. Der soll in vier Tagen wiederkommen."
"Vier Tage!" stöhnte Sybille. "Weiß er etwas von Tenas Verwandten?"
"Ja. Sie sollen auf eine Insel gefahren sein. Tenas Onkel ist Schmied, und auf der Insel wurde ein neuer Schmied gebraucht."
"Wie lange brauchen wir zu dieser Insel?"
"Zwei Tage mit dem Schiff, das fährt aber nur Dienstags und Freitags. Heute ist Donnerstag."
"Na toll." Anna zog eine Grimasse. "Wenn wir zur Insel fahren, verpassen wir den Reeder. Bleibt der in der Stadt, wenn der wiederkommt?"
"Schwer zu sagen. Es kann sein, daß er bleibt, es kann aber auch sein, daß er gleich in die nächste Stadt reitet."
"Dann warten wir", entschied Fabi. "Die Insel läuft uns nicht weg." Sybille und Anna stimmten sofort zu.
In den nächsten dreißig Spielminuten erfuhren die Mädchen von dem Reeder, daß er für Tena eine Passage auf einem Schiff zu einer Inselgruppe vorbereitet hatte, doch Tena war nicht mitgefahren. Statt dessen hätte sie sich in einem der Pferdeställe ein Pferd gemietet, um nach Norden zu reiten. Tenas Verwandte, die sie anschließend aufsuchten, wußten auch nur, daß Tena schon immer vom Norden geschwärmt hatte, weil dort die Elfen des Eises lebten, die sie gerne einmal kennenlernen wollte.
"Deshalb!" rief Anna aus. "Deswegen sollte Fabi deine Arina führen?"
"Genau", grinste Ariane. "Ohne meine Elfe würden die Eiselfen gar nicht mit euch reden."
"Boah, bist du hinterhältig!" lachte Sybille. "Das ist so geil, Ari! Das ist das beste Abenteuer, was wir jemals hatten!"
"Ganz meine Meinung", sagte Anna überzeugt. "So etwas von ausgefeilt... Einfach Spitze!"
"Und ganz schon verzwickt", grinste Fabi. "Aber wir schaffen das!" Plötzlich stutzte sie. "Warte mal! Wenn die Eiselfen nicht mit uns reden, wieso reden die dann mit Tena?"
"Das müßt ihr herausfinden", lächelte Ariane. "Was macht ihr?"
"Wir gehen zum Händler und fragen ihn nach den Eiselfen."
"Er weiß nicht viel über sie, nur daß sie sehr zurückgezogen leben und einen Handel mit Fellen treiben. Außerdem verjagen sie jeden, der nicht zu ihnen gehört. Menschen sind dort gar nicht gern gesehen."
"Das wird ja immer komplizierter!" seufzte Sybille. "Wir kaufen uns warme Kleidung. Und dann auf nach Norden!"
Es wurde kurz notiert, wer was kaufte, dann ging es weiter.
"Ihr braucht zwölf Tage bis zum Gebiet der Eiselfen. Eine Gruppe von zehn Elfen hält euch auf und fragt euch, was ihr wollt."
"Arina erklärt ihnen, daß wir Tena suchen", sagte Fabi stolz.
"Der Anführer der Elfen erklärt, daß Tena bei ihnen war, aber wieder abgereist ist."
"Mann!" Sybille blickte wütend drein. "Und wohin?"
"Das verrät er nicht."
"Arina bittet ihn ganz lieb und nett."
"Er überlegt."
Fabi knabberte an ihrer Unterlippe. "Arina erklärt ihm nochmal, warum wir Tena suchen, und daß Digo sie wirklich liebt."
"Er gibt nach. Er erzählt euch, daß Tena zu den Waldelfen gereist ist, die etwa sieben Tage entfernt leben."
Anna legte die Stirn in Falten. "Die treibt sich ganz schön viel bei den Elfen rum."
"Vielleicht hat sie ihre Gründe", lächelte Ariane verschmitzt. "Oder sie macht einfach Urlaub. Oder sie -"
"Ja, ja!" sagte Anna genervt. "Schon gut!" Ariane kicherte leise.
"Wir reiten zu den Waldelfen", schlug Fabi vor.
"Nach einer Woche kommt ihr dort an und werdet freundlich empfangen."
"Wegen Arina?" grinste Fabi. Ariane nickte.
"Genau."
"Was wäre denn passiert, wenn wir Arina nicht zugelassen hätten?" wollte Anna wissen.
"Dann hättet ihr die Waldelfen auch gefunden, aber nicht so schnell. Was macht ihr?"
"Wir reden mit den Elfen und fragen sie nach Tena."
"Ihr erfahrt, daß Tena vier Wochen bei den Waldelfen gelebt hat und dann weitergezogen ist."
"Mann!" stöhnte Anna. "Die ist ja mehr unterwegs als meine Mutter!" Die Mädchen, die die unternehmungslustige Mutter von Anna kannten, lachten laut. "Und wohin ist sie?"
"Zu einem Einsiedler in den Bergen östlich von hier, etwa drei Tage entfernt."
"Und wieder auf die Pferde", seufzte Fabi. "Mein Hintern ist schon ganz wund!"
"Langsam!" kicherte Sybille. "Erfahren wir noch etwas von den Elfen?"
"Ja. Ein Elfenmädchen bittet euch, Tena in Ruhe zu lassen. Warum, sagt sie aber nicht."
"Hm." Anna blickte skeptisch auf Ariane. "Will sie Digo nun heiraten oder nicht?"
"Keine Ahnung", grinste Ariane. "Frag' sie das, wenn du sie gefunden hast."
"Na schön." Anna sah auf ihren Zettel. "Unsere Lebensmittel sind fast alle. Bekommen wir bei den Elfen neue?"
"Ja, wenn ihr ihnen etwas Eisen gebt. Ihr Vorrat ist alle, aber da gerade Jagdzeit ist, kann niemand in die Stadt reiten und neues kaufen. Menschen dürfen im Elfenwald nicht jagen."
"Aha. Also mein Job. Ich hab' aber nicht genug Zauberpunkte."
"Ich weiß", schmunzelte Ariane.
"Au warte!" stöhnte Fabi. "Jetzt mal ganz langsam! Wir müssen zu dem Einsiedler ins Gebirge. Wir müssen Tena finden. Wir müssen sie zu Digo bringen. Und zu ihren Eltern. Wir müssen Eisen besorgen. Anna braucht Zauberpunkte. Unsere Lebensmittel reichen noch für einen Tag. Jagen dürfen wir hier nicht, weil die Elfen das nicht erlauben. Hilfe!" Die Mädchen lachten fröhlich.
"Können wir irgendwas für die Elfen tun?" fragte Sybille nachdenklich. Ariane nickte eifrig.
"Oh ja! Im Westen des Waldes lebt ein Trupp gefährlicher Menschenaffen, von denen die Elfen immer wieder angegriffen werden. Da beide Seiten ungefähr gleich stark sind, kommt es immer wieder zu Opfern, aber keine Seite kann richtig gewinnen." Sie verteilte kleine Zettel. "Es sind etwa siebzig Affen."
"Siebzig!" Sybille riß die Augen auf. "Wir sind vier Heldinnen auf Level 1! Da gehen wir doch bei drauf!"
"Richtig." Ariane lehnte sich schmunzelnd zurück. "Die Elfen sind mit ihrer Jagd beschäftigt und können euch leider nicht helfen."
"Leider!" knurrte Anna. "Das hast du so geplant!"
"Natürlich!" lachte Ariane hell. "Ich sagte doch, daß ich mich rächen werde!"
"Du Biest!" Sybille seufzte. "Mutprobe?"
"Nicht unbedingt." Ariane hatte ihren Heidenspaß.
"Was heißt das?"
"Tja..." Ariane kam wieder nach vorne. "Die Elfen verraten euch, daß die Affen eine Schatztruhe besitzen, die nur ein Wissenschaftler öffnen kann. Alle anderen bekommen einen elektrischen Schlag mit 50 Schadenspunkten."
"Schluck!" Fabi machte große Augen. "Das würde jede von uns zu Asche verbrennen!"
"Jeden außer mich." Anna lächelte dünn. "Schaffe ich das ohne Mutprobe?"
"Möglich."
Anna atmete tief durch. "Ich mach's."
"Toll!" freute Ariane sich. "Ihr schleicht euch an das Gebiet der Affen heran und spioniert sie aus. Es sind ganz merkwürdige Affen, denn sie haben kein Fell. Sie sehen aus wie nackte Menschen. Nur ihre Gesichter sind die von Affen." Annas Augen verengten sich, als sie verstand, was auf sie zukam. "Die meisten liegen faul am Boden und sonnen sich, nur ein paar tollen herum und kämpfen spielerisch miteinander. Mitten in den ganzen Affen steht eine große Truhe, die kein Schloß hat."
Alle Augen richteten sich auf Anna, die langsam nickte und Ariane in die Augen sah. "Deine Eltern kommen nicht hoch?"
"Nein", sagte Ariane leise. "Garantiert nicht."
"Na gut." Anna seufzte tief. "Ich ziehe mich aus und spiele Affe." Sie stand auf, von den anderen gebannt beobachtet, und zog ein Kleidungsstück nach dem anderen aus, bis sie nur noch ihre Brille anhatte. Sechs Augen glitten forschend und neugierig über ihren kräftigen Körper, der oben herum etwas weiter entwickelt war als der von Ariane. Doch auch sie hatte nur ganz wenig Haare auf der Scham.
"Ich tue so, als wäre ich ein Affe", sagte sie leise und mit brennendem Gesicht, "und arbeite mich an die Truhe heran." Sie ging wie ein Affe, wackelte mit den Schultern, grunzte leise und torkelte durch das Zimmer, von den drei anderen Mädchen gespannt beobachtet. Wieder machte sich eine gewisse Aufregung breit, die sich in lauterer Atmung ausdrückte.
"Bin ich bei der Truhe?" fragte Anna. Ariane nickte.
"Ja", sagte sie mit angespannter Stimme. "Die Affen nehmen kaum Notiz von dir."
"Ich öffne die Truhe. Was finde ich?"
"Sehr viel." Ariane riß ihre Augen von Anna los und schaute auf ihre Notizen. "Vier Schriftrollen, zwei kleine verschnürte Beutel, vier Paar Stiefel, einen Rucksack, und eine kleine, aber sehr schwere Tasche."
"Was kann ich davon gleichzeitig tragen?" Anna stand, aber sie wackelte hin und her wie ein Affe. Der verlegene Ausdruck in ihrem Gesicht hatte sich inzwischen gelegt, ihre Augen drückten nun eine leichte Aufregung aus. Sie bemerkte Fabis Blick, der auf ihrer kaum behaarten Scham ruhte. Als Fabi erkannte, daß Anna ihren Blick sah, wurde sie rot, doch Anna lächelte nur leicht. Fabi grinste kurz zurück und schaute wieder auf Annas Scheide. Anna wurde angenehm warm unter diesem Blick. Tief in ihrem Körper machte sich Aufregung breit.
Ariane hatte inzwischen ihre Kalkulation beendet. "Die Tasche und zwei Schriftrollen", sagte sie leise, die Augen auf Annas Oberkörper gerichtet. "Oder den Rucksack und zwei Paar Stiefel. Oder -"
"Schon klar. Ich nehme die vier Schriftrollen. Kann ich die auf einmal tragen?"
"Sicher."
Anna tat so, als würde sie tief in eine Truhe greifen. "Ich lauf' zurück zu den anderen beiden." Wieder wackelte sie durch das Zimmer. Ariane sah ihr einige Sekunden zu.
"Du hast sie erreicht", sagte sie dann mit schwerer Stimme.
"Ich gebe ihnen die Schriftrollen und gehe zurück."
Nach drei weiteren Gängen hatte sie fast den gesamten Inhalt der Truhe in Sicherheit gebracht. Es fehlte nur noch die kleine Tasche.
"Ich gehe zurück", sagte Anna, nachdem sie die Tasche aus der Truhe geholt hatte. Ariane stand auf.
"Einer der Affen kommt auf dich zu", sagte sie mit belegter Stimme. Sie blieb ganz dicht vor Anna stehen, die sie mit großen Augen anblickte. "Er umarmt dich." Sie nahm Anna in die Arme und drückte sie an sich. Beide Mädchen zitterten kurz. Fabi und Sybille sahen schwer atmend zu.
"Er untersucht dich", flüsterte Ariane. Ihre Hände glitten mehrmals über Annas Rücken, den Po, und die Beine. Anna seufzte leise. Plötzlich gab Ariane ihr einen leichten Stoß. "Er schubst dich weg und geht zum nächsten Weibchen." Sie setzte sich wieder auf ihren Platz, auch ihr Brustkorb war in heftiger Bewegung.
Anna schluckte schwer. "Ich gehe zurück", sagte sie mit sehr rauher Stimme. Ariane nickte.
"Du hast alles in Sicherheit gebracht", sagte sie und atmete tief ein. "Du bekommst 50 Erfahrungspunkte."
"Wow!" Anna zog sich schnell an und setzte sich wieder hin. Ihre Augen leuchteten vor Freude und Aufregung über die bestandene Mutprobe. Und aus einem anderen Grund. Fabi und Sybille rutschten etwas enger zusammen; ihre Beine drückten kräftig gegeneinander.
"Wir untersuchen die Schriftrollen", verkündete Anna. Auch sie mußte tief Luft holen.
"Ihr findet: eine Rolle, die für zehn Minuten 100 Zauberpunkte verleiht, eine zweite, die Blitze erzeugt, eine dritte, die einen Ring aus Feuer legt, und eine vierte, die Lebewesen in Stein verwandelt. Es sind sehr mächtige Zaubersprüche, die mehr als ein Wesen treffen können."
"Dann ans Werk!" Fabi beugte sich vor. "Wir schleudern die Blitze, das Feuer, und den Stein auf die Affen."
"KRACH! PENG! BUMM! ZISCH!" rief Ariane laut. "Fast alle Affen sind hin! Nur drei wälzen sich schwer verletzt am Boden!"
"Arina schießt drei Pfeile ab!" rief Fabi aufgeregt.
"Zwei sind tot, einer zuckt noch ein bißchen."
"Noch ein Pfeil!"
"Erledigt!" Ariane nahm ihren Stift zur Hand. "Drei Schriftrollen verbraucht, vier Pfeile verschossen. 30 Erfahrungspunkte für jede von euch."
"Cool!" freute Fabi sich. Die Mädchen schrieben sich schnell die Zahlen auf, Anna notierte ihre zusätzlichen 50 Punkte.
"Jetzt den Rest!" Sybille beugte sich gespannt vor. "Was ist in dem Rucksack?"
"Eine komplette Ausrüstung für Bergsteiger."
"Und in der Tasche?"
"Eisen."
"In den Beuteln?"
"Kostbare Edelsteine."
"Und was sind das für Stiefel?"
Ariane grinste. "Dafür reicht eure Fähigkeit nicht. Ihr könnt das nicht erkennen."
"Ist ja auch egal!" meinte Sybille ungeduldig. "Zurück zu den Elfen!"
"Die Anführerin der Elfen ist total von den Socken. Die Edelsteine wurden vor fast zwei Jahren aus dem Besitz der Elfen gestohlen. Wie die Stiefel auch. Die Elfen haben sie mit einem Zauber versehen. Wer diese Stiefel trägt, kann doppelt so viel tragen wie sonst. Aus Dankbarkeit für die geretteten Edelsteine bekommt ihr die Stiefel geschenkt. Verteidigung plus Eins."
"Wahnsinn!" lachte Sybille. "Kann ich mir ja doch das große Breitschwert kaufen!"
"Kaufen und tragen ja", grinste Ariane. "Nur nicht benutzen. Dazu reicht dein Talent noch nicht. Anna? Was machst du mit der vierten Rolle?"
"Benutzen", grinste Anna zurück. "Für wieviel Holz reicht der Spruch 'Holz zu Eisen'?"
"Du brauchst einen großen Stapel Holz für fünf Kilo Eisen, einen kleinen Stapel für ein Kilo. Dem Spruch ist das egal, der richtet sich nur nach der Holzmenge."
"Dann machen wir die Elfen glücklich!" rief Fabi aus. "Gehen wir viel Holz sammeln!"
"Nach einer halben Stunde", sagte Ariane, "habt ihr vier hohe Stapel Holz gesammelt. Die Elfen, die nicht zur Jagd sind, schauen euch neugierig zu."
Anna kniete sich hin. "Ich benutze die Rolle."
"WUSCH!" machte Ariane. "Die Schriftrolle löst sich in Rauch auf. Du hast 108 Zauberpunkte. Für zehn Minuten."
"Holz zu Eisen!" rief Anna mit ausgestreckten Händen.
"Der erste Stapel geht in Rauch auf. Als er sich verzieht, liegen fünf Kilo blinkendes Eisen am Boden. Die Elfen sind starr vor Staunen."
"Holz zu Eisen!"
"Und wieder fünf Kilo. Die zuschauenden Elfen blicken dich bewundernd an."
"Holz zu Eisen!"
"Wieder fünf Kilo mehr. Die Elfen sehen dich jetzt ehrfürchtig an."
"Holz zu Eisen!"
"Nochmal fünf Kilo Eisen. Du hast 8 Zauberpunkte. Das gesamte Holz ist verwandelt. Die Elfen brechen in Jubel aus. Ihr bekommt vier Taschen mit Lebensmittel für zwanzig Tage!"
"JA!" rief Fabi aufgekratzt aus. "Anna, das war total mutig von dir!" Sie drückte das Mädchen neben sich und gab ihr einen dicken Kuß auf die Wange. "Jetzt können wir los!"
"Das war es wirklich." Sybille schaute Anna bewundernd an. "Wie war's für dich?"
"Merkwürdig." Anna lauschte nach innen. "Am Anfang hab ich mich natürlich total geschämt, aber dann... Ich weiß nicht. War irgendwie aufregend. Und es kribbelte alles in mir."
"Bei mir auch", lächelte Ariane wissend. "Ganz schön sogar. Kribbelt auch jetzt noch. Gut! Ihr verstaut die Lebensmittel und reitet los. Nach drei Tagen steht ihr vor dem Gebirge. Sehr weit oben seht ihr eine Höhle."
Die Mädchen schauten kurz auf ihre Zettel, dann meldete Sybille sich. "Ich kann am besten Klettern."
"Gut. Du brauchst zwei Stunden bis zur Höhle. Als du oben ankommst, bist du sehr erschöpft. Es wird langsam dunkel."
"Wir schlagen ein Lager auf", sagte Fabi schnell. "Hat Sybille Lebensmittel dabei?"
"Nein, hat sie nichts von gesagt."
"Hunger!" jammerte Sybille lachend. "Ich ruh' mich aus."
"Nach einer Stunde bist du wieder fit, und es ist dunkel."
"Was sehe ich, wenn ich in die Höhle schaue?"
"Ein Flackern von Licht, ziemlich weit entfernt."
"Hab' ich Fackeln oder sowas bei?"
"Hast du nichts von gesagt."
"Grummel! Na gut. Ich taste mich vorsichtig auf das Licht zu."
"Nach zehn Minuten Stolpern und Hinfallen kommst du in einer kleinen Höhle an. Du siehst ein Lagerfeuer, an dem der Einsiedler sitzt. Er sieht dich an und ist ganz still. Du hast zwei Schadenspunkte."
"Wenigstens lebe ich noch." Sybille notierte sich die neuen Werte. "Ich frage ihn nach Tena."
"Er schweigt."
"Mann!" brauste Sybille auf. "Ich hab' Hunger, ich bin müde, und der Typ kriegt das Maul nicht auf!"
"Setz dich einfach mit ans Feuer", schlug Fabi vor. "Und sei so still wie er."
"Hm", knurrte Sybille. "Na schön. Ich setze mich zu ihm und bin still."
Das war Ariane auch. Alle vier Mädchen saßen auf den Knien, schauten sich abwechselnd an, und schwiegen. Nach vielleicht vier Minuten machte Ariane den Mund auf.
"Tena war hier", sagte sie leise. Sybille erschrak beinahe.
"Wo ist sie jetzt?" fragte sie ebenso leise.
Wieder schwieg Ariane für längere Zeit. "Mein Feuer geht bald aus", flüsterte sie. "Ich brauche Kohle."
Sybille nickte ergeben. "Klar. Ich hock' mitten im Berg, es ist stockdunkel, und er braucht Kohle. Sicher. Mußte ja so kommen." Fabi und Anna kicherten leise.
"Wo finde ich diese Kohle?"
"Geh diesen Stollen entlang", flüsterte Ariane. "Finde den Geist des Berges. Er wird dich hören."
"Na Spitze!" stöhnte Sybille. "Also auf in den Stollen. Ich taste mich ganz vorsichtig in den Stollen."
"Nach zwanzig Metern und einem weiteren Schadenspunkt", grinste Ariane, "trittst du auf eine Fackel. Daneben liegen zwei Steine. Und ein paar menschliche Knochen."
"Ich schlage die Steine aneinander."
"Es blitzt und funkt. Mehr passiert nicht."
"Schon klar. Ich schlage die Steine direkt über der Fackel aneinander."
"Ein Funke springt auf die Fackel über und zündet sie an. Es wird hell. Du siehst ein ziemlich verstreutes menschliches Skelett. An einem Finger steckt ein kostbar aussehender Ring."
"Auch noch Tote beklauen!" seufzte Sybille. "Ich komm' doch nie in den Himmel! Ich nehm' den Ring an mich und streif' ihn über."
"Als du den Ring am Finger hast, siehst du plötzlich sehr viele Goldadern in dem Stollen."
"Ich -"
"Halt!" rief Anna, gleichzeitig mit Fabi. "Laß das Gold in Ruhe, Sybille! Der Typ liegt ja nicht umsonst tot da rum. Such die Kohle."
"Wollte ich doch gar nicht!" grinste Sybille. "Ich gehe weiter in den Stollen."
"Nach zweihundert Metern siehst du eine durchscheinende Gestalt vor dir. Du hast den Geist des Berges gefunden."
"Prima. Und was mach' ich jetzt mit dem?" Sie seufzte. "Ich frage ihn nach der Kohle."
"Der Geist will wissen, wofür du sie brauchst."
"Für den Einsiedler."
"Der Geist fragt dich, warum du dem Einsiedler helfen willst."
Sybille seufzte. "Ich erzähle ihm die ganze lange Geschichte von Tena."
"Der Geist wendet sich von dir ab und schwebt langsam den Stollen entlang. So langsam, daß du ihm locker folgen könntest."
"Ich folge ihm."
"Nach ein paar Minuten stehst du in einer Höhle, in der sehr viele Stücke Kohle auf dem Boden liegen. Dazwischen funkeln ein paar Diamanten."
"Ich stecke so viel Kohle ein, wie ich tragen kann, dann gehe ich zurück zum Einsiedler."
Ariane nickt zufrieden. "Der Einsiedler erzählt dir von Tena. Sie war ganze zwei Tage bei ihm und hat sehr viel von sich erzählt. Was, darf der Einsiedler dir nicht sagen, aber er verrät dir, daß du Tena bei den Waldelfen am See Schida finden kannst, wo sie nun lebt. Der See liegt vier Tage von hier, im Südwesten."
"Was?"
"Das sagt er." Ariane lächelte versteckt. "Was machst du?"
"Fluchen!" Sybille grinste. "Ich glaub', ich werd' mich erst mal ausruhen und was pennen."
"Wir auch!" rief Fabi. Sie streckte sich lang auf dem Boden aus, einen Arm zu Sybille gelegt. Sofort ließ Sybille sich fallen und schmiegte sich an Fabi. Grinsend kuschelten die beiden sich zurecht und machten Schnarchgeräusche.
"Au weia!" lachte Anna leise. "Schlafen wir halt auch was." Sie ließ sich zu Ariane sinken, die Anna auffing und so lenkte, daß Annas Kopf auf ihrem Bein landete.
"Ruht euch aus", flüsterte sie, während sie mit den Fingern sanft durch Annas schulterlange schwarze Haare fuhr. Anna lächelte zufrieden und schmiegte sich an Ariane. Für ein paar Minuten war es ganz still in Arianes Zimmer. Ariane sah, daß Sybille und Fabi ganz sacht miteinander schmusten, ihre Wangen rieben sich gelegentlich aneinander.
"Es wird Morgen", sagte sie schließlich sehr leise. "Ihr wacht auf."
Die Mädchen streckten und reckten sich, als hätten sie wirklich geschlafen, dann setzten sie sich langsam wieder auf. Und ein weiteres Mal hatte sich etwas verändert. Sie sahen es an den Blicken.
"Der Einsiedler", sagte Ariane zu Sybille, "bittet dich um die Bergsteigerausrüstung. Er möchte von Zeit zu Zeit mal runter ins Tal und frisches Obst holen. Er bittet dich außerdem um den Ring des Toten, weil der dem Geist des Berges gehört."
"Was?" Sybille sah Ariane fassungslos an. "Wie soll ich denn dann runterkommen?"
Ariane zuckte die Schultern. "Gibst du ihm die Sachen?"
Sybille überlegte gründlich und lange. Schließlich nickte sie zögernd. "Ja. Notfalls muß ich eben warten, bis Fabi oder Anna den Teleport gelernt haben. Ich geb' ihm die Sachen. Wer weiß, wofür es gut ist."
"In dem Moment, wo er die Sachen hat, verschwimmt alles um dich herum. Du bist plötzlich wieder bei Sybille und Fabi im Tal."
"Puh!" seufzte Sybille erleichtert. "Gewonnen!" Sie atmete tief ein und aus.
"Außerdem erhältst du 50 Erfahrungspunkte. Wie geht's weiter?"
"Wir reiten nach Südwesten, zu dem See."
"Nach vier Tagen kommt ihr dort an. Es ist Mittag. Die Waldelfen entdecken Arina bei euch und begrüßen euch freundlich. Dann fragen sie nach euren Wünschen."
"Arina erzählt von Tena und Digo", sagte Fabi schnell. "Was passiert?"
"Ihr werdet zum Elfenkönig gebracht."
"Oh-oh!" sagte Sybille besorgt. "Das klingt gar nicht gut!"
"Der Elfenkönig erklärt euch, daß Tena nicht mehr bei den Menschen leben will. Um mit ihr zu reden, müßt ihr allerdings eine Aufgabe erfüllen."
"Hätt' ich drauf gewettet", grinste Fabi. "Was für eine?"
"Im See vor dem Dorf der Elfen lebt ein Ungeheuer, so daß die Elfen sich kaum mehr waschen können, ohne von dem Ungeheuer angegriffen zu werden. Um mit Tena zu reden, müßt ihr das Ungeheuer töten." Sie verteilte Zettel mit den Kampfwerten des Ungeheuers.
"Unmöglich!" flüsterte Fabi. "460 Lebenspunkte! Verteidigungswert von 20! Angriffswert von 19! Völlig unmöglich! Egal, was wir machen, wir kratzen das Ding nicht mal an!"
"Mutprobe?" fragte Sybille. Ariane schüttelte den Kopf.
"Nein, nicht an dieser Stelle."
"Hm." Sie sah zu Anna. "Also muß dieses Monster einen Schwachpunkt haben."
"Genau." Anna blickte zu Ariane. "Hat das Ungeheuer eine schwache Stelle?"
"Ja", grinste Ariane. "Es kommt nachts an die Oberfläche und bleibt dort für zwei Stunden, um Sauerstoff zu tanken. Allerdings greift es nur Elfen an!"
"Aha." Anna runzelte die Stirn. "Was passiert, wenn es keinen Sauerstoff bekommt?"
"Dann stirbt es."
"Alles klar." Fabi setzte sich aufgeregt hin. "Also locke ich das Ding mit Arina an, und wenn es nach oben kommt, macht Biola den Spruch Sonne. Dann taucht es wieder ab. Äh - wie lange hält der Spruch eigentlich?"
"Auf Level 1?" Ariane sah in ihre Unterlagen. "Zehn Minuten. Er kostet aber auch 2 Zauberpunkte."
"Und wie lange muß das Monster unter Wasser bleiben, bis es kaputt ist?"
"Vier Stunden."
"Geht also nicht." Enttäuscht ließ Fabi die Schultern nach vorne fallen. Sie schaute auf den Spielzettel ihrer Figur.
"Warte mal", murmelte sie dann. "Licht. Licht kostet nur einen Punkt und hält eine halbe Stunde. Ich hab' 8 Zauberpunkte, das reicht für vier Stunden. So gerade." Ihr Kopf ruckte nach oben. "Geht das? Kann ich das mit Licht vertreiben?"
"Versuch's", erwiderte Ariane trocken.
"Mach ich auch!" Aufgeregt setzte Fabi sich wieder gerade. "Ähm - wie kann ich das denn anlocken?"
"Indem du dich wäschst oder badest."
"Super! Dann warten wir bis zur Dunkelheit, und ruhen uns was aus."
"Der Tag vergeht, es wird dunkel."
"Und los! Arina geht baden."
Ariane schwieg. Fabi sah sie fragend an.
"Geht sie nicht baden?"
"Nicht, wenn sie angezogen ist", schmunzelte Ariane. "Dann würde sie ja sofort untergehen."
"Oh." Fabi kapierte. Sybille und Anna auch. Die beiden setzten sich aufgeregt gerade.
Fabi dachte kurz nach, dann nickte sie. "Ist gut", sagte sie leise, während sie aufstand. Zügiger als vorher Anna befreite sie sich von ihrer Kleidung, dann blieb sie ruhig stehen. Alle Augen glitten von Fabis Gesicht über ihre winzigen, kirschgroßen Brüste, über den flachen Bauch, bis hin zur Scham, die noch völlig blank war. Ariane und Sybille seufzten unwillkürlich leise.
"Arina ist jetzt im Wasser", sagte Fabi aufgekratzt. "Was passiert?"
"Einen Moment lang gar nichts", antwortete Ariane, die ihren Blick nicht von Fabis kindlicher Scheide nehmen konnte. Fabi lächelte tief und herzlich, als sie das sah. "Dann kräuselt sich das Wasser, und das Ungeheuer erscheint. Es sieht aus wie eine riesige Schlange, mit ganz dichten Schuppen, und es hat glühende rote Augen, die dich ansehen."
"Licht!" rief Fabi und streckte wie gewohnt beide Hände nach oben in die Luft. Ihre kleinen Brüste dehnten sich und standen kaum mehr vor. Anna leckte über ihre trocken gewordenen Lippen.
"Das Ungeheuer zischt laut und verschwindet wieder im Wasser." Ariane konnte die Augen nicht von dem schmalen, dunklen Schlitz abwenden.
"Ich geh' schnell ans Ufer und warte." Fabi blieb seelenruhig stehen. Sie genoß sichtbar die Blicke, die auf sie gerichtet waren. Im Gegensatz zu Anna vorher sah sie ihren Freundinnen tief in die Augen. Das Gefühl, was schon da war, wuchs und wurde von Minute zu Minute stärker.
"Nach dreißig Minuten", sagte Ariane, die deutlich um jedes Wort kämpfen mußte, "verschwindet das Licht. Sekunden später ist das Ungeheuer wieder da."
"Licht!" rief Fabi. Wieder streckte sie die Arme in die Luft, dabei sah sie Ariane tief in die Augen. Beiden wurde plötzlich klar, daß sie heute abend in einem Bett schlafen würden. Fabi schloß für einen Moment überwältigt die Augen.
Und Ariane mußte tief durchatmen. "Das Ungeheuer verschwindet wieder, dieses Mal mit einem ganz bösen und lauten Zischen."
"Ich geh' wieder ans Ufer."
Noch sechsmal wurde dieses Spiel wiederholt, dann verkündete Ariane: "Das Ungeheuer stößt ein ganz helles Zischen aus, das immer leiser und leiser wird. Es taucht unter, dann kommt es wieder hoch und treibt tot auf dem Wasser."
"JA!" jauchzte Fabi glücklich. Sie warf sich auf Sybille und drückte sie. "Ich hab's geschafft! Ich hab's geschafft!"
"Hast du ganz toll gemacht, Fabi!" lobte Sybille sie gerührt. Sie drückte das Mädchen an sich, und wie vorher Ariane bei Anna, strich sie mit ihren Händen von Fabis Nacken bis zu ihren Oberschenkeln. Fabi drückte sich eng an Sybille und zitterte kaum merklich.
"Wirklich Spitze, Fabi!" Anna lief dazu und drückte beide gleichzeitig. Auch Ariane machte mit. Für eine Weile blieben die Mädchen ganz dicht zusammen, dann trennten sie sich. Fabis Augen leuchteten.
"Ist das ein geiles Gefühl!" kicherte sie ausgelassen. "Weiter!"
Während Ariane, Anna und Sybille sich wieder setzten, zog Fabi sich schnell an, dann konnte das Abenteuer weitergehen.
"Die Elfen helfen euch, das tote Ungeheuer ans Land zu ziehen", spann Ariane die Geschichte fort. "Biola erhält 50 Erfahrungspunkte, und einen Elfendolch. Trefferpunkte 4, plus 2 Trefferpunkte Blitz."
"Boah!" machte Fabi überwältigt. "Danke! Und Arina? Was bekommt sie? Sie war ja der Lockvogel!"
"Genau!" stimmte Sybille zu. "Sie muß auch was bekommen!"
"Find' ich auch!" Anna nickte ernst. "Auch 50 Punkte, und genauso einen Dolch."
"Ja!" riefen Fabi und Sybille gleichzeitig.
"Ihr seid sowas von lieb", meinte Ariane gerührt. "Danke."
"Hey!" lachte Sybille. "Wir wollen ja nur nicht, daß du beim nächsten Kampf mit einem Plastikmesser kämpfst. Da würden wir alle sterben vor Lachen!"
"Blödkopf!" lachte Ariane. "Trotzdem Danke! Ihr seid wirklich total in Ordnung. Alle!"
"Du doch auch." Fabi rutschte neben Ariane und drückte sie herzlich. "Wir sind vier Freundinnen", sagte sie leise. "Vier Heldinnen. Alles klar?"
"Ja. Alles klar." Ariane zog Fabis Kopf an ihre Schulter und strich ihr kurz über die Haare, während Fabi Ariane stürmisch drückte, dann trennten die beiden sich wieder.
"Gut", meinte Ariane. "Schreiben wir das eben kurz auf."
Nachdem die Spielzettel aktualisiert worden waren, ging das Spiel weiter.
"Ihr schlaft euch gründlich aus. Am Morgen werdet ihr wieder zu dem Elfenkönig geführt, der euch sehr dankbar ist und jeder von euch 5 Goldstücke schenkt. Das ist fast sein ganzes Vermögen." Anerkennend hoben die Mädchen die Augenbrauen. "Dann dürft ihr mit Tena sprechen."
"Endlich!" seufzte Sybille glücklich. "Hat ja auch lange genug gedauert!"
"Tena hört euch zu, als ihr erklärt, warum ihr sie sucht, dann sagt sie: 'Ich komme nicht mit zurück. Seit frühester Jugend habe ich gespürt, daß ich nicht zu den Menschen gehöre, doch erst in den letzten Monaten wurde mir klar, wo ich hingehöre. Es zog mich zu den Elfen. Sagt es meinem Vater bitte nicht, aber er ist nicht mein Vater. Ein Elf ist mein leiblicher Vater. Sagt meinen Eltern nur, daß ich ein glückliches Leben gefunden habe. Und sagt Digo, daß ich gerne an ihn denke, aber ein Leben unter den Menschen ist mir nicht mehr möglich.' Mit diesen Worten wendet sie sich von euch ab und geht."
"Na Spitze!" stöhnte Sybille. "Das werden die uns doch nie glauben!"
"Genau!" rief Fabi hastig. "Arina hält Tena auf und sagt ihr das!"
"Tena wird euch zwei Briefe mitgeben." Ariane grinste breit. "Wenn ihr Papier besorgt, denn das haben die Elfen nicht."
"Das halt' ich nicht aus!" lachte Sybille. "Ari! Hast du das alles echt in einer Woche geschafft?"
"Hm-m", machte Ariane verlegen. "War nicht so schwer. Das lief irgendwie von alleine."
"Genau wie mein Abenteuer für nächste Woche!" strahlte Fabi. "Das wächst und wächst..."
"Da werden wir uns nächste Woche drüber beschweren", lachte Anna. "Wo finden wir Papier?"
"In der Stadt!" Sybille schaute Anna mißbilligend an. "Wo sonst?"
"Tja..." grinste Ariane. "An sich schon, nur gibt es da ein Problem."
"Was für ein Problem?" fragte Sybille ganz ruhig.
"Die Wälder, in denen das Holz gewonnen wird, sind von einer Insektenplage befallen." Ariane griff nach einem weiteren Blatt Papier. "Die Holzfäller und Sägemühlen im Süden des Landes, wo die großen Wälder sind, haben eine Belohnung von 1000 Goldstücken ausgesetzt, wenn jemand die Insekten vernichtet."
"Warum machen die das nicht selbst?" murrte Sybille. Sie war zwar nicht dumm, aber so komplexe Abenteuer wie dieses waren für sie schwer nachzuvollziehen. Sie bevorzugte den geraden Weg, die direkte Linie.
"Weil sie Angst vor den kleinen Insekten haben", grinste Ariane. "Die Tierchen krabbeln ihnen nämlich in die Ohren und setzen sich da fest. Und von da aus beißen sie sich durch ins Gehirn."
"Hast du zufällig auch so Insekten im Ohr?" knurrte Sybille. "Wie können wir die erledigen?"
"Schwer zu sagen. Ein Wissenschaftler müßte sie untersuchen, aber vorher müßte ein Kämpfer ein paar davon fangen."
"Und eine Hexe hilft ihnen dabei!" rief Fabi mit leuchtenden Augen. "Ist das geil! Leute, wir haben noch nie so richtig als Team gearbeitet! Zwar immer zusammen gekämpft und so, aber nie so verbunden wie jetzt. Ich find' das total aufregend!"
"Das ist es wirklich", sagte Anna anerkennend. "Ari, ich hab' das Gefühl, daß ich mehr und mehr in dieser Welt lebe als in unserer! Das hast du total irre gut gemacht!"
"Danke", lächelte Ariane geschmeichelt. "So ging's mir, als ich das alles entworfen habe. Ich hab' sogar jede Nacht von meinem Kontinent geträumt. Was macht ihr jetzt?"
"Wir brechen nach Süden auf." Sybille seufzte und schrieb eifrig auf ihrem Zettel herum. "Wieviel Essen haben wir noch?"
"Wieder für 20 Tage. Die Elfen geben euch genügend Lebensmittel mit."
"Also auf nach Süden."
"Ihr reitet zehn Tage nach Süden, dann macht ihr in dem letzten Dorf vor den großen Wäldern Rast. Ihr sprecht mit den Holzfällern dort, die kurz vorm Verhungern sind, und erfahrt, daß die Insekten immer im Rudel angreifen. Sie mit einem Schwert oder Dolch zu treffen, ist völlig unmöglich."
"Wozu werd' ich denn dann gebraucht?" maulte Sybille. Ariane rutschte neben sie und nahm sie in den Arm.
"Ich weiß, Bille", sagte sie leise. "Ich weiß, daß es nicht leicht für dich ist, das alles zu behalten. Aber nur eine Kämpferin hat genug Mut, gegen die Insekten anzugehen. Aber es ist ja immer nur eine Aufgabe nach der anderen. Eine große, und innerhalb der großen viele kleine nacheinander. Das schaffst du schon, Bille. Ich glaub' an dich." Sie gab der überraschten Sybille einen langen, zärtlichen Kuß auf den Mund. Als sie ihren Kopf zurückzog, lag ein Schimmern in Sybilles Augen.
"Okay", lächelte sie tapfer. "Gleich Montag kauf' ich mir einen riesengroßen Schreibblock. Extra für deine Fantasy Nights." Sie gab Arianes Kuß schnell zurück, dann sagte sie: "Nur mal kurz wiederholt: Wir müssen die Insekten besiegen, damit die Holzfäller und Sägemühlen wieder arbeiten können, um Papier zu machen, das wir zu Tena bringen, damit sie die Briefe für Digo und ihre Eltern schreiben kann, die wir dann zu Digo und ihren Eltern schleppen, um die Belohnung zu kassieren. Richtig?"
"Genau!" jauchzte Ariane. "Ich wußte doch, daß du das schaffst!"
Sybille lächelte verlegen. "Und dann haben wir gewonnen?"
"Das", lachte Ariane, "verrate ich, wenn es soweit ist. Weiter?"
"Ja."
Die Mädchen setzten sich wieder zurecht.
"Von den Holzfällern erfahrt ihr außerdem, daß die Insekten nur bei Sonnenschein die Bäume befallen. Wenn es regnet, ziehen sie sich in ihre Schlupfwinkel zurück."
"Und wo sind die?" fragte Fabi neugierig.
"Das weiß keiner." Ariane ließ die Hand, die den Zettel hielt, sinken. "Wenn die Leute das wüßten, hätten sie die Insekten schon längst angegriffen. Trotz ihrer Angst. Aber die Insekten sind einfach zu schnell. Sie fliegen schneller, als ein Mensch rennen kann."
"Außer einer Kämpferin!" sagte Sybille in plötzlichem Verständnis. Ariane nickte lächelnd.
"Außer eine Kämpferin, die kräftig und schnell ist. So wie Ybli. Und die mutig genug ist, in das Nest der Insekten zu greifen und ein paar davon mitzunehmen, damit die Wissenschaftlerin sie untersuchen kann."
Fabi nickte grinsend. "Und die Hexe sorgt für den Regen."
"Genau!" Ariane strahlte. "Gefällt euch das?"
Anna und Fabi nickten spontan.
"Das ist so echt", sagte Anna überwältigt. "Mir kommen unsere alten Abenteuer jetzt total unecht und konstruiert vor."
Selbst Sybille stimmte zu. "Ist schon echter als sonst. Gebt mir nur Zeit, damit ich alles in Ruhe aufschreiben kann, ja? Sonst verhedder' ich mich. Ich bin ja nicht so schlau wie ihr."
Anstelle einer Antwort schob Anna Sybille einen Notizblock zu. Sybille warf einen Blick darauf, dann sah sie Anna staunend an. "Du auch?"
"Sicher", schmunzelte Anna. "Ohne Notizen hätte ich schon dreimal den Überblick verloren."
Sybille lachte erleichtert. "Bin ich doch nicht doof!"
"Nee, das bin ich!" kicherte Fabi. "Ich bin doch die doofe Blonde, schon vergessen?" Das aufkommende Lachen wischte die kurze Traurigkeit von Sybille endgültig weg. Mit Feuereifer und frischer Energie ging sie an die neue Aufgabe.
"Wie ist das Wetter?"
"Strahlender Sonnenschein!" schwärmte Ariane. "Wie im Süden üblich. Temperatur: fast 30 Grad. Ein leichter, aber erfrischender Wind aus Westen, der vom Meer kommt."
"Wow! Du hast echt an alles gedacht!" Sybille schluckte. "Gut. Anna, du bleibst besser zurück. Wie weit entfernt sind die Insekten? Wie sehen die überhaupt aus?"
"Wie Libellen, nur viel kleiner. Ein Insekt ist höchstens fünf Millimeter groß. Aber eine Wolke Insekten besteht aus mehr als 10.000 einzelnen Tieren. Du bist noch einhundert Meter von ihnen entfernt. Sie greifen an, wenn ein Mensch weniger als fünfundzwanzig Meter entfernt ist."
"Schön. Fabi? Wie weit reicht dein Regen?"
"Mal sehen..." Fabi griff nach dem Zettel, auf dem die Sprüche und ihre Wirkungen beschrieben waren. "Regen... Da: vierzig Meter im Durchmesser."
"Mist! Dann müssen wir bis auf zwanzig Meter heran. Sekunde!" Sie sah zu Ariane. "Wenn die Insekten aus dem Regen fliegen, dann sind sie doch wieder in der Sonne!"
"Macht nichts. Sie haben solche Angst vor Regen, daß sie auf jeden Fall zurück in ihre Nester fliegen. Und dort warten sie, bis sie den Regen nicht mehr riechen können. Erst dann kommen sie wieder heraus."
"Wie lange hält der Regen an?"
"Zehn Minuten", antwortete Fabi. "Das sollten wir schaffen. Wir rennen schnell ran, ich mach' Regen, dann flitz' ich zurück, und du jagst den Insekten hinterher."
"So machen wir das!" Begeistert setzte Sybille sich zurecht. Sie nahm Fabis Hand in ihre. "Ich nehm' Fabi an die Hand, und wir rennen los."
Ariane zählte die Meter, die die Mädchen noch entfernt waren. Bei zwanzig Metern schrie Fabi: "Regen!"
"Strömender Regen setzt ein!" rief Ariane. "Die Insekten summen und brummen laut und flüchten in Richtung ihrer Nester."
"Ich renn' hinterher!" sagte Sybille gespannt.
"Ich lauf' zurück zu Anna!" rief Fabi nicht minder aufgeregt.
"Sybille verfolgt die Insekten. Sie rennt, so schnell sie kann, aber der Abstand wird immer größer. Trotzdem kann sie die Wolke Insekten sehen. Sie rennt und rennt, und plötzlich verlassen die Insekten den Wald und verschwinden in einem großen Felsen."
"Na schön." Sybille atmete tief durch, als wäre sie wirklich gerannt. "Wie sieht der Felsen aus?"
"Knapp drei Meter hoch, unten zwei Meter im Durchmesser, oben spitz. In der Mitte ist ein fast kreisrundes Loch, etwa dreißig Zentimeter groß."
"Ich greife hinein!" sagte Sybille entschlossen.
"Du spürst nur noch Insekten. Überall an deiner Hand."
"Ich mache blitzschnell eine Faust."
"Du hast zwölf Insekten in der Hand gefangen, und bekommst drei Schadenspunkte."
"Egal. Ich renne zurück."
"Super!" freute Ariane sich. "Du bist bei Anna und Fabi, und es regnet immer noch."
"Kann ich Anna die Insekten geben, ohne daß sie wegfliegen?"
"Nicht im Freien."
"Mist. Gibt es hier Zimmer?"
"Ja. Ein Holzfäller, der euch zugesehen hat, bietet euch seine Wohnung an."
"Perfekt. Wir gehen hinein. Dort gebe ich Anna die Insekten."
"Fünf fliegen davon, Anna bekommt sieben."
"Ich untersuche die Insekten gründlich", sagte Anna ruhig. "Was finde ich heraus?"
"Nachdem du die Insekten zwei Tage lang untersucht und getestet hast, findest du heraus, daß sie mit einer Mischung aus Lampenöl und Sägespänen vernichtet werden können."
"Haben wir das alles?"
"Sicher!" lachte Ariane. "Die Sägemühlen sind voller Sägespäne, auch wenn sie kein Holz mehr haben. Lampenöl gibt es genug."
"Toll! Und wie muß ich das anwenden?"
"Du hast entdeckt, daß wenn du Lampenöl auf die Sägespäne gießt und das ansteckst, der Rauch die Insekten sofort umbringt."
"Bestens! Dann machen wir ein paar Kilo davon fertig, kippen das in den Stein, stecken es an und verschließen das Loch."
"Und wann?"
"In zehn Minuten!" Sybille beugte sich vor. "Fabi macht dann wieder Regen, und ich warte mit dem Zeug weit genug vom Stein entfernt. Sobald die Viecher im Stein sind, kippe ich den Saft rein und steck' ihn an. Dann leg' ich ein dickes Tuch oder 'nen Lappen auf das Loch und warte... Ja, wie lange muß ich warten?"
"Ein paar Minuten. Super!" Ariane klatschte begeistert in die Hände. "Und so geschieht es auch! Die Späne fangen sofort an zu brennen, und es stinkt bestialisch. Sybille hält das Loch mit einem dicken Lappen zu, und ein paar Minuten später sind alle Insekten ohne Ausnahme mausetot! Die Holzfäller feiern euch als Heldinnen, was ihr ja auch seid, und fangen sofort wieder mit der Arbeit an. Am Abend wird für euch ein Festmahl gegeben, an dem das ganze Dorf teilnimmt und euch ein weiteres Mal feiert. Eine Woche später kommt die erste Ladung Papier in dem Dorf an. Ihr erhaltet die 1000 Goldstücke Belohnung, Fabi, Anna und Sybille erhalten je 50 Erfahrungspunkte, und ihr bekommt einen dicken Packen Papier geschenkt! Und Lebensmittel für zehn Tage!"
"Boah!" Fabi sank erleichtert in sich zusammen. "Wir haben es geschafft!" Die drei Mädchen fielen sich begeistert in die Arme.
"Mit dem Papier reitet ihr am nächsten Tag wieder nach Norden. Tena bekommt einige Bögen für ihre Briefe, den Rest schenkt ihr dem Elfenkönig."
"Und dann?" fragte Sybille aufgedreht.
"Das mußt du mir sagen", grinste Ariane. "Tena schreibt ihre Briefe und gibt sie euch."
"Super!" freute Anna sich. "Wo sind wir jetzt überhaupt auf der Karte? Ach da. Das sind - ungefähr vier Tage bis zu Digos Stadt?"
"Fünf. Reist ihr ab?"
"Ja. Lebensmittel haben wir noch für zehn Tage, wir haben die Briefe... Fehlt noch was?"
Fabi und Sybille sahen sich kurz an, dann schüttelten sie die Köpfe.
"Dann auf!"
"Nach fünf Tagen Reise kommt ihr in der kleinen Stadt an."
"Wir gehen zuerst zu Tenas Eltern und geben ihnen Tenas Brief."
Ariane nickte betrübt. "Natürlich sind die Eltern sehr traurig, als sie den Brief gelesen haben, aber immerhin wissen sie nun, daß ihre Tochter gesund und glücklich ist. Sie geben euch die 50 Goldstücke, obwohl ihr Tena nicht mitgebracht habt. Jede von euch erhält 25 Erfahrungspunkte."
"Dann zu Digo. Der arme Kerl wird todunglücklich sein." Anna seufzte leise.
"Ist er nicht. Er wird böse. Er beschuldigt euch, ihn betrogen zu haben, und fordert seine 100 Goldstücke zurück. Er behauptet, daß der Brief eine Fälschung sei, und daß Tena ihn niemals verlassen würde."
"Da soll mich doch -" Sybille wurde wütend. "Spinnt der Kerl eigentlich? Wir reißen uns den Hintern auf, um seine kleine Prinzessin zu finden, und der sagt, wir lügen! Dem bring' ich Manieren bei!"
"Digo zieht seinen Säbel und greift euch an." Ariane verteilte Zettel mit Digos Werten.
"Arina geht schnell zurück und schießt einen Pfeil auf ihn!" rief Fabi. "Biola zieht den Dolch und sticht zu!"
 

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