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"Wir kommen mit", sagte Sabrina schnell. "Nicht hier. Oder, Kim?" "Ganz deine Meinung", erwiderte sie kühl. "Was macht dein Arm, Kat?" "Aua." Sie zuckte mit der rechten Schulter. "Kim, ab Montag möchte ich mehr auf Schmerz trainieren. Wollen wir darüber morgen mit Papa reden?" "Was genau meinst du? Daß wir härter schlagen? Das wird er nicht erlauben." "Daß wir still stehen und uns treffen lassen, um uns an Schmerz zu gewöhnen." "Nein." Kim schüttelte energisch den Kopf. "Kat, ich verstehe, warum du das möchtest, aber das bringt nichts. Schmerz ist ein Signal des Körpers. Damit solltest du kein Schindluder treiben. Bienchen? Was meinst du?" "Würde ich auch nicht tun." Sie legte ihren Arm vorsichtig um Kats Schultern. "Kat, wenn du dich am Finger verbrennst, ziehst du automatisch die Hand zurück. Damit verhinderst du noch mehr Schaden. Wenn du dich jetzt an Schmerz gewöhnst, dann verbrennt vielleicht die Fingerkuppe, bevor du es merkst. Tu's nicht, Kitty." "Ihr habt ja recht." Sie schaute bedrückt drein. "Ich dachte wirklich, ich könnte es ertragen. Aber es tut so verdammt weh!" "Du hast nicht nur ein Loch im Fleisch." Sabrina strich ihr tröstend über das Haar. "Kat, du hast ein Loch im Fleisch und im Muskel. Ein Loch im Arm. Und da möchtest du so tun, als wär das ein Kratzer?" "Ja." Kat schob schmollend die Unterlippe vor, während ihre Augen belustigt schimmerten. "Du hast völlig recht, Bienchen. Ich muß verrückt sein. Aber es war wichtig für mich, hierher zu kommen." "Das war es für alle." Kim drückte ihre rechte Hand. "Für alle, die du mit deiner Rede überzeugt hast, doch zu kommen. Zu dritt haben wir es geschafft, daß der Laden hier wieder läuft." "Zu zweit." Sabrina sah Kim ernst an. "Ich finde es toll von euch, daß ihr immer so tut, als hätte ich auch etwas getan, aber ich hab doch gar nichts gemacht." "Sicher?" Kim sah sie kalt an. "Du hast Tom gesagt, er darf nicht alles hinwerfen. Du hast die Tische abgewischt. Du hast die ganzen Scherben aufgehoben. Du hast gesaugt. Du hast genauso dafür gesorgt, daß es heute weitergehen konnte wie Kat oder ich. Jede von uns hat mitgeholfen. Selbst Mama hat was gemacht. Sie hat ihm auch gesagt, er muß weitermachen." Sie lächelte spöttisch. "Du kannst sicher sein, Bienchen, daß ich kein Wort über dich verlieren würde, wenn du tatsächlich nichts gemacht hättest. Aber du hast, und nun gehörst du dazu. Ich hab dich ja gewarnt. Kat, hältst du bis sieben Uhr durch? Oder sollen wir eher gehen?" "Ich halte durch." Kat lächelte verlegen. "Und dann bleibe ich das ganze Wochenende im Bett. Oder im Wohnzimmer auf der Couch. Auf jeden Fall waagerecht." "Ich nehm dich beim Wort." Kim zwinkerte ihr zu. "Bienchen?" "Ja, Kimmy?" "Ich liebe dich." "Ich dich auch." Sabrina griff nach Kims Hand und drückte sie kräftig. "Und du bist wirklich nicht sauer, Kat?" "Sicher bin ich sauer. Laß du dich doch mal anschießen, dann wärst du auch sauer." "Kat!" Sabrina lachte und drückte sie vorsichtig. "Du weißt, was ich meine." "Nerv mich nicht, ich bin krank." Sie zwinkerte Sabrina zu. "Nein, Bienchen. Es ist ja nicht so, dass Kim und ich nun wirklich alles zusammen machen. Ich bin nicht sauer. Nicht mal böse oder verärgert. Nicht mal leicht genervt. Nicht mal etwas unwirsch. Nicht mal annähernd verstimmt. Nicht mal -" "Reicht jetzt!" Kim stellte die Teller zusammen, während Sabrina über Kats Aufzählung herzhaft lachte. "Haut ab nach vorne. Ich spül eben die Teller und das Besteck." "Dann komm." Sabrina half Kat, aufzustehen, bevor sie die Küche verließen. Herr Wassermann vom Arbeitsamt war noch immer umlagert, doch es waren nicht ganz so viele Jugendliche wie sonst. "Kathryn!" Als er sie entdeckte, entschuldigte er sich bei den Jugendlichen, stand schnell auf und eilte zu Kat und Sabrina. "Kathryn, ich habe erst vorhin erfahren, was gestern hier los war. Wie geht es Ihnen?" "Könnte besser gehen", sagte sie scherzhaft. "Das kann ich mir lebhaft vorstellen." Er sah sie kopfschüttelnd an. "Ich habe das in den Nachrichten heute morgen gehört, aber der Name dieses Treffs wurde nicht genannt, also habe ich es auch nicht mit hier in Verbindung gebracht. Ich weiß nicht, ob ich Sie verrückt oder tapfer nennen soll." "Da bin ich mir heute auch etwas unschlüssig", lachte Kat. "Wenn ich vorher gewußt hätte, wie weh so etwas tun kann..." "Ich weiß. Ich habe während meiner Bundeswehrzeit eine Kugel ins Bein bekommen, durch ein ganz dummes Versehen. Das kann höllisch weh tun. Warum sind Sie heute hier und nicht im Bett?" "Wegen gestern. Meine Schwester Kimberley und unsere Freundin Sabrina hier haben sich mit mir zusammen dafür eingesetzt, daß Tom weitermachen soll. Er wollte gestern nur noch alles hinschmeißen und es sein lassen." "Was nach dem Erlebnis verständlich gewesen wäre. Es war jedenfalls sehr mutig von Ihnen. Ich wünsche Ihnen gute Besserung, Kathryn; ich muß wieder an die Arbeit." "Genau", schmunzelte Kat. "Deswegen haben wir das auch schließlich gemacht." Sie und Sabrina gingen in den ersten Raum, nachdem sie sich von Herrn Wassermann verabschiedet hatten. Mittlerweile waren die Leute, die um drei Uhr vor der Tür gewartet hatten, verschwunden, doch dafür waren nun mehr Jugendliche als Lehrer hier. "So ist's gemütlich", meinte Kat zufrieden. "Bienchen, soll ich dir hinter der Theke helfen? Das Stammpersonal hat offenbar gekündigt." "Klar", meinte Sabrina mit einem schelmischen Blick. "Du könntest mir die Flaschen aufmachen. Oder die Gläser spülen. Oder abtrocknen. Alles Dinge, die du mit einer Hand machen kannst, nicht wahr?" Kat stöhnte. "Du hast ja so recht. Jetzt weiß ich endlich, was Leute meinen, wenn sie sich überflüssig und nutzlos nennen. Kein gutes Gefühl." "Nun setz dich schön hin und lutsch etwas am Daumen, anstatt zu nörgeln." "Sabrina? Du klingst langsam wie Kim und ich." "Danke." Die Mädchen lachten ausgelassen. Sabrina setzte Kat auf ein Sofa, das sie von ihrem Platz hinter der Theke sehen konnte, und ging dann wieder an die Arbeit. Tom, der in der Zwischenzeit für den Ausschank gesorgt hatte, sah sie gequält an. "Sabrina, Sie sind ein Engel! Die Leute, die sonst gekommen waren, fehlen. Ein einziger hat angerufen, daß er nicht mehr kommt, die anderen sind wie in der Versenkung verschwunden." "Das vermutete Kat schon. Äh - Können wir uns irgendwie einigen, wie Sie mich ansprechen? Gestern war es 'Du', heute ist es 'Sie'." "Das sind meine Nerven." Tom zuckte mit den Achseln. "Such du es dir aus." Er zuckte zusammen. "Sehen Sie? Das meinte ich." Sabrina lachte hell. Mit plötzlich erwachtem Mut sagte sie: "Ich bin die Sabrina. Sag Du zu mir." "Gerne. Ich bin Tom. Macht es dir etwas aus, hier noch ein bißchen zu helfen? Ich muß mich dringend auf die Suche nach neuen Freiwilligen machen." "Nein, geh nur." Ihr Herz raste vor Aufregung, weil sie einen praktisch fremden Mann plötzlich duzte, doch die plötzlich übertragene Verantwortung ließ ihr Selbstbewußtsein sehr ansteigen. Langsam verstand sie, warum Kat und Kim so die Öffentlichkeit suchten. Es tat einfach gut, Anerkennung zu geben und zu bekommen. Sie prüfte schnell den Kühlschrank und den Vorrat an Kisten unterhalb der Theke. Tom hatte alles wieder aufgefüllt und, wie Kim ihr erklärt hatte, die bereits kalten Flaschen nach oben in denKühlschrank gepackt, während die nachgelegten in den unteren Fächern lagen. So mußte zwar andauernd umgepackt werden, aber dafür waren auch immer kalte Getränke vorhanden. Sie tauschte den Platz mit Tom und sah kurz zu Kat, die gerade einen prüfenden Blick auf die Packung mit ihren Schmerztabletten warf, bevor sie sie kopfschüttelnd wieder einsteckte, ohne eine davon zu nehmen. Sie sah auf und begegnete Sabrinas Blick. 'Geht schon', sagten ihre Augen. Sabrina schaute sie mitfühlend an, dann wurde sie wieder von ihrer Arbeit in Anspruch genommen. Ein paar Minuten später kam Kim zurück. Sie drückte Tom den Schlüssel zur Küche in die Hand. Er nickte und begann dann, intensiv mit Kim zu reden, die immer nachdrücklicher den Kopf schüttelte, je länger er redete. Schließlich kam sie aufgebracht zu Sabrina hinter die Theke, schaltete mit einem ziemlich heftigen Druck die CD aus, die gerade lief, und griff nach dem Mikro, während sie gleichzeitig die Lautstärke höher drehte. "Darf ich kurz um eure Aufmerksamkeit bitten?" sagte sie laut. "Leider befinden wir uns in einem kleinen Engpaß. Die Leute, die noch bis gestern für Musik und Getränke gesorgt haben, fehlen heute, und höchstwahrscheinlich werden sie auch in Zukunft fehlen. Warum, wißt ihr alle. Einige haben Angst, sich hier aufzuhalten, andere dürfen von ihren Eltern aus nicht mehr kommen. Das können wir alle sehr gut verstehen. Dummerweise ist es jetzt so, daß weder Sabrina noch Kat oder ich täglich acht Stunden hier sein können. Deshalb suchen wir noch dringend Leute, die uns hier unterstützen. Und wenn ich 'dringend' sage, meine ich dringend. Formlose Bewerbungen können hier an der Bar abgegeben werden. Voraussetzungen sind saubere Hände und gute Kontakte zu Jugendlichen. Die Arbeitszeit beträgt täglich eine Stunde oder zwei, je nach Zeit, die ihr übrig habt. Das Gehalt ist auch bekannt: freie Getränke für den, der den Ausschank macht, freie Musikwahl für den, der die Musik macht. Wer zuerst kommt, wird bevorzugt behandelt. Danke!" "Hier!" Ein Junge von 17, 18 Jahren, der im Eingang stand, wedelte mit der erhobenen Hand. "Täglich von zehn bis elf, Bar und Musik!" "Komm rüber!" lachte Kim laut. "Eingestellt!" Der Junge lief zur Bar. "Hi! Ich bin Nick. Ich hab erst gerade in der Stadt gehört, daß doch offen ist. Hätte ich nicht gedacht." "Wenn keiner hilft, bleibt auch nicht mehr lange offen." Kim griff nach einem Schnellhefter unter der Theke, legte ihn auf die Platte, entfernte das obere, beschriebene Blatt und begann ein neues, leeres. "Also täglich von zehn bis elf. Bist du schon achtzehn?" "Seit einer Woche!" erwiderte er stolz. "Dann nachträglich alles Gute." Kim strahlte ihn an. "Wie fühlt man sich mit achtzehn?" "Viel reifer als mit siebzehn", grinste er. "Jede Menge erwachsen." "Klingt nach einem guten Ziel", lachte Kim. "Nick, wir müssen uns nur drauf verlassen können, daß du kommst. Krank kann jeder mal werden, aber bitte, bitte, nicht blaumachen. Sag Bescheid, wenn du keinen Bock mehr hast, aber vorher." "Wird schon klappen, äh - Kim?" "Genau. Ich brauch jetzt deinen Namen und Telefonnummer, dann bist du eingestellt." "Nick Drepmann. Telefon: 8207749." "Hab ich. Legst du gleich heute los?" "Klar." "Perfekt. Sag eben noch Tom Hallo; das ist der, der uns fassungslos zusieht." Sabrina lachte fröhlich auf, denn Tom sah wirklich so aus, als würde das alles weit über sein Verständnis gehen, was hier vor seinen Augen passierte. "Ich will auch mitmachen!" Ein munteres Mädchen, um die 15 oder 16, sprang fast auf die Theke. "Ich kann täglich von drei bis vier. Außer Donnerstags, da hab ich AG." "Sabrina, mach du sie fertig." Kim schob Sabrina den Schnellhefter zu. "Ich muß Tom eben wachkriegen." "Ist gut!" Sabrina unterdrückte mit Mühe einen Lachanfall. "Du bist...?" "Marion. Hi! Ich find's toll, wieviel Mühe ihr euch gebt, und da kann ich nicht hintenan stehen. Was brauchst du?" "Erst mal sehen..." Sabrina schaute auf das Blatt, das einfach eine Tabelle mit Wochentag und Uhrzeit war. Nick war schon im untersten Feld für Montag eingetragen, mit Pfeilen nach seinem Namen, die sich über die ganze Woche erstreckten. Sein Alter war in Klammern hinter seinem Namen vermerkt. "Name, Alter und Telefon reicht." Sie sah auf und entdeckte drei weitere Leute hinter Marion, die sich melden wollten. "Das ist so toll von euch!" sagte Sabrina dankbar. "Danke! Marion?" "Marion Hausmann, 16, 7448810." "Gut... Montag bis Mittwoch und Freitag, jeweils drei bis vier. Klappt das mit den Hausaufgaben?" "Klar! Die mach ich immer nach dem Abendessen. Der Nachmittag ist mir." "Super! Ich danke dir." "Schon gut. Freie Getränke, freie Musik... Wer kann dazu schon nein sagen?" Durch Nick und Marion war der Anfang gemacht. Mehr und mehr Jugendliche drängten sich vor der Theke, und nach zwanzig aufregenden Minuten war der Plan fast voll. Tom war nicht zu sehen. "Der ist fertig", meinte Kim lächelnd. "Wirklich fertig. Er kann es nicht fassen, daß das hier so schnell wieder aufgebaut wird. Hast du gut gemacht, Bienchen." "War ja auch nicht schwer. Was ist mit den Lücken?" "Da muß Tom einspringen. Das ändert sich sowieso alle zwei Wochen. Manche verlieren die Lust, andere kommen dazu, jemand muß mal zum Zahnarzt, andere kriegen einen neuen Stundenplan oder neue Kurse... So eben." Sie schaute auf den Plan. "Wie sonst auch. Ab sieben Uhr kommen die älteren, die 17- bis 20jährigen. Wie läuft's heute?" "Von acht bis neun ist unbesetzt. Der Torsten sagte, er müßte erst zu Hause Bescheid geben, aber ab Montag wird es klappen. Seine Eltern arbeiten beide in einem Supermarkt und kommen erst spät nach Hause. Die anderen können gleich heute anfangen."
"Gut. Ich löse dich ab. Geh mal zu Tom und red mit ihm. Er braucht etwas Zuspruch." Sie lächelte, als Sabrina erschrak. "Nichts Schlimmes, Bienchen. Er ist einfach nur überwältigt. Tom ist ein Weichei, und das meine ich ganz, ganz lieb. Er braucht einfach nur etwas Gespräch. Sag ihm, warum du dich so einsetzt, und er ist wieder auf dem Damm. Er hockt in der Küche." "Was soll ich denn mit ihm reden?" fragte Sabrina nervös. "Schau ihn dir an, dann weißt du es. Sieh es als Training für dein Selbstbewußtsein an." Der Satz traf. Als hätte Sabrina plötzlich eine Eisenstange als Wirbelsäule, richtete sie sich auf. "Dann krieg ich das hin." Sie klopfte Kim auf die Schulter und eilte von dannen. Kim sah ihr lächelnd hinterher und schaute dann zu ihrer Schwester, die gerade in einem Gespräch mit Herrn Norbert, ihrem Lehrer von der ersten Stunde heute morgen, vertieft war. Sabrina klopfte an die Küchentür, die geschlossen war, und trat unaufgefordert ein. Schnell schloß sie sie wieder. "Sabrina!" Tom schaute sie kurz an und wandte sich ab, doch der schnelle Blick in sein Gesicht hatte Sabrina schon genug gezeigt. "Vorne sieht's gut aus", plauderte sie munter, während sie sich an die Tür lehnte. "Es sind sechs oder sieben Stunden in der Woche, wo keiner hier ist, aber das wird sich wohl noch ändern." "Die übernehme ich. Das wird kein Problem. Sabrina, ich weiß nicht, wie ich euch danken soll." "Ich schon", feixte Sabrina. "Wie wär's, wenn du nach vorne kommst und dich freust, daß alles wieder läuft?" "Das tue ich schon hier." Er drehte sich zu ihr. "Sabrina, ich wollte nicht kommen. Nicht heute, nicht am Wochenende, nicht nächste Woche. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, daß so etwas noch einmal passiert. Ich war vorhin nur hier, weil ich weiß, daß Kim die Tür eingetreten hätte. Ganz sicher. Als ich kam, war schon jede Menge Betrieb auf der Straße. Das war der zweite große Schock. Ich bin davon ausgegangen, daß sich hier niemand sehen lassen würde. Euer Direktor hat mir dann erzählt, daß Kat die ganze Schule rebellisch gemacht haben muß. Und als ihr drei dann ankamt, konnte ich wirklich nicht mehr. Ich war überglücklich, dass der Treff weiterläuft, und ich habe eine Scheißangst, daß so etwas noch einmal passiert." "Das kann doch überall passieren, Tom", sagte Sabrina nachdenklich. "Ich weiß nicht soviel darüber, aber ich lese und höre öfter, daß irgendwelche Leute ausrasten. Im Kino, in Restaurants, auf der Straße, zu Hause... Egal wo. Daß es gerade hier passiert ist, ist ein Schock für alle, aber ich denke, daran hat niemand Schuld. Und vermeiden hätte es auch niemand können." "Das ist alles richtig, Sabrina." Tom atmete laut aus. "Trotzdem. Die letzten drei Jahre haben mir sehr viel bedeutet. Aus dem damaligen Treff, der quasi nur ein Unterschlupf für Straßenkinder war, hat sich etwas Wichtiges entwickelt. Aber durch das von gestern... Ich weiß nicht, ich habe irgendwie den Spaß daran verloren." Als Sabrina das hörte, fühlte sie weder Panik noch Unsicherheit. Sie wußte vielmehr, woran Tom zuknabbern hatte, und sie wußte, wo sie ansetzen mußte. "Das geht mir genauso", sagte sie leise. "Tom, als meine Eltern vor einem Monat sagten, daß wir in die Stadt ziehen, hatte ich auch keinen Spaß mehr an meinem Leben. Für mich war das wie eine Trennung von allem, was ich kannte. Gut, Bremen und Bierden sind nur ein paar Kilometer auseinander, aber für mich ist das wie eine Weltreise. Ich hätte nie gedacht, daß ich schon am ersten Schultag zwei so gute Freundinnen wie Kat und Kim finden würde. Die beiden haben mir in nur zwei Tagen so viel gezeigt und gegeben, daß ich an Bierden überhaupt nicht mehr denke. Nun ja, jedenfalls nicht mehr so oft." Sie lächelte leicht. "Ich habe heute, in den letzten zwei Stunden, schon viel mehr Menschen getroffen und kennengelernt als im ganzen letzten Jahr. Nur hier im Treff. Tom, du hast Spaß an deiner Arbeit. Du hast nur Angst, daß noch mal ein Verrückter hier reinplatzt und losballert. Die habe ich auch, obwohl ich das gar nicht mitbekommen habe. Aber Kat hat es mitbekommen. Von Anfang an. Trotzdem ist sie hier und engagiert sich. Warum? Weil ihr der Treff auch viel bedeutet. Hier treffen sich Schüler, reden miteinander, werden Freunde. Es gibt Musik und preiswerte Getränke. Arbeitslose können hier nach einem Job suchen. Das ist das, was für Kat zählt, Tom. Nur das. Daß die Jugendlichen irgendwo eine Perspektive haben. Ein Ziel. Das gibst du ihnen hier, wie auch der Herr Wassermann. Meine Mutter sagt immer, daß es überall Rückschläge gibt und daß man damit leben muß. Erst seit gestern abend weiß ich, was sie damit meint. Zwei Menschen sind tot, drei andere verletzt. Aber da draußen toben etwa siebzig, achtzig Leute rum, belagern den Wassermann, weil sie Arbeit suchen, und reden miteinander und haben Spaß, hier zu sein. Gib nicht auf, Tom. Ich will nicht sagen, daß die ganze Stadt dich braucht, aber auf jeden Fall brauchen dich die Leute, die heute hier sind und die in Zukunft kommen." Tom schüttelte den Kopf. "Kind, wie kommt es, daß ich mir von 14jährigen sagen lassen muß, wie ich meinen Job zu machen habe?" "Gerade weil wir 14 sind", grinste Sabrina mutig. "Das hier ist ein Jugendtreff, und natürlich haben wir viel mehr Durchblick als jemand wie du." "Das kann gut sein." Er lächelte leicht. "Danke, Sabrina. Gib mir noch ein paar Minuten, dann komme ich wieder nach vorne. Habt ihr noch alles im Griff?" "Natürlich." Sie lächelte schüchtern, dann eilte sie schnell hinaus. Tom steckte sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug, schloß die Augen und dachte über die Worte von Kat, Kim und Sabrina nach. "Und?" fragte Kim neugierig, als Sabrina wieder hinter der Theke stand. "Er sagt, er kommt gleich. Noch ein paar Minuten." "Super!" freute Kim sich. "Dann denkt er jetzt angestrengt nach, und gleich ist er wieder fit und voller Energie. Toll gemacht, Hübsches!" "Danke." Sabrina wurde etwas rot. "Möchtest du dich etwas zu Kat setzen?" "Nein, nicht nötig." Sabrina seufzte. "Können wir dann wenigstens mal andere Musik machen?" Kim lachte fröhlich. "Klar! Komm her." Sabrina schaute neugierig auf die Anlage. "Zwei CD-Player, ein Verstärker, ein kleines Mischpult. Steht alles dran. CD1, CD2, Mikro. Kassette wird kaum mehr benutzt. Wenn eine CD läuft, kannst du die nächste schon vorbereiten. Wenn die zu Ende ist, Regler hier runter, den anderen rauf. Ganz einfach. Willst du eine Durchsage machen, alle beiden runter, den fürs Mikro rauf. Kinderleicht. An Tagen wie heute, wo viel geredet wird, dreh den Verstärker nicht lauter als bis zur Zwei. Der Knopf hier ist für den hinteren Raum; der sollte auf Eins stehenbleiben. Wegen Arbeitsuche, Billard und Tischtennis, und weil die Leute da spielen wollen. Die CD, die drin ist, läuft noch eine Viertelstunde. In der Zeit kannst du dir ja schon mal die CDs anschauen, die wir haben." Sie deutete auf die vier Reihen, in denen alles zusammen etwa fünfhundert CDs standen. "Die sind nach Kategorien geordnet", erklärte Kim. "Zumindest grob. Was hörst du gerne?" "Das, was gerade so aktuell ist", meinte Sabrina verlegen. "Aber wie das alles genau heißt, weiß ich nicht. Ich hör's halt gern." "Ist ja kein Verbrechen", seufzte Kim. "Obwohl man das eigentlich nicht als Musik - Egal. Dann hau am besten den ganzen Müll rein, der hier unter House, Dance und Hiphop steht. Trance solltest du nicht vor sieben Uhr abends spielen. Viel Spaß!" Sie drückte die verwirrt aussehende Sabrina kurz und hüpfte dann fröhlich davon. "Danke!" knurrte Sabrina, doch auch sie mußte lachen. Sie verkaufte eben noch zwei Gläser Fanta, bevor sich daran machte, die CDs zu sichten.
Kapitel 4
Als Frau Summers um viertel nach sieben in den Treff kam, war Kat buchstäblich am Ende ihrer Kraft. "Ich habe mir doch zuviel zugemutet", meinte sie matt, als ihre Mutter sie vorwurfsvoll anschaute. "Aber der Treff läuft wieder. Wir haben sogar schon wieder viele Freiwillige, die hier helfen." "Gut. Und wie hast du dir das Wochenende vorgestellt?" Kat lächelte dünn. "Ich würde gerne vier Elemente im Wohnzimmer für mich reservieren und da liegen." "Endlich wird sie vernünftig." Sie schaute ihre Tochter zärtlich an. "Aber ich denke, der Erfolg war es wert. Soll ich dich ins Auto tragen?" "Ich bin versucht, ja zu sagen." Kat kam mit Kims und Sabrinas Hilfe auf die Beine. "Aber das geht schon." Tom kam schnell dazu. "Kann ich helfen?" "Ja." Frau Summers lächelte. "Erteilen Sie Kat Hausverbot für die nächste Woche." "Dann wird sie mich übernächste Woche an die erstbeste Lampe hängen." "Auf drei Lampen verteilt!" rief Kat über das Lachen hinweg. "Bis Montag, Tom." "Bis Montag, Kat. Und noch einmal vielen Dank für dein Engagement." "Ich hab's für mich getan", meinte sie trocken. "Ich brauche immerhin ein Refugium." "Red du nur. Nun ab ins Bett." Er drückte ihre Hand. "Erhol dich, Kat." "Bestimmt." Sie erwiderte den Druck seiner Hand. "Und du bleib fit." Kurz darauf saßen die vier in Frau Summers' Auto und waren auf dem Heimweg. Kat bekam ein kleines Abendessen, weil sie nicht so viel Appetit hatte, anschließend steckte Kim sie in die Badewanne und brachte sie hinterher ins Bett. "Pennt", meinte sie lapidar, als sie zurück ins Wohnzimmer kam. "Das Baden hat ihr gutgetan." "Sehr gut. Hoffentlich schläft sie durch." "Denke ich schon. Mama? Sabrina darf bis elf Uhr hierbleiben. Ihre Mutter holt sie ab." "Das ist ja schön!" freute sie sich. "Ihr zwei habt bestimmt noch viele Dinge zu besprechen. Wenn ihr mich sucht, ich bin erst in der Küche und dann im Trainingsraum." "Danke, Mama!" sagte Kim gerührt. "Wir sind in meinem Zimmer. Komm, Bienchen." Als sie das Zimmer von Kim betraten, schaute sich Sabrina erst einmal gründlich um. Wie bei Kat hingen viele Poster an den Wänden, von denen Sabrina nun schon einige Namen erkannte. Der Kleiderschrank stand am Kopfende des ungemachten Bettes. An der zweiten Wand befand sich ein kleines Sofa mit einem schmalen Tisch davor, an der dritten entdeckte Sabrina einen breiten Tisch, auf dem eine kleine, aber teuer aussehende Musikanlage untergebracht war. Die gestern gekauften CDs lagen daneben. "Mein Studio", grinste Kim. "Da höre ich meine neuen CDs ab. Möchtest du etwas trinken?" "Ja." Sabrina drehte sich zu ihr, war mit einem Schritt direkt vor dir und ließ ihre Augen über Kims Gesicht gleiten. "Dich." Ohne ein weiteres Wort küßte Kim Sabrina. Ihre beiden Zungen trafen sich in Sabrinas Mund und leckten sich mit urplötzlich erwachter Leidenschaft. Die Mädchen umarmten sich, bis kein Molekül Materie mehr zwischen sie gepaßt hätte. Kims Hände gingen zu Sabrinas Po und drückten ihn, während Sabrina Kims lange weiße Haare, die sie so bewunderte, streichelte. Ohne ihre Lippen von Sabrina zu lösen, führte Kim ihre Freundin zum Bett, wo sie sich umarmt vorsichtig nebeneinander niederlegten. Sabrina seufzte kaum hörbar, als Kim begann, ihre Beine zu streicheln. Sie hingegen schob ihre Hand mit neuem Mut über Kims Wange und Schulter zu deren festem Busen. Auch Kim seufzte, als Sabrinas Hand sich auf die ausgeprägte Wölbung legte und stillhielt. Kim brach den Kuß ab und begann, Sabrina im ganzen Gesicht zu küssen, während ihre Hand zielstrebig zu Sabrinas kleiner Brust ging und sie sanft drückte. Sabrina zitterte unter Kims geschickten Berührungen. Als Kim begann, Sabrinas Hemd aufzuknöpfen und ihre Hand direkt auf Sabrinas Haut legte, erbebte Sabrina. "Zieh mich nicht ganz aus", flüsterte sie erregt und gleichzeitig ängstlich. "Nur etwas. Ich liebe dich, Bienchen." "Ich dich auch, Kimmy." Kim küßte sie flüchtig. "Befriedigst du dich manchmal selbst?" "Manchmal." Sabrina versteckte ihr Gesicht an Kims Hals. "Vorgestern das letzte Mal." "Wo?" "Unter der Dusche. War toll." Sabrina schämte sich, Kim davon zu erzählen, doch sie spürte auch, daß Kim es verstehen würde. "Ich habe dabei an dich gedacht." "Ich denke auch an dich, wenn ich es tue. Warum trägst du keinen BH?" "Lohnt sich noch nicht." Sabrina lachte verlegen. "Oder doch?" "Bei mir brauchst du keinen." Sie ließ ihre Finger über Sabrinas Warzenhof wandern. Sabrina schauderte wohlig, als Kim ihren Nippel drehte. "Wir tragen auch keinen. Nur zum Schulsport, sonst rasten die Lehrer aus. Bienchen? Soll ich es dir richtig schön machen?" Sabrina wurde feuerrot, als sie erkannte, was Kim wollte. "Jetzt? Hier?" Kim küßte sie und lachte leise. "Oder draußen auf der Straße. Wo du möchtest." "Ich weiß nicht." Sie schmiegte sich an Kim. "Bist du immer so schnell?" "Gegenfrage: Möchtest du noch lange warten?" Sabrina lachte. "Verdammt, bist du geschickt. Nein, will ich nicht, aber wir kennen uns doch erst drei Tage." "Und es war noch nie jemand da dran", flüsterte Kim. "Richtig?" Sabrina nickte scheu. "Ja. Aber wenn, bist du die erste." "Möchtest du bei mir, oder sollen wir einfach küssen?" "Küssen!" Mit einer Bewegung rollte sie Kim auf den Rücken und hockte sich über sie, dann küssten sie sich gierig. Sabrina stützte sich mit dem linken Arm ab, mit dem rechten strich sie über Kims Busen. Kim knöpfte sich schnell das Hemd auf. Sabrina ging mit der rechten Hand hinein, während ihre Zunge in Kims Mund tobte. Ihre Finger schlossen sich sanft um Kims Brust, dann drückten sie etwas fester zu. In einem plötzlichen Energieausbruch warf Kim sich und Sabrina gleichzeitig herum. "Ich will dich!" Sie versenkte ihr Gesicht an Sabrinas Busen, während sie ihr gleichzeitig das Hemd auszog. Auch Sabrina konnte dem Gefühl in ihrem Unterleib nicht viel länger widerstehen. Sie drückte Kim ihre Brust ins Gesicht und öffnete gleichzeitig deren Hose. Sekunden später schob sie ihre Hände in Kims Hose und knetete ihren Po. "Ich dich auch!" flüsterte sie leidenschaftlich. "Kommt deine Mutter rein?" "Nein." Kim saugte Sabrinas linke Brust in den Mund, lutschte etwas daran, was glühende Nadeln durch Sabrinas Nervenenden jagte, ließ sie wieder los und leckte über die gesamte kleine Brust. "Die sind so süß!" schwärmte sie. "Laß die nicht mehr wachsen, ja?" "Mal gucken." Sabrina kicherte verlegen. "Ich lieb dich, Kimmy!" "Ich dich auch." Kims Hand ging zu Sabrinas Hose. "Darf ich?" Sabrina nickte schüchtern und hauchte: "Ja. Aber mach nichts kaputt." "Versprochen." Schnell waren Knopf und Reißverschluß auf, und zum ersten Mal ging Kims Hand in direkten Kontakt mit Sabrinas Scham und Scheide. Sabrina erbebte unter der Berührung. Wie aus Reflex drängte sie sich gegen Kims Hand. "Zieh mich aus!" flüsterte sie. "Ganz!" "Ganz?" "Ganz ganz."
Sofort zog Kim ihr Schuhe, Hose, Strümpfe und Unterhose aus. Wie rasend befreite sie sich von der eigenen Kleidung, schlüpfte mit Sabrina unter die Bettdecke und ging sofort wieder zwischen ihre Beine. Sabrina erzitterte heftig. Sie öffnete sich Kims fordernden und doch sanften Händen. Gleichzeitig küßte sie Kim wild und erregt. "Mein kleines Bienchen!" wisperte Kim erregt. "Ich mach es dir richtig schön, Hübsches." Ihre Finger zogen Sabrinas Schamlippen auseinander, gingen dazwischen und rieben kräftig. Sabrina stöhnte heftig in Kims Mund. Ihre Umarmung wurde zu einem starken Klammern. Kim hielt ihre Zunge mit den Zähnen fest und lutschte daran, während sie Sabrinas Kitzler bearbeitete. Sabrina spürte eine so starke Lust, daß sie es kaum aushalten konnte. Wie besessen küßte sie Kim, ließ sich von den Wellen weiter und weiter tragen, ging selbst zwischen Kims Beine, die sich sofort öffneten, und versuchte ihrer Freundin die gleichen Freuden zu schenken. "Nicht!" flüsterte Kim. "Erst du." "Nein. Du auch. Mach langsamer." Sie küßte Kims Gesicht, wobei sie auf Kims Verletzungen achtete, und spürte, daß Kim etwas weniger heftig zur Sache ging. "Du kannst rein", flüsterte Kim. "Wenn du magst. Kat und ich haben das durch den Kampfsport verloren." "Okay." Sie leckte über Kims Mund und schob ihren Mittelfinger in Kim. Das Mädchen stöhnte leise. "Schön!"
"Geh du auch rein", wisperte Sabrina, gefangen in ihrer Lust. "Aber nicht so tief." "Ich passe auf." Ihre Zunge schoß hervor, stieß zwischen Sabrinas Lippen und lockte ihren Mund an, der sich sofort auf den ihren preßte. Gegenseitig besorgten es sich die Mädchen und schaukelten sich hoch und höher. Sabrina fühlte sich so wohl wie noch nie, und so voller Lust und Erregung wie noch nie. Es tat ihr nicht mehr im geringsten leid, sich so gehen gelassen zu haben und nun nackt mit ihrer Freundin im Bett zu liegen. Ihr Unterleib glühte wie ein heißes Feuer und wurde mit jeder Bewegung Kims heißer. "Ich bin gleich soweit!" keuchte sie leise. "Ich auch." Kims Atmung ging schwer und schnell. "Und los!" Die Mädchen legten noch einmal zu. Sabrinas Finger steckte bis zur Fingerwurzel in Kim, die sich wie ein schnell laufender Motor an Sabrinas Hand rieb. Kim hingegen steckte nur ein kleines Stück in Sabrina und bearbeitete ihren Kitzler. Ihre Lippen waren fest aufeinander gepreßt, und ihre Zungen tobten wie wild umeinander herum.
Dann schlug die Lust mit voller Kraft zu. Sabrina glaubte zu sterben, als ein Orgasmus von nie gekannter Stärke durch sie fuhr. Ihre Welt verschwamm in einem dichten Nebel an Gefühlen, der sie wie eine undurchlässige Decke einhüllte. Auch Kim kam aus dem Stöhnen nicht mehr heraus; auch ihr Orgasmus war stärker als jemals zuvor. Schnaufend und in ihrer Lust badend küßten sich die Mädchen wie verzweifelt, bevor die Lust nachließ und die wohlige Erschöpfung an ihre Stelle trat. Sie kuschelten sich eng zusammen, rieben sich mit Armen, Brust, Bauch und Beinen aneinander, bis sie sich einander nahe genug fühlten und lagen dann still, nur unterbrochen von sanftem Streicheln und zärtlichem Küssen. "Ich lieb dich", flüsterte Sabrina. "Ich lieb dich", wisperte Kim zurück. "Das war herrlich, Bienchen." "Bei mir auch." Sie küßte Kim schnell. "Erst hatte ich furchtbar Angst, daß deine Mutter doch hereinkommt, aber die war dann irgendwann weg." "Sie kommt nicht rein." Kim legte ihre Hand an Sabrinas Po und drückte einen Finger leicht zwischen die Backen. "Sie weiß Bescheid, Bienchen. Ich habe ihr gesagt, daß ich dich liebe." "Was?"
"Scht!" Kim umarmte Sabrina schnell. "Sie hat nichts dagegen. Wir müssen nur aufpassen, dass Papa nichts merkt." "Und meine Eltern." Sabrina schauderte unwillkürlich. "Sie weiß es wirklich?" "Ja. Mach dir keine Sorgen um sie." "Oh mein Gott!" Sabrina versteckte sich an Kim. "Ich kann ihr nie wieder in die Augen sehen!" "Doch, das kannst du." Kim lachte leise. "Wie war sie vorhin zu dir?" "Ganz normal. Wieso?" "Weil sie es schon seit gestern abend weiß, Bienchen. Also mach dir nicht ins Hemd." "Tu ich doch nicht. Ich hab ja keins mehr an." "Noch schlimmer!" Kim biß sie zärtlich in die Nase, und Sabrina quietschte leise. "Dann mach auf keinen Fall in mein Bett!" "Ach du!" Sabrina umarmte sie stürmisch. "Kimmy, was machst du mit mir? Wir kennen uns kaum, und wir - Du weißt schon." "Dich lieb haben. Dich erregend finden. Dich gerne schmecken. Du riechst übrigens richtig lecker." "Du auch." Sabrina lachte leise. "Was habt ihr morgen vor?" "Kat wird sich erholen, ob sie will oder nicht. Sie muß. Und ich..." Kim zuckte mit den Schultern. "Ich werde mich durch die neuen CDs hören. Sonntag kommt ihr dann, und dann ist schon wieder Montag. Möchtest du morgen vorbeikommen?" "Oder du kommst zu uns. Kannst ja ein paar CDs mitbringen." "Ich weiß nicht..." Kim sah Sabrina skeptisch an. "Was ist, wenn ich in eurer Ecke überfallen werde? Da hab ich Angst."
"Kim!" Sabrina drückte sie lachend. "Du doofe Nuß! Dann hol ich dich eben von der Haltestelle ab und paß auf dich auf." "Dann komm ich gerne." Sie legte ihre unverletzte Wange an die von Sabrina. "Du würdest das tatsächlich tun, nicht wahr?" "Ja. Und dich abends auch wieder wegbringen." Sabrina kuschelte sich an sie. "Kat hat recht." Sie küßte Sabrina verliebt. "Du bist echt die liebste Freundin, die wir jemals hatten." "Ihr auch. Bleiben wir noch was so?" "Wie, so? Nackt? Im Bett?" "Ja." Sie legte ihre Hand auf Kims Scheide. Kim klemmte sie vorsichtig zwischen ihren Beinen ein. "Liebend gerne." Sie drückte Sabrina kräftig und hielt sie so fest.
Um halb elf saßen Sabrina, Kim und Frau Summers gemeinsam im Wohnzimmer. Sabrina fühlte sich ziemlich unwohl, doch Frau Summers' freundliche und zuvorkommende Art wischte Sabrinas Zweifel beiseite, wenn auch ein etwas unwohles Gefühl zurückblieb. "Ich wollte morgen zu Bienchen", sagte Kim. "Mit einigen von den neuen CDs." "Dann mach das, Kim. Ich war vorhin noch mal bei Kat. Sie schläft ziemlich unruhig und hat starke Schmerzen. Sie will auf jeden Fall morgen und Sonntag hier im Haus bleiben und ausruhen. Der Tag heute war zuviel für sie." "Wem sagst du das!" seufzte Kim. "Aber halte du sie mal von etwas ab, was sie sich vorgenommen hat." "Jetzt, wo sie nur einen Arm benutzen kann, müßte ich eigentlich eine Chance gegen sie haben", meinte Frau Summers verschmitzt lächelnd. "Sabrina, möchtest du trotz allem noch Kung Fu lernen?" "Jetzt mehr als vorher, Frau Summers." "Na!" feixte sie. "Hat mein Mann nicht gesagt, du sollst uns beim Vornamen nennen?" "Nein. Er sagte, ich kann Sie beim Vornamen nennen." Sabrina lächelte verlegen. "Ist ziemlich ungewohnt für mich." "In den Staaten ist das ganz normal, aber ich verstehe dich. Vielleicht sollten wir das bis nach dem Besuch deiner Eltern verschieben. Sabrina, am Dienstag wirst du Muskelkater haben. Wann habt ihr nach dem neuen Stundenplan Sport?" Kim seufzte laut. "Gleich Montag morgen, acht Uhr. Eine Doppelstunde." "Perfekt! Dann kann Kat ausschlafen und kommt erst zur dritten Stunde. Oder ist Anwesenheit Pflicht?" Kim nickte mürrisch. "Solange sie laufen kann, ja. Damit sie die Theorie mitbekommt. Im Moment machen wir Leichtathletik, im nächsten Halbjahr können wir wählen zwischen Gymnastik, Badminton, Volleyball und Basketball." "Das hört sich gut an. Dann kann sie ihren Arm bestens trainieren. Wofür habt ihr euch entschieden?" "Alle für Volleyball." "Schöner Sport. Da muß man im Team spielen. Basketball ist unter Umständen mehr ein Spiel für einzelne; wer den Ball hat, kann stürmen. Aber beim Volleyball müssen mindestens zwei zusammenspielen." "Genau." Kim grinste breit. "Und rat mal, welche zwei zusammenspielen." "Kat und du." "Falsch. Bienchen und ich." "O je!" lachte Frau Summers herzlich. "So schlimm?" "So schön." Kim nahm Sabrina ohne Scheu in den Arm. "Wirklich schön." Sabrina wollte vor Scham im Boden versinken. "Sabrina, bleib ruhig", meinte Frau Summers sanft. "Kim hat mir alles erzählt. Benehmt euch bitte nur, wenn mein Mann in der Nähe ist. Er hat dafür überhaupt kein Verständnis. Nicht, weil es um Kim geht; er lehnt nur Lesben und Schwule gleichermaßen ab. Das ist für ihn einfach unnatürlich." Sabrina wurde feuerrot. "Hey!" Frau Summers rutschte schnell zu Sabrina und nahm sie kräftig in den Arm. "Sabrina, viele Jugendliche machen gleichgeschlechtliche Erfahrungen, wenn die Pubertät so richtig einsetzt. In meinen Augen gehört das einfach dazu. Ob es bei dir und Kim einfach nur eine Phase ist, die vorbei geht, oder ob es viel tiefer geht, ist dabei doch völlig egal. Für mich ist das normal, weil ich etwas ähnliches in meiner Jugend erlebt habe. Mein Mann jedoch nicht, und deswegen ist das für ihn unnormal. Mach dir keine Sorgen, Sabrina." Sie strich Sabrina kräftig durch das Haar und lächelte sie aufmunternd an. "Okay?" Sabrina nickte mit gesenktem Kopf. "Gut. Hier, Kim; das Paket gehört dir." Sie schob Sabrina zu Kim, die ihre Freundin gleich wieder kräftig an sich drückte. Frau Summers rutschte lächelnd zurück auf ihren Platz, während Sabrina wünschte, das kleine Mäuschen zu sein, als das sie sich jetzt fühlte. "Ist doch alles in Ordnung." Kim strich Sabrina sanft über die Wange. "Mama meint das wirklich so, Bienchen. Das habe ich gestern gemerkt. Ganz ehrlich." "Warte, Kim." Frau Summers sah zu Sabrina. "Sabrina, schau mich bitte an." Sabrina hob den Kopf, ihr Blick richtete sich unsicher auf Frau Summers. "Und jetzt?" "Jetzt üben wir deine Selbstsicherheit, Sabrina. Schau mich an. Schau mir tief in die Augen, und dann sagst du mir, was du für Kim fühlst." Sabrina schaute ihr in die Augen, wie verlangt, obwohl sie im Moment liebend gerne ganz woanders gewesen wäre. In sich spürte sie nur Verlegenheit und große Beschämung, weil sie als 14jähriges Mädchen schwer in ein anderes 14jähriges Mädchen verliebt war. Dann geschah etwas. Sie sah nicht mehr die Mutter von Kim in Frau Summers, sondern einen Menschen, der Verständnis für ihre Probleme hatte. Das stand ganz deutlich sichtbar in ihren Augen. Verständnis, und Toleranz. Sabrina hatte mit einem Mal das Gefühl, daß sich ein Knoten tief in ihr aufgelöst hatte. Ein sehr verschlungener, fester Knoten. Das Gefühl war dermaßen intensiv, daß sie wie befreit einen tiefen Atemzug nahm. Es war, als würde sie durch ihre eigene Angst hindurch sehen können, und dahinter entdeckte sie die Unabhängigkeit. Sie wußte, daß sie Frau Summers sagen konnte, was sie fühlte. Und sie würde es verstehen. Diese Gewißheit gab ihr eine ungeahnte Kraft.
"Ich liebe Kim", sagte sie laut, klar und deutlich. "Ich liebe Kim." Frau Summers nickte lächelnd. "Na also, Bienchen. Jetzt schau Kim an und sage ihr, was du fühlst." Sabrina drehte ihren Kopf und schaute Kim tief in die hellen blauen Augen, in denen sie großen Respekt las. "Ich liebe dich, Kimmy." "Und ich liebe dich, Bienchen." "Sabrina?" Sabrinas Kopf fuhr wieder zu Frau Summers herum. "Ja?" "Sabrina, du hast bestimmte Gefühle in dir", sagte sie sanft. "Du magst sie akzeptieren oder ablehnen, aber es sind deine Gefühle. Setz dich mit ihnen auseinander und sprich sie aus. Am besten vor dem Spiegel. Tu so, als wärst du deine beste Freundin, mit der du über alles reden kannst. Erzähle dir alles, was dir auf der Seele liegt, und dann tu so, als würde deine beste Freundin dir einen Rat geben." Sie lächelte verschmitzt. "Natürlich solltest du darauf achten, daß dich niemand dabei sieht, denn es macht keinen besonders guten Eindruck, wenn du vor dem Spiegel mit dir selber redest. Aber du kannst mir glauben, daß es wirkt. Hundertprozentig wirkt. Du hast einen Ratgeber in dir, Sabrina. Du mußt ihn nur entdecken. Es ist ein sehr zuverlässiger Ratgeber, auf den du dich immer und jederzeit verlassen kannst. Nur spricht er leider sehr leise, aber je mehr und je öfter du auf ihn hörst, um so deutlicher wird seine Stimme." "Einfach vor den Spiegel stellen und -" "Ja." Sie lächelte tief. "Ich habe mich früher im Schlafzimmer meiner Eltern mit einem Stuhl vor den großen Spiegel gesetzt. Ich hatte damals ziemlich viele Gefühle, die ich nicht verstanden habe." Ein Läuten an der Tür verhinderte den nächsten Satz. Sabrina sprang auf, Kim gleich hinterher. Die Mädchen liefen in Kims Zimmer, um Sabrinas Sachen zu holen, während Frau Summers die Tür öffnete. "Guten Abend, Frau Evertz. Bitte kommen Sie herein." "Nur einen Moment, vielen Dank." Frau Evertz blieb in der Diele stehen. "Ist Sabrina nicht da?" "Doch. Sie holt eben ihre Sachen." "Und wie geht es Kat?" "Auf dem Wege der Besserung. Sie will das Wochenende zum Ausruhen benutzen." "Ich wußte gar nicht, daß ein Muskelriß so belastend sein kann." Sie sah Frau Summers forschend an, während Kim und Sabrina dazu kamen. "Der Riß auch weniger", erwiderte Frau Summers lächelnd. "Eher der Verband. Kat trägt einen Preßverband, der - ganz brutal gesagt - ihre Muskeln zusammenquetscht und den Muskel so zwingt, den Riß zu heilen." Frau Evertz verzog das Gesicht. "Das klingt ja furchtbar!" "Es ist sehr schmerzhaft, aber Kat wollte es so. Dadurch heilt das alles sehr viel schneller. Fertig, Sabrina?" "Sofort." Sabrina schlüpfte schnell in ihre Jacke. "Jetzt." "Prima. Warst du auch lieb?" "Nein." Sabrina schüttelte den Kopf. "Zuerst habe ich die Küche demoliert, und anschließend -" "Bienchen!" Frau Evertz lachte, und Sabrina grinste zurück. "Mutti! Warum sollte ich nicht lieb gewesen sein? Bei deiner Erziehung ist doch gar nichts anderes möglich." "Aha." Ihr fehlten tatsächlich für einen Moment die Worte. "Na gut. Hast du vor, um mehr Taschengeld zu fragen?" "Eigentlich nicht, aber das Angebot nehme ich gerne an. An wieviel hast du gedacht?" Frau Evertz verschlug es die Sprache. Sabrina schaute sie ganz unschuldig an, während Frau Summers und Kim geradezu unverschämt unbeteiligt aussahen. "Nun - Ich meine, wir - wir können darüber noch mal reden. Das Leben in der Stadt ist ja tatsächlich etwas teurer als in der Kleinstadt." "Richtig", stimmte Sabrina ruhig zu. "Deswegen verdient Papa hier ja auch mehr als vorher." "Ja." Frau Evertz fühlte sich in die Ecke gedrängt, ohne jedoch recht zu wissen, wie es dazu gekommen war. "Wie gesagt, darüber reden wir noch einmal." Sie schaute ihre Tochter einen Moment mit neuem Respekt an, bevor sie sich zu Frau Summers wandte. "Vielen Dank, daß Sie Sabrina so freundlich aufnehmen, Frau Summers." "Es ist uns allen ein Vergnügen, Frau Evertz. Sabrina ist ein sehr intelligentes Mädchen, und es ist eine Freude, mit ihr zu reden. Es bleibt bei Sonntag?" "Von uns aus ja. Kim? Grüß bitte deine Schwester von mir." "Das werde ich auf jeden Fall tun, Frau Evertz. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend." "Dir auch. Komm, Bien- Sabrina." "Bis morgen, Kim. Bis Sonntag, Frau Summers. Und gute Besserung an Kat." "Richte ich aus, Sabrina. Kommt gut heim." Sie warteten, bis Frau Evertz und Sabrina losfuhren, dann schloß Frau Summers die Tür. Im gleichen Moment platzten sie und Kim vor Lachen. "Spiel, Satz und Sieg in zwei Sätzen!" Kim liefen die Tränen über die Wangen. "Hach, war das schön. Hast du ihr Gesicht gesehen? Voll die Verblüffung!"
"Das war selbst beim besten Willen nicht zu übersehen." Auch Frau Summers hatten Tränen vor Lachen in den Augen. "Ich wette, sie knobelt gerade, was überhaupt passiert ist." Das tat Frau Evertz auch, und sie kam zu einem Schluß, von dem sie nicht wußte, ob er ihr gefiel. "Was war das mit morgen, Sabrina?" lenkte sie ihre Gedanken ab. "Kim wollte morgen nachmittag zu uns kommen, Mama. Oder hast du etwas dagegen?" "Natürlich nicht. Was habt ihr vor?" "Kim hat gestern einen Haufen CDs für den Jugendtreff gekauft, die wir schon mal sortieren und sichten wollen. Je nach Zeit kommt ja ein unterschiedliches Publikum. Abends zum Beispiel kommen viele Volljährige, und die hören sich ganz andere Musik an als zum Beispiel Kim oder ich. So kann sie schon mal eine Vorauswahl treffen." Sie schaute kurz zu ihrer Mutter. "Im Treff sind die CDs nach Stilrichtung geordnet; so kommt jeder, der für eine Stunde für die Musik sorgt, schnell klar." "Gut durchdacht", erwiderte sie anerkennend. "Gibt es da keine festen Angestellten?" "Nein, nur Freiwillige. Wer für die Musik sorgt, darf alles auflegen, was er mag, und wer Getränke verkauft, muß für seine Getränke nicht bezahlen." "Aha. Klingt interessant." Sie sah ihre Tochter forschend an. "Bienchen, du bist irgendwie - anders. Kann das sein?" "Ich glaube schon." Sie lächelte herzlich. "Mutti, das Reden mit Kat, Kim und ihrer Mutter ist sehr hilfreich. Kat und Kim sind dermaßen selbstsicher, daß ich manchmal das Gefühl habe, sie färben irgendwie auf mich ab." "Das war auch meine Vermutung. Übt ihr Diskutieren?" "In gewisser Form, ja. Wir versuchen - Nein, ich weniger. Kat und Kim versuchen, sich gegenseitig durch Argumentation den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Allein durch das Zuhören lerne ich schon viel, obwohl ich natürlich überhaupt nicht mithalten kann." "Noch nicht?" "Genau", lächelte Sabrina. "Noch nicht. Gibt dir das Anlass zur Sorge, oder war das der Effekt, den du dir von meinem Umgang mit ihnen erhofft hast?" "Nicht schlecht!" Frau Evertz nickte anerkennend. "Bienchen, du hast dich wirklich verändert. Zu deinem Vorteil. Du bist wesentlich ruhiger und gelassener, und das nach drei Tagen. Die beiden müssen ja wahre Wunder vollbringen." "Ja und nein, Mutti. Sagen wir, sie sind so, wie ich immer sein wollte, und in ihrer Nähe lerne ich sehr viel." "Ich verstehe. Sabrina, ich muss das noch mit deinem Vater besprechen, aber ich würde vorschlagen, dein Taschengeld um 20 DM heraufzusetzen. Warte!" unterbrach sie Sabrina, die jubeln wollte. "Auf der Höhe bleibt es dann, bis zu 16 bist. Das sind knapp 2 Jahre. Danach werden wir neu verhandeln. Einverstanden?" Sabrina wollte gerade zustimmen, als ihr etwas einfiel. "Das klingt sehr verlockend", sagte sie deshalb ruhig. "Aber darf ich das noch mal überschlafen?" "Ja sicher." Frau Evertz sah ihre Tochter überrascht an. "Warum, wenn ich fragen darf?" "Weil ich etwas rechnen muss, Mutti. Das Billard im Treff kostet pro Spiel eine Mark. Ich spiele abwechselnd gegen Kat und Kim und zahle daher doppelt so viel wie jede von ihnen, weil eine von ihnen ja immer aussetzt. Aber ich denke, in der Höhe sollte es für gelegentliches Spielen ausreichen." Wie alle Teenager verfügte auch Sabrina über das Talent, jederzeit zwei verschiedene Versionen einer Geschichte erzählen zu können. Frau Evertz musste herzhaft lachen. "Sabrina! Du kannst unmöglich meine schüchterne, unsichere, aufbrausende Tochter sein. Gestehe es, du Monster! Was hast du mit meiner Tochter angestellt?" "Ich habe eine Gehirnwäsche mit ihr gemacht!" brummte Sabrina mit tiefer Stimme. "Nun ist sie unbesiegbar!" "Das glaube ich einfach nicht!" Frau Evertz schüttelte lachend den Kopf. "Drei Tage. Drei simple Tage. Das kann es doch gar nicht geben." "Du wirst lachen, Mutti." Sabrinas Stimme war ganz ernst. "Mir kommt das selbst noch völlig fremd vor, aber ich fühle mich total wohl. Kat, Kim und ich spielen oft Streiten. Das heißt, eine von ihnen knallt eine freche Bemerkung in die Gegend, und ich muss kontern. Das läuft aber nie bis zur Beleidigung, sondern zielt immer nur darauf ab, die andere mit Worten auszumanövrieren. Verstehst du?" "Besser, als du ahnst." Nun konnte Frau Evertz ihr dumpfes Gefühl einordnen, denn genau so fühlte sie sich: ausmanövriert. "Gut, Bienchen. Das mit dem Billard ist ein gutes Argument. Du wirst älter und bekommst neue Interessen, die naturgemäß auch Geld kosten. Dreißig Mark mehr im Monat. Damit liegst du bei siebzig Mark, was sowohl dem Einkommen deines Vaters wie auch deinen erhöhten Ausgaben angemessen ist. Dafür verlierst du kein Wort mehr über eine Erhöhung, bis du 16 bist. Ja oder nein?" "Ja!" jubelte Sabrina. "Danke, Mutti! Ich kam mir schon blöd vor, weil Kim und Kat mir ab und zu ein Spiel spendiert haben. Geil!" "Für das Wort sollte ich gleich wieder zehn Mark abziehen", meinte Frau Evertz vorwurfsvoll, lächelte aber dabei. "Rechne noch nicht fest damit; ich muß es noch mit deinem Vater besprechen." "Stehst du bei diesem Gespräch auf seiner oder auf meiner Seite?" fragte Sabrina mutig. "Auf deiner." Frau Evertz lachte schallend. "Und jetzt Schluß!" Sabrina war still, doch ihre Augen strahlten vor Stolz. Während Sabrina am nächsten Morgen das Okay ihres Vaters zur Taschengelderhöhung mit lautem Jubel quittierte, ging es Kat gar nicht gut. Die Wunde schmerzte noch viel schlimmer als am gestrigen Tag, so daß ihr Vater mit ihr ins Krankenhaus fuhr. Der Arm wurde geröntgt, und als dort nichts zu finden war, wurde der Verband entfernt und die Wunde kontrolliert. "Da haben wir den Übeltäter", sagte der Arzt, der ein anderer als am Donnerstag abend war. "Einer der Fäden hat sich beim Anlegen des Verbands gedreht und mit seinem Ende in die Wunde gedrückt. Ab jetzt sollte es längst nicht mehr so weh tun. Es tut mir leid, junge Dame." "Kann ja passieren." Kat war blaß vor Erleichterung, als der Schmerz nachließ. "An dem Abend war ziemlich viel los hier." "Es sollte nicht passieren." Er lächelte leicht. "Aber danke für Ihr Verständnis. Hoffentlich werden Sie das Krankenhaus nicht gleich anzeigen." "Unsinn." Kat bewegte ihren linken Arm vorsichtig in der Schulter, doch die irrsinnigen Schmerzen waren weg. "Besser. Viel besser." "Sicher. Der Faden hat in rohes, verletztes Fleisch gedrückt, genau mit seiner Spitze. Nach dem ersten Schock beruhigen sich die Nerven und nehmen innerhalb der nächsten Stunden wieder ganz normal ihre Arbeit auf. Soll ich Ihnen trotzdem weitere Schmerztabletten aufschreiben?" "Ja, bitte", sagte ihr Vater sofort. "Nur zur Sicherheit. Ich denke, die Art der Wunde rechtfertigt Medikamente. Antibiotika wären vielleicht auch nicht unpassend." "Auf jeden Fall. Das Rezept schreibe ich gleich." Er fixierte das Pflaster sehr sorgfältig. "Geht es so?" Wieder bewegte Kat ihren Arm, diesmal auch vorsichtig im Ellbogengelenk, und nickte schließlich. "Ja. Nichts zu spüren." "Gut." Behutsam legte er den ersten Verband um und überließ es einer Schwester, den zweiten, stärkeren und schützenden anzulegen, während er das Rezept ausschrieb. Wenig später waren Kat und ihr Vater schon auf dem Weg zur Apotheke. "Und ich dachte schon, ich halte gar nichts mehr aus", lachte Kat. "Dazu sage ich nur, daß man das Aushalten auch übertreiben kann." Er schenkte ihr einen strengen Blick. "Im Kampf ist es okay, den Schmerz zu unterdrücken, aber hinterher brauchst du ihn als Warnsignal, daß etwas in deinem Körper nicht stimmt." "Nicht böse sein, Papa. Ich hatte so eine Verletzung ja noch nie." "Ich bin nicht böse. Ich..." Er sah sie an und mußte lachen. "Doch. Ich bin böse." "Gut." Kat lachte ihn an. "Sind wir trotzdem noch Freunde?" "Später. Im Moment verarbeite ich noch." Er zwinkerte ihr zu. "Kat, ich muß gleich noch bei einem Holzhändler vorbei. Ich möchte euch langsam an die Waffen heranführen." "Waffen?" "Ja. Ihr tragt jetzt fast ein Jahr den schwarzen Gürtel, und ich finde es an der Zeit, daß ihr an die komplizierten Gänge mit Schwert, Stock und Messer kommt. Außerdem möchte ich euch etwas von den Ninjas beibringen, speziell die Wurfsterne." Er sah sie ernst an. "Mit so Sternen hättest du den wesentlich schneller ausschalten können." "Aha." Kat sah ihn forschend an. "Das heißt aber dann, dass ich andauernd bewaffnet herumlaufen muß." "Ja." Kat schluckte, als ihr Vater nicht mehr dazu sagte. Sie verfiel ins Grübeln, aus dem sie erst erwachte, als er mit dem Medikament wieder aus der Apotheke kam und sich ins Auto setzte. "Papa?" fragte sie vorsichtig. "Versteh das nicht falsch, aber findest du das nicht etwas übertrieben?" "Nein." Er lächelte dünn. "Kat, du sollst nicht im Kampfanzug durch die Straßen laufen. Du sollst auch kein Schwert auf dem Rücken tragen. Nur eine kleine Tasche am Gürtel, die schnell zu öffnen ist und in der fünf, sechs Sterne sind. Das geht schneller als über die Theke zu springen. Sehr viel schneller. Ich habe euch das noch nicht gezeigt, weil ihr noch relativ jung seid, aber dein Verhalten hat mir klar gemacht, dass es an der Zeit ist. Ihr seid reif dafür." "Na gut!" lachte Kat erleichtert. "Mit einer kleinen Tasche kann ich leben. Ich dachte wirklich schon, daß ich vermummt wie ein Ninja durch die Straßen tigern soll." "Nicht, solange ich dein Vater bin." Er klopfte ihr ganz sacht auf die Schulter. "Dafür wollte ich gleich ein paar dicke Bretter holen und sie an einer Wand in der Halle anbringen. Der Jens Sautermann - der Staatsanwalt - hat mir schon vor einiger Zeit zugesagt, daß er mir diese Schablonen, die bei der Polizei im Schießstand verwendet werden, besorgen kann, und die werde ich dann auf die Bretter pappen. Das kannst du auch mit deinem verletzten Arm trainieren. Einverstanden?" "Klar!" "Gut." Er strich ihr über den Kopf. "Dachte ich mir. Kim ist nachher weg zu Sabrina. Willst du mit, jetzt wo dein Arm nicht mehr so weh tut?" "Nein. Der Tag gestern hat zuviel Kraft gekostet. Ich bleib heute faul auf der Couch. Haben wir schon geklärt." "Gut." Eine Viertelstunde später hatte Summers acht Holzplatten im Kofferraum des BMW, die alle einen Meter lang und sechzig Zentimeter breit waren, bei einer Dicke von vier Zentimetern. Der nächste Stop war bei einem Geschäft für Kampfsportzubehör, bei dem er gegen Vorlage seines Ausweises und seiner Trainerlizenz zwei Satz Wurfsterne kaufte. Kat schluckte, als sie sah, wie spitz und scharf die Sterne waren. Das Geschäft führte auch speziell gefütterte Taschen, die an den Gürtel geschnallt oder an den Hosenbund geklemmt werden konnten. Auch davon kaufte er zwei. Dann kamen vier große Messer dazu, die am Beginn der Klinge je zwei enge Metallbögen hatten, um ein gegnerisches Messer aufzufangen. Zwei schwere, lange Stöcke und zwei stumpfe Schwerter vervollständigten den Einkauf. "Sollte genügen", meinte Summers, der seine Augen kritisch über die Waffen gleiten ließ. "Die Schwerter taugen zwar nicht viel, aber zum Üben wird es reichen. Außerdem sollt ihr euch damit nicht die Haare oder Ohren abschneiden." Er sah seine Tochter kalt an. "Nur schon mal vorab, Kat: Wenn ich mitbekomme oder höre, daß ihr mit diesen Waffen Unfug anstellt, schmeiße ich euch höchstpersönlich aus dem Verein und sorge dafür, daß ihr nirgendwo mehr unterkommt. Ist das klar?" Kat nickte ernst. "Ja, Papa. Ganz klar." "Gut. Kim wird das auch noch zu hören bekommen. Sollen wir für Sabrina gleich einen Anzug mitnehmen?" "Nein. Erst mal abwarten, ob es ihr zusagt, dann ist immer noch Zeit dafür." "Einverstanden. Aber einen weißen Gürtel kaufen wir auf jeden Fall; ich bin mir nämlich ziemlich sicher, daß wir die alle aussortiert haben." Wenig später waren alle Einkäufe im Wagen, und es ging wieder nach Hause, wo Summers gleich die Bretter an der Rückwand der Halle anbrachte. Sabrina hingegen schaffte Ordnung in ihrem Zimmer. Der kleine, aber ausreichende Schreibtisch wurde aufgeräumt, das Bett gemacht und der Boden gesaugt, und als Kim dann gegen drei Uhr eintraf, war Sabrina schon ganz nervös vor Aufregung. Nach der Pflichtbegrüßung und einem Stückchen Kuchen zogen sich die Mädchen dann in Sabrinas Zimmer zurück, wo Sabrina eine der CDs einlegte, die Musik nicht zu laut einstellte und sich dann zu Kim drehte. "Hallo, Kimmy!" sagte sie verliebt. "Hallo, Bienchen."
Eine Sekunde später hielten sie sich im Arm und küßten sich wie ausgehungert. Kim preßte Sabrina gleich ganz hart an sich und legte ihre Hände auf ihren Po, während Sabrina wie gestern in Kims langen Haaren wühlte und sich mit Kim darin einwickelte. Nach dem ersten langen Kuß seufzte Kim glücklich. "Mehr!" "Hier nicht." Sabrina schaute sie traurig an. "Mutti kommt alle paar Minuten rein, auch wenn ich alleine bin." Dann lächelte sie wieder. "Aber wir sind zusammen." "Reicht mir nicht!" Kim knurrte sie an wie ein wütender Hund, als Sabrina sich plötzlich schnell von ihr löste. "Mutti!" flüsterte sie. Die Mädchen sprangen zum Tisch und taten so, als würden sie den Text der Musik, die gerade lief, lesen, als die Tür aufging und Frau Evertz eintrat, ohne daß sie angeklopft hatte. In der Hand trug sie eine kleine Schale aus Glas mit ein paar Keksen darin. "Zum Naschen", lächelte sie, als sie die Schale auf den Tisch stellte. "Danke!" Kim tat überrascht. "Das ist nett von Ihnen." Frau Evertz winkte ab. "Sind doch nur Kekse. Was macht ihr?" "Wir untersuchen die Texte", antwortete Kim höflich. "Es kommt häufig vor, daß sich bei dieser Art Musik sehr anstößige Wörter im Text befinden, und solche Stücke sortiere ich gleich aus und spiele sie nicht." "Aha. Dann viel Spaß." Sie ging wieder hinaus.
"Und los!" Kim warf sich an Sabrina und küßte sie noch wilder als beim ersten Mal. Sabrina war zuerst vollkommen überrascht, doch dann genoß sie den Nervenkitzel; vor allem, als Kim begann, ihre Brust zu streicheln. Die Erregung wegen Kims Berührungen und die Angst wegen ihrer nur wenige Schritte entfernten Eltern peitschten Sabrinas Lust extrem vorwärts, und als Kim begann, sie durch die Hose zwischen den Beinen zu reiben, hätte sie beinahe alle Vorsicht vergessen. "Ich bin so wild auf dich!" flüsterte sie Kim ins Ohr. "Ich auch. Kommt sie wirklich alle paar Minuten rein?" "Ja. Wenn ich alleine bin, alle zehn oder so." "Hm." Kim zog eine Grimasse. "Klingt gar nicht gut." "Das geht schon." Sabrina küßte Kim sanft auf den Hals. "Küssen ist doch auch schön, oder?" "Ja." Kim grinste. "Aber das andere ist doch noch schöner, oder?" "Ja." Sabrina kicherte leise. "Viel schöner. Aber hier geht das wirklich nicht." "Doch." Kim sah Sabrina entschlossen an. "Das treiben wir ihr aus. Sie könnte zumindest anklopfen. Und genau das bringen wir ihr bei." "Und wie?"
"Setz dich hin und schau gut zu." Kim zwinkerte ihr zu. Sabrina zuckte mit den Schultern, ging zu ihrem Schreibtisch und setzte sich hin. Kim öffnete Sabrinas Kleiderschrank, legte wahllos ein paar Hemden und Pullover auf das Bett und zog sich dann soweit aus, bis sie nur noch Strümpfe und Höschen anhatte. Dann nahm sie einen von Sabrinas Pullovern, schüttelte ihn auf und blieb dann mit ihm in der Hand reglos stehen. Sabrina kapierte. "Wow!" flüsterte sie überwältigt. "Das nenne ich mutig!" Kim zuckte mit den Schultern. "Man muß für seine Ziele auch was tun. Zehn Minuten?" "So etwa." "Gut." Sie grinste gemein und stellte sich so hin, daß ihre nackte Brust genau zur Tür zeigte. Wenig später machte Sabrina ein Zeichen. Kim nickte schnell und zog sich den Pullover über die Arme, die sie hoch in die Luft streckte, so daß ihr entblößter Oberkörper in seiner vollen Pracht zu sehen war. Sabrina tat so, als würde sie die Hülle der CD mustern, während sie aus den Augenwinkeln auf die Tür schaute. Es klappte perfekt. Frau Evertz erschrak zu Tode, als sie Kim fast nackt nur zwei Meter vor sich stehen sah. Auch Kim erschrak heftig. Sie riß die Arme vor den Körper und hauchte wie eine beim Küssen ertappte Jungfrau: "Frau Evertz!" Frau Evertz bekam eine Bombe. "Tut mir leid", murmelte sie, trat schnell zurück und schloß die Tür von außen. Kim ballte die Faust. "Ja!" wisperte sie fröhlich. Sabrina nickte aufgeregt. Kim zog sich schnell Sabrinas Pulli und einen ihrer Röcke an, dann warteten sie gemeinsam am Tisch, an dem sie einige Notizen machten. Fünf Minuten später war es soweit: es klopfte. Sabrina kicherte, riß sich jedoch sofort zusammen. "Ja?" Vorsichtig steckte Frau Evertz ihren Kopf ins Zimmer. Sofort stand Kim auf. "Ich muß mich sehr bei Ihnen entschuldigen", begann sie direkt, ohne Frau Evertz die Möglichkeit zu geben, etwas zu sagen. "Frau Evertz, ich habe überhaupt nicht bedacht, daß in anderen Familien andere, viel vertrautere und offenere Umgangsformen herrschen. Ich habe fälschlicherweise die Verhältnisse von meinem Zuhause auf das von Sabrina übertragen, und das tut mir sehr leid." "Nein, Kim", widersprach Frau Evertz ernst. "Ich muß mich entschuldigen. Es stimmt schon, dass Sabrina und ich sehr vertraut miteinander sind, aber ich habe vergessen, daß Mädchen in eurem Alter gerne die Kleidung austauschen. Daran hätte ich wirklich denken müssen." "Es ist ja nichts passiert", winkte Kim lächelnd ab. "Zum Glück war es nicht Ihr Mann, sonst würde ich mich jetzt zu Tode schämen." "Oder er." Frau Evertz lächelte dünn. "Dir passen Sabrinas Sachen?" "Ja. Abgesehen von der Oberweite haben wir die gleiche Figur. Aber das dürften Sie gerade selber festgestellt haben." Frau Evertz überging die letzte Bemerkung, die Kim mit voller Absicht losgelassen hatte, um den kleinen Vorfall in Frau Evertz' Kopf zu verankern. "Klopfen deine Eltern immer bei euch an?" "Nicht nur sie, auch meine Schwester und ich untereinander." Sie grinste breit. "Kat und ich können uns manchmal überhaupt nicht entscheiden, was wir anziehen, und da sind wir mehr in einem relativ unbekleideten als bekleideten Zustand. Das Anklopfen hat sich bei uns einfach so eingebürgert. Sabrina trägt gerne, wie sie selber gesagt hat, die morgens angezogene Kleidung den ganzen Tag, aber Kat und ich ziehen uns drei-, viermal am Tag um. Wir sind eben etwas verrückt." "Gut zu wissen." Sie bemerkte den Ausrutscher sofort. "Das mit dem Anklopfen meine ich; nicht dass ihr verrückt seid. Das denke ich übrigens überhaupt nicht. Ich finde es schön, wenn sich ein junges Mädchen vorteilhaft anzieht. Aber Sabrina mag die etwas tristeren Farben." "Aha?" Kim blickte sie überrascht an. "Das ist komisch. Vorgestern hat sie sich von Kat und mir etwas geliehen, wo sie wunderschön drin aussah und sich auch sehr wohl mit gefühlt hat. Oder, Sabrina?" "Ja." Sabrina, die den Wink verstand, lächelte sehnsüchtig. "Das war ein weißer Rock von Kim, mit langen weißen Strümpfen, und ein schwarzes Hemd von Kat. Das sah wirklich wunderschön aus. Aber das kann ich mir ja nach und nach alles kaufen." Sie drehte sich aufgeregt zu Kim. "Ich bekomme nämlich jetzt viel mehr Taschengeld! Wegen dem Billard und allem anderen." "Super!" freute sich Kim. "Dann können wir alle zusammen auch mal ins Kino gehen!" "Aber nur am Wochenende", sagte Sabrina sofort. "Wegen Schule. Oder eben in den Ferien." "Ich lasse euch dann mal wieder alleine", warf Frau Evertz lächelnd ein. "Habt noch viel Spaß." "Ganz bestimmt, Mutti. Kann ich gleich noch einen Karton O-Saft holen?" "Sicher, Bienchen." Sie eilte hinaus. Sofort umarmten sich die Mädchen kichernd. "Und versenkt!" flüsterte Kim. "Mit Torpedotreffer mittschiffs. Die war total von der Rolle." Sabrina leckte sanft durch Kims Ohrmuschel. "Hast du ganz super gemacht, Kimmy!" "Ach", wehrte Kim ab. "Eltern müssen erzogen werden, und mit 14 kann man wohl erwarten, dass Eltern nicht einfach ins Zimmer gestürmt kommen. Was würde sie tun, wenn du einen Freund hier hättest?" "Gar nicht mehr rausgehen!" prustete Sabrina. Kim lachte fröhlich mit.
Trotz dieser drastischen Erziehungsmaßnahme ließ Frau Evertz es sich nicht nehmen, alle zehn Minuten ins Zimmer zu kommen, auch wenn sie nun anklopfte. Um sechs Uhr glich Kim einer kurz vor der Explosion stehenden Bombe. "Mal ganz ehrlich, Bienchen", sagte sie beherrscht. "Empfinde nur ich das als äußerst störend, oder geht es dir auch so?" "Das geht mir schon seit zwei Jahren so." Sabrina schaute sie bedrückt an. "Seit meiner ersten Periode. Ich habe keine Ahnung, was das soll, aber es geht mir gerade heute auch tierisch auf den Zwirn. Sonst macht es mir nichts aus, aber jetzt..." "Eine Erklärung dafür habe ich allerdings auch nicht. Erwartet sie, nur weil du die Regel hast, daß du jeden Moment umkippen könntest?" "Frag mich mal." Sabrina zuckte ratlos mit den Achseln. "Immer wenn ich sie darauf anspreche, hat sie ja einen guten Grund, in mein Zimmer zu kommen. Neuer Saft, ein paar Süßigkeiten, eine Frage, einen gefundenen Strumpf... Alles mögliche, aber immer einen guten Grund, hinter dem sie sich versteckt. Aber mit der Periode kann es nicht zusammenhängen; sie weiß ja, wann die ist." "Komisch." Kim nagte nachdenklich an der Oberlippe. "Sie stellt es ziemlich clever an, deswegen wüßte ich im Moment auch nicht, wie - Doch!" Sie nickte entschlossen. "So mache ich das." "Wie? Was?" Sabrina wurde nervös. "Was hast du vor?" "Nichts Böses, Hübsches. Ehrlich nicht. Nur was fragen. Ganz lieb und nett." Sie drückte Sabrina zärtlich. "Versprochen." "Na gut." Sabrina schmiegte sich an sie. "Ich möchte jetzt mit dir im Bett liegen. Dich spüren. Ganz." "Ich auch." Kim drückte sie kräftig an sich. "Ich auch." Sie preßte ihre Nase in Sabrinas Haare und atmete ihren Geruch ein. Sabrina schloß die Augen, legte ihre Hand an Kims Busen und knetete ihn zärtlich. "Ich will dich so sehr!" flüsterte Kim. "Wollen wir uns nicht einfach irgendwo in die Büsche schlagen?" "Es regnet." Sabrina leckte über Kims Lippen. Kim fing ihre Zunge mit dem Mund ein und saugte daran, und sofort küßten die zwei sich wieder erregt, bis Sabrina atemlos den Kuß abbrach und sich an Kim preßte. "Ich will dich auch!" wisperte sie. "Aber ich kann nicht mal abschließen. Meine Tür hat keinen Schlüssel." "Todsicher eingesackt", knurrte Kim. "Mein Bienchen!" Sie preßte ihre Lippen auf Sabrinas Mund und küßte sie wie besessen. Auch Sabrina spürte, daß sie es nicht nur wollte, sondern sogar schon brauchte. Ein Instinkt ließ sie sich von Kim lösen, und Sekunden später klopfte es. "Ja?" rief Sabrina. Kims Gesicht zeigte einen blitzartigen Anflug von Wut, dann war es wieder freundlich. "Noch etwas Nachschub", lächelte Frau Evertz. Sie stellte eine kleine Schale mit Erdnüssen auf den Tisch. "Ach, Frau Evertz", sagte Kim verlegen, bevor Sabrina sich bedanken konnte. "Dürfte ich Sie etwas fragen?" "Natürlich, Kim!" antwortete sie überrascht. "Was denn?" Kim druckste herum. "Na ja, es - es ist etwas sehr... Also, es geht um etwas, was ich mit meiner Mutter nicht so gut besprechen kann." Sie lächelte dünn. "Irgendwie hat der Kampfsport sie auch innerlich hart gemacht, und auf manche Fragen antwortet sie auch hart." "Worum geht es denn genau?" fragte Frau Evertz, während Sabrina zu allen bekannten Heiligen betete, daß man ihr ihre Verblüffung wegen Kims Beschreibung des Verhältnisses zu ihrer Mutter nicht ansah. "Um etwas", sagte Kim zögernd, "was uns - also uns Frauen und Mädchen - alle vier Wochen Ärger macht." "Verstehe." Das Gesicht von Frau Evertz drückte plötzlich Besorgnis aus. "Hast du Probleme damit?" Kim stieß den Atem aus. "Etwas. Unsere Mutter meint, es müßte eigentlich ganz problemlos abgehen, aber bei mir - und bei meiner Schwester - fängt das einen Tag vorher immer mit leichten Bauchschmerzen an. Ist das normal?" "Völlig." Frau Evertz lächelte beruhigend. "Das ist ganz normal, Kim. Wirklich. Bei mir ist es ähnlich; nur bekomme ich zwei, drei Stunden vorher ganz kurz heftige Bauchschmerzen. Darüber müßt ihr euch wirklich keine Gedanken machen." "Danke!" Kim atmete erleichtert aus. "Tut mir leid, daß ich einfach so eine derart intime Frage stelle, aber ich wußte nicht, wen ich sonst fragen sollte." "Deswegen mußt du dir keine Vorwürfe machen, Kim. Fragen über dieses Thema kannst du so gut wie jeder Frau stellen." Sie stellte die leeren Schälchen zusammen, lächelte Kim noch zu und ging dann wieder hinaus. "Das war's nicht." Kim sah ratlos auf die Wand. "Was könnte es dann noch sein?" "Ist doch egal." Sabrina machte ein verärgertes Geräusch. "Auf jeden Fall muß ich hier raus, auch wenn's regnet. Wie weit sind die CDs?" "Knapp die Hälfte geschafft; den Rest kann ich morgen machen. Wieso?" "Sollen wir essen gehen? Da sind wir wenigstens für uns. Irgendwas. Pommes oder Pizza... Egal. Nur raus." "Da haben wir doch auch keine Ruhe, Bienchen. Hier können wir uns wenigstens küssen." Sabrina schaute regelrecht verzweifelt dran. "Ja", jammerte sie. "Aber -" "Ich weiß." Sie drückte Sabrinas Kopf an ihre Brust und streichelte ihre Haare. "Ich weiß, Bienchen. Ich ja auch. Wenn ich nur wüßte, warum sie das macht..." Aber das blieb Frau Evertz' Geheimnis. Um sieben holte sie die Mädchen zum Abendessen, was aus selbstgemachten, sehr leckeren überbackenen Baguettes bestand, und anschließend setzte sie ihr Verhalten fort, bis Kim um halb zehn entnervt die Segel strich. "Schluß." Sie holte die CD aus dem Player, packte sie in die Hülle, steckte alle in die Tasche, in der sie die CDs transportiert hatte, und griff nach dem Busfahrplan. Sabrina strich ihr traurig über das glatte Haar. "Das tut mir so leid, Kimmy." "Mir auch." Kim sprühte förmlich Funken vor Wut. "Ich überlege gerade, ob ich ihr sage, was ich davon halte, oder ob ich Papa gleich noch für eine harte Runde in die Halle zerre. Aber irgendwas muss ich tun, oder ich platze!" "Du glaubst gar nicht, wie gut ich dich verstehe." Sabrina legte ihre Wange an Kims Kopf. "Ich hatte gehofft, daß sie das nicht tut, wenn du hier bist. Aber das war wohl nur ein frommer Wunsch." "Leider, Bienchen. In Zukunft kommst du wieder zu uns. Und wenn ich dich mit dem Rad nach Hause bringen muß; du kommst zu uns. Da: Neun Uhr achtundvierzig. Den nehme ich." "Ich komm noch mit raus." Außerhalb von Sabrinas Zimmer wandte sich Kim zur Wohnungstür, doch sie änderte sofort ihre Meinung und ging ins Wohnzimmer. "Kim!" hörte Sabrina ihre Mutter überrascht sagen. "Du willst schon gehen?" "Ja, Frau Evertz." Sabrina lief schnell zu Kim, als sie deren eiskalte Stimme hörte. "Jedoch nicht, ohne Ihnen zu sagen, wie sehr ich Ihr Verhalten verabscheue." "Wie bitte?" Frau Evertz fuhr auf, wie auch ihr Mann. Sabrina biß die Zähne zusammen. "In der Tat", sagte Kim eiskalt. "Ich habe trotz meiner Jugend schon viele recht merkwürdige Menschen erlebt, aber Sie stellen alle in den Schatten. Was Sie den Tag über getrieben haben, erinnert mich sehr stark an Kontrolle. Was glauben Sie eigentlich, was Sabrina und ich tun, daß Sie alle paar Minuten in ihr Zimmer kommen müssen? Ich hatte mich auf einen unterhaltsamen Tag mit Sabrina gefreut, an dem wir die Musik für die nächste Zeit im Treff zusammenstellen können, aber das wurde von Ihnen äußerst wirksam unterbunden. Sie mögen für dieses Verhalten Ihre Gründe haben, aber welche das sind, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen." Sie stieß laut den Atem aus. "Tut mir leid, aber das mußte einfach raus. Ich fühlte mich überwacht, kontrolliert und beobachtet, und das kann ich nicht hinnehmen. Warum Sabrina das akzeptiert, ist mir schleierhaft, aber das ist Sabrinas Sache. Ich jedoch bin dieses Überwachen weder gewohnt noch bereit, es hinzunehmen. Ihnen und Ihrem Mann wünsche ich dennoch ein schönes Wochenende. Bitte erwarten Sie nicht, dass ich bei Ihrem morgigen Besuch anwesend sein werde." "Also ich muß doch sehr bitten!" ereiferte sich Frau Evertz. Ihr Mann und ihre Tochter wechselten verblüffte Blicke. "Nein, ich muß sehr bitten!" erwiderte Kim eisig. "Um Respekt und Privatsphäre. Selbst wenn ich nur zu Besuch bin, erwarte ich Privatsphäre. Wenn Sabrina Kat und mich besucht, erdreisten sich weder mein Vater noch meine Mutter, uns alle zehn Minuten zu überfallen und unter fadenscheinigen Vorwänden unsere Zimmer zu betreten., Ja, natürlich, Sie haben uns etwas zu naschen gebracht. Getränke. Immer nur so viel, daß Sie wenig später wieder hereinkommen konnten, um weiteren Nachschub zu liefern. Das ist nicht nur fadenscheinig, das ist sogar billig und primitiv. Guten Abend. Tschüs, Sabrina. Bis Montag." Wütend stürmte sie hinaus. "Warte!" Sabrina eilte hinter ihr her. Den Blick, den ihr Vater ihrer Mutter zuwarf, sah sie nicht mehr. Sie fing Kim am Aufzug ab. "Mußte das sein?" fragte sie traurig. Kim nickte energisch. "Ja, Bienchen. Das mußte raus. Tut mir leid, aber -" Sie brach ab, als sich die Tür öffnete und Sabrinas Vater nach draußen sah. "Wartet bitte auf mich." Die Tür schloß sich wieder. Die beiden Mädchen sahen sich fragend an, dann zuckte Kim mit den Schultern, lehnte sich an die Wand und rutschte nach unten, bis sie auf dem Boden saß. Sabrina setzte sich neben sie. "Mich würde jetzt wirklich interessieren, was das soll." "Abwarten." Kim griff nach Sabrinas Hand, um sie festzuhalten. "Offenbar weiß er mehr als wir." Einige Minuten später öffnete sich die Tür wieder. Die Mädchen standen schnell auf, als Herr Evertz herauskam. "Ich fahre dich heim, Kim", sagte er ruhig. "Lehn bitte nicht ab." Kim atmete langsam aus. "Danke, Herr Evertz. Ich nehme an, Sie möchten mir noch etwas sagen." "Ja." "Kann ich mit?" fragte Sabrina behutsam. "Sicher, Bienchen. Es betrifft dich besonders." "Wieso? Was habe ich gemacht?" "Nichts. Gleich." Sie fuhren mit dem Aufzug in die Tiefgarage, gingen zu Herrn Evertz' Wagen und stiegen ein. Er verließ die Tiefgarage und bog auf die Straße ein. "Sabrinas Mutter ist nicht sehr religiös", begann er zögernd, als müßte er nach den zutreffenden Worten suchen und gleichzeitig abwägen, was er sagen konnte. "Gläubig ja, aber nicht religiös. Bis auf einen einzigen Punkt, Kim. Sie verabscheut Selbstbefriedigung. Wie es dazu kam, ist eine längere Geschichte, aber sie ist sowohl für Sabrina wie auch für dich interessant. Elke - Sabrinas Mutter - war elf Jahre alt, als sie ihre Mutter durch Zufall dabei erwischt hat, wie sie masturbierte. Bienchen, du weißt, daß dein Großvater - also der Vater deiner Mutter - sehr früh gestorben ist. Deine Mutter war zehn, als er starb. Gut ein Jahr später fand sie also ihre Mutter und sah, wie sie sich selbst befriedigte. Und das mit einer richtig großen Gurke." Es war zu hören, wie sehr es ihm widerstrebte, eine derartige Geschichte vor zwei jungen Mädchen zu erzählen. "Deine Mutter, Bienchen, hat dadurch einen Schock bekommen. Einen so großen Schock, daß sie und ich mehrere Jahre befreundet waren, bevor es überhaupt zum ersten intimeren Kontakt gekommen ist. Natürlich hat mich das damals ziemlich erstaunt, und ich habe deine Großmutter mal vorsichtig darauf angesprochen. So erfuhr ich, was damals passiert war. Anschließend haben deine Oma und ich auf deine Mutter eingeredet, bis sie eingewilligt hat, sich in therapeutische Behandlung zu begeben. Das ging auch soweit gut, daß sie ihre Angst vor Sex verlor. Aber, Bienchen, als deine Periode einsetzte, brach das alles offenbar wieder aus. Deine Mutter kommt so oft zu dir, weil sie nicht will, daß du dich selbst befriedigst." Er lachte leise, aber hörbar verlegen. "Es tut mir wirklich leid, daß ich mit dir über diese Dinge reden muß, aber es kann sonst kein anderer tun, mein Kleines. Deine Mutter hat einen Schock, den sie noch immer nicht überwunden hat, wie es aussieht. Sie will sichergehen, daß du nicht an dir herumspielst. Deswegen kommt sie so oft. Ich habe natürlich gemerkt, daß sie häufig aufgestanden ist, aber sie brachte immer etwas in die Küche oder holte etwas. Mit der Zeit habe ich mich dran gewöhnt, erst durch Kim gerade wurde ich hellhörig. Es tut mir leid, Kim, aber meine Frau ist in diesem einen Punkt etwas gestört. Das muß so offen gesagt werden. Nur in diesem einen Punkt. Sie will unsere Tochter nicht masturbieren lassen, und deswegen geht sie alle zehn Minuten zu ihr." "Also doch!" Kim schlug sich auf die Beine. "Hing das doch mit Sabrinas Periode zusammen." "Richtig. Elke glaubt völlig korrekt, daß mit Einsetzen der Periode auch alle anderen Funktionen erwachen, darunter die Lust. Als es bei Sabrina soweit war, begann für Elke auch die Gefahr, und sie führte ihre 'Kontrollgänge' ein. Ich habe es wirklich nicht gewußt, Kim. Meine Frau und ich waren der Meinung, die damalige Therapie hätte gewirkt, aber sie war wohl nicht tiefgreifend genug." "Das ist ein Hammer!" Sabrina sah ihren Vater bestürzt an. "Papa, sowas hätte ich nie im Leben vermutet!" Er griff nach rechts und strich ihr über das Haar. "Ich weiß, Bienchen. So etwas behalten Eltern auch normalerweise für sich, aber ich dachte, ihr solltet es wissen. Es ist nicht so, daß sie es bewusst macht. Sie hat Angst, und diese Angst läßt sie unvernünftige Dinge tun. Aber eben nur in diesem einen Punkt." "Genau deshalb konnte ich mir das nicht erklären", meinte Kim nachdenklich. "Ich meine es jetzt nicht böse, wenn ich sage, daß ich ein paar gestörte Menschen getroffen habe, aber bei Ihrer Frau paßte das alles überhaupt nicht. Ich konnte es mir nicht erklären, Herr Evertz." "Wie denn auch, Kim? Entschuldige bitte, wenn ich das so offen sage, aber woher sollen Mädchen in eurem Alter diese Dinge wissen? Die - nun ja, die Varianten und Möglichkeiten eben. Jedenfalls war es keine böse Absicht von deiner Mutter, Sabrina. Nur eine Angst, die aus ihrem damaligen Schock entstanden ist." "Dann werde ich sie gleich, wenn ich zu Hause bin, anrufen und mich entschuldigen." "Nein, Kim!" sagte Herr Evertz schnell. "Tu das bitte unter keinen Umständen. Gerade weil du so klar und deutlich geredet hast, ist ihr wieder bewußt geworden, was sie tut. Im Moment sitzt sie auf dem Sofa und heult, aber das sind heilende Tränen. Ich kenne das noch von früher, wenn sie mal wieder einen kleinen Rückfall gehabt hat. Laß es bitte, Kim. Wenn ihr euch morgen seht - und ich hoffe sehr, daß du doch dabei bist -, dann tu einfach so, als wäre nichts vorgefallen. So hilfst du ihr am meisten. Laß es einfach gut sein." "Wird Mutti denn etwas dagegen tun?" fragte Sabrina ängstlich. "Ganz sicher, Sabrina. Ganz sicher. Durch die Therapie damals hat sie ja erkannt, daß etwas mit ihr nicht stimmt, und sie kann daran arbeiten, wenn sie weiß, was los ist. Durch Kim weiß sie es nun. Bisher lief es bei ihr unbewußt, nun ist es bewußt. Ich nehme schwer an, daß sie sich gleich am Montag mit ihrem ehemaligen Arzt in Bierden in Verbindung setzen wird, der ihr vielleicht einen qualifizierten Arzt hier in Bremen nennen kann. Das wird sie bestimmt tun, Bienchen." "Mann!" Sabrina schauderte unwillkürlich. "Das ist ein Schock, Papa. Ein richtiger Schock. Daß Eltern auch so Probleme haben können..."
"Willkommen in der wunderbaren Welt der Erwachsenen." Er drückte Sabrinas Nacken zärtlich. "Eltern sind auch nur Menschen, Sabrina. Leider." Sabrina griff nach ihres Vaters Hand und drückte sie. "Kann ich irgendwie dabei helfen?" "Ich denke schon." Er schaute sie kurz an, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. "Warten wir Montag ab. Aber du könntest versuchen, nicht wütend zu reagieren, wenn sie wieder zu dir kommt. Es geht ja auch weniger darum, daß sie dich kontrolliert, als daß sie Angst vor diesem einen Thema hat. Kim, meine Frau hat vorhin erwähnt, daß Sabrina sehr schicke Kleidung von dir angezogen haben soll?" "Das stimmt." Kim akzeptierte den Themenwechsel. "Es war Sabrinas bisheriger Kleidung vollkommen entgegengesetzt, aber es sah einfach fantastisch aus. Meine Schwester trägt nur schwarze Kleidung, ich hingegen weiße, und Sabrina hat sich daraus etwas Tolles gemischt." "Das kannst du uns morgen vielleicht mal vorführen, Sabrina. Es wird, soweit ich weiß, langsam Zeit für deine Wintergarderobe. Du bist in diesem Jahr immerhin gut gewachsen."
"Gerne, Papa. Ähm..." Sabrina wurde verlegen. "Nun ja, es - es war nicht direkt freizügig, nur... Also, Kim und Kat tragen - nun ja, halt ziemlich knappe Kleidung, eben weil sie sich so gut wehren können, wenn sie mal angegriffen werden, und..." "Und es sah ziemlich sexy aus?" fragte er mit einem Lachen in der Stimme. "Aber voll!" rief Kim begeistert. "Sabrina hat eine tolle Figur, und die Sachen sahen aus, als wären sie für sie gemacht." "Schauen wir mal morgen. Wenn ich einen Herzanfall bekomme: Die Telefonnummer meines Arztes ist in meiner Brieftasche." Sabrina lachte verlegen, und Kim meinte: "Dann geben Sie sie uns am besten vorher. Es wird Sie wirklich umhauen, Herr Evertz. Unsere Eltern hatten auch etwas Probleme mit unserer Kleidung, als wir sie im Frühling gekauft hatten, aber irgendwann haben sie akzeptiert, daß wir keine Kinder mehr sind." "Aha. War das der freundliche Hinweis, mich morgen zusammenzunehmen?" fragte er belustigt. "Sagen wir mal so: Es wäre nicht falsch, wenn Sie sich darauf vorbereiten, ein sehr hübsches junges Mädchen anstelle Ihrer Tochter zu sehen." "Das habe ich befürchtet. Kommt also morgen für mich der Tag, den deine Eltern schon hinter sich haben?" "Sehr wahrscheinlich." Ihr Ton wurde sachlich. "Herr Evertz, ich weiß das von meinen Eltern. Kinder bleiben ewig Kinder, und gerade Mädchen sind für Eltern ein weitaus größerer Anlaß zur Sorge als Jungen. Offen gesagt, kann ein Junge ein Mädchen schwängern, aber ein Mädchen muß es ausbaden. Mein Vater hat uns das mit genau diesen Worten gesagt. Er hat uns mit unserer Mutter zusammen gebadet, gewickelt und schlafen gelegt, und plötzlich stehen zwei junge, selbstbewusste Teenager vor ihm und rufen lautstark nach einem eigenen Leben. Das war weder für ihn noch für uns leicht, aber unsere Eltern sind zum Glück sehr progressiv eingestellt. Dennoch war es ein Schock für sie, als dieser Tag ohne Vorwarnung kam. Daran hatten sie doch etwas zu knabbern." "Mit den Worten", seufzte Evertz, "hat dein Vater die Sorgen und Befürchtungen aller Väter dieser Welt ausgedrückt, Kim. Aber das werden wir morgen sehen. Bienchen? Wenn wir Kim nach Hause gebracht haben, gehen wir dann noch einen Hamburger essen?" "Gerne!" freute Sabrina sich. "Kann Kim nicht mit?" "Dein Vater möchte mit dir reden", sagte Kim sanft. "Nicht mit mir." "Ach so. Ja, klar. Sicher, Papa." "Diese Kim ist unglaublich", sagte Evertz, als er und Sabrina an einem kleinen Tisch saßen und ihre Hamburger verspeisten. "Ist Kat genauso?" "Ja. Kat ist viel freundlicher und umgänglicher. Das heißt, sie spricht schon alles so offen aus wie Kim, aber sie verpackt es in netteres Papier."
"Der Inhalt ist wichtig, nicht die Verpackung." Er drehte seinen Hamburger in der Hand. "Wie dieses Ding hier, Bienchen. Ob das nun in blaues, gelbes oder rotes Papier eingewickelt ist, spielt für den Geschmackssinn keine Rolle. Du bist vor zwei Monaten vierzehn geworden. Vor zwei Jahren hast du noch fröhlich zu Hause gespielt, und heute engagierst du dich in Jugendtreffs, hast gewandte und sichere Freundinnen und bist selbst auf dem Weg, eine hübsche junge Frau zu werden." Er lächelte wie unter einem inneren Schmerz. "Sabrina, wir drei, also deine Mutter, du und ich, hatten eigentlich immer ein gutes Verhältnis, oder?" "Das hatten wir, Papa." Sabrina sah ihn forschend an. "Wieso?" "Nur so. Als ich vor fünf Wochen das Angebot bekommen habe, eine viel höhere Position als bisher anzunehmen, habe ich lange mit deiner Mutter darüber geredet und es schließlich angenommen. Ich hätte auch mit dir darüber reden sollen, habe es aber nicht getan. Weißt du, warum nicht?" "Nein, natürlich nicht." "Weil ich davon ausgegangen bin, daß du sowieso langsam beginnst, dein eigenes Leben zu führen. Allerdings, und das muß ich ganz offen zugeben, war es ein Fehler, dich vor vollendete Tatsachen gestellt zu haben. Ich hätte dir zumindest meinen Standpunkt erklären sollen. So hattest du vier ziemlich harte Wochen." "Ich weiß." Sabrina lächelte herzlich. "Heute, jetzt, da sind mir diese vier Wochen egal. Ich bin jetzt in einer wirklich angenehmen Klasse, kann mir in einigen Fächern Ruhe gönnen, weil ich das schon kenne, und muß in anderen etwas mehr tun. Ich war sauer, weil ich alle meine Freundinnen verloren hatte, und heute bin ich mehr als glücklich, weil ich Kim und Kat kenne, weil ich im Treff mitarbeite, und weil ich dort wirklich helfen kann. Ich weiß, wie Billard geht, ich habe einen Eindruck vom Leben als Erwachsener bekommen, und viele andere Dinge, die mir noch im Kopf herumgehen. Wie die Kleidung." Sie sah ihren Vater glücklich an.
"Papa, ich hab so toll ausgesehen! Ein schwarzes Hemd von Kat, wo die Nähte mit silbernen Fäden gemacht waren, und das so leichte silberne Verzierungen hatten. Wie diese Cowboyhemden, nur lange nicht so aufdringlich. Ganz dezent; eher Farbtupfer. Dazu einen kurzen weißen Rock von Kim, der wirklich sehr kurz war, aber durch diese ganz langen weißen Strümpfe sah das schon lange nicht mehr aufreizend oder schlimm aus. Das sah einfach nur toll aus! Ich fühlte mich gleich richtig erwachsen darin. Dann noch das höhere Taschengeld, so daß ich mir diese tollen Sachen auch kaufen kann, und bin einfach glücklich!"
"Das freut mich wirklich für dich, Bienchen." Er atmete erleichtert auf. "Aber trotzdem hätten wir dich zu der Entscheidungsfindung hinzu ziehen sollen." "Das wurden Kat und Kim ja auch nicht." Sie senkte ihre Stimme. "Immer wenn ihre Eltern bekannt wurden, mußten sie umziehen. Gefragt wurden sie aber auch nicht." "Genau das wollte ich dir jetzt sagen, Bienchen." Er sah sie bedrückt an. "Eltern gehen immer davon aus, daß sie ihre Kinder ein ganzes Leben lang bei sich haben, und dann kommt plötzlich dieser Tag, den Kim erwähnt hat. Der Tag, wo die Eltern erkennen, daß ihre Kinder erwachsen werden und dass sie doch nicht mehr alle Zeit der Welt haben. Ich habe vierzehn Jahre lang auf meine Karriere verzichtet, um viel und lange bei dir sein zu können, und ich bin froh, daß ich es so gemacht habe. Jetzt bist du ein Teenager, und jetzt kann ich mich wieder um meinen Beruf kümmern. Zwar spät, aber noch nicht zu spät."
"Das hat Mutti mir schon erzählt", erwiderte Sabrina bewegt. "Ich fand es auch immer ganz toll, wenn du früh zu Hause warst und ich mit dir reden oder spielen konnte." Sie nahm die Hände ihres Vaters zwischen ihre. "Ich war auch nicht deswegen sauer, Papa. Ich habe Mutti und dich sehr lieb. Ich war nur sauer, weil wir so plötzlich und ohne Vorwarnung umgezogen sind, aber selbst das ist jetzt vorbei. Ich meine, ich höre ja nicht plötzlich auf, eure Tochter zu sein, nur weil ich neue Hobbys finde oder neue Menschen treffe." "Genau das hoffe ich, Sabrina: daß du mit deinen Sorgen und Problemen nach wie vor zu uns kommst. Auch wenn du innerhalb kürzester Zeit gelernt hast, deine Mutter in einer Diskussion in die Ecke zu treiben." Er zwinkerte, und Sabrina lachte hell.
"Du, das war für mich selbst völlig überraschend, aber als sie fragte, ob ich nur so lieb bin, weil ich mehr Taschengeld haben will, kam das plötzlich hoch, und erst als Mutti ziemlich geschockt aussah, merkte ich, daß ich sie am Wickel hatte. Und da konnte ich auch nicht mehr zurück." "Trotzdem ein guter Schachzug. Sabrina, was deine neue Kleidung angeht... Diesen Monat wird es durch das alte Gehalt, die neue Wohnung und den Umzug noch etwas eng, aber Ende des Monats könnte ich dir Geld zum Einkaufen geben. Ich bin nicht so richtig darüber informiert, was Mode heute kostet, aber das bekommen wir schon hin." "Das finde ich auch, Papa. Vor allem, wenn du mitkommst und mich berätst." "Als Vater oder als - als väterlicher Freund?" "Das zweite. Als Vater würdest du besagten Herzanfall bekommen." Sie drückte kräftig seine Hände.
Sonntag morgen war Kat schon sehr viel besser drauf, wie sie selbst sagte. Die Wunde tat nur normal weh, was Kat ohne eine Miene zu verziehen ertragen konnte, und sie hatte tief und fest durchgeschlafen, auch wenn sie sich nicht auf die linke Seite drehen konnte. Nach einem kräftigen Frühstück und einem langen Bad war die Welt schon fast wieder in Ordnung. "Jetzt sag nur noch, daß du heute wieder trainieren willst", meinte Kim spöttisch, während sie Kat abtrocknete. "Mal schauen. Aber wohl eher nicht. War's gestern wirklich so schlimm?" "Was denkst du? Bienchen und ich waren geil wie Frösche, und dann alle zehn Minuten die Mutter... Na ja, wenigstens wissen wir jetzt, wieso und warum. Und wenn sie wirklich was dran tut..." "Das denke ich auch. Kim, nimm das jetzt bitte nur wörtlich, ja? Ich bin noch naß hinter den Ohren." Kim grinste breit und trocknete ihre Schwester ein weiteres Mal am Kopf ab. "Danke." Auch Kat mußte herzlich lächeln. "Hoffentlich kann ich ab Freitag nur noch mit Pflaster herumlaufen, das würde schon einiges helfen." "Keine Sorge, das wird alles schon klappen." Kim trocknete behutsam Kats linken Arm und die Seite ab, dann ging sie an den Oberkörper. "Wie weit bist du mit den CDs?" "Wir haben gestern einiges geschafft und auch jede Menge Stücke für deine Blue Hour entdeckt. Willst du die weitermachen?" "Sicher, Kim. Gerade nach Donnerstag ist mir der Blues jetzt noch näher." "Dachte ich mir. Geht mir jetzt ähnlich. Bei einigen Stücken, die ich früher in die Tonne geklopft hätte, habe ich fast eine Gänsehaut bekommen. Einmal Beine breit." Kat spreizte die Beine. "Du hilfst mir wirklich toll, Kimmy. Danke. Aber das ist doch das, was ich dir immer versucht habe, zu sagen: daß der Blues nur ein Spiegel des Lebens ist." "Das habe ich auch nie bestritten, Kitty, auch wenn ich nach außen anders rede. Ich bestreite jedoch, daß das Leben nur aus Blues besteht. Du wirst immer Höhen und Tiefen haben. Immer. Der Blues ist für mich aber nur das Tief. Keine Höhe. Keine Freude. Nur Melancholie und Depression. Außerdem würdest du das auch für mich tun, oder?" "Jederzeit. Ja, du hast da gar nicht mal so unrecht. Andererseits kannst du nicht rund um die Uhr deine Gefühle voll ausleben. Nach der Ekstase kommt die Ruhe." "Schon recht." Sie begann zu singen: "To everything, turn, turn, turn..." Kat stimmte ein: "There is a season, turn, turn, turn..." Und gemeinsam: "And a time for ev'ry purpose under heaven." Lachend umarmten sie sich. "Genau." Kim legte das Handtuch über den Rand der Wanne. "Und jetzt ist die Zeit, dich anzuziehen." "Mist." Vorsichtig zog Kat den Arm aus der Schlinge und ließ sich von Kim das lange T-Shirt überziehen, anschließend kam der Arm wieder in die Schlinge. "Das ist jedesmal das Schlimmste", meinte sie mit feuchten Augen, als Kim ihr das Höschen anzog. "Arm raus, Arm rein. Das zieht voll bis in die Wunde." "Ist ja nur einmal am Tag. Nachher springst du einfach in die Hose und bist fertig. Sollen wir es ihren Eltern sagen?" "Auf keinen Fall, Kim. Wenn die hören, daß ich eine Schießerei erlebt habe, lassen sie Bienchen nie wieder raus, da hat Sabrina schon völlig recht. Der Muskelfaserriß ist zwar blöd, aber der kann sich ja hinziehen." "Und wie willst du später die Narbe erklären?" "Was weiß ich. Beim Training in einen Nagel gefallen oder so. Mal schauen. Außerdem denke ich nicht, daß sie mich jemals so nah sehen werden, daß ihnen das auffällt. Dafür sitzt der Durchschuß zu hoch. Und ärmellose T-Shirts waren ja noch nie unser Ding." "Stimmt auch wieder. Setzt du dich?" "Klar." Kat setzte sich auf die Toilette, Kim zog ihr die Strümpfe an. "Das war's. Willst du ins Wohnzimmer, oder kommst du zu mir?" "Zu dir. CDs hören. Mit denen muß ich ja auch klarkommen." "Sie werden dir gefallen. Ganz sicher. Wolf hat mir unter anderem Black Sabbath empfohlen, und die spielen bluesigen Hardrock." "Aha?" Kats Augen leuchteten auf. "Dann fangen wir mit denen an."
Unterbrochen von dem Mittagessen hatten die beiden Mädchen bis halb vier alle CDs zumindest mal soweit angespielt, daß ihre Notizen vollständig waren. Kim packte die CDs samt Quittung in ihre Tasche, um sie am Montag im Treff abzugeben, dann zog sie Kat eine leichte Hose an, mit der sie sich im Wohnzimmer niederließ. Kim hingegen legte schon einmal die Kleidung für Sabrina heraus, bevor sie mit dem Rest der Familie auf Familie Evertz wartete, die pünktlich um vier Uhr eintraf. Nach der Begrüßung führte David Summers den Rest des Hauses vor. Im linken Flügel, den Frau Evertz schon konnte, waren die Zimmer und das Bad der Mädchen, im rechten Flügel das Schlafzimmer von Jane und David Summers, ein gemeinsames Büro, das elterliche Bad und ein Zimmer, das verschlossen war. "Nur für den Fall, daß sich Besuch mal verirrt", meinte David Summers, während er aufschloß. Als Familie Evertz den Raum betrat, wußten sie, was er meinte. In den Regalen lagen viele Fotos, Souvenirs und Dekorationsstücke aus den Filmen, die er und seine Frau gedreht hatten. Eine Wand war reserviert für Summers' Stücke, die er als Shaolinmönch brauchte: ein höllisch scharfes Schwert auf dem berühmtem schwarzen Block, goldglänzende Figuren, die Buddha darstellten, Gebetsteppiche, Räucherstäbchen, verschlossene Gläser mit Kräutern und viele weitere Dinge, die weder Herr noch Frau Evertz kannten. "Beeindruckend." Herr Evertz fand zuerst die Sprache wieder. "Es muß furchtbar sein, ein Teil seines Lebens geheimzuhalten." "Man gewöhnt sich leider daran." Frau Summers verzog einen Mundwinkel. "Am Anfang ist es unvorstellbar, plötzlich berühmt zu sein und überall erkannt zu werden, aber die Erkenntnis, daß man eigentlich gar kein eigenes Leben mehr hat, wartet gleich um die Ecke. Der Set selbst ist aufregend, genau wie der Dreh, aber es ist eine Art Pseudoleben, was man da führt. Arbeit, um andere zu unterhalten." "Und der Dank", meinte David Summers etwas spöttisch, "ist die Verweigerung der Intimsphäre. Ich will unsere Fans weiß Gott nicht schlechtmachen, aber schon morgens einen Fremden im Bad des Hotelzimmers zu finden, der die Zahnbürste als Souvenir stehlen will, nervt einfach nur." "War das nur ein Beispiel?" fragte Frau Evertz, die sich von der gestrigen Auseinandersetzung mit Kim nichts anmerken ließ. "Nein, das ist tatsächlich so passiert." Sie verließen das Zimmer wieder, das Summers abschloß. Die kleine Sporthalle fand gebührende Anerkennung. Kim sah wie Kat, daß auf den Holzbrettern bereits die Schablonen mit menschlichen Umrissen angebracht waren. "Die brauchen wir für eine neue Übung", erklärte Summers, womit Herr und Frau Evertz sich zufrieden gaben. Kurz darauf saßen sie im Wohnzimmer, nur Kim und Sabrina fehlten. Kim kam nach etwa fünf Minuten zurück und blieb in der Diele stehen. "Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?" lachte sie fröhlich. Eheleute Evertz, die wußten, daß sich Sabrina etwas anderes anziehen wollten, drehten sich gespannt um. "Wir präsentieren: die neue Sabrina!"
Sabrinas Eltern stand der Mund offen, als ihre Tochter kühl und gelassen durch die Diele auf sie zu kam. Sie trug Kats schwarzes Hemd mit einer grünen Krawatte, die sich Kim von ihrem Vater ausgeliehen hatte, dazu Kims weißen Rock, der bis zur Mitte der Oberschenkel reichte, und die langen weißen Strümpfe, die so hoch waren, daß sie nur einen kleinen Streifen sichtbare Haut am Bein frei ließen. Die weißen Schuhe waren auch von Kim. Die weiße Jacke trug Sabrina locker über der Schulter. "Sabrina!" Überwältigt stand Herr Evertz auf. Sabrina schenkte ihm einen kühlen Blick, dann musste sie grinsen. "Und? Was meinst du?" "Sabrina!" Er fasste seine Tochter bei den Schultern und drehte sie langsam. Herr und Frau Summers sahen lächelnd zu. Auch Frau Evertz stand auf und schaute ihre Tochter an, als wäre sie ein Gespenst. "Kind, das - Also mir fehlen die Worte!"
"Sabrina", plauderte Kim munter, "führt uns vor, wie sich junge Mädchen heutzutage der Umwelt präsentieren. Für viele Erwachsene wirkt es etwas gewagt, doch in ihrer Altersgruppe ist sie damit absolut hip. Übersetzt: voll im Trend, und das mit eigentlich zeitloser Kleidung. Der kurze Rock wird gemildert durch die langen Strümpfe, deren straffen Bünde ein Rutschen verhindern. Somit ist sie zu keiner Zeit der Gefahr ausgesetzt, sich mitten in der Öffentlichkeit die Strümpfe hochziehen zu müssen. Sie sitzen jederzeit perfekt." "Ein umwerfender Anblick." Sabrinas Vater kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sabrinas Augen leuchteten vor Stolz. "Sabrina, von Rechts wegen gehörst du eingesperrt." "Na!" Sie drohte spielerisch mit dem Zeigefinger. "Wie war das noch mit dem väterlichen Freund?" "Also um das zu akzeptieren", meinte er kopfschüttelnd, "müßte ich dreißig Jahre jünger sein. Mindestens fünfundzwanzig."
"Ihnen geht es jetzt so wie mir im Frühling", meinte Summers lächelnd. "Herr Evertz, als Kat und Kim uns vorführten, was sie eingekauft hatten, habe ich ähnlich reagiert. Nein, eigentlich noch viel ablehnender. Dann hat meine Frau mir den Mund verboten und mich mit in die Stadt genommen. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mir ganz bewußt junge Mädchen angeschaut und war geschockt. Nicht über die Kleidung der Kinder, sondern darüber, daß meine Töchter auf dem Weg sind, Frauen zu werden. Wie alle anderen da draußen. Seitdem finde ich mich damit ab." "Es sieht sehr gut aus", sagte Sabrinas Vater, während er sich wieder setzte. "Aber auch sehr aufreizend." "Für unsere Generation ja. Aber dieser Rock ist fünf Zentimeter länger als der längste Minirock. Sie können es nachmessen. Kat, Kim und Sabrina haben ziemlich lange Beine; deswegen wirkt es bei ihnen besonders gut."
"Und was das Thema aufreizend angeht..." Frau Summers sah ihr Pendant an. "Frau Evertz, viele junge Mädchen machen heutzutage Selbstverteidigung. Nicht viel; nur soviel, daß sie sich gegen Belästigungen zur Wehr setzen können. Ein paar wirkungsvolle Griffe. Wenn Sie einverstanden sind, kann ich Sabrina abends mit unseren Töchtern zusammen etwas trainieren. Schon nach vier Wochen wäre sie in der Lage, sich gegen normale Belästigungen, denen wir Frauen immer wieder ausgesetzt sind, abzuwehren. Natürlich nur, wenn Sie einverstanden sind. Kim, würdest du mir mit dem Kaffee und dem Kuchen helfen?"
Während der Tisch gedeckt wurde, zog Sabrina sich schnell wieder ihre alten Sachen an. Auch das war Taktik, deren Erfolg sich schon beim Kuchenessen zeigte. Immer wieder sahen die Eltern von Sabrina zu ihrer Tochter, die wieder ihren grauen Sweater mit der schwarzen Stoffhose anhatte. Es war wie der Wechsel von einem hellen Scheinwerfer zu einer matten Taschenlampe. Sie sah nicht schlecht aus, aber eben farblos.
Da es Kat heute viel besser ging, kam auch kein Mißtrauen wegen ihrer Verletzung auf. Sie nahm aktiv an der Unterhaltung teil und scherzte und lachte. Herr und Frau Evertz vergaßen schnell, dass Eheleute Summers berühmte Schauspieler waren, denn die Gespräche drehten sich um die Gemeinsamkeit: die Kinder.
Kurz vor sechs verabschiedeten sie sich. Sabrina wollte und durfte noch bleiben. Nachdem ihre Eltern gefahren waren, zog sie sich mit Kat und Kim in Kims Zimmer zurück, wo sie unbehelligt waren, so daß Kim und Sabrina sich ungestört küssen konnten. Kat spielte den Aufpasser, bis Sabrina um halb zehn von Frau Summers nach Hause gefahren wurde. Nach fünf turbulenten Tagen begann eine neue Woche.
"Dein Vater und ich haben uns gestern abend noch etwas unterhalten, Sabrina." "Und?" grinste Sabrina. "Wie lange habe ich Hausarrest?" "Ach." Frau Evertz winkte lächelnd ab. "Ich habe mich in deinem Alter auch gerne schick und - äh, luftig angezogen. Nein, es ging um diese Selbstverteidigung. Von uns aus kannst du das gerne machen, wenn du möchtest." "Toll!" strahlte Sabrina. "Dann können wir gleich heute abend anfangen?" "Selbstverständlich. Wie will Frau Summers das durchführen?" "Sie zeigt - Nein. Anders. Am Anfang trainieren wir, also sie, Kat, Kim und ich, gemeinsam. Daß ich die Basis bekomme. Dann kümmert sich Frau Summers um Kat, mit der sie einarmige Angriffe und Abwehren probiert, während ich mit Kim übe." "Kat trainiert trotz Verletzung?" fragte sie erstaunt. "O ja!" Sabrina nickte heftig. "Kat sagt, so schlecht kann es ihr gar nicht gehen, daß sie mit dem Training aussetzt. War natürlich scherzhaft gemeint, aber irgendwo stimmt das schon. Den kaputten Arm belastet sie allerdings nicht." "Dann habt ihr einen ganz schön vollen Tag. Bis halb zwei Schule, dann Hausaufgaben, Jugendtreff, Training... Wird dir das nicht zuviel?" "Ganz und gar nicht, Mutti. Frau Summers sagt, morgen werde ich Muskelkater haben, aber damit komme ich schon klar. Der Rest ist einfach nur schön. Außer Schule, natürlich. Und selbst die ist nicht mehr so schlimm wie letzte Woche." "Also alles im Lot. Freut mich. Hast du die Sportsachen dabei?" "Alles im Flur. Keine Sorge. Noch zwei Wochen, dann sind Ferien!" jubelte sie leise. "Zehn Schultage! Eigentlich neun, weil der dritte Oktober auch noch frei ist. Kann ich mir das Ei einpacken? Das esse ich gerne in der Pause." "Natürlich, Sabrina. Fahrt ihr wieder von der Schule aus zu Kat und Kim?" "Genau." Sabrina sprang auf, nachdem sie das letzte Stück Brot in den Mund geschoben hatte, und holte etwas Papier, in das sie das Ei wickelte und in die Butterbrotdose legte, die dann verschlossen wurde und in ihren Rucksack kam. "Ich mach mich auf den Weg." "Ist gut, Sabrina. Viel Spaß!" "Danke." Sie zog sich die Jacke an und schloß sie. "Bis heute abend, Mutti." Sie schnappte sich Rucksack und Sporttasche, winkte ihrer Mutter noch kurz zu und eilte dann hinaus. Kurz darauf stand sie an der Bushaltestelle, und gut zehn Minuten später war sie bei Kat und Kim, die schon auf sie warteten. Der Sportunterricht war das Schlimmste an diesem Tag für Kat, denn sie durfte zwei Stunden lang zusehen, wie Hochsprung geübt wurde. Zwei volle Schulstunden lang. Doch auch das ging vorbei, wie schließlich der ganze Schultag. Um kurz nach zwei saßen die Mädchen in der Küche im Hause Summers, schlangen hastig das Essen hinunter und gingen dann an die Hausaufgaben, die gegen halb vier erledigt waren. Dann noch eine Stunde Nacharbeiten, und um kurz nach fünf waren sie im Treff, der schon sehr gut gefüllt war. "Meine drei Engel!" begrüßte Tom sie lachend. "Kinder, schaut euch das an! Alles voll! Und es sind sogar wieder viele von früher dabei." "Sicher!" meinte Kim entrüstet. "Habe ich doch gleich gesagt, aber auf mich hört ja keiner. Ich bin ja nur ein dummes, kleines Mädchen." "Ab jetzt werde ich immer auf dich hören." Tom zwinkerte ihr zu. "Kat, was macht dein Arm?" "Fast keine Schmerzen mehr. Diese Niete von Arzt hat das so genäht, daß ein Fadenende in die Wunde drückte, und darüber hat der den Verband gelegt. Nur deswegen tat das Freitag so weh. Aber das ist seit Samstag erledigt. Wie schaut's hier aus?" Tom wußte sofort, was sie meinte. "Perfekt. Am Samstag haben sich noch weitere Freiwillige gemeldet, so daß jetzt niemand mehr Bar und Musik gleichzeitig machen muß." "Toll. Dann lege ich mal gleich los." "Nein, das tust du nicht." Kim sah sie streng an. "Vielleicht dürfen wir erst einmal das Geschäftliche hinter uns bringen?" "Ach ja." Kat lächelte unbeeindruckt. "Dann lege ich eben meine Jacke ab." "Ich helf dir." Sabrina nahm Kat die Jacke ab, während sich Kim Tom schnappte und mit ihm die CDs durchging. Aufgrund der Quittung bekam sie eine Spendenquittung, die sie sorgfältig einsteckte, bevor sie die CDs einsortierte. Kat legte sich derweil schon ihre Liste zurecht und holte die ersten CDs heraus. Schließlich war alles bereit. Kat wählte das erste Lied, drückte auf "Pause" und griff dann nach dem Mikro. "Hallo!" meinte sie in der gleichen dunklen, erotischen Stimme wie Kim. "Hier ist wieder eure Kat, die euch ganz herzlich zur gewohnten Blue Hour begrüßt." Lautes Klatschen und Pfeifen begrüßte sie, ganz wie bei Kim. "Danke, danke, danke!" lachte sie. "Wir beginnen heute mit einem Stück, das selbst die härtesten Bluesanhänger in die Depression treiben wird: 'Cuby's Blues' von Cuby & The Blizzards. Viel Spaß!" Sie startete das Lied. Einsame, verloren klingende Töne quälten sich aus einer Gitarre, die nach einigen Takten von einer äußerst verzweifelten Stimme begleitet wurden. Der Sänger ließ sich lang und breit über seine Suche nach Gin aus, obwohl er schon gut abgefüllt klang. Sabrina schauderte unwillkürlich. "Geil, was?" grinste Kim. "Deswegen haue ich immer ab, wenn Kat loslegt. Und wenn sie Tom Waits mit 'Waltzing Matilda' auflegt, fegt sie den Treff leer. Komm, gehen wir Billard spielen." Sie mußten ein paar Minuten warten, bis der Tisch frei war, dann konnten sie loslegen. Kim erklärte im Gegensatz zu Kat überhaupt nichts. Sabrina mußte sich alleine zurechtfinden, was um so schwieriger war, weil Kim die Kugeln zum Teil in unmögliche Stellungen legte. Nach einer Stunde war sie um sechs Mark ärmer, doch um sehr viel Erfahrung reicher. "Sehr schön!" meinte Kim schließlich zufrieden. "Morgen lege ich einfach eine CD ein, und dann spielen wir mal richtig." Sabrina blies sich die Haare aus der feuchten Stirn. "Richtig? Was haben wir denn jetzt gemacht?" "Trainiert." Sie nahm Sabrina das Queue ab und stellte es zurück, dann gingen die Mädchen wieder nach vorne. Kim spendierte Sabrina eine Fanta. Mit den Getränken setzten sie sich auf ein Sofa. Kim schaute kurz nach Kat, doch der ging es offensichtlich gut. Sie winkte fröhlich, als sie Kims Blick bemerkte, und redete dann mit einem 17jährigen Jungen von ihrer neuen Schule. "Heute abend." Kim sah Sabrina tief in die Augen. "Heute abend werden wir beide trainieren." Sabrina erwiderte den Blick. "Und was genau meinst du damit?" "Genau das." Kim zwinkerte ihr zu. Sabrinas Erwartungen wurden nicht erfüllt: Kim hatte nur von dem Kung Fu-Training gesprochen. Nach zehn Minuten Lockerungsübungen trennten sich die vier Frauen in zwei Gruppen: Jane Summers und Kat übten einarmige Abwehren und Angriffe, während Kim Sabrina die ersten Grundschläge und -tritte zeigte. Das Mädchen war konzentriert bei der Sache und nahm Kims dauernde Ermahnungen nicht als Kritik, sondern als Hilfe, was Kim anerkennend nicken ließ. Natürlich hatte Sabrina überhaupt keine "Power" in ihren Angriffen, aber das würde mit der Zeit kommen. Um halb zehn machten sie Schluß. Frau Summers ging in ihr Bad, während Kat, Kim und Sabrina in das Bad der Mädchen gingen. Kat ließ sich die Wanne halb voll Wasser ein, und Kim und Sabrina hüpften schnell unter die Dusche. Sabrina war das zuerst furchtbar peinlich, vor allem, weil Kat ihnen interessiert zuschaute, doch als Kim begann, sie zu waschen, konnte Sabrina an nicht mehr viel anderes denken; Kims Hand zwischen ihren Beinen ließ das nicht zu. Am nächsten Morgen kam Sabrina kaum aus dem Bett. Jeder einzelne Muskel tat ihr weh. Ächzend und stöhnend schleppte sie sich ins Bad, um sich zu waschen, und genauso ächzend und stöhnend ließ sie sich an den Eßtisch in der Küche fallen, von ihrer Mutter halb amüsiert, halb besorgt beobachtet. "Wo tut's denn weh?" fragte sie, während sie Sabrina schnell ein Brot zubereitete. Sabrina murrte leise. "Überall. Oberarme, Oberschenkel, Bauch, Ellbogen, Knie." Sie warf ihrer Mutter einen verzweifelten Blick zu. "Und heute abend geht es weiter! Das überlebe ich nicht!" Doch sie überlebte, wenn auch nur knapp. Am Mittwochmorgen war der Muskelkater schon nicht mehr ganz so schlimm, am Donnerstag nur noch leicht, und am Freitag war er so gut wie verschwunden. "Na also", meinte Frau Evertz lächelnd, als Sabrina an diesem Morgen freudestrahlend in die Küche gesprungen kam. "Jetzt hast du es geschafft." "Und wie!" Glücklich drückte Sabrina ihre Mutter. "Jane - Frau Summers meint, ich hätte richtig Talent! Gestern abend war ich einmal schneller, als sie abwehren konnte." "Ist das ein gutes Zeichen?" "O ja!" nickte Sabrina eifrig. "Das heißt, ich habe mehr an meinen Sieg geglaubt als sie an ihren. Kat und Kim waren begeistert!" "Dann setzen wir doch auf deine Freude noch eins drauf." Sie schob Sabrina einen Umschlag zu. "Von Papa und mir." "Was ist das denn?" Neugierig öffnete Sabrina den Umschlag und erstarrte. "Mama!" hauchte sie überwältigt. Frau Evertz griff nach Sabrinas Hand und drückte sie. "Nimm es einfach, Bienchen. Dein Vater und ich haben uns am Sonntagabend wirklich lange und eingehend unterhalten. Du bist kein Kind mehr, sondern schon eine junge Frau. Die Hälfte kommt von Papa, die andere Hälfte von mir. Ich habe übrigens mit Doktor Hansemann gesprochen", wechselte sie übergangslos das Thema. "Er hat mir einen Therapeuten hier in Bremen empfohlen, und trotz voller Warteliste hat Doktor Hansemann es geschafft, daß ich schon heute vormittag anfangen kann." "Mutti!" Sabrina sprang auf und drückte ihre Mutter kräftig. "Was freu ich mich für dich! Das ist so toll!" "Finde ich auch." Frau Evertz beherrschte ihren Gefühlsaufruhr. "Irgendwann muß doch auch mal Schluß mit diesen alten Geschichten sein." Sie klopfte Sabrina leicht auf den Rücken. "Steck das Geld gut weg", empfahl sie dann. "Oder gib es Kim, damit sie darauf aufpaßt." "Mache ich." Sie drückte ihre Mutter noch einmal und setzte sich dann wieder hin. "Kommt ihr denn nicht mit?" "Nein. Mach du das mal alleine, Sabrina. Du weißt, was dir steht, und notfalls können Kat und Kim dich beraten." "Das wird nicht nötig sein", grinste Sabrina breit. "Danke, Mama!"
"Schon gut, Bienchen. Du hast am Sonntag wirklich umwerfend ausgesehen. Denk aber bitte auch an Schuhe und mindestens einen Mantel oder eine sehr dicke Jacke." Sabrina lachte hell. "Die Liste steckt in meiner Geldbörse. Steht alles drauf. Schwarze Schuhe habe ich zum Glück ja schon, und der Rest..." Sie schaute wieder in den Umschlag und schüttelte ungläubig den Kopf. Frau Evertz lächelte herzlich. "Nun pack es weg und mach voran, sonst kommst du noch zu spät zur Schule." "Dann ruf ich mir eben ein Taxi." Sabrina zwinkerte ihrer Mutter zu, stopfte den Umschlag in ihre Hosentasche und gleichzeitig das Brot in ihren Mund. Nach der Schule fuhren die drei Mädchen zuerst ins Krankenhaus. Kat wurden die Fäden gezogen. Der Arzt begutachtete die leicht blutende Wunde kritisch und nickte dann zufrieden. "Es bleibt zwar eine Narbe zurück, Fräulein Summers, aber der Heilungsprozeß ist schon sehr weit fortgeschritten. Viel weiter als normal." "Das kommt von meinem Vater", meinte Kat leicht verlegen. "Er kennt sich sehr gut in Kräuterheilkunde aus. Nachdem diese irrsinnigen Schmerzen weg waren, hat er mir jeden Abend vor dem Schlafengehen einen Brei auf die Wunde gepackt und den Verband erneuert." Der Arzt sah sie streng an. "Sagen Sie Ihrem Vater von mir einen schönen Gruß, und er soll uns unterbezahlte Ärzte bitte nicht arbeitslos machen." "Richte ich aus!" lachte Kat fröhlich. "Das macht er sowieso nur innerhalb der Familie." "Na gut." Der Arzt lächelte ihr kurz zu, dann reinigte er die Wunde mit Jod, was Kat etwas zusammenzucken ließ, bevor er sorgfältig ein Pflaster aufklebte. "Übers Wochenende noch ruhig halten", empfahl er ihr. "Sonst könnte es wieder aufreißen. Sport ist für nächste Woche noch gestrichen, und dann sind eine Woche Ferien, soweit ich weiß. Anschließend können Sie wieder loslegen." "Danke, Herr Doktor. Sogar zwei Wochen. Dafür wurden die Osterferien um eine Woche gekürzt." Kat stand auf und zog sich vorsichtig den Pullover und die Jacke an. Die Wunde tat nur etwas weh, doch damit konnte Kat problemlos leben. Nachdem dies geklärt war, fuhren die Mädchen zurück in die Stadt; Kat zu ihrer Blue Hour, Kim und Sabrina ins Zentrum, um die Boutiquen zu stürmen. Sabrina teilte sich das Geld ihrer Eltern sehr gut ein. Zuerst kamen zwei Paar weiße Schuhe, dann zwei Hosen und drei Röcke nebst den langen Strümpfen, in die sie sich schon am ersten Tag verliebt hatte, und zum Schluß Hemden, Blusen und Pullover. Die Hauptfarben waren Schwarz und Weiß, doch Sabrina lockerte das durch farbige Halstücher und preiswerte bunte T-Shirts unter dem Hemd auf. Um kurz vor sieben war Sabrina so gut wie pleite, doch dafür hatte sie nun eine ausreichende Ausstattung, um durch den Winter zu kommen. "Außerdem habe ich ja noch meine anderen Sachen", meinte sie zu Kim, während die Verkäuferin die Kleidung einpackte. Kim nickte. "Wie bei uns. Wir haben uns damals auch nur die Basis gekauft und den Rest dann nach und nach dazu. Sobald der Grundstock einmal da ist, geht's einfach. Du mußt dir noch zeigen lassen, wie du eine Krawatte bindest. Ich bin ja nicht immer bei dir." "Ach ja!" Sabrina drehte sich zu der Verkäuferin, die gerade die letzte Tüte auf den Tisch stellte. "Wissen Sie, wie man eine Krawatte bindet?" Zehn Minuten später wußte es auch Sabrina. Begeistert stand sie vor dem Spiegel und übte einen Knoten nach dem anderen, bis sie es beherrschte. Sabrina bekam zwar keinen Rabatt in Form von geringeren Preisen, doch dafür legte die Verkäuferin noch vier gute, einfarbige Krawatten drauf, was Kim zufrieden nicken ließ. "Mehr als zehn Prozent", meinte sie, als Sabrina bezahlt und die Mädchen schwerbeladen das Geschäft verlassen hatten. "Gut gemacht, Bienchen. Wieviel hast du noch über?" "Fast achtzig Mark, aber siebzig davon sind mein Taschengeld für nächsten Monat. Also knapp zehn Mark." "Dann kannst du mir ja eine Cola ausgeben." Kim legte lachend ihren freien Arm um Sabrina, die sich mit zwei schweren Tüten abmühte. Fröhlich gingen die beiden zurück zum Jugendtreff, wo Frau Summers und Kat schon auf sie warteten.
Am Samstag sah Sabrina zum ersten Mal David Summers kämpfen, und zwar mit Kim. Nachdem die Basisübungen abgeschlossen waren, zogen sich Sabrina, Kat und ihre Mutter zurück und überließen den beiden das Feld. Sabrina kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie hatte Kim und Kat kämpfen sehen, doch was David Summers hier zeigte, ließ sie ernsthaft daran zweifeln, ob sie jemals eine Prüfung in Kung Fu schaffen würde. Seine Schläge und Tritte kamen völlig ansatzlos und viel zu schnell für Sabrinas untrainierte Augen. Kim hingegen war heute voll konzentriert dabei und wehrte erst einige Angriffe ab, bevor sie selbst zum Angriff überging. Sie trat so schnell nach ihrem Vater, daß Sabrina ihn schon quer durch die Halle fliegen sah, doch statt dessen schrie Kim plötzlich auf und machte einen ungewollten Purzelbaum. "Papa hat ihren Fuß gefangen und sie umgeworfen", meinte Kat flüsternd. "Sowas kann Kim überhaupt nicht haben. Jetzt wird sie sauer." Und das wurde Kim tatsächlich. Nicht wütend, sondern nur noch schneller als bisher. Sabrina schluckte schwer, als sie sah, was ihre Freundin tatsächlich drauf hatte. Sie scheuchte ihren Vater, der alle Mühe hatte, ihre Angriffe zu parieren, quer durch die Halle und schickte ihn schließlich mit einem lauten Schrei und einem unglaublich schnellen Tritt auf die Matte. Noch während er fiel, sprang sie auf ihn und rammte ihm ihren Ellbogen in den Solar Plexus. Dann sprang sie auf, machte in der Luft einen Salto und kam sicher auf den Füßen zu stehen, den Blick wachsam auf ihren Vater gerichtet, der sich ächzend aufrappelte. "Nicht schlecht, Kim", meinte er anerkennend. "Keine Wut, nur Energie. Sehr gut, Mädchen." "Hör das Schleimen auf und komm her", meinte Kim kühl. "Ich warte." Summers grinste breit und stellte sich wieder zum Kampf. Zwei, drei Sekunden standen sich die beiden reglos gegenüber, von Sabrina angespannt beobachtet, dann fegten sie wieder durch die Halle. Kim ging auf volles Risiko und schlug zu, noch während er angriff. Sie taumelte schwer, als sein Angriff das Ziel fand, doch er fiel wieder hin. Kat applaudierte begeistert. "Super, Kimmy! Du hast ihn!" "Noch nicht ganz!" Summers sprang aus dem Liegen auf die Füße. "Es braucht mehr als ein kleines Mädchen, um mich fertigzumachen." "Das sagt er nur, um Kim wütend zu machen", flüsterte Kat schnell. "Meistens schafft er es, und dann hat Kim auch schon verloren." Doch nicht heute. Kim ließ sich nicht provozieren, sondern wartete auf den Angriff. Summers' Bein zuckte vor, genau wie Kims Hand. Ihre Knöchel trafen ihn voll am Knie, noch bevor er treten konnte. Sabrina stieß die Luft aus, als Kims Vater auf die Knie sackte und zur Seite fiel. "Und aus!" rief Jane Summers. Sie sprang auf und lief zu den beiden. "Sehr gut gemacht, Kimmy. Wie geht's, Dave?" "Ging schon mal besser." Trotz seiner Schmerzen kam er lächelnd wieder hoch, von seiner Tochter unterstützt. "Wirklich hervorragend, Kim. Langsam entwickelst du die Ruhe." "Du warst nur elend langsam", meinte Kim trocken, dann wurde sie wieder die besorgte Tochter. "Tut's sehr weh, Papa?" "Geht so." Er stützte sich halb auf seine Frau, und halb auf Kim. "In einer Stunde bin ich wieder fit. Du bist ziemlich auf Risiko gegangen." "Ich weiß. Aber ich wußte auch, daß mein Schlag schneller ist als dein Tritt, und so..." Sie zuckte mit den Schultern. "Das vorher war riskanter. In deinen Schlag zu laufen und selber zuschlagen. Da hättest du mich haben können." "Genau davon habe ich auch geredet." Er zwinkerte Kim zu. "Der letzte Schlag war perfekt, da war überhaupt kein Risiko für dich dabei. Aber der andere... Der hätte böse für dich ausgehen können." Kim nickte ernst. "Richtig. Das war ein Test für mich, wie schnell ich wirklich bin. Du schlägst zwar mit vollem Tempo, aber nicht mit voller Kraft." "Und?" "Und?" Kim zuckte mit den Schultern, dann grinste sie. "Noch bist du etwas schneller. Noch." Summers lachte herzhaft. "So wird das auch bleiben. Macht ihr zwei im Dezember die nächste Prüfung?" "Auf jeden Fall." Kat stand auf, wie auch Sabrina, und ging zu ihrem Vater. "Das sind noch gut zwei Monate. Bis dahin bin ich wieder auf dem Damm." "Gut. Dann mal alles auf ins Bad und duschen." Sabrina verbrachte den ganzen Tag und auch den Sonntag bei Kim und ihrer Familie. Kat war häufig dabei, ließ den beiden "Turteltauben", wie sie Kim und Sabrina grinsend nannte, mehr als genügend Zeit alleine, was die beiden auch intensiv nutzten. Für Sabrina war es das schönste, nach dem Höhepunkt in Kims Armen zu liegen und ihre Freundin mit Haut und Haar zu spüren.
Am Montagnachmittag warf Kim im Jugendtreff eine CD ein und setzte sich dann mit Kim, Sabrina, Jörg Roberts und Martin Albers zusammen in den zweiten Raum. Kat gab zuerst einen groben Überblick von der Ini an ihrer alten Schule, dann gingen die fünf daran, etwas Gleichartiges für die jetzige Schule zu entwerfen. Sabrina blühte richtig auf, als viele Vorschläge von ihr kommentarlos akzeptiert und eingebaut wurden. Direktor Roberts und Vertrauenslehrer Albers beugten sich Kats Erfahrung und gaben schließlich zufrieden ihr Okay, als das Gerüst stand. Die letzte Schulwoche vor den Herbstferien ging zu Ende. Kim, Kat und Sabrina büffelten auf Teufel komm raus und waren am letzten Schultag "auf Stand". Befreit feuerten sie ihre Schulsachen in die Ecke, als sie am Freitagnachmittag im Jugendtreff ankamen, und überließen Sabrina das Feld, die gerne auch mal eine Stunde Musik moderieren wollte. Sie hielt sich an Kims Linie, die eigentlich für diesen Tag geplant war, spielte jedoch die Stücke, die ihr besonders gut gefielen: eine Mischung aus Blues und Hardrock, vermischt mit Trance, was sie einfach liebte. Ihr Stil kam gut an, und mit vor Verlegenheit hochrotem Kopf ließ sie nach ihrer Stunde die erfreuten und lobenden Kommentare über sich ergehen. "Na?" grinste Kim breit, als Sabrina sich zwischen den Schwestern in das Sofa fallen ließ und gierig von ihrer kalten Fanta trank. "Wie fühlst du dich?" "Super!" Sabrinas Augen leuchteten vor Stolz. "Du kannst auch stolz sein", meinte Kat anerkennend. "Kim und ich kennen das Gefühl, vor vielen Menschen aufzutreten, Bienchen. Von Wettkämpfen. Aber du... Du hast wirklich sehr viel Mut bewiesen und es fantastisch hinbekommen." "Danke!" Glücklich umarmte Sabrina Kat, deren Arm es schon viel besser ging. "Und das alles kommt nur durch euch!" "Nein." Kat sah sie eindringlich an. "Das war alles schon in dir, Sabrina. Wir haben nur etwas geholfen, daß du es entdeckst. Und jetzt Schluß damit." Sie drückte Sabrina einmal kräftig, bevor sie sie losließ. "Was liegt für die Ferien an?" "Da reden wir morgen mit Papa drüber", antwortete Kim. "Wenn Bienchen einverstanden ist, möchte ich gerne mit ihr zusammen sein." "Und wenn Kat einverstanden ist", fügte Sabrina leise hinzu. "Ich möchte euch nicht auseinander bringen." "Das tust du nicht", erwiderte Kat herzlich. "So habe ich Papa zwei Wochen nur für mich." "Genau, Bienchen." Kim drückte sie sanft. "Wie schon so oft gesagt: Kat und ich müssen nicht alles gemeinsam machen. Du solltest noch etwas wissen, Bienchen: Spätestens nach Weihnachten werden Kat und ich sowieso viel mehr eigene Wege gehen. Das hängt mit dem zusammen, was wir geschenkt bekommen. Beruflich wollen wir auch etwas anderes machen. Sie will Musik studieren, ich Sport. Wir machen einiges gemeinsam, und andere Dinge wieder getrennt." "So sehe ich das auch." Kat griff nach Sabrinas Hand und drückte sie leicht. "Du bringst uns nicht auseinander, Bienchen. Das kann sowieso niemand; dafür verstehen Kimmy und ich uns zu gut. Aber wir sind zwei Menschen mit zum Teil unterschiedlichen Interessen, und schon aus diesem Grund können wir nicht alles gemeinsam machen." "Ich würde mich auch zurückziehen, wenn Kat sich plötzlich in jemanden verliebt." Kim sah Sabrina ernst in die Augen. "So ist das eben, Bienchen. Der Herr gebe mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern den kann; die Geduld, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann; und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." "Amen", fügte Kat feierlich und ohne jeden Spott hinzu. "Genau so, Bienchen. Denk da mal drüber nach. Dieser Satz hat Kim und mir oft geholfen." "Das mag ja alles stimmen, nur..." Sabrina sah zu Kim und wieder zurück zu Kat. "Kat, ich fühle mich trotzdem manchmal wie ein Eindringling. Und unfair obendrein. Du hast dir so viel Mühe mit mir gegeben, und ich verliebe mich in Kim. Dann ladet ihr mich zu euch nach Hause ein, und ich nehme dir Kat weg. So -" "Hältst du jetzt endlich mal die Luft an!" sagte Kim eiskalt. "Erstens kannst du mich nicht wegnehmen. Ich gehöre immer noch mir, sonst keinem. Wenn Kat und du euch ineinander verliebt hättet, würde eben ich an Kats Stelle sein und zusehen, daß ich mich anderweitig beschäftigte, während ihr miteinander tobt. Zum Glück haben sowohl Kat als auch ich genügend Hobbys, um nicht gleich in Panik zu geraten, wenn eine von uns sich mal mit etwas anderem als mit der eigenen Schwester beschäftigt." Ihr Blick bohrte sich in Sabrinas Augen. "Zweitens mag Kat dich sehr, aber ich liebe dich. Du magst Kat auch, aber du liebst mich. Das ist ein ganz gewaltiger Unterschied, der selbst dir klar sein müßte, Sabrina. Kat und ich haben schon von Kind an respektiert, daß es Menschen und Dinge gibt, auf die wir unterschiedlich reagieren. Wir haben uns kein einziges Mal deswegen in die Haare gekriegt. Kein einziges Mal. Ich liebe Kat, weil sie meine Schwester ist, und ich liebe dich, weil du meine Freundin bist. Und jetzt tu uns allen bitte den Gefallen und halt die Klappe!" Wütend stand Kim auf und eilte zur Theke, wo sie sich auf einen Hocker warf und aus dem Fenster stierte. "Deine Rechte gehen soweit, bis sie meine berühren", sagte Kat leise zu der beschämten Sabrina. "Meine Rechte an Kim, sofern es so etwas überhaupt gibt, hören in dem Moment auf, wo Kim andere Interessen hat, Sabrina. Ich schreibe ihr nicht vor, mit wem sie sich trifft, und sie mir nicht. Verstehst du, Bienchen? Kim ist ein eigenständiger Mensch, mit eigenen Vorstellungen und Wünschen. Genau wie du. Und genau wie ich. Jede von uns trifft Entscheidungen, wo die anderen beiden nicht mitzureden haben. Doch wenn es zu Gefühlen wie zwischen dir und Kim kommt, dann hat wirklich niemand das Recht, sich dort einzumischen. Selbst unser Vater nicht. Wenn unsere Eltern - also deine und meine - erfahren sollten, was zwischen dir und Kim läuft, werden sie todsicher ausrasten und euch vielleicht sogar den Umgang miteinander verbieten. Aber euer Gefühl füreinander wird sich dadurch nicht ändern. Ich liebe Kim nicht weniger, nur weil es dich plötzlich gibt. Kim liebt mich nicht weniger, nur weil es dich plötzlich gibt. Du liebst deine Eltern nicht weniger, nur weil es Kim plötzlich gibt. Aber als ihr zwei euch getroffen habt, ist ein neues Gefühl entstanden, Bienchen. Ein Gefühl, was vorher weder bei Kim noch bei dir jemals war. Wer hat das Recht, dieses Gefühl als schlecht zu verurteilen oder euch zu verbieten, dieses Gefühl zu haben?" "Niemand", hauchte Sabrina bewegt. Kat nickte. "Ganz genau. Niemand. Deine Eltern nicht, meine Eltern nicht, und auch ich nicht. Du drängst dich nicht zwischen uns, Bienchen. Ganz bestimmt nicht. Erstens würden Kim und ich so etwas überhaupt nicht zulassen, und zweitens sind wir beide froh und glücklich, dich als Freundin zu haben. Daß zwischen dir und Kim mehr ist als nur Freundschaft, ist eine Sache zwischen euch. Und nur zwischen euch." Sie klopfte Sabrina lächelnd auf die Schulter. "So. Das muß reichen. Jetzt ist mein Mund trocken, und du kaufst mir als Strafe eine Cola." Die Herbstferien waren für die drei Mädchen voll ausgefüllt. Vormittags gingen sie zu dritt spazieren, wenn das Wetter es erlaubte, oder sie saßen in Kims oder Kats Zimmer und unterhielten sich. Nach dem Mittagessen, was abwechselnd im Haus der Summers oder in der Wohnung der Familie Evertz eingenommen wurde, trainierte Kat mit Sabrina, während Kim sich ihren Vater vornahm. Nachmittags waren die drei im Jugendtreff, abends hatten Kim und Sabrina dann Zeit für sich, während Kat sich ihre Eltern schnappte. Sabrinas Vater hatte sich in seinen neuen Job gut eingelebt, und auch wenn ihm noch die Erfahrung fehlte, meisterte er alle Probleme. Manche nur so gerade eben, aber er schaffte es. Ihre Mutter ging regelmäßig zur Therapie, die ihr sehr half. Die Methoden und Techniken hatten sich in den letzten fünfzehn, zwanzig Jahren sehr gewandelt, wie auch die Einstellung zu gewissen Themen. Frau Evertz ging es nach jedem Besuch besser, und gegen Ende der Ferien schaffte sie es, Kim und Sabrina genügend Kekse und Getränke zu bringen und sie danach nicht ein einziges Mal zu stören. Als Kim nach Hause mußte, umarmten sie und Sabrina Frau Evertz dankbar und glücklich. Der Herbst ging ins Land und machte dem Winter Platz. Sabrina hatte ihr Traumziel erreicht: sie fühlte sich selbstsicher, stark und in sich ruhend. Zum einen kam dies durch das Kampftraining, das sie nun offiziell in der Kampfschule durchführte, wie auch bei Kim zu Hause, zum anderen durch Kim und Kat, die unnachgiebig auf versteckte Haken und Ösen bei Sabrina hinwiesen. Kat hatte sich vollständig von der Verletzung erholt und schaffte mit Kim die Prüfung zum zweiten schwarzen Gürtel. Nach außen hin unbewegt nahmen sie ihre Urkunden in Empfang, ganz im Gegensatz zu Sabrina, die ihren bestandenen gelben Gürtel mit lautem Jubel unter den gerührten Augen ihrer Eltern quittierte. Die Initiative gegen Gewalt an der Schule von Sabrina, Kat und Kim baute sich langsam, aber unaufhaltsam auf. Viele Schülerinnen und Schüler bekundeten großes Interesse und opferten viel Freizeit, um sich unter der Leitung von Kat und Sabrina schulen zu lassen. Sogar viele Lehrer nahmen an Kats Unterweisungen teil; wie Direktor Roberts schon gesagt hatte, gehörte das Wissen, Konflikte gewaltfrei zu lösen, zwar zur Ausbildung eines Pädagogen, wurde jedoch eher am Rande abgehandelt. Und dann kam Weihnachten. "Frohe Weihnachten zusammen!" Sabrina strahlte Eheleute Summers sowie Kim und Kat an, während sie den vier ihre Geschenke überreichte. "Frohe Weihnachten, Sabrina." Auf die freien Arme wurden nun vier Geschenke für Sabrina gepackt, was alle lachen ließ. "Kommt ins Wohnzimmer", schlug Frau Summers lächelnd vor. "Da ist alles aufgebaut." Sabrina folgte der Familie und fand einen wunderschön bunt geschmückten Christbaum, unter dem zwei blitzende und funkelnde elektrische Gitarren standen; eine schwarz, eine weiß. "Wow!" quietschte Sabrina begeistert. "Sehen die gut aus!" "Natürlich", erwiderte Kim kühl. "Sollen ja zu uns passen." "Irgendwann erfrierst du noch mal an deiner kalten Hundeschnauze", grinste Sabrina breit. Kim suchte nach einer Antwort, fand jedoch keine, was Kat hell lachen und Kim knurren ließ. Die drei setzten sich hin und aßen Kuchen, wobei Sabrina von ihrer Bescherung daheim erzählte und was sie alles bekommen hatte. Anschließend zogen sich die Mädchen in Kats Zimmer zurück. "Setz dich, Bienchen", forderte Kat sie auf. Sabrina stutzte, als sie einen merkwürdigen Unterton in Kats Stimme hörte. "Was ist denn?" fragte sie besorgt, während sie sich auf das Bett setzte. "Wir müssen dir was sagen." Kim sah sie traurig an. "Mom und Dad wollen morgen für eine Woche in die Staaten fliegen, Verwandte besuchen. Und jetzt rat mal, wo Kat und ich sind." "Ihr müßt mit?" fragte Sabrina tonlos. Die Schwestern nickten gleichzeitig. "Ja." Kat zuckte mit den Schultern. "Dad hat eine Tante, mit der er sich versöhnen möchte, und Mom will ihre Eltern besuchen. Dann will Dad es auch noch bei seinen Eltern versuchen. Alle bezweifeln zwar, daß es gut ausgeht, aber sie sagen, sie müssen es wenigstens probieren. Es ist Weihnachten, und das ist das Fest der Liebe." "Ist ja nur eine Woche." Sabrina lächelte tapfer. "Die geht schnell rum." "Für dich ja." Kat lächelte schelmisch. "Tom braucht Hilfe über Weihnachten, weil viele in Urlaub sind. Du kannst jeden Nachmittag im Treff Musik machen. Geh einfach hin." "Das solltest du wirklich machen." Kim nahm Sabrina in den Arm und drückte sie. "Für uns geht die Zeit auch schnell rum. Hoffentlich." "Und nach den Ferien gehen Kim und ich zum Gitarrenunterricht. Du kannst deine Querflöte schon mal entrosten, damit wir zu dritt spielen können." "Wie Jethro Tull?" fragte Sabrina. Kat nickte lächelnd. "Mindestens genauso gut." "Kein Problem." Sabrina zwinkerte ihr zu, dann umarmten sich die Mädchen zu dritt.
Kapitel 5
"Mahlzeit!" Fröhlich kam Sabrina in den Treff, der verlassen und einsam aussah. Thomas Müller, der Leiter, sah sie sprachlos an. "Frohe Weihnachten, Tom", sagte Sabrina mit einem frechen Grinsen. "Wie machst du das, daß du immer so herrlich verwirrt aussiehst?" Tom blinzelte mehrmals und schluckte, dann hatte er sich wieder im Griff. "Frohe Weihnachten, Sabrina. Das liegt nur an euch. Ihr taucht immer dann auf, wenn man es am wenigsten erwartet. Was führt dich her?" Sabrina zuckte mit den Schultern. "Langeweile. Kim und Kat sind heute morgen mit den Eltern nach Amerika geflogen. Ich dachte, du könntest etwas Hilfe gebrauchen." "Fahrt ihr nicht weg?" "Nein. Papa hat im September diese neue Stelle angenommen, und er nutzt die ruhigen Tage, um sich mit den restlichen Personalakten vertraut zu machen. Außerdem bekommt er im neuen Jahr ein paar neue Leute, und für die muß er irgendein Training erstellen." Sie schaute sich munter um. "Also? Was kann ich tun?" Tom grinste hilflos. "Nichts. Genau das ist auch mein Problem. Der Treff hat über die gesamten Feiertage auf, außer Heiligabend, aber kaum jemand kommt. Wir können uns gegenseitig angähnen und anöden." "Das klingt super", lachte Sabrina hell. "Ich mach mal Musik, ja?" "Tu das. Du kennst dich ja aus." Wenig später erfüllte die Musik von Kai Tracid den Raum. Jedoch nicht sehr laut, so daß Sabrina und Tom sich in aller Ruhe unterhalten konnten. Schon nach wenigen Minuten stellte Tom bei Sabrina eine leichte Spannung fest. "Erzähl", meinte er, als keiner von beiden für eine Weile etwas gesagt hat. Sabrina sah ihn fragend an. "Was erzählen?" "Was dir auf der Seele liegt." Tom lächelte leicht. "Und tu nicht so, als wäre da nichts. So etwas zu erkennen ist mein Beruf. Also?" Sabrina seufzte laut. "Hast recht. Da ist was. Aber ich weiß nicht, ob ich mit dir darüber reden kann..." "Gerade mit mir", sagte er grinsend. "Ihr 14jährigen habt vielleicht mehr Durchblick, wenn es um einen Jugendtreff geht, aber ich habe mehr Durchblick, wenn es um 14jährige geht. Leg los." Sabrina lachte verlegen. "Na gut. Aber nicht böse sein, ja?" "Natürlich nicht." Sabrina nickte und setzte sich zurecht, dann faßte sie Mut. "Kim. Kim und ich mögen uns sehr, also mehr als Freundinnen es normalerweise tun." Sie sah schüchtern zu Tom, doch der nickte nur gelassen. Sabrina stellte in seinen Augen das gleiche Verständnis fest, daß sie damals auch bei Jane Summers gesehen hatte, und fühlte sich verstanden. Erleichtert redete sie weiter. "Als Kim, Kat und ich uns damals vor drei Monaten kennengelernt hatten, war ich total von der Rolle. Wegen Umzug nach hier, wegen meiner ganzen Freunde, die weg waren, und so weiter. Dann haben wir drei uns vor der neuen Klasse getroffen, und es hat - na ja, gefunkt." Sie wurde feuerrot, doch Tom blieb ganz ruhig. "Warum?" Sabrina seufzte wieder. "Na, eben weil Kim so war, wie ich immer sein wollte. Stark. Sicher. Total unabhängig irgendwie. Sie läßt sich nichts vormachen und so. Du verstehst?" Tom nickte leicht. "Ja. Und jetzt, wo du auch sicher und stark bist, hat sich dein Gefühl für sie verändert. Richtig?" "Ja." Sabrina schluchzte kurz, dann fing sie sich wieder. "Ich weiß ja selbst nicht, warum. Ich möchte sie so liebhaben wie früher, aber das geht nicht! Ich mag sie noch immer sehr, genau wie Kat, aber dieses starke Gefühl ist weg!" "Hast du es ihr gesagt?" "Nein." Sabrina lächelte schief. "Sie würde bestimmt sehr böse werden." "Da wäre ich nicht so sicher, Sabrina." Tom lehnte sich nachdenklich zurück. "Du warst damals in einer sehr angespannten Situation. Dein ganzes Umfeld veränderte sich, ohne daß du Einfluß darauf hattest, und dann bist du Kim und Kat begegnet. Sabrina, wenn ein Mensch einem anderen Menschen sehr hilft, dann empfindet der, dem geholfen wird, immer sehr viel für den, der hilft. Das ist etwas völlig normales. Kim und Kat haben dir, soweit ich mitbekommen habe, sehr geholfen und dir den Weg in die - ich sag mal, Sicherheit gezeigt. In die innere Sicherheit." Sabrina nickte schnell. "Jetzt bist du am Ziel." Tom lehnte sich wieder vor. "Du bist ein etwas anderer Typ als die Schwestern. Deswegen könntest du niemals so kaltschnäuzig wie Kim sein, aber du hast mittlerweile die gleiche Stärke wie Kat oder Kim in dir. Oder jedenfalls fast die gleiche, aber gemessen an damals, wo ich dich das erste Mal hier gesehen habe, ist es schon verdammt viel. Du hast dich in Kim verliebt, weil sie so war, wie du sein wolltest. Nun bist du wie sie, und damit ist kein Grund mehr vorhanden, in sie verliebt zu sein." Er sah der beschämten Sabrina tief in die Augen.
"Sabrina, das findest du nicht nur in eurem Alter. Männer und Frauen verlieben sich oft aus den gleichen Gründen ineinander, nämlich weil sie etwas an dem anderen sehr bewundern. Dann, in der Partnerschaft, nehmen sie diesen Charakterzug an, und plötzlich ist die Liebe weg. Nur noch eine sehr tiefe Freundschaft. Darüber wurden schon Millionen Bücher geschrieben." "Millionen?" fragte Sabrina verblüfft. Tom schüttelte grinsend den Kopf. "Nein. Aber doch so viele, daß dieses Verhalten - also erst Verlieben und dann Entlieben - völlig normal anzusehen ist." Er wurde wieder ernst. "Es ist natürlich schlimm für dich, Sabrina. Du möchtest Kim wieder so liebhaben wie früher, aber du mußt dir klarmachen, daß das nicht geht. Du hast dich verändert, und damit haben sich auch deine Ansichten und Einstellungen verändert. Du bewunderst Kim heute nicht mehr, weil sie so stark und frei ist, sondern du magst sie als deine Freundin. Als deine gleichwertige Freundin. Nicht mehr dir überlegen, von diesem Kung Fu mal abgesehen, sondern gleichwertig zu dir. Das Gefühl, was du für sie hattest, ist nur entstanden, weil du sie damals so bewundert hast. Verstehst du, was ich sagen möchte?" "Ja", hauchte Sabrina traurig. "Also kann ich sie nicht mehr so liebhaben wie früher?" "Du kannst sie immer noch liebhaben, Sabrina. Weil Kim ein ganz besonderer Mensch ist. Wie Kat. Wie du. Doch wenn du ganz ehrlich zu dir bist und ganz tief in dich hinein hörst, wirst du feststellen, daß du dich nur in sie verliebt hast, weil sie dir überlegen war. Weil sie so ist, wie du sein wolltest. Das ist nichts schlimmes, Sabrina. Wie gesagt, so etwas kommt sehr häufig vor, nur liegt es in der Natur dieser Liebe, daß sie nicht lange dauert. Immer nur so lange, bis der eine diese Eigenschaft vom anderen angenommen hat. Und Kim und Kat haben ja auch alles getan, damit du so wirst wie sie." Sabrina sah fragend auf. "Was willst du damit sagen?" "Daß Kim garantiert weiß, was mit dir los ist. Wie auch Kat. Die beiden haben dich auch sehr lieb, eben weil sie alles getan haben, damit aus dem unsicheren, verstörten Mädchen eine selbstsichere, in sich gefestigte junge Dame wird. Das haben sie, meiner Meinung nach, auch hervorragend geschafft." Sabrina wurde feuerrot unter diesem Kompliment. "Ich bin mir sicher", überlegte Tom laut, "daß Kim weiß, daß sich dein Gefühl zu ihr verändert hat. Kim hat so viel Durchblick, daß sie es gar nicht übersehen kann. Ich bin mir fast sicher, daß sie nur darauf wartet, daß du den Mund aufmachst." "Aber..." Sabrinas Gesicht lief dunkelrot an. "Wir hatten - wir hatten Sex miteinander. Das kann ich nicht einfach so vergessen und wegschieben!" "Ach je!" Tom lachte herzhaft. "Sabrina! Ich hatte mit meiner ersten Freundin auch Sex. Und? Es war schön, für uns beide, aber als das Gefühl zwischen uns zu Ende war, hörte auch der Sex auf." Er wurde wieder ernst. "Sabrina, was Kim und Kat mit dir gemacht haben, kannst du ihnen nur durch Ehrlichkeit zurückzahlen. Du wirst immer mit einem ganz besonderen Gefühl an Kim denken, eben weil du mit ihr die ersten Erfahrungen gemacht hast, wie ich mal annehme, aber du kannst die Liebe nicht erzwingen. Wenn keine Liebe da ist, kannst du keine Liebe vortäuschen. Das willst du nicht, und das will auch Kim nicht. Sie würde es dir vielmehr sehr übelnehmen, wenn du etwas vortäuschst, was nicht in dir ist. Aber sie würde dich sehr mögen, wenn du ehrlich zu ihr bist. Das ist übrigens etwas, was auch Erwachsene wie ich sehr schätzen: Ehrlichkeit." Er zwinkerte ihr zu. Sabrina lächelte schüchtern zurück.
"Darf ich mir eine Fanta holen?" "Sicher. Ist mein Weihnachtsgeschenk an dich." "Danke!" Sabrina sprang auf und lief zur Bar, wo sie sich eine Fanta einschenkte und sich damit wieder hinsetzte. Sie starrte nachdenklich in das Glas und überlegte. Sie überlegte so tief, daß sie es nicht einmal merkte, als Tom aufstand und sich leise entfernte. Eine Viertelstunde später war das Glas leer, und Sabrina mit sich im Reinen. Sie stand auf und suchte Tom, der im zweiten Raum fegte. Er sah auf, als er sie bemerkte. "Und?" fragte er freundlich. "Alles klar?" Sabrina nickte dankbar. "Ja. Danke fürs Zuhören. Und fürs Helfen." "Gern geschehen." Er sah zur Wand. "Was hältst du davon, wenn wir diesen Raum etwas heller streichen? Ein helles Braun statt einem dunklen?" "Hmm..." Sabrina schaute sich um. "Aber nicht viel heller, sonst lenkt das beim Billard so ab." "Nur eine Idee heller?" fragte er grinsend. Sabrina lachte fröhlich. "Nein! Ich würde es so lassen." "Gut. Für Farbe hat der Treff sowieso kein Geld. Könntest du mal nach den CDs schauen? Gestern hat sich jemand darüber beschwert, daß die alle durcheinander sind." "Klar!" Schon war sie weg. Tom sah ihr lächelnd nach, bevor er weiter fegte.
Silvester verbrachte Sabrina mit den Eltern. Ihre Mutter hatte die Therapie mittlerweile erfolgreich abgeschlossen; nicht zuletzt deshalb, weil sie es endlich schaffen wollte, mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen. Die Familie stand auf dem Balkon im 18. Stock, von dem aus sie eine fantastische Sicht auf das Feuerwerk in der Stadt hatten, auch wenn sie sich wegen des Windes fast festbinden mußten. Gegen ein Uhr waren alle im Bett und schliefen tief und fest. Am zweiten Januar kehrte Familie Summers zurück. Jane hatte es geschafft, sich mit ihren Eltern auszusprechen, doch David empfing soviel Aggression von seinen Eltern, daß er den Besuch schon nach fünf Minuten abgebrochen hatte. Seine Frau und die beiden Töchter hatten ihre liebe Mühe, ihn wieder aufzubauen, doch als er im Flugzeug saß, war alles wieder gut. "Du hast es versucht", meinte seine Frau nur. "Nur darauf kommt es an." Als Sabrina sie am nächsten Tag besuchte, wurde sie von Kat und Kim schon sehnsüchtig erwartet und überaus herzlich begrüßt. Die drei machten sich gleich auf in die Stadt und ließen sich im noch immer leeren Treff nieder, wo Kim und Sabrina lange und intensiv miteinander redeten. Wie Tom richtig vermutet hatte, wußte Kim schon, was mit Sabrina los war, und daß Sabrina nun offen und ehrlich über ihre geänderten Gefühle redete, machte Kim zwar einerseits etwas traurig, aber andererseits sehr stolz auf ihre Freundin. "So!" meinte Kat, als Sabrina und Kim fertig waren. "Kim, du machst dich jetzt vom Acker; Bienchen und ich haben etwas zu besprechen." Kim sah ihre Schwester wütend an. "Und wer baut mich auf? Mal wieder keiner. Ich muss alles selbst auf die Reihe kriegen." "Ja, ja", grinste Kat. "Keiner hat dich lieb. Kennen wir schon. Nun geh raus, spielen." "Pah!" Kim funkelte ihre Schwester an, dann zwinkerte sie Sabrina, die nicht wußte, ob Kim nur so tat, als wäre sie wütend, grinsend zu und verschwand. "Du mußt nicht traurig sein, Bienchen", sagte Kat dann, als Kim draußen war. "Möchtest du ein paar Tage oder Wochen von uns fern bleiben, bis du alles sortiert hast?" "Nein." Sabrina holte tief Luft. "Kat, das möchte ich wirklich nicht. Kim und ich haben im letzten Monat ja immer weniger miteinander - äh, getobt, und -" "Du hoffst, daß ihr zwei einfach Freundinnen sein könnt, nicht wahr?" "Genau. Schaffen wir das?" Kat sah sie lange an. Dann nickte sie. "Ja, Bienchen. Kim schafft es, und du schaffst es auch. Ich habe es ja auch geschafft." Sabrina nickte, dann stutzte sie. "Was? Was hast du gesagt?" "Nichts." Kat lächelte etwas traurig. "Ich habe nichts gesagt, Bienchen. Vergiss es einfach, ja? Bitte. Kim hat davon nichts gemerkt, und du auch nicht. Ich nehme an, dass Kim und ich einfach einen Beschützerinstinkt dir gegenüber entwickelt hatten, doch das ist nun vorbei. Wir beide mögen dich sehr, Sabrina, und ich fände es schade, wenn es auseinander brechen würde. Wie sieht es hier aus? Sind alle Zeiten abgedeckt?" Sabrina starrte Kat sprachlos an, dann nickte sie abwesend. "Ja. Sobald die Ferien vorbei sind, ist die volle Besetzung da. Wieso?" "Weil Kim und ich E-Gitarre lernen wollen. Schnell und gründlich. Mit Hin- und Rückfahrt würden wir täglich drei Stunden sparen, wenn wir nicht mehr herkommen, und diese Zeit könnten wir wunderbar dazu nutzen, um zu üben. Wie sieht es mit dir und deiner Flöte aus?" "Gut. Die ganzen Grundlagen wie Haltung und Atmung habe ich ja schon gelernt, den Rest kann ich mir notfalls alleine beibringen. Oder jemanden vom Schulorchester fragen." "Gut." Kat lächelte zufrieden. "Und nächstes Jahr um diese Zeit planen wir drei schon unseren ersten Auftritt. Hast du Lampenfieber?" "Und wie!" "Na!" Kat sah sie strafend an. "Bienchen, hast du Lampenfieber?" Sabrina mußte lachen. "Ja, aber nächstes Jahr um diese Zeit nicht mehr." "Das ist mein Bienchen." Kat sah sie einen Moment lang überaus zärtlich an, dann normalisierte sich ihr Blick wieder. "Kim und ich haben einen Lehrer, der zweimal die Woche zu uns kommt, für jeweils eineinhalb Stunden. Wir haben uns in den Staaten schon mal mit den Büchern vertraut gemacht. Ist nicht so schwer, wie es aussieht. Noten können wir schon, und wo die Noten auf der Gitarre liegen, haben wir schon im Trockenen geübt. Möchtest du noch mit zu uns kommen? Ich sage Tom eben Bescheid, daß wir weg sind und vorläufig nicht mehr kommen." "Das kannst du einfach so aufhören?" fragte Sabrina entgeistert. "Das hat dir doch so viel bedeutet!" "Richtig, aber Blues selber spielen zu können bedeutet mir im Moment sehr viel mehr, Bienchen. Genau wie Kim. Prioritäten ändern sich; das hast du ja selbst festgestellt." Sie nahm Sabrina in den Arm und drückte sie kurz. "Außerdem sind wir ja nicht aus der Welt. Nur war Musik machen für Kim und mich schon immer ein Traum, und den nehmen wir jetzt in Angriff. Bisher stand der Treff an Nummer Zwei, nach Kung Fu, nun ist es die Gitarre. Kommst du mit, oder willst du nach Hause?" Sabrina musste grinsen. "Du glaubst doch nicht, dass ich mir eure ersten Töne auf der Gitarre entgehen lasse, oder?" "Das hatte ich schon befürchtet!" lachte Kat fröhlich. "Dann hoch mit dir." Lachend standen sie auf und gingen zu Tom.
E N D E
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