Der falsche Vater
by
ManuelaYasmina
©
00 Prolog
Gott sei Dank!
Endlich eine eigene Wohnung.
Trotz meines jugendlichen Alters von gerademal 20 hatte ich einen
erstklassigen Job bekommen. Und die Firma hatte mich bei meiner Suche
nach einer Penthauswohnung tatkräftig unterstützt. Gut das in der
damaligen Zeit die Nachfrage danach äußerst gering war. Keiner wollte
eine haben. Heute würde ich einen horrenden Preis dafür zahlen müssen.
Aber damals war sie spottbillig. Nicht daß ich es mir nicht leisten
konnte. Im Gegenteil. Dank meiner Eltern und meinen Großeltern
mütterlicherseits brauchte ich nicht auf den Pfennig zu achten. Und
schon gar nicht auf die Mark. Trotzdem hatte ich als Kind nur ein
normales Taschengeld bekommen. Und so hatte ich sehr früh gelernt mit
Geld umzugehen.
Ich zog eine Wohnung einem Haus vor. Sie sollte am Rande von München
und auch abseits des Verkehrslärms liegen. Und da ich gerne in die
Ferne schaute, mußte sie auch hoch liegen. Darum sollte es eine
Penthauswohnung sein. Mit 20 hat man halt so seine eigenen
Vorstellungen von seiner Umgebung in der man wohnt.
Wie gesagt war der Mietpreis sehr gering. Dazu kam noch daß der
Vermieter, ihm gehörte nicht nur die Wohnung, sondern das ganze Haus,
Ärger mit seiner Bank hatte. Und um denen eins auszuwischen
vereinbarte er schriftlich im Mietsvertrag, das ich ein Vorkaufsrecht
auf die Wohnung haben würde. Sogar einen Festpreis legte er fest,
welcher sehr weit unter dem normalen Preis für eine Wohnung von dieser
Größe lag.
Sogar sehr weit darunter.
Allerdings kam kurz vor der Übernahme durch die Bank der alte
Vermieter zu mir. Die Bank würde übernächsten Monat das Haus
übernehmen. Was denn noch zu machen sei? Und nach vier Stunden hatten
wir eine lange Liste zusammen. Von Thermofenstern über die
Fußbodenheizung bis hin zum offenen Kamin. Da fielen der Parkett und
der Fliesenboden sowie die große Sprudelbadewanne schon gar nicht mehr
ins Gewicht. Als die Bank dann das Haus übernahm, pochte ich auf den
Vertrag, in dem stand, daß der Hausbesitzer die Veränderungen bezahlen
würde. Damit wäre aber der eh zu geringe Mietpreis nicht mehr zu
halten wurde mir daraufhin mitgeteilt. Da stand aber der Vertrag gegen
sie. Zähneknirschend mußte also die Bank die Rechnungen bezahlen und
wollte dafür eine äußerst saftige Mietserhöhung. Da sie aber damit
nicht durchkamen, meldeten sie Eigennutzung an. Da kaufte ich
kurzerhand die Wohnung. Vier Monate später gab mir das Gericht recht.
Ich bezahlte den vertraglich angegebenen Kaufpreis in Bar, welcher
nicht mal annähernd an die Umbaukosten herankam. Sichtlich zerknirscht
mußte die Bank dies akzeptieren. Und so hatte ich eine billige Wohnung
gekauft. Zumal in einer Klausel auch noch stand, daß der Eigentümer
des Hauses auch für alle kommenden Reparaturen aufkommen mußte, egal
ob es sich dabei um eine Miets- oder Eigentumswohnung handele. Das war
der letzte Schlag des alten Vermieters gegen die Bank gewesen.
Schließlich bot die Bank mir an, die Wohnung gegen ein Haus zu
tauschen. Aber ein Haus in München wäre für mich nicht in Frage
gekommen. Und was sollte ich denn auch mit zwei Häusern?
Meine Oma hatte mir ihr altes Bauernhaus in Milders, in Österreich,
hinterlassen, in dem ich als Kind so oft die Ferien verbracht hatte.
Alleine, und später mit meinem besten Freund Mario, wo wir im Sommer
die Obstbäume und im Winter die Skipisten unsicher gemacht hatten.
Die Wohnung hatte einen eigenen Fahrstuhl von der Tiefgarage, über das
Erdgeschoß, bis direkt hinauf in die Wohnung.
Vom Fahrstuhl heraufkommend stand man sofort in der großen Diele.
Überhaupt war die Wohnung riesig. Eine große Küche (sie kam meinen
Hobbykochkünsten sehr gelegen) mit Speisesitzgruppe, ein sehr, sehr
großes Wohnzimmer, ein Bad mit der Sprudelbadewanne für vier, so groß
war sie, ein großes Schlafzimmer mit Doppelbett (fragte sich nur mit
wem ich da rein sollte) und ein helles Arbeitszimmer. Unnütz zu sagen,
daß dies auch groß war. Die ganze Wohnung war riesig. Und um allem
noch die Krone aufzusetzen, lief rund um die Wohnung der Balkon, eher
eine, genau, „große“ Terrasse. Und bei gutem Wetter konnte man weit
bis zu den Alpen sehen.
Ich war zufrieden mit mir und der Welt. Bomben Job. Bomben Gehalt.
Bomben Wohnung. Bomben Firmenwagen. Scheiß Liebesleben.
Oh!
Anscheinend war da wohl doch nicht alles in Ordnung.
Genau.
Mein Liebesleben war auf dem Nullpunkt. Na ja, eigentlich hatte es
noch nie Höhepunkte gegeben. Außer die, welche ich mit meiner Hand
hatte. Und da ich auch in Beziehungsanbahnungen sehr schüchtern war,
würde sich da auch so schnell nichts ändern.
Leider.
Da bewahrheitete sich bei mir wieder der Satz: Glück im Spiel, Pech in
der Liebe.
Ich hatte mir damals Aktien einer Firma gekauft. 50,000 Mark gab ich
dafür aus. Sie waren in den letzten Wochen stetig geklettert. Vier
Stunden nachdem der Deal abgeschlossen war, mußte ich einen Fallschirm
haben. So schnell und so tief knallten sie runter, daß man denken
konnte, sie durchschlügen den Nullpunkt.
Vor lauter Frust hatte ich mir daraufhin noch mal 10,000 von Konto
geholt und war ins Casino gefahren.
Abends um halb neun bin ich mit 10,000 Mark rein und um halb zwei in
der Nacht - mit einem Scheck über 478, 450 Mark wieder raus.
Aber was zum bumsen hab ich deshalb noch immer nicht gehabt. Und eine
der Tussen, die große Augen des Gelds wegen bekamen? Da hätte ich auch
zu einer Professionellen gehen können.
Zumal ich dafür nicht hätte bezahlen müssen.
Mario hatte mir dies ja schon öfters angeboten. Aber meine Unschuld,
mein erstes Mal, das wollte ich nun mal mit Liebe verbunden verlieren.
Aber drei Wochen später verkaufte ich die gefallenen Aktien. Wie der
Volksmund sagt, sollte man aufstehen, wenn man gefallen ist. Und das
hatten meine Aktien auch gemacht. 358,000DM fuhr ich ein.
Mein Beruf ließ mir die Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten. So
brauchte ich mich nicht an Bürozeiten zu halten. Zumal ich auch erst
in drei Wochen wieder anfangen mußte.
Und so verbrachte ich jetzt die meiste Zeit damit, München besser
kennen zu lernen.
Wenn man weiß, wie groß München damals war, dann kann man sich schon
ein Bild davon machen, das man dafür schon ein paar „Tage“ braucht.
Heute wäre es ein schier unmögliches Unterfangen.
Leider lag meine Wohnung am Rande von München. Zwar war es dort ruhig,
aber man brauchte seine Zeit um in die Innenstadt zu kommen. Und so
mußte ich immer eine halbe Stunde fahren.
Der Japanische Turm, die Isarauen und das Deutsche Museum hatten es
mir dabei besonders angetan. Mein Favorit aber war das Deutsche
Museum. Und so nutzte ich die Zeit und hielt mich meistens dort auf.
Sogar nach Milders fuhr ich für ein Wochenende.
Ein dreiviertel Jahr arbeitete ich nun schon in München, da schickte
man mich nach Hamburg. Eine Tagung oder Messe oder so, war angesagt.
Na ja. Eine Abwechslung in meinem Leben. Denn so ganz ohne holde
Weiblichkeit war das Leben doch öde. 20 war ich und im besten Futter.
Voller Saft und Kraft. Aber die Kraft verschwendete ich noch immer, um
den Saft aufs Handtuch zu spritzen. Kurz gesagt, ich war noch immer
Jungfrau.
Scheiße!
Aber vielleicht ergab sich ja was in Hamburg.
01 Der blinde Passagier
Die Autofahrt nach Hamburg war langweilig. Und diese Tagung erst
recht. Und ergeben?
Ich hatte mein Hotel in der Nähe der Reeperbahn. Dort nach einem
Mädchen zu suchen, mit der man etwas Festes anfangen konnte, war etwa
so, als ob man auf dem Mond spazierengehen wollte ohne Raumanzug. Nur
mit Badehose. Damals zu der Zeit war ja auch noch keiner oben gewesen.
Mit anderen Worten: Es hatte sich wieder nichts getan.
Ich war fröhlicher als auf der Hinfahrt, als ich in Hamburg losfuhr
und Richtung München brauste.
Allerdings kam ich nicht weit. Keine 5 Minuten war ich unterwegs, da
bemerkte ich daß ich keine Zigaretten mehr hatte. Also suchte ich
einen Kiosk oder Zeitungsladen.
Fast hätte ich den Kiosk in der kleinen Seitenstraße übersehen. Aber
da es eine Einbahnstraße war, parkte ich kurzerhand und ging zu Fuß
hin. Ich kaufte mir eine Packung Panama, zahlte und riß die Verpackung
auf. Als ich noch 20, 30 Meter vom Wagen entfernt war, erschrak ich.
Mein Autoschlüssel!
Weg!
Ich kramte ich in meinen Taschen. Aber nichts. Ich ging zurück zum
Kiosk und der Besitzer half mir noch suchen. Aber nix. Da war er
nicht. Also ging ich langsam den Weg zum Auto zurück und suchte alles
ab. Als ich zwei, vielleicht drei Meter vom Wagen entfernt war, machte
ich mir fast in die Hose. Der Wagen war auf und der Schlüssel steckte.
Sogar das Radio lief noch. Aber Gott sei Dank stand er noch da.
Schnell setzte mich rein und fuhr auf die Autobahn.
Gute acht Stunden später war ich zu Hause. Inklusive dem Tankstop in
Nürnberg - Feucht. Ich fuhr in die Tiefgarage und parkte am Aufzug.
Dann zündete ich mir noch eine Zigarette an, stellte den Motor ab und
öffnete die Türe. Schon beim ersten Zug hörte ich ein leises wimmern.
Zuerst dachte ich, ich hätte mich verhört. Aber dieses Wimmern war da.
Ich schaute mich um und sah nur die leere Garage. Doch das Wimmern
hielt an. Aber ich sah niemanden. Auch als ich aus dem Wagen stieg und
einige Schritte in der Garage herumlief. Zwar war dieses Wimmern etwas
leiser geworden, aber es war noch immer da. Kopfschüttelnd ging ich
zurück zum Wagen und öffnete die hintere Türe, um meinen Aktenkoffer
und meinen Mantel heraus zu nehmen. Mein Koffer lag noch da, aber der
Mantel war verrutscht. Er lag in grotesker Lage halb über dem
Beifahrersitz, halb auf dem Rücksitz. Ich hatte ihn nach hinten
geschmissen, nachdem ich meine Brieftasche aus ihm herausgenommen
hatte um die Zigaretten zu kaufen. Das Wimmern war auch wieder lauter
geworden und eine Sekunde später sah ich den Grund, als ich meinen
Mantel herausnahm. Es war ein Mädchen, höchstens 12 Jahre alt, welches
auf dem Wagenboden hockte, sich die Hände vors Gesicht hielt und
heulte. Sofort hatte ich Mitleid mit ihr. Schließlich galt für Mario
und für mich das erste Gesetzt: „Mädchen dürfen niemals weinen!“
Und da sie allen Anschein auch noch ein hübsches Mädchen war, verstieß
sie auch gegen unser zweites Gesetz: „Hübsche Mädchen dürfen erst
recht nicht weinen!“
Erschrocken nahm sie die Hände vom Gesicht, und ich blickte in zwei
wunderschöne große braune Augen, die aber völlig verweint waren. Die
Tränen flossen nur so aus ihnen heraus.
„He Kleines, wie bist du denn hier hinein gekommen. Was ist los?“,
fragte ich mit sanfter Stimme und hockte mich vor meiner geöffneten
Wagentüre
Sie schüttelte nur den Kopf.
„Was ist denn? Hat dir jemand was getan?
Sie heulte nur weiter.
Ich strich über ihren Kopf und sprach weiter.
„Besser ich bring dich nach Hause zur Mama.“
Aber als ich dies sagte, heulte sie nur noch stärker und schüttelte
den Kopf. Ich vermutete, daß sie entweder schon seit Hamburg, oder
seit meinem Tankstop bei Nürnberg dort gesessen haben mußte. Eine
andere Möglichkeit gab es nicht.
„Nicht zur Mama.“, hörte ich durch ihr Schluchzen hindurch.
„Dann zum Papa.“
„Ich hab keinen Papa.“
Sie senkte ihren Kopf und heulte noch schlimmer.
„Was ist denn passiert?“, wollte ich wissen, „Wer hat dir weh getan?“
„Mama.“
Scheinbar hatte die Kleine etwas angestellt und Mama hatte ihr den
Popo versohlt.
„Was hast du denn angestellt?“, wollte ich wissen.
„Ich wollte nicht zu dem fremden Mann ins Bett.“
Äh, hatte ich da jetzt richtig gehört? Sie wollte nicht zu dem fremden
Mann ins Bett?
Vorsichtshalber fragte ich noch einmal nach.
Kinderficker gab es in der damaligen Zeit zwar auch schon, aber es kam
nicht so oft an die Öffentlichkeit wie heute. Und damals lebten sie
auch wesentlich gefährlicher als heute. Dafür hatte Mario jedenfalls
in Köln gesorgt.
„Ja“, sagte sie, nickte und heulte noch mehr.
„Komm erst mal aus dem Auto raus. Das ist doch völlig unbequem.“
Ich zog meinen Mantel an, während sie heraus kroch. Sie stellte sich
auf die Beine, sackte aber sofort wieder zusammen. Fast kam ich zu
spät, um sie aufzufangen. Sie klammerte sich an meinen Arm und erhob
sich wieder. Ich schloß den Wagen und verriegelte ihn. Dann brachte
ich dieses heulende Häufchen Elend zum Aufzug.
Ängstlich drückte sie sich zusammengekauert in der Kabine in eine
Ecke. Als wir oben in meiner Wohnung ankamen und sich die Türen
öffneten, floh sie heraus und wollte fortlaufen. Aber schon nach
wenigen Schritten stolperte sie und fiel hin. Ihre Beine waren noch zu
steif vom langen kauern hinter dem Beifahrersitz. Ich nahm sie auf den
Arm, trug sie ins Wohnzimmer und setzte sie auf Sofa.
„Wie heißt du eigentlich?“
„Waltraud.“
„Möchtest du was zu trinken Waltraud? Eine Cola?“
Sie nickte.
Ich ging in die Küche und kam mit zwei Flaschen Cola zurück. Begierig
öffnete sie die Ihrige und trank so hastig, daß sie hustete.
„Langsam Schatz. Es nimmt dir keiner was weg und ich hab noch eine
Menge davon im Kühlschank.“
Sie schaute nicht mehr so ängstlich, wie in dem Augenblick, als ich
sie im Auto fand.
„Und jetzt erzähl mal. Warum willst du nicht zu deiner Mama? Die sucht
dich bestimmt schon und ist ganz verzweifelt.“
„Das macht sie nicht.“, heulte sie, „Sie verhaut mich nur wieder.“
„Das glaub ich nicht. Sie verhaut dich bestimmt nicht, wenn du wieder
zu Hause bist.“
„Doch, das macht sie jedesmal, wenn sie getrunken hat.“
„Das glaub ich nicht. Und so ein Klaps auf den Po, das tut doch nicht
weh.“
„Sie nimmt den Kleiderbügel.“, heulte sie.
„Das glaub ich dir aber jetzt nicht.“
Zögernd stellte sie die Flasche auf den Wohnzimmertisch, stand auf und
zog sich ihr Kleidchen aus. Zuerst wollte ich protestieren. Aber als
sie es hoch über ihrem Kopf auszog, sie stand mit dem Rücken zu mir,
da sah ich es. Auf ihrem Höschen waren blutige Striemen. Und als sie
das Kleidchen ganz ausgezogen hatte, sah ich sie auch auf ihrem
Unterhemdchen. Mir stockte der Atem. Was war das, fragte ich mich,
wohl wissend, was man dem Mädchen angetan haben mußte.
Als sie ihr Unterhemdchen auszog, wurde mir fast schlecht. Der ganze
Rücken war übersät mit blauen Flecken und blutigen Striemen. Als sie
ihr Höschen herabzog, sah ich sie auch auf ihrem Popo. Weinend dreht
sie sich zu mir herum und sagte flehend:
„Ich will nicht zurück zu Mama.“
Ich mußte schlucken. Einerseits sah ich daß ihre Brust und ihr Bauch,
bis hinab zu ihrem Unterleib die gleichen Mißhandlungen aufwiesen wie
ihr Rücken. Andererseits konnte ich mir nicht vorstellen daß ihre
Mutter sie so behandelt haben sollte. Trotz dem was Waltraut mir sagte
und was ich da sah.
Wie kann man einem so zarten kleinen Mädchen nur so etwas antun?
Sie stand so hilflos und verloren da. Nackt bis auf ihre Schuhe und
Strümpfchen, ihr Höschen auf den Schuhen liegend.
Jetzt erst sah ich ihre schmutzigen Arme und Beine, ihr schmutziges
Gesicht.
„Komm mit Schatz. Wir waschen dich erst mal.“
Sie zog ihr Höschen hoch, raffte ihr Kleidchen und das Unterhemdchen
zusammen und folgte mir ins Bad.
„Boh! Ist das groß.“, sagte sie, als sie das Bad sah.
Ich ließ Wasser in die Wanne ein und zeigte ihr, wo alles steht. Dann
wollte ich sie alleine lassen. Aber sie hielt mich fest.
„Bitte nicht die Mama anrufen. Bitte.“
Ich nickte und wollte beim hinausgehen die Türe schließen.
„Bitte offen lassen. Bitte, bitte.“
Ich ließ sie offen und setzte mich ins Wohnzimmer.
Was sollte ich nun machen?
Wenn ich sie der Polizei übergab, dann käme sie in ein Heim.
Schlimmstenfalls wieder zurück zu ihrer Mutter. Und dies wollte sie
nicht. Aber ich konnte sie doch nicht behalten.
Bestimmt eine halbe Stunde lang überlegte ich, da kam sie aus dem Bad.
Ihre Haare hatte sie zu einem Turban hochgeschoben und mit einem
Handtuch umwickelt. Sie hatte meinen Bademantel an, und gerade dies
ließ mich lächeln. Er schleifte über den Boden und die Ärmel waren
viel zu lang.
Als sie mich lächeln sah, lächelte sie zurück. Und zum ersten Mal sah
ich glückliche, frohe Kinderaugen an ihr.
Sie blieb vor mir stehen und schaute mich fragend an.
„Was ist?“
„Hast du telefoniert?“
„Nein.“
Sie schien etwas erleichtert.
„Machst du noch?“
„Ich hab keine Nummer.“
Jetzt lachte sie.
„Gibst du sie mir?“
„Nein.“
Ihr Gesicht wurde ängstlicher.
„Aber du kannst doch nicht so einfach hierbleiben.“
„Warum nicht?“
„Weil du doch ein Zuhause hast. Komm mal her und setzt dich.“
Sie kam ans Sofa und setzte sich mit schmerzverzogenem Gesicht.
„Was ist los?“
„Mein Popo.“
„Leg dich mal auf den Bauch.“
Und während sie sich auf den Bauch aufs Sofa legte, ging ich ins Bad
und suchte meine Wund - und Heilsalbe. Die hatte ich schon oft
gebraucht. Besonders beim Sport. Mit ihr ging ich zurück ins
Wohnzimmer. Ich kniete mich vors Sofa und schob den Bademantel hoch.
Dann begann ich die Striemen und Flecke auf ihrem kleinen Popo mit der
Salbe zu bestreichen. Anschließend verrieb ich sie.
Zu blöd. Der erste nackte weibliche Arsch, den ich in meinem Leben
anfaßte gehörte zu einem kleinen Mädchen, einem Kind.
Aber einen süßen Popo hatte sie trotzdem. Klein und fest. Als ich
damit fertig sollte sie noch so liegenbleiben, bis das die Salbe ganz
eingezogen war.
Gerade, als ich mich aufs Sofa setzen wollte, klingelte das Telefon.
Ich ging ins Arbeitszimmer und sprach mit einem meiner
Arbeitskollegen. Als ich den Hörer auflegte und mich herumdrehte,
stand sie weinend in der Türe.
„Bitte nicht.“
„Das war ein Kollege von mir.“
„Nicht die Polizei?“
„Nein.“
Sie schlang ihre kleinen Ärmchen um mich und flüsterte „Danke“.
Im Wohnzimmer mußte sie dann den Bademantel ausziehen. Ich versorgte
die Verletzungen auf ihrem Rücken ebenso vorsichtig, wie vorhin auf
ihrem Popo. Und als die Salbe eingezogen war, versorgte ich ihre
Vorderseite ebenfalls.
Obwohl sie vorhin nackt vor mir gestanden hatte und mir ihre
Verletzungen hinten wie vorne gezeigt hatte, genierte sie sich nun
doch etwas, mit entblößter Scheide vor mir zu liegen. Ich zog einen
Zipfel des Bademantels zwischen ihren Beinen hervor und legte ihn auf
ihre Scheide. Dankbar sah sie mich an.
„Wie alt bist du eigentlich?“
„11. Und du?“
„20.“
„Wohnst du hier alleine?“
„Ja.“
„Und wer kocht für dich?“
„Das mach ich selbst.“
„Du kannst kochen?“
„Ja.“
„Ich nicht.“
„Du bist ja auch noch ein kleines Mädchen. Das lernst du später noch
früh genug.“
Als ich mit Brust und Bauch fertig war, schaute sie mich fragend an.
„Darf ich hier bei dir bleiben? Bitte.“
Eigentlich wollte ich nicht. Aber sie hielt den Kopf bei ihrer Frage
etwas schief und schaute mich mit ihren großen braunen Augen flehend
an. Mein Widerstand schmolz dahin wie Eis im Hochofen.
Und als ich nickte fiel sie mir um den Hals und gab mir einen dicken
Kuß.
Wir redeten an diesem Abend sehr viel über uns. Ich erzählte ihr was
ich mache, woher ich komme und vieles mehr. Im Gegenzug erzählte sie
mir daß ihr Vater schon sehr lange tot war. Ihre Mutter ginge auf den
Strich. Sie drückte sich dabei nicht so gewählt aus. Und nun hatte sie
von ihr verlangt, daß sie mit ins Bett kommen solle. Sie habe sich
geweigert und Mama habe sie dann mit dem Kleiderbügel verprügelt, wie
sie es immer machte.
„Als Mama dann zu dem Mann ins Bett gegangen ist bin ich weggelaufen.
Dann hab ich das Auto gesehen. Das war nicht abgeschlossen. Und jetzt
bin ich hier.“
„Ja, jetzt bist du hier.“
Aber was sollte ich mit ihr machen? Sie konnte zwar diese Nacht
hierbleiben, aber was ist morgen? Übermorgen? Überübermorgen und so
weiter?
Schule!
Sie muß ja auch zur Schule gehen. Sie muß versorgt werden. Aber das
könnte ich ja machen. Kochen, waschen und putzen konnte ich ja. Und
was sollte ich meinen Kollegen sagen, wenn sie kommen um meine
Arbeiten abzuholen und sie sehen?
Ich könnte sagen, daß sie meine kleine Schwester ist.
War dachte ich da bloß???
Ich schmiedete bereits Pläne sie hier bei mir zu lassen. Dabei wußte
ich doch nur zu genau, daß dies überhaupt nicht möglich war. Nein! Ich
wußte „ganz genau“, daß dies nicht möglich war.
Aber wie sollte ich ihr das nur sagen?
Da saß ich nun. Ein erwachsener Mann, und konnte diesem Kind nicht
sagen, das ich sie morgen zur Polizei bringen würde.
Sie war in meinem Arm eingeschlafen. Ich betrachte sie nun genauer.
Sie hatte ein sehr fein geschnittenes und sehr helles, schönes
Gesicht. Ihre rotbraunen Haare hatten sich aus dem Turban befreit und
hingen wie ein Wasserfall über ihrem Körper verteilt fast bis auf den
Boden. Der geöffnete Bademantel verbarg so gut wie nichts von ihrem
Körper und ich konnte sehen, daß sie später bestimmt ein sehr hübsches
Mädchen werden würde, nach dem sich bestimmt alle Jungs umdrehen
würden.
Vorsichtig erhob ich mich mit ihr auf dem Arm. Im Schlaf schlang sie
ihre Ärmchen um meinen Hals und drückte sich fest an mich. Ich trug
sie ins Schlafzimmer und zog ihr den Bademantel aus. Täuschte ich
mich, oder fingen die Striemen schon an zu heilen. Verblaßten einige
der blaue Flecke wirklich schon?
Ein Hoch auf Bephanthen!
Ich suchte ein Schlafanzugoberteil heraus und zog es ihr an. Dann
deckte ich sie zu und gab ihr einen Kuß. Als ich aus dem Zimmer ging,
ließ ich die Türe auf.
Ich ging ins Bad und steckte ihre Sachen in die Waschmaschine. Und
während sie gewaschen wurden, schaute ich Fernsehen. Wartete auf die
Nachrichten. Aber nichts wurde über sie gebracht.
Als die Sachen fertig waren, bügelte ich sie schnell und hängte sie
ins Schlafzimmer. Dann deckte ich sie wieder zu, da sie sich
freigestrampelt hatte.
Zurück im Wohnzimmer genehmigte ich mir ein Glas Rotwein und dann
machte ich mir mein Bett auf dem Sofa. Lange lag ich noch wach. Ich
kam zu dem Schluß, daß ich sie doch dem Jugendamt übergeben müsse, da
hörte ich sie weinen. Ich stürmte förmlich ins Schlafzimmer. Sie saß
aufrecht im Bett und weinte. Als ich mich neben sie setzte, schlang
sie ihre Ärmchen um mich und drückte mich ganz fest. Zart streichelte
ich über ihr Haar. Sie beruhigte sich wieder und schlief ein. Ich
deckte sie wieder zu und legte mich aufs Sofa.
NEIN!
Ich kann sie nicht irgendeinem Fremden überlassen, der sie vielleicht
ihrer Mutter zurückgibt.
Sie bleibt bei mir, solange sie möchte.
Fünfmal wurde ich in der Nacht noch durch ihr weinen geweckt. Sofort
war ich auf und bei ihr. Beim ersten Weinen saß sie wieder aufrecht im
Bett. Ich nahm sie in den Arm und tröstete sie so gut ich konnte. Sie
schlief schnell ein und ich deckte sie wieder zu. Die anderen Male
weinte sie im Schlaf. Doch als ich ihr übers Haar strich wurde sie
schnell ruhig und ich legte mich wieder ins Wohnzimmer.
Nein, dachte ich.
NEIN!
Sie bleibt!
Das tue ich ihr nicht an!
Wenn sie zu ihrer Mutter zurück kommt, dann endet sie als
Prostituierte. Kommt sie ins Heim, wer weiß was sie da lernt.
Nein, sie bleibt!
02 Im Kaufrausch
Am folgenden Morgen erwachte ich und dachte an meinen Traum.
Ein blinder Passagier, ein Mädchen, mit mir zusammen hier wohnen…
Wie kann man nur so was beklopptes träumen.
Mein Blick wanderte über den Wohnzimmertisch.
Mein Glas, mit einem Rest vom Wein darin, eine halbvolle Flache Cola,
der Aschenbecher, eine fast leere Flasche Cola....
Stop!
Zwei Flaschen Cola? Und keine davon war leer???
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf, flog förmlich zum
Schlafzimmer und schaute vorsichtig um die Ecke. Und da lag mein
„Traum“.
Friedlich schlummernd lag sie dort im Bett. Eine Hand unter ihr
Gesichtchen gelegt, die andere zwischen ihre Beinchen geklemmt. Der
nackte Popo hing fast ganz aus dem Bett heraus. Ihre Haare,
ausgebreitet wie Sonnenstrahlen, flossen von ihrem Kopf weg über ihren
Körper und dem Bett.
Ich wollte schon hin und sie wieder zudecken, da merkte ich das ich
nur meine Unterhose an hatte. Scheinbar mußte ich mich in der Nacht
ausgezogen haben. Das war zwar nicht weiter schlimm. Schlimmer
allerdings war meine „Morgenlatte“, die sich nicht in die Kategorie
„normale Größe“ einordnen ließ, und meine Hose mehr als überdeutlich
von meinem Körper abstehen ließ.
Also ging ich ins Bad.
Eine halbe Stunde später stand ich frisch geduscht und angezogen,
„ohne!“ Latte, wieder im Rahmen der Schlafzimmertür. Sie hatte sich im
Schlaf gedreht und lag nun nicht mehr auf der Bettkante.
Wie sie so dalag, überkam es mich erneut.
Nein!
Sie bleibt!
Aber dann fiel mir ein, daß es ja unmöglich wäre, daß sie mit mir hier
in diesem Bett schlief.
Dann muß sie halt ein eigenes Zimmer haben dachte ich mir. Mein
Arbeitszimmer! Die Sachen dort paßten sowieso ohne weiteres ins große
Wohnzimmer. Dann würde sie ihr eigenes Bett bekommen. Dazu noch einen
Tisch, oder ein Sofa, Stühle oder Sessel, einen Schrank, einen
Kleiderschrank….
Mein Gott! Sie hat ja nichts zum anziehen! Sie braucht Wäsche, Schuhe,
Kleider, Pullis…
SCHULE!
Man, sie muß zur Schule! Aber wie macht man das?
Da fiel mir ein, daß Gaby, Rolfs Sekretärin, drei Kinder hatte. Um
diese Zeit war sie schon im Büro. Also rief ich sie am.
Schon beim zweiten Klingeln nahm sie ab.
„Hallo Gaby, ich bin’s. Schönen guten Morgen.“
„Ah, der verlorene Sohn.“, lachte sie durchs Telefon, „Na, wie war’s
in Hamburg?“
„Na wie immer. Kennt man eine Tagung, kennt man sie alle. Aber was
anderes. Ich habe da ein riesiges Problem.“
Und während ich mir eine Geschichte zusammenreimte, erzählte ich ihr
gleichzeitig davon. Vom Unfalltod meiner Verwandten, eine Tochter, 11
Jahre, bei mir, und was ich machen müsse, um sie in die Schule zu
kriegen.
„Ja, ja. Ihr Männer.“, lachte sie, „Wenn ihr uns Mädchen nicht hättet,
dann ginge die Welt unter.“
Und sie erzählte mir vom Ummelden, Zeugnissen, Vormundschaftsgericht,
Sorgerecht, Jugendamt, und so weiter.
Schließlich, ich hatte mir alles aufgeschrieben, dankte ich ihr. Dann
beendeten wir das Gespräch und ich ging zurück zum Schlafzimmer
Und so stand ich da und zählte mir auf, was wir noch brauchen würden.
Da wurde ich von ihr unterbrochen. Sie bewegte sich und erwachte
langsam. Etwas ungläubig und erstaunt sah sie sich um. Als sie mich in
der Türe stehen sah, lächelte sie und breitete ihre Ärmchen aus.
Nein! Wie sie so dasaß, mit ihren glücklichen Augen, ihrem Lächeln.
Ich kann sie nicht ihrem Schicksal überlassen! Und ich wollte es auch
nicht!
Ich setzte mich neben sie aufs Bett und sie gab mir einen Kuß. Ihre
Ärmchen hielten mich am Hals so fest, daß ich dachte sie würde mich
erwürgen.
„Na Schatz, hast du schön geschlafen?“
„Ja.“, flüsterte sie mir ins Ohr.
„Dann steh auf und wasch dich. Wenn du angezogen bist, dann müssen wir
einkaufen.“
Sie stand auf und ging ins Bad, während ich im Arbeitszimmer einige
Dinge erledigte. Eine halbe Stunde später stand sie nackig in der Türe
und sagte:
„Ich find meine Sachen nicht.“
„Im Schlafzimmer. Sie hängen am Schrank.“
Und wenige Sekunden später kam sie wieder und sagte:
„Da komm ich nicht dran.“
Ich holte ihre Sachen, die ich an den oberen Rand des Schrankes
gehängt hatte, von Schrank herab und sie wollte sich anziehen.
„Warte, ich creme dich noch mal ein. Tut es denn noch weh?“
„Nein, nicht mehr so doll.“
Sie legte sich aufs Bett und ich cremte ihren Rücken und Popo ein. Die
blauen Flecke waren wirklich schon zum größten Teil abgeklungen. Nur
die hartnäckigsten verfärbten sich nun vielfarbig. Und die blutigen
Striemen hatten sich verfärbt und teils bildete sich bereits eine
Kruste darüber. Ich hoffte daß auf ihrem süßen hübschen Körper keine
Narben zurückbleiben würden.
Nachdem die Creme eingezogen war, drehte sie sich herum. Ich benutzte
ihr Höschen, um es ihr auf ihre Scheide zu legen, dann waren der Bauch
und die Brust dran. Hier war es bei weitem nicht so schlimm, wie auf
ihrer Kehrseite. Und nachdem die Creme auch hier eingezogen war, zog
sie sich an und kam zu mir ins Arbeitszimmer.
Zunächst fuhren wir in die Stadt und kauften in einem großen Kaufhaus
Kleidung für sie ein.
Höschen, Unterhemdchen, Röcke, Kleider.
Bei Hosen streikte sie.
Sie wäre doch ein Mädchen.
„Hosen sind nur was für Jungs.“
Auch die Verkäuferin konnte sie nicht davon abbringen. Und als
Waltraud sie daraufhin fragte: „Und wieso haben sie dann keine Hosen
an?“, wurde die Verkäuferin rot und gab klein bei.
So, so. Einen kleinen Dickkopf hatte ich also da an meiner Hand.
Wir kauften noch Pullis, Schuhe und andere Sachen. Viermal trugen wie
ihre neuen Sachen zum Auto. Dann waren andere Dinge dran. Zahnbürste,
Haarschleifen, Bürste, und so.
Wir hatten, bevor wir einkaufen gingen, im Kaufhaus gefrühstückt. Als
wir fertig waren aßen wir dort noch zu mittag.
Wir fuhren dann raus aufs Land, um an einem großen Möbelhaus halt zu
machen. Meine komplette Inneneinrichtung wurde damals, zu meiner
vollsten Zufriedenheit, von ihnen geliefert und aufgestellt. Und das
auch sehr kurzfristig. Morgens gekauft und abends war die Küche und
das Wohnzimmer bereits fertig. Am folgenden Tag auch das Schlafzimmer
und mein Arbeitszimmer.
Ich suchte mir den Verkäufer von damals, fand ihn nach wenigen
Minuten, und er erkannte mich sofort.
Erstaunt fragte er, ob etwas nicht in Ordnung sei, worauf ich ihm
mitteilte, daß wir ein Zimmer umbauen und neu einrichten müßten.
Er führte uns herum und Waltraud durfte sich ihr Zimmer selbst
aussuchen.
Sie war so glücklich gewesen, als sie am Morgen von mir hörte, daß sie
bei mir bleiben könne. Ein Freudengeheul, vermischt mit Freudentränen,
vielen Küßchen und noch mehr Umarmungen waren ihre Antwort darauf
gewesen.
Ob wir es heute noch haben könnten, fragte ich nach.
„Kein Problem.“, war die lapidare Antwort des Verkäufers, „Gegen sechs
steht alles. Da braucht ja nicht großartig geschraubt zu werden. Und
Treppen müssen auch nicht bewältigt werden. Wenn sie zu Hause sind,
eine Stunde einladen und Fahrt, dann ist es halb vier, dann dürften
wir um fünf, halb sechs fertig sein.“
Es machte sich bezahlt wenn man ein guter Kunde ist. Und wenn man dann
noch eine große Firme im Rücken hat, dann spritz alles nur so.
Wir bedankten uns und an meinem Arm hüpfte Waltraut ausgelassen und
sehr glücklich.
Überschlägig hatte ich an diesem Tag zwei Monatsgehälter verpraßt.
Aber da ich ja nie ausging, sparte ich seit Anfang an. Und in meiner
Jugend hatte ich immer zu wenig oder gar kein Geld. Zu schnell rann es
mir durch die Finger. Und mehr Taschengeld gab es nicht. Lern mit Geld
umzugehen, hieß es da dann nur. Und ich hatte gelernt. Und seit ich
arbeitete, sparte ich eisern. Dazu noch das Geld von meinen Eltern und
von Oma. Der Casinobesuch nicht zu vergessen, die Aktien. Alles in
allem hatte ich mehr als ein sehr gutes Polster. Und dies ließ ich ihr
nun zu gute kommen.
Wir fuhren nach Hause. Dort stellten wir die Taschen und Tüten in den
Aufzug und fuhren hinauf. Dort brachen wir alles ins Schlafzimmer.
Während ich nun begann mein Arbeitszimmer auszuräumen und die
Unterlagen ins Wohnzimmer brachte, packte sie im Schlafzimmer ihre
Sachen aus. Hin und wieder kam sie zu mir und präsentierte sich in
Unterwäsche, mit Pulli und Rock, im Kleidchen, mit Söckchen und
Schuhen.
Und als sie eine halbe Stunde später wieder im Schlafzimmer war und
ihre Sachen anschaute, klingelte es.
Sofort kam Waltraud ängstlich zu mir gelaufen. Sie zitterte am ganzen
Körper und sagte nur:
„Ich will nicht weg. Ich will nicht weg.“
„Das sind doch nur die Möbel Schatz.“, sagte ich zu ihr, und zeigte
auf den kleinen Monitor, der direkt neben dem Aufzug an der Decke
hing.
Ich gab den Fahrstuhl frei und wenig später kamen die ersten
Möbelstücke. Allerdings stellten wir sie erst in der Diele ab. Die
Männer, fünf an der Zahl, trugen als erstes meine Sachen aus dem
Arbeitszimmer ins Wohnzimmer. Während ich mit zweien die Möbel des
Arbeitszimmers im Wohnzimmer aufstellte, sagte Waltraut den anderen wo
sie was hin haben wollte.
Uns so flog mein Arbeitszimmer flog raus und landete im Wohnzimmer. Im
Gegensatz dazu veränderte sich mein ehemaliges Arbeitszimmer in ein
sehr hübsches Mädchenzimmer.
Und wie versprochen waren sie um sechs fertig. Sogar schon um viertel
nach fünf.
Ich gab ihnen ein sehr gutes Trinkgeld und sie verabschiedeten sich.
Dann begann das Einräumen.
Waltraud sollte ihre Sachen selber einräumen. Schließlich mußte sie ja
wissen, wo ihre Höschen und Pullis waren.
Doch schließlich half ich ihr. Es galt immerhin, eine große Menge an
Unter - und Oberbekleidung, in dem großen Kleiderschrank
unterzubringen.
Um halb acht waren wir endlich fertig. Wir setzten uns ins Wohnzimmer
und ich ließ was vom Italiener kommen. Zum kochen hatte ich überhaupt
keine Lust mehr.
Wir aßen in der Küche, denn dort war ja auch ein Eßzimmer mit
integriert.
Gegen neun waren wir schließlich umgezogen und fertig zum schlafen.
Ich hatte sie im Wohnzimmer nochmals eingecremt und festgestellt, wie
gut die Salbe half. Ich trug sie in ihr Bett, deckte sie zu und gab
ihr einen Gute-Nacht-Kuß. Die Türe mußte ich auflassen, wie auch meine
Schlafzimmertüre.
Ich hatte ihr abends noch gesagt, daß wir morgen zu Hause bleiben
würden. Ich mußte was arbeiten und sie könne aufschreiben, was ihr
noch fehlte.
In dieser Nacht mußte ich nur noch zweimal aufstehen um sie zu
trösten. Aber aufgewacht war sie nicht.
Der folgende Tag begann für mich sehr früh.
Eigentlich Ansichtssache.
Ich stand um halb acht auf und verzog mich an meinen Schreibtisch.
Eine halbe Stunde später kam sie zu mir auf den Schoß gekrabbelt,
kuschelte sich an mich und schlief wieder ein.
Um zehn waren wir beide dann gewaschen und angezogen. Sie hatte sich,
obwohl es draußen schon gegen Herbst anging, ein hübsches
Sommerkleidchen herausgesucht. Zum anbeißen sah sie aus. Ihre Haare
umrahmten ihr hübsches Gesichtchen. Die Augen strahlten vor Glück. Und
dies wiederum machte mich glücklich.
Zum Mittagessen gingen wir aus. Griechisch war angesagt.
Sie mußte sich dazu wohl oder übel ein wärmeres Kleidchen und eine
warme Wollstrumpfhose anziehen. Aber auch das blaue Samtkleidchen
stand ihr sehr gut. Ich glaube, daß dieses Kleidchen mein Favorit war.
Wir fuhren so in die Stadt zu meinem Griechen.
Als wir wieder zu Hause waren, zog sie gleich wieder ihr
Sommerkleidchen an. Das schien es ihr wohl angetan zu haben.
Gegen vier war ich fertig mit meiner Arbeit. Sie hatte mich nicht
gestört und übergab mir nun eine lange Liste, als ich in ihr Zimmer
kam.
„Das ist aber eine lange Liste.“
„Du hast doch gesagt, ich soll alles aufschreiben was ich noch
brauche.“
Und in der Tat. Auf der Liste stand nichts von Spielzeug oder
ähnliches.
Gut, einige Sachen waren wohl noch zu früh für sie. Wie zum Beispiel
die Schminke oder der BH. Aber Bücher, Strumpfhosen und Bilder waren
wohl sinnvoll.
Also fuhren wir nochmals in die Stadt du kauften ein. Doch ganz zum
Schluß ging ich mit ihr in ein Damenunterwäschegeschäft. Einem sehr
exklusiven. Waltraud mußte sich auf einen Stuhl setzen und ich sprach
mit einer Verkäuferin die in meinem Alter war. Allerdings nicht mein
Geschmack.
„Sie möchte einen BH haben. Zugegeben, es fehlt an „Füllmaterial“,
aber meine kleine Schwester möchte einen haben.“
„Ich weiß was sie meinen. Wenn sie wüßten wie viele Mütter mit ihren
Töchtern hierherkommen, weil die Mädchen einen BH haben wollen. Und in
den seltensten Fällen brauchen sie wirklich schon einen.“
Sie nahm Waltraud mit und eine Viertelstunde später hatte sie einen
BH, der ihr sofort gefallen hatte, auch wenn er ihr noch nicht paßte.
Mit erhobenem Haupt verließ sie an meiner Hand den Laden.
Aber etwas hatte sie nicht aufgeschrieben. Schmuck!
Nun ja, nicht gerade Diamanten.
Aber Ohrringe und ein Halskettchen mit einem Kreuz dran, das würde ihr
doch bestimmt gefallen.
Und so war es auch.
Die Pistole für die Ohrlöcher flößte ihr nicht gerade Vertrauen ein.
Im Gegenteil. Sie hatte schlichtweg Angst davor. Doch die Verkäuferin
schwor ihr, daß es nicht weh tun würde. Und als ihr erstes Ohrloch
geschossen war, schaute sie uns erstaunt an.
„Schon fertig?“, fragte sie ungläubig.
Dann suchten wir einige Ohrringe für später aus. Wenn sie später die
medizinischen herausnehmen konnte.
Zum Schluß bekam sie noch eine dünne Halskette mit einem kleinen Kreuz
daran.
Noch glücklicher als gestern verließen sie an meiner Hand das
Schmuckgeschäft und wir kehrten nach Hause zurück.
An diesen Abend gingen wir sehr früh schlafen, denn die Nacht würde
für uns sehr kurz werden. Allerdings wohl eher für mich. Denn ich
hatte Mario angerufen.
03 Der Familienfälscher
Mario war jener gute Freund von mir aus alten Schulzeiten, mit dem ich
bei meiner Oma im Winter die Pisten unsicher gemacht hatte. Und auch
sonst waren wir nicht gerade die liebsten gewesen.
Eigentlich war er nicht nur mein bester Freund, nein, er war auch mein
einziger Freund.
Entgegen allen Voraussagen, er war in der Schule viel besser als ich,
wobei ich nicht gerade zu dem schlechten oder mittelmäßigen gehörte,
war er Zuhälter geworden.
Allerdings einer der lieben Sorte.
Während die Mädchen der anderen mindestens 90% ihres Verdienstes ihrem
Zuhälter abgeben mußten, wenn nicht noch mehr, begnügte er sich mit
10. Und die Mädchen hielt er an zu sparen, vorzusorgen. Und dies taten
sie auch. Den gesamten Verdienst, der am Monatsende übrig war,
schmissen sie in einen Pott. Das Konto wuchs enorm in kürzester Zeit.
Und jede konnte jederzeit aussteigen. Die Bausparverträge,
Krankenkassenbeiträge und die Rentenversicherungen der Mädchen, wurden
ebenfalls davon bestritten.
Sehr oft hatte ich ihm früher den Rücken freigehalten, wenn es eine
Klopperei gab, hatte ihn bei mir schlafen lassen, wenn er mal wieder
von zu Hause abgehauen war, war mit ihm zusammen, wie schon erwähnt,
zu meiner Oma gefahren.
Aber unser Meisterstück hatten wir abgezogen, als er mit 17 ins Heim
kam.
Ich zog in einem unbeobachteten Moment seine Klamotten an und er
meine. So konnte er raus zu seiner Freundin. Sie lag im Krankenhaus
und bekam sein Kind. Das war vor fünf Jahren. Die kleine Mareike ließ
lange auf sich warten. Er war im Kreißsaal dabei, als sie geboren
wurde. Und so kam er erst einen Tag später zurück. Aber niemand hatte
es bemerkt.
„Das vergesse ich dir niemals. Mein Leben lang nicht.“, hatte er mir
damals gesagt.
Und so hatte ihn angerufen und ihn gefragt, ob er Papiere besorgen
kann.
„Kein Problem.“, war seine Antwort.
Wir hatten uns für 12 Uhr mittags verabredet. Der Ort war mir bekannt.
Der neue Puff in der Hornstraße. Also würden wir so um vier Uhr in der
Nacht losfahren müssen.
Verschlafen saß Waltraut auf ihrem Bett, während ich ihr den
Schlafanzug aus und ihr die Wäsche und ihr Kleidchen anzog. Die Haare
noch gebürstet, dann kam sie auf meinen Arm und wir konnten los.
Bereits in Fahrstuhl war sie wieder eingeschlafen. Sie war leicht wie
eine Feder. Ich spürte ihr warmes Gesichtchen an meiner Wange. Ihren
heißen Atem an meinem Hals. Ihre Haut war so warm, so weich und zart.
Mit einer Hand stützte ich ihren kleinen Popo ab, mit der anderen
ihren Rücken. Ich dachte dabei an ihren Popo. Wie hatten ihn nicht
eingecremt und gesehen hatte ich ihn auch nicht. Aber ihr Rücken und
ihre Brust sahen schon etwas besser aus. Aber immer noch schlimm
genug. Und auf ihrem Rücken war das, was mich im Aufzug am meisten
faszinierte: Ihre Haare.
Wie ein Wald verbargen sie den Anorak auf ihrem Rücken. Sie waren so
lang, das ein gutes Teil von ihnen zwischen ihrem Po und meiner Hand
lag. Und die andere streichelte über diese Flut von Haaren auf ihrem
Rücken. Richtig seidig waren sie.
In der Tiefgarage entriegelte ich den Wagen, setzte Waltraud auf die
Rückbank in den neuen Kindersitz und schnallte sie an. Sie wurde kurz
wach und fragte ängstlich: Nach Hause?
„Nein, nach Köln. Einen alten Freund besuchen.“
Sie drehte sich etwas und schlief wieder ein.
Dann stieg ich ebenfalls ein und fuhr los.
Um diese Zeit war auf den Straßen so gut wie nichts los. Dennoch kam
ich, kurz vor der BAB - Auffahrt in eine Polizeikontrolle.
Jetzt war es wohl soweit, dachte ich. Jetzt würden sie Waltraud
mitnehmen.
Ich stoppte und ließ das Fenster runter.
Noch bevor der Beamte etwas sagen konnte, legte ich einen Finger auf
meinen Mund. Frechheit siegt dachte, nein, hoffte ich inständig.
„Psst. Sie schläft wieder.“
Der Beamte sah, daß Waltraud angeschnallt in ihrem Kindersitz hinter
dem Beifahrersitz saß und schlief. Flüsternd ließ er seinen Spruch ab.
Allgemeine Verkehrskontrolle, Führerschein, Kraftfahrzeugschein,
Alkohol getrunken?
Letzteres verneinte ich vehement.
„Doch nicht am Steuer! Und schon gar nicht wenn ich mein Schwesterchen
bei mir habe!“
Aussteigen und ins Röhrchen blasen mußte ich dennoch. Dann gab er mir
die Papiere wieder und ich konnte weiterfahren.
Die Angst, die ich in diesen wenigen Minuten hatte, war schlichtweg
grausam.
Von Nürnberg bis Köln wurde der Verkehr schon dichter. Doch ich kam
gut durch. Schon um halb elf waren wir in meiner Heimatstadt. Ich fuhr
noch ein wenig herum und zeigte ihr die Sehenswürdigkeiten.
10 vor 12 standen wir in der Hornstraße, gegenüber dem Bordell.
Waltraud schaute ängstlich auf den Eingang. Sie wußte was das für
Frauen waren, die, äußerst spärlich bekleidet, in diesem Haus ein und
aus gingen.
Den Tränen nahe fragte sie mit fast erstickter Stimme:
„Muß ich da auch rein?“
„Nur nicht! Ich muß rein. Ich treffe mich mit jemanden“
„Mit einer Frau?“
„Nein, mit meinem Schulfreund. Der hilft uns weiter.“
„Ist der ein Zuhälter?“
„Ja. Aber du brauchst keine Angst zu haben. Der tut dir bestimmt
nichts. Im Gegenteil. Der ist echt nett.“
Dennoch hatte sie Angst.
„Wenn ich da gleich reingehe, bleibst du hier im Auto sitzen. Wenn was
ist, hupst du. Verstanden?“
Sie nickte.
Sie kletterte zwischen den Sitzen zu mir nach vorne. Ängstlich sagte
sie: „Bitte, bitte beeil dich.“
„Mach ich. Drück den Riegel runter.“
Sie nickte und verriegelte das Auto nachdem ich ausgestiegen war. Ich
winkte ihr noch einmal zu, ging über die Straße und wollte gerade die
Stufen zum Bordell hoch, da hupte es zweimal. Erschrocken drehte ich
mich herum und erwartete in Waltrauds panikerfülltes Gesicht zu
schauen. Stattdessen parkte ein Camaro neben meinem Wagen. Das Fenster
war heruntergelassen und eine Stimme rief:
„He du Sack. Alles klar?“
Mario!
Als ich die Stufen des Bordells herabstieg, stieg er aus und kam mir
entgegen. Wir umarmten uns und schüttelten uns die Hände. Fast 5
Minuten standen wir mitten auf der Straße und unterhielten uns über
die Vergangenheit.
Man konnte ihm ansehen, wie er sich freute mich zu sehen.
Dann gingen wir zu seinem Auto. Vorne saß ein Mädchen in unserem
Alter. Sehr hübsch, gut gekleidet, wenn auch etwas aufreizend, und
sehr dezent geschminkt.
„Das ist Rosi.“
„Die Rosi?“
„Jepp.“
„Toll.“
„Und das ist Mareike.“, sagte er mit Stolz in der Stimme.
Er zeigte auf die Rückbank, wo ein kleines blondes Engelchen saß und
mir winkte. Ich winkte zurück.
„Du bist zu beneiden. Klasse Familie hast du dir da zusammengebaut.“
Er griff sich in den Schritt und meinte:
„Alles Marke Eigenbau.“
Wir lachten und Rosi, sie hatte es mitbekommen, lächelte errötend.
Dann fragte er mich war mir auf dem Herzen läge. Ob ich untertauchen
wolle.
Schon beim Ansatz der Geschichte, ich hatte gerade das Alter von
Waltraud erwähnt, machte er einen Schritt zurück. Ich wußte was das
sollte. Kinderficker und Frauenschänder standen bei uns auf der
Abschußliste. Da er aber wußte, daß dies ja auch bei mir so war,
schaute er mich etwas verwundert an.
„Ne, ne. Das ist es nicht.“
„Ich dachte schon.“
Dann erzählte ich weiter. In Kurzform. Aber ich kam nicht weit.
„Fahr hinter mir her. Wir besprechen das nicht hier auf der Straße.
Das machen wir bei mir zu Hause.“
Und dies taten wir auch.
Waltraud war einerseits erleichtert, daß wir vom Bordell fortfuhren,
andererseits ängstlich, weil wir dem Mann hinterher fuhren. Etwas
beruhigen konnte ich sie. Aber nicht ganz.
Wir fuhren aus Köln heraus, Richtung Bergisches Land. Und nach einer
Dreiviertelstunde hielten wir vor einem sehr schönen Haus, welches
etwas abseits der Straße lag. Als wir ausstiegen, wollte Waltraud erst
gar nicht raus. Aber schließlich traute sie sich doch.
Hinter der hohen Mauer, welche die Garage von Haus abtrennte hörten
wir freudiges Gebell.
Wir gingen durch die Garage ins Haus. Kaum waren wir drin, hörten wir
schon das Tapsen von Hundepfoten. Und dann kam sie auch schon um die
Ecke. Eine neugierigen Nase, gefolgt von einem bunten Kopf. Dann stand
sie vor uns. Mehr Fell als Hund. Schnell und zielstrebig lief sie zu
Rosi, sprang an ihr hoch und schlabberte Mareike ab, die auf Rosis Arm
war. Mareike quietschte vor Vergnügen. Rosi ließ sie herab und Mareike
schlang ihre Ärmchen um den Hundehals. Dann sah Rosi Waltraud, die
sich hinter mir versteckt hatte.
„Du bist aber ein hübsches Mädchen.“, sagte sie voller Überzeugung.
Waltraud wurde schlagartig rot.
Rosi beugte sich zu ihr herab und gab ihr die Hand, stellte sich vor.
Schüchtern, ängstlich, aber auch artig und höflich gab sie Antwort.
„Rosi, nimmst du sie und Mareike mit? Wir beide haben was zu bereden.“
Rosi hielt Waltraud ihre Hand hin, die sie zögernd annahm. An der
anderen Hand hatte sich Mareike eingefunden und die drei gingen durch
das Wohnzimmer hinaus auf die Terrasse.
Mario und ich blieben im Wohnzimmer.
„Und nu erzähl mal. Was ist los?“
Ich erzählte ihn von Waltrauds Vergangenheit, so gut ich wußte. Mario
sprang gleich auf und wollte nach Hamburg. Der Drecksfotze die Fresse
einschlagen.
Obwohl Mario Zuhälter war, ging es um Kinder oder Frauen, die
geschlagen, oder zu mehr gezwungen werden sollten, da sah er rot.
Es dauerte eine Weile, bis das ich ihn beruhigen konnte. Schließlich
ging es ja hier um mehr. Ich zog den Zettel aus der Tasche, auf dem
ich mir alles aufgeschrieben hatte, was mir Gaby erzählt hatte.
„Ausweis und Paß kann ich dir machen. Da brauch ich nur Fotos von
ihr.“
„Ich hab keine.“
„Kein Problem.“
Er stand auf und ging hinaus auf die Terrasse, wo Rosi in einem
Liegestuhl saß und Mareike und Waltraud zusah, wie sie mit dem Hund
spielten.
Kurz danach kamen beide herein. Mario setzte sich wieder mir gegenüber
und Rosi nahm einen Fotoapparat vom Kaminsims und ging wieder hinaus.
„Die anderen Sachen sind etwas schwieriger. Da müßte ich mal meine
Bekannten fragen, ob sie die Papiere auf Lager haben.“
Er telefonierte in meinem Beisein mit drei Leuten. Von jedem bekam er
einen anderen Namen genannt. Dann der vierte. Und der hatte sie zwar
nicht auf Lager, könne sie aber bis Morgenmittag besorgen.
„Morgenmittag hast du alles.“
Rosi kam herein und nickte. Sie verschwand in den Keller und wir
gingen auf die Terrasse zu den Kindern.
Die folgende Zeit unterhielten wir uns über unsere Vergangenheit,
schwelgten in Erinnerungen und brachen in heilloses Lachen aus, als
wir zum Verwechslungsspiel im Heim kamen.
„Gaube ja nicht, das du mit deiner Bitte meine Dankbarkeit verbraucht
hast.“
Er wurde leise. Fast schien es so, daß er gleich weinen würde. Mit
feuchten Augen sagte er:
„Der Augenblick, als Mareike aus Rosis Scheide kam, der Moment ihres
ersten Schreies, als ich dieses kleine nackte Würmchen auf meinen Arm
hatte, ihre Augen, als sie mich ansah - daß ich das Erleben durfte,
das habe ich ganz alleine nur dir zu verdanken. Und für diese
Augenblicke kann ich dir weder in diesem, noch in den nächsten Leben
genug danken.“
Ich wehrte ab, aber er meinte, daß ich dieses Glücksgefühl erkennen
würde, wenn ich es selbst, bei meiner Frau, bei meinem Kind, erleben
würde.
„Ach ja, Frau. Bist du mit einer zusammen?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Solo?“
Ich nickte.
„Seit wann?“
Als ich nicht gleich antwortete, erkannte er sofort die Wahrheit.
„Sag nicht daß du noch immer Jungfrau bist.“
Ich nickte.
„Soll ich anrufen? Meine Mädchen sind ausgesprochen hübsch.“
„Ach laß mal. Ich wollte mein erstes Mal nicht gerade bei einem
Mädchen vom Gewerbe haben.“
„Die kommen eh alle heute vorbei. Freitags grillen wir hier und die
Mädchen freuen sich immer darauf. Vielleicht gefällt dir ja doch
eine.“
Einige Zeit später kam Rosi wieder zu uns. In ihrer Hand hielt sie die
Fotos. Viele von Mareike, dann vom Spiel der beiden mit dem Hund, von
den beiden alleine und auch einige von Waltraud.
„Am besten nimmst du das.“, sagte Rosi und zeigte auf ein Bild, „Für
den Ausweis. Darauf sieht sie so süß und unbekümmert aus. Und das für
den Kinderpaß.“
Dieses Foto war gestellter. So, als ob sie wüßte, daß es für ein
amtliches Dokument war. Und so sollte es auch geschehen.
„Mach scharf.“, sagte Mario zu Rosi.
Rosi betätigte einen verborgenen Schalter am Kamin. Das Fernsehen ging
an und man sah nach einigen Sekunden einen Grundriß. Es dauerte einige
Sekunden, und ich ahnte um welchen Grundriß es sich dabei handelte.
Zunächst waren alle Linien des Grundrisses rot. Nach und nach
wechselten sie auf grün. Als alle grün waren, blinkte einige Sekunden
lang ein „Ready“ auf dem Bildschirm auf und Rosi nickte. Mario zog
mich mit in den Keller. Hinter einer blanken Wand tat sich seine
Werkstatt auf. Blankoausweise, Pässe, Führerscheine, alles da. Dazu
Stempel von den unterschiedlichsten Behörden und Ämter. Alle fein
säuberlich in Regalen und Halterungen, alphabetisch geordnet.
„Da staunst du, was? Wenn du anrufst und was brauchst, ich hab es.
Jedenfalls das meiste. Aber beim Jugendamt und beim
Vormundschaftsgericht, da muß selbst ich passen.“
Er nahm einen Ausweis und einen Paß aus zwei Regalen.
„Rot? Klar doch. Ist ja für ein Mädchen.“
Ich nickte.
„Wie heißt sie denn?“
„Waltraud.“
„Nur Waltraud?“
„Du, das weiß ich nicht.“
„Dann frag sie mal.“
Ich ging hinauf und erfuhr von Waltraud, daß sie „Waltraud Anneliese“
hieß. Und dies sagte ich Mario auch.
„Einen längeren Namen hätte sie auch nicht haben dürfen. Der paßt
gerade so. Und der Nachname? Wenn sie deine kleine Schwester sein
soll, dann deiner.“
Ich nickte zustimmend.
Dann machte er sich an die Arbeit. Und während ich ihm zusah,
entstanden binnen einer Stunde ein Ausweis und ein Paß auf ihren neuen
Namen.
Als wir fertig waren fiel es mir siedendheiß ein.
Die Zeugnisse!
Mario lachte als ich ihm davon erzählte.
„Das ist das kleinste Problem von allen.“
„Wieso?“
„Ich hab so viele Bekannte und Freunde, deren Kinder zur Schule gehen,
da finden wir schon das richtige für Waltraud. Soll sie eine gute
Schülerin sein?“
„Nein, die Noten sollten schon richtig sein.“
Dann hol sie mal.
Waltraud kam aber erst mit, als Rosi und Mareike ebenfalls mitkamen.
Mario fragte sie nach ihrer Schule und welche Noten sie dort habe,
wann sie eingeschult worden war und in welcher Klasse sie jetzt wäre.
Im Gegenzug dazu gab er ihr ihren Paß und ihren Ausweis und ließ sie
beide unterschreiben.
Mario schrieb sich alles auf und wir verließen den Keller.
Während Mario und ich den Gartengrill anschmissen, arbeitete Rosi in
der Küche. Waltraud und Mareike spielten im Garten.
Gegen fünf trafen die ersten drei Mädchen ein. Auf mein erstauntes
Gesicht hin erklärte mir Mario, das die Mädchen sich ihre Arbeitszeit
selber einteilten.
„Pro Woche ein Kunde für mich, einer fürs Konto. Also 8 Kunden im
Monat. Alles andere ist für sie.“
Die Mädchen kamen alle in sehr schicker Kleidung. Von Aufreizend bis
züchtig. Allerdings würde das, was sie darunter trugen, wohl
höchstwahrscheinlich in die erstere Rubrik fallen. Mehr als einmal sah
ich, wenn sie sich bückten um etwas aufzuheben oder mir den Kindern
spielten, bei ihnen Dessous, die eine normale Hausfrau garantiert
nicht tragen würde. Und ich schaute gerne hin. Das hatten Mario und
ich schon in der Schule gerne gemacht.
Sie halfen in der Küche, stellten im Garten die Stühle auf. Machten
sich nützlich wo sie nur konnten. Sie kamen auch zu Mareike und
schmusten mit ihr. Und so kamen sie auch mit Waltraud in Kontakt. Erst
sehr schüchtern, taute Waltraud mit der Zeit auf.
Das änderte sich aber schlagartig, als das achte oder neunte Mädchen
kam. Waltraut kannte sie aus Hamburg.
Schließlich setzte sich Mario mit diesem Mädchen, Wilma hieß sie, zu
Waltraud und mir.
„Es wäre bestimmt gut, wenn wir uns mal unterhalten würden. Alleine.
Ohne die anderen.“
Rosi kam mit, als wir wenig später im ersten Stock zusammenkamen. Es
wurde über Waltraud und ihrer Mutter geredet. Als Waltraud von den
Schlägen erzählte, wollte es Wilma nicht glauben. Schließlich zog
Waltraud ihr Kleidchen und das Unterhemdchen aus und zog ihr Höschen
bis unter ihren Popo.
Ein Aufschrei ging durch die Runde. Und dies, obwohl die blauen Flecke
schon etwas verheilt waren und die Striemen sich mit Schorf
geschlossen hatten.
Marios Kopf war vor Wut knallrot. Jeder in der Runde der Erwachsenen
wußte, daß man ihn festhalten mußte, damit er sich jetzt nicht in
seinen Wagen setzte und nach Hamburg fahren würde.
Waltraud zog sich wieder an, kam zu mir und kuschelte sich mit Tränen
in den Augen, an mich.
Schließlich gingen Mario und Wilma schweigend herunter. Rosi
streichelte über Waltrauds Kopf.
„Das passiert nie wieder.“, flüsterte sie Waltraut zu.
Dann ging sie ebenfalls.
Jetzt erst weinte Waltraud hemmungslos in meinen Arm hinein. Sie wolle
niemals wieder zurück. Niemals!
Und sie meinte es sehr ernst.
Wenig später kamen auch wir herunter. Ich hatte ihr die Tränen
fortgeküßt, sie ihr Gesicht gewaschen.
Die Mädchen behandelten sie überaus liebevoll. Jede wußte, daß ihr
Körper Wunden aufwies. Sie war zu keinem Zeitpunkt alleine. Und obwohl
ich mit Mario und einigen Mädchen zusammensaß, kam Waltraud sehr oft
zu mir auf den Schoß und kuschelte sich an mich. Und einmal auch
Mareike. Und das machte mich irgendwie Stolz.
Es wurde spät.
Ohne daß wir es bemerkten, hatten wir uns alle im Wohnzimmer
eingefunden.
Da ich einige Biere getrunken hatte, mußte ich den Autoschlüssel an
Rosi abgeben. Und Rosi bestand nicht nur bei mir darauf. Schlafen
sollte ich im Gästezimmer. Waltraud sollte bei Mareike schlafen,
wollte aber bei mir bleiben. Gegen halb elf brachte Rosi ihre Maus ins
Bett.
„Wenn wir grillen ist sie immer so aufgedreht. Sonst schläft sie
spätestens um acht.“
Als Waltraud zu mir kam, hielt sie noch eine halbe Stunde durch. Dann
lag sie in meinem Arm und schlief. Die Unterhaltung wurde etwas
leiser, kam jedoch ganz zu stocken, als Waltraud im Schlaf weinte.
Ich sah, wie Marios Halsschlagader anschwoll. Ein sicheres Zeichen
dafür, daß er jetzt gerne, einen Knüppel in der Hand schwingend, in
Hamburg einlaufen würde. Und was die anderen dachten, einschließlich
Rosi, das konnte ich mir nur zu gut denken. Sie waren allesamt Mädchen
und würden später vielleicht auch Mütter werden. Kinder haben.
Vielleicht Töchter.
Das Gespräch kam nur langsam wieder in Gang. Aber nach einer Weile,
machte sich auch bei mir der lange Tag bemerkbar. Rosi brachte uns
nach oben, gab mir einen Schlafanzug von Mario und ein Nachthemd von
sich. Mareikes Schlafanzüge hätten Waltraut bestimmt nicht gepaßt.
„Das ist ein kurzes, aber für sie bestimmt lang genug.“
Dann ging sie nach unten. Ich zog Waltraud aus, und ihr Rosis
Nachthemd an. Es war wirklich kurz, reichte Waltraud aber bis an die
Knie. Dazu kam noch, daß es durchsichtig war. Marios Gesicht hätte ich
zu gerne gesehen wenn Rosi es an hatte. Dann zog ich mich aus und
schlüpfte zu ihr unter die Decke. Sie kam gleich zu mir in den Arm und
schlief weiter.
Am folgenden Morgen erwachte ich mit ihr auf meinem Bauch. Sie schien
in der Nacht auf mich gekrabbelt zu sein. Aber da sie leicht war,
machte es mir nichts aus. Was mir weitaus mehr Schwierigkeiten machte,
war meine Latte. Sie steckte zwischen Waltrauds Beinen, in Höhe ihrer
Knie. Peinlich. Äußerst peinlich. Zu meiner Rettung klopfte Rosi leise
an die Türe. Ich rief „Herein“ und Rosi öffnete die Türe, streckte
ihren Kopf herein.
„Es ist schon halb zehn.“
„Hilfst du mir mal. Ich will sie nicht wecken, aber sie hat sich so
fest an mich geklammert, und dann noch ihre langen Haare. Ich sitze
fest.“
„Dann weck sie doch.“
„Das wäre mir jetzt sehr peinlich.“
Ich schaute nach unten und Rosi begriff sofort.
„Ah! Die berühmte Morgenlatte?“
Lachend kam Rosi herein und half mir aus der Verstrickung. Waltraud
klammerte sich gleich wieder an Rosi, während ich schnellstens im Bad
verschwand.
Als ich zurückkam, zog Rosi gerade Waltraud das Nachthemdchen aus und
ich hörte gerade noch, daß sie so eins auch haben möchte.
Als ich hereinkam streckte sie sofort ihre Ärmchen nach mir aus. Der
kleine nackte Frosch wollte sofort wieder zu mir. Natürlich ging ich
zum Bett und schloß sie in meine Arme. Das Übel in meiner Hose war ja
verschwunden. Rosi ließ uns allein. Ich trug Waltraut rüber ins Bad
und sie duschte sich, während ich mich weiter anzog.
Im Schlafzimmer lag eine Tube Creme. Rosi hatte sie dorthin gelegt für
Waltraud. Waltraud zog den Bademantel aus und legte sich aufs Bett.
Ich verrieb die Creme auf Rücken und Po und anschließend auf Bauch und
Brust. Daß sie dabei völlig nackt war, ohne ein Höschen oder einen
Zipfel eines Bademantels über ihre Scheide, störte sie heute nicht und
ich nahm ihre Nacktheit eh nicht zur Kenntnis.
Als die Salbe eingezogen war, zog ich sie an und wir gingen hinunter.
Sie saßen alle um den großen Tisch im Eßzimmer. Drei Mädchen waren
noch da. Die anderen fort.
Wir setzten uns und aßen. Und während Mareike und Waltraud mit Rosi
einkaufen gingen und anschließend im Garten tobten, unterhielten Mario
und ich uns.
„Vorhin sind einige Zeugnisse reingekommen.“
Er sagte es so beiläufig als hätte er mir gesagt daß die Post gekommen
war.
„Waltrauds Zeugnisse sind schon fertig. Sie altern gerade.“
Gegen Mittag kam Besuch. Nur kurz. Er drückte Mario einen Umschlag in
die Hand und war wieder fort. Mario öffnete ihn.
„Ah, Das Gericht und das Jugendamt.“
Er zeigte mir die Papiere.
„Echt?“, fragte ich ihn.
„Echter geht es gar nicht. Schließlich sind auch Hausmeister versessen
aufs Geld oder einen kostenlosen Fick mit einem meinen Mädchen.“
Er lachte. Dann ging er hinunter und machte sich an die Arbeit. Drei
Stunden später kam er herauf. Alle Dokumente in der Hand.
„So, Ausweis und Paß habt ihr ja schon. Hier das Schreiben vom
Jugendamt, das du als Vormund für sie eingesetzt werden solltest, das
Urteil von Jugend und Vormundschaftsgericht, das du der Vormund bist.
Hier ihre Geburtsurkunde. Die Eltern von euch sind identisch. Die
Sterbeurkunde deiner Eltern hast du ja. Und einige Fotos von euch
beiden.“
Ich staunte nicht schlecht. Er hatte Fotos von Mareike im Babyalter,
passend mit Fotos von mir, aus seinem Album aus früheren Jahren,
zusammengefügt.
„Das ist ja toll. Und was ist jetzt davon falsch und was ist echt?“
„Die Unterschriften sind falsch. Die Namen stimmen zwar, aber die
Unterschriften der Beamten sind falsch. Die Papiere sind Originale von
den Stellen. Einwohnermeldeamt, Standesamt, Schule und so weiter. Du
kannst sie also ruhig vorlegen. Und wenn man sie mal in ihren
Unterlagen nicht finden sollte, die passenden schriftlichen Dokumente
hast du ja.“
„Danke.“
„Nicht zu danken. Du weißt ja, ich steh trotzdem noch in deiner
Schuld.“
Als ich nachmittags fuhr versprachen wir uns, daß wir das nächste
Treffen nicht so lange aufschieben würden. Spätestens im Winter zum
Skifahren nach Österreich.
„Dann lade ich euch ein. Meine Oma“
„Die nette alte Frau aus Österreich?“
„Ja. Sie hat mir ihr Haus vermacht.“
„Das ist doch in Fulpmes, oder so.“
„In Milders.“
„Am Stubaier Gletscher.“
„Genau. Da lad ich euch zu ein.“
„Was hältst du von Weihnachten.“, fragte Rosi, „Weihnachten in den
Bergen muß wundervoll sein.“
Und so beschlossen wir, daß wir uns in den Weihnachtsferien treffen
würden.
04 Der Behördengang
Am folgenden Montag fuhr ich mit Waltraut und den Papieren zum
Einwohnermeldeamt.
Mario hatte mir die Reihenfolge meiner Gänge genau beschrieben.
Zunächst ummelden auf deine Adresse. Damit würde der Ausweis
„amtlicher“ werden, hatte er gesagt.
Und dies lief auch ohne weitere Komplikationen ab.
Als Waltraut ihren Ausweis, mit ihrer neuen Adresse in Händen hielt,
fragte sie den Beamten schüchtern:
„Bin ich jetzt eine Münchnerin?“
„Ja mein Kind.“
Dann schaute sie mich an.
„Dann müssen wir doch auch ein Dirndl für mich kaufen. Ich bin doch
jetzt eine Bayerin.“
Der Beamte lachte aus vollem Hals.
„Genau! Da muß dein Bruder dir sogar mehrere kaufen.“
Waltraut sah ihn mit großen Augen an.
„Mehrere?“, fragte sie, sichtlich erfreut.
„Ja. Mindestens eins für die Schule und eines für den Sonntag.“
„Klasse.“
Dann gingen wir.
So.
Umgemeldet war sie nun.
Jetzt kam die Schule dran.
Mario hatte mir mit Nachdruck erklärt, daß ich sie „ERST“ in einer
Schule anmelden solle, „BEVOR“ ich beim Jugendamt vorstellig würde.
Eine Schule lag gleich um die Ecke unserer Wohnung. Von der Terrasse
aus hatte ich schon oft herunter auf den Schulhof geschaut, und den
Kindern in der Pause beim Spielen zugesehen.
Die Rektorin begrüßte uns äußerst freundlich. Sie war sehr nett und
sagte uns, das Waltraut in ihre Schule gehen könne. Schließlich läge
ja unsere Wohnung in ihrem Einzugsbereich.
Es dauerte etwas.
Sie schaute sich Waltrauts Zeugnisse sehr genau an und nickte löblich.
Sie stellte Waltraut einige Fragen zu dem Stoff, den sie in ihrer
alten Schule gerade durchgenommen hatten.
Wir hatten Waltrauts Noten so gelassen, wie Waltraut sie uns angesagt
hatte. Allerdings hatten wir ihr auch erklärt, daß die Schule gleich
merken würde, wenn sie geschwindelt hatte.
Waltraut war eine Schülerin, in der gehoben Mittelklasse.
Keine fünf oder sechs. Eine vier im Sport. Der Rest Dreier und besser.
„Betragen“ und „Häuslicher Fleiß“ eine zwei. Nur in „Beteiligung am
Unterricht“ eine drei mit der Bemerkung. „Waltraut ist sehr still und
verschlossen“.
Die Rektorin war zufrieden. Da Waltraut später eingeschult worden war,
würde sie in die vierte Klasse kommen.
„Wenn du diese Noten halten kannst, dann kannst du zu Ostern rüber
aufs Gymnasium wechseln.“
Sie deutete damit auf den großen Bau, der gleich neben der Schule lag,
und von dem ich wußte, daß er ein Mädchengymnasium beherbergte.
Waltraut schaute mich erwartungsvoll an. So, als ob ich das ganz
alleine entscheiden würde.
„Das liegt nur an dir. Wenn du das schaffst, dann ja.“
Als es zur Pause schellte, warteten wir auf die Lehrerin ihrer neuen
Klasse. Mit ihr zusammen erfuhren wir, welche Bücher Waltraut
benötigte, und wo wir diese bekommen würden. Auch einen Stundenplan
händigte sie uns aus.
„Kommst du gleich mit?“, fragte die Lehrerin.
Waltraut schüttelte den Kopf und ich erklärte ihnen wieso.
„Wir müssen noch zum Jugendamt. Schließlich bin ich ja nicht ihr
Vater. Die müssen doch Bescheid wissen. Und bestimmt wollen sie auch
sehen wie und wo wir wohnen.“
„Umgemeldet ist sie schon?“
Stolz holte Waltraut ihren Ausweis aus ihrer kleinen Handtasche
heraus.
„Ja, vorhin. Und außerdem müssen wir ja noch zwei Dirndl für mich
kaufen gehen.“
„Ach, zwei? Gleich zwei?“
„Ja, der Mann da hat gesagt, eins für Sonntag und eins für die Woche.“
Die beiden Frauen kicherten, als sie dies hörten.
„Na, dann mach mal. Such dir aber ein hübsches für die Schule aus.“
Wir bedankten uns, verließen die Schule und begaben uns zum Jugendamt.
Wir kamen dort in ein sehr nettes, freundliches Büro, in dem zwei
Frauen hinter ihren Schreibtischen saßen.
Ich trug ihnen unser Anliegen vor.
Mama und Papa hätten gesagt, daß ich sofort zum Jugendamt gehen solle,
wenn ihnen einmal was passieren würde.
Waltraut preßte sogar ein paar Tränen heraus.
Und so wäre ich in Köln gleich zum Jugendamt gegangen.
Ich lege ihnen das Schreiben vom Jugendamt vor.
Man hätte keine Einwände gehabt, mich, da ich ja ihr einziger
Verwandter wäre, als Vormund zu bestellen.
Das Vormundschaftsgericht, und damit legte ich ihnen das Urteil vor,
habe dies dann auch bestätigt. Und nun wären wir hier, um uns
vorzustellen. Schließlich würden sie ja, früher oder später, auf uns
aufmerksam.
„Schließlich ist es ja nicht alltäglich, das ein Mann, mit einem
kleinen Mädchen zusammen wohnt. Da kommen bestimmt so manche Gerüchte
auf. Und deshalb würden wir uns freuen, wenn sie sich selbst davon
überzeugen würden wie wir leben.“
„Sie hat ihr eigenes Zimmer.“, fragten sie gleich als erstes.
„JA, ein ganz großes.“, platzte Waltraut mit strahlenden Augen
dazwischen, „Noch viel größer als Zuhause.“
Die beiden Frauen nickten.
„Umgemeldet ist sie schon?“
Ich nickte und gab ihnen die Meldebestätigung.
„Sie muß auch zur Schule.“
Ich reichte die Bestätigung der Schule herüber.
„Sehr schön. Das ist ja toll, daß sie das alles schon gemacht haben.
Dann brauchen wir uns ja nicht darum zu bemühen. Allerdings müssen wir
noch in Augenschein nehmen, wie sie wohnen.“
„Deshalb sind wir hier. Sie können fast immer kommen. Mein Beruf
erlaubt es mir, zu Hause zu arbeiten. Daher bin ich meisten zu Hause
anzutreffen. Außer natürlich, wenn ich sie zur Schule bringe oder sie
abhole. Na ja, und wenn wir einkaufen gehen.“
„Ja, Dirndl.“, platzte Waltraut dazwischen, „Zwei Stück.“
„So, so. Gleich zwei?“, sagte die rechte, sah die andere Dame an und
hob eine Augenbraue.
Scheinbar dachten sie wohl, das Waltraut ihren Bruder ausnehmen wolle.
„Ja, der Mann hat gesagt, eins für Sonntag und eins für die Schule.“
„Aha, welcher Mann denn?“
„Der Mann der die neue Adresse in meinen Ausweis geschrieben hat.“
„Der Mann vom Einwohnermeldeamt. Sie hat gefragt, ob sie jetzt eine
Bayerin ist. Und er meinte, ja. Dann hat sie gesagt, daß sie dann ja
auch ein Dirndl tragen muß. Und er hat gesagt, zwei. Eines für die
Woche und eines für Sonntag.“
Anfänglich skeptisch, grinsten die Damen nun. Jetzt hatten sie es
verstanden.
Dann sollte uns Waltraut mal alleine lassen. Artig stand sie auf,
reichte jeder der Damen die Hand und machte einen Knicks. Dann ließ
sie uns alleine.
„Sie haben wirklich eine sehr gut erzogene Schwester. Aber sie müssen
auch einsehen, daß wir uns mehr um sie beide kümmern müssen, als bei
anderen. Schließlich sind sie ein Mann und sie ist ein Mädchen. Zwar
noch ein Kind, aber ein Kind, welches in absehbarer Zeit in die
Pubertät kommen wird. Da sind gewisse Spannungen unvermeidlich. Gerade
auch in Hinsicht auf die sexuelle Neugierde. Und das in dieser
Hinsicht nichts passiert, dafür sind wir da. Das verstehen sie doch.“
Ich nickte.
„Natürlich ist es uns lieber, das ein Kind bei einem nahen Verwandten
aufwächst. Und da sie der einzige Verwandte sind den Waltraut noch
hat, wäre es schön wenn sie bei ihnen aufwächst. So dürfte das
eigentlich keine Schwierigkeiten machen. Was mich nur stutzig mach,
ist die Zeit.“
Verwundert schaute ich sie an. Mit der Aussage konnte ich nun wirklich
nichts anfangen.
„Die Zeit, in der dies alles über die Bühne gegangen ist. Das hat ja
keine Woche gedauert, vom Antrag bis hin zum Urteil.“
Mario hatte dies auch erwähnt. Er sagte was von Dringlichkeit und
einen Namen. Den solle ich erwähnen wenn man auf die Zeit zu spreche
käme. Und den erwähnte ich jetzt. Der Mann sei ein sehr guter Freund
unserer Eltern gewesen. Er habe sich persönlich dafür eingesetzt,
damit Waltraut auch nicht mal übergangsweise in ein Heim gekommen war.
Während die Dame, die mir dies gesagt hatte, nichts mit dem Namen
anfangen konnte, räusperte sich die andere, nickte leicht und sprach
dann weiter.
„Wenn wir uns davon überzeugen können, daß sie angemessen
untergebracht ist, und ihr auch sonst an nichts fehlt, dann haben wir
die größten Hindernisse schon überwunden. Darf ich fragen, wieviel sie
verdienen?“
Bei meiner Antwort und der Vorlage meiner Verdienstbescheinigung
machten sie große Augen. Anscheinend waren ihre Gehälter wesentlich
kleiner.
„Und wie ist ihre Wohnung?“
Da hatte ich auch vorgesorgt.
Ich hatte den Grundriß bei mir, den ich mir damals gezeichnet hatte,
bevor ich mir meine Möbel gekauft hatte.
Ich erklärte ihnen wie es vorher ausgesehen hatte und wie es jetzt
aussah.
„Sie haben ihr ein komplettes Zimmer eingerichtet?“
„Ja, auf die Dauer hätte ich nicht gerne auf dem Sofa geschlafen.“
„Sie haben auf dem Sofa geschlafen? Wieso?“
„Am ersten Abend hatte sie ja noch kein Zimmer. Da hat sie in meinem
Bett geschlafen und ich auf dem Sofa.“
Anerkennend nickten die beiden, wußten aber schon, daß sie Waltraut
fragen würden, ob dies der Wahrheit entsprach.
„Wie steht es denn mit Damenbesuch?“
„Gibt keine.“
Die beiden schauten mich erstaunt an.
„Ich möchte nicht, daß Waltraut ins Schlafzimmer platzt und mich in
einer Aktion sieht, für die sie noch viel zu jung ist um davon zu
wissen. Sie wissen was ich meine?“
Sie nickten.
„Wenn ich mal eine mitbringe, dann nur zum essen. Alles andere
passiert außerhalb ihrer Umgebung. Ich weiß schließlich welche
Verantwortung jetzt auf mir lastet.“
Die Damen lächelten zustimmend.
„Ich hab die Verantwortung, daß es meiner Schwester gut geht. Nicht
mir. Wenn sie durch meine Nachlässigkeit in ein Heim muß, dann habe
ich versagt.“
„Sie scheinen es sehr ernst zu nehmen.“
„Sollte ich das nicht? Schließlich vertrete ich bei ihr Mama und Papa
in einem. Zugegeben. Einige Situationen wird es geben, die eine Mutter
besser macht. Wenn ich daran denke, das sie irgendwann ihre erste
Periode bekommen wird. Dürfte ich sie dann anrufen, damit sie es ihr
erklären?“
Mario hatte mir diesen Rat nicht gegeben. Rosi war es, die mir dies
sagte.
„Bitte sie um Hilfe, wenn Waltraut erwachsen wird, wenn sie ihre Tage
bekommt. Das beruhigt sie.“
„Zwar würde ich es auch machen, aber ich glaube, daß dies eine Frau
besser kann. Noch ist sie ja ein unbekümmertes Kind. Aber in der
heutigen Zeit werden sie leider zu schnell erwachsen. Dabei sehe ich
ihr so gerne zu, wenn sie schläft. Sie sieht dann so süß aus. Warten
sie, ich hab da noch ein Bild von uns.“
Ich holte Marios Bild mir Mareike und mir heraus. Mareike war da
gerade ein halbes Jahr alt. Stolz hielt ich da „Waltraut“ in meinen
Armen. Sie fanden es süß.
Sie gaben mir meine Unterlagen zurück und sagten mir zu, daß sie mir
bei den „heiklen“ Dingen zur Seite zu stehen würden. Aber auch daß sie
in den nächsten Tagen kommen würden, um sich die Häuslichkeit
anzusehen.
Ich verabschiedete mich von ihnen und sie brachten mich hinaus.
Waltraut saß im Flur. Sie sprang sofort auf und lief zu mir, umarmte
mich und fragte:
„Krieg ich jetzt mein Dirndl?“
„Nein Schatz, zwei! Eins für die Woche und eins für Sonntags.“
Fröhlich am meiner Hand hüpfend gingen wir den Flur hinab. In der
halbgeöffneten Glastür spiegelten sich die beiden Damen. Nickend sahen
sie uns zu.
Zunächst aber fuhren wir zu der angegeben Buchhandlung und kauften
ihre Schulbücher. Als nächstes in einem Schreibwarengeschäft die
nötigen Utensilien.
„Dirndl.“, drang da ihr zartes Stimmchen an mein Ohr.
Und so fuhren wir eine Weile, dann standen wir vor einem
Trachtenmodengeschäft.
Ihre Augen weiteten sich, als sie die Schaufenster betrachtete. Noch
viel größer wurden sie, als wir in den Laden gingen und sie sah, was
es alles für Dirndl gab. Rote, blaue, grüne, weiße, hochgeschlossen,
mit Ausschnitt, mit und ohne Schürze.
Eine Verkäuferin kam sofort auf uns zu und begrüßte uns sehr höflich.
Auf ihre Frage hin, was es denn für Dirndl sein sollten, antwortete
ich ihr, daß ich drüben im Cafe sitzen würde. Sie würde sie sich
selbst aussuchen. Daraufhin verließ ich den Laden und Waltraut schaute
mir nach. Zufrieden, das ich wirklich ins Cafe gegangen war, drehte
sie sich zur Verkäuferin herum und sagte: „Schöne!“
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