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SH-084 – Vanessa

 

Vanessa .... (sh-084.zip)
(M/f rom / Bonus: M/f mast nc) (50k)
(date posted: Friday PM, June 02, 2000)

Nachdem sein Auto den Geist aufgegeben hat, muß Martin (42) mit der S-Bahn nach Hause fahren. Auf dem Bahnhof trifft er auf Vanessa (12), die von zu Hause ausgerissen ist. Bestimmte Umstände zwingen ihn, das Mädchen über Nacht bei sich aufzunehmen, und am Morgen wird er sie nicht mehr los...



Vanessa

Kapitel 1

Etwa 1,50 groß. Schlank. Volles, langes, mittelblondes Haar, das weich in den Rücken fiel. Schmales Gesicht, das mitgenommen aussah. Melancholisch blickende blaue Augen, die schon viel Leid gesehen hatten. Abgetragene Jeans, dicke gefütterte Jeansjacke. Allerhöchstens 13 Jahre jung. Und sie hatte Angst vor mir. Das sah ich an den schnellen Seitenblicken, die sie mir alle paar Sekunden zu warf.

Sie und ich saßen in der bitterkalten Februarnacht gegen halb zwölf abends auf der einzigen Bank des kleinen Vorstadtbahnhofs. Das Mädchen saß deshalb bei mir, weil die Bank windgeschützt stand; schon einen Meter vor uns pfiff ein eisig kalter, schneidender Wind.

Warum sie um diese Uhrzeit hier saß, wußte ich nicht. Interessierte mich auch nicht. Genauso wenig wie das Mädchen an sich. Was ich wußte, war, daß mein Wagen heute kaputt gegangen war. Kupplung. Bei einem Fiat X1/9 eine Reparatur von knapp 1 000 Mark. Dank des Mittelmotors, der komplett heraus gehoben werden mußte, um an die Kupplung zu kommen.

Das war das Risiko, wenn man einen Gebrauchtwagen kauft, der schon fast 20 Jahre auf dem Buckel hatte. Aber er hatte beim Kauf gerade mal 500 Mark gekostet, nicht einen einzigen Rostfleck aufgewiesen und vom Händler sogar noch vier Wochen Garantie mit auf den Weg bekommen.

Das war vor genau fünf Wochen gewesen. Ob das nun Zufall oder Absicht war, blieb sich gleich. Auf jeden Fall mußte der Wagen nun repariert werden. Und vorher noch zur Werkstatt geschleppt werden. Die Kosten kamen auch noch dazu.

Ich war äußerst verärgert, und genau deshalb stießen mir die verängstigten Blicke der Kleinen besonders sauer auf. Nach einem weiteren schnellen Blick von ihr wandte ich mich deshalb zu ihr, während ich gleichzeitig entnervt ausatmete.

"Paß auf, Mädchen", raunzte ich das Kind an. "Du interessierst mich nicht. Du bist mir sogar vollkommen gleichgültig. Ich will dir nichts tun, und ich jage auch keine kleinen Kinder über die Gleise, wenn der Zug kommt. Mein Wagen ist im Arsch, ich bin schwer gereizt, weil ich den morgen abschleppen lassen muß, und du nervst mich mit deinen ewig ängstlichen Blicken ganz gewaltig. Ich tue dir nichts, und dafür hörst du bitte auf, mich so anzusehen. Ist das jetzt klar? Machen wir das so?"

Ja, ich weiß. So redete man nicht mit einem Kind, das Angst hatte. Tat ich normalerweise auch nicht. Aber heute war eben kein normaler Tag mehr. Mein ganzes Leben war in letzter Zeit nicht mehr normal.

Das Mädchen nickte eingeschüchtert, wich in die äußerste Ecke der Bank zurück und schaute auf den Boden.

In diesem Moment tat sie mir leid. Sie konnte schließlich auch nichts für meine schlechte Laune. Aber mich zu entschuldigen brachte ich auch nicht fertig.

Immerhin sah sie mich jetzt nicht mehr an.

Ich überlegte gerade, ob ich meine Hände der eiskalten Luft aussetzen und eine rauchen sollte, als der Lautsprecher zum Leben erwachte.

"Eine wichtige Durchsage für alle Fahrgäste der S-Bahn und der Deutschen Bahn. Wegen Blitzeis fallen bis auf weiteres sämtliche Züge aus. Ich wiederhole: Wegen Blitzeis fallen bis auf weiteres sämtliche Züge aus." Es knackte, dann war Stille. Nicht mal eine Entschuldigung oder ein Ausdruck des Bedauerns, aber das kannte man ja schon. Tatsache war jedenfalls, daß ich nun einen Marsch von gut fünf Kilometern vor mir hatte.

Es gab Tage, da stand man besser erst gar nicht auf. Oder noch besser, man wurde erst gar nicht geboren.

Seufzend kramte ich nach meinen Zigaretten, und in diesem Moment fing es an zu regnen. Der Sprecher hatte nicht gelogen: der Regen gefror sofort auf dem eiskalten Boden. Innerhalb von wenigen Sekunden waren die Schienen nur noch ein welliger Belag aus Eis. Wie der Boden.

Das auch noch! Nun würde ich echte Probleme haben, nach Hause zu kommen.

"Kommt kein Zug mehr?" fragte das Mädchen in diesem Moment ängstlich.

"Nein", erwiderte ich grob. "Wahrscheinlich erst wieder morgen früh."

"O nein!" jammerte sie verzweifelt. "Ich muß doch hier weg!"

"Nicht mit dem Zug." Daß es ihr auch schlecht ging, gab mir eine gewisse sadistische Befriedigung. Warum sollte ich der einzige sein, dem es dreckig ging.

Das Mädchen stand auf und lief rastlos vor der Bank auf und ab.

"Ich muß hier weg!" murmelte sie. "Irgendwie. Schnell."

"Sei vernünftig", unterbrach ich ihr Selbstgespräch. "Bei dem Eis kannst du nicht laufen."

Sie schaute mich an. "Doch", meinte sie entschlossen. "Ich komm hier weg. Ich muß hier weg."

Ich erkannte den Blick. Sie war ein Runaway. Eine Ausreißerin. Auf der Flucht. Nun verstand ich auch, was ein Mädchen ihres Alters mitten in der Nacht auf einen Bahnhof trieb. Ich schaute unter die Bank und fand sie: eine kleine, dunkle Reisetasche.

"Du mußt hier weg", wiederholte ich halblaut. "Wohin, ist dir egal. Hauptsache, weg. Ausgerissen?"

Sie schaute mich mißtrauisch an. "Sind Sie von der Polizei?"

"Nein, keine Sorge." Ich holte die Schachtel Zigaretten aus und zündete mir eine an. Ihre Augen bekamen einen sehnsüchtigen Ausdruck. Stumm seufzend reichte ich ihr die brennende Zigarette und nahm mir eine neue. Das Mädchen lächelte schüchtern, saugte kräftig an der Zigarette und zog den Rauch tief in die Lunge.

Ihre erste Zigarette war das jedenfalls nicht.

"Warum willst du weg?"

Sie zuckte mit den Schultern, und in diesem Moment hörte der Regen auf. Reichte auch; der Boden war eine einzige Fläche aus welligem Eis, das dennoch teuflisch glatt und gefährlich war. "Will ich ja gar nicht. Ich muß nur schnell nach Hause, sonst machen sich meine Eltern Sorgen."

"Natürlich." Ich grinste breit. "Wenn du wirklich nach Hause müßtest, wärst du schon längst auf dem Weg. Ärger mit den Eltern ist das, was ein Mädchen in deinem Alter um jeden Preis vermeidet. Sei's drum. Wenn du es für dich behalten willst, ist es okay. Es interessiert mich auch nicht." Ich stand auf und schaute zum Himmel. Die Wolken verzogen sich sehr schnell; die zum Vorschein kommenden Sterne funkelten klar und hell. Somit war die Chance vorbei, das Eis doch noch tauen zu sehen.

Seufzend und mit sehr vorsichtigen, kleinen Schritten ging ich bis zum Rand des Bahnsteigs und ließ mich ganz langsam auf die Gleise herunter. Der schneidende Wind fuhr durch den Kragen meines Mantels auf die Haut und ließ mich vor Kälte schaudern.

"Was machen Sie?" fragte die Kleine aufgeschreckt.

"Nach Hause laufen. Sind ja nur fünf Kilometer. Auf den Steinen geht es am besten." Ich marschierte langsam los. Die Steine waren zwar auch zum Teil vereist, aber auf ihnen zu gehen war immer noch sicherer als auf der Straße. Selbst der Streudienst würde wohl massive Probleme haben. Die einzigen, die sich freuen würden, waren die Schlittschuhläufer, doch selbst die lagen wohl schon alle im Bett. Nur Verrückte wie ich und das Mädchen waren bei dieser Kälte noch draußen.

Hinter mir hörte ich einen leisen Plumps, und Steine knirschten. Sie kam hinter mir her. Ich drehte mich nicht nach ihr um.

"Was machen wir, wenn doch ein Zug kommt?" hörte ich sie fragen.

"Auf die andere Seite springen."

"Und wenn zwei gleichzeitig kommen?"

"Einen entführen, damit der uns nach Hause bringt."

Sie seufzte leise.

Wir gingen schweigend über den Schotter. Der eisige Wind trieb mir die Tränen in die Augen, die sich bei der Kälte noch unangenehmer anfühlten, und pfiff kalt in meinen Ohren. Erst nach einigen Minuten hörte ich das Mädchen wieder.

"Was ist denn mit Ihrem Auto?"

"Hin." Ich zuckte mit den Schultern, nahm einen letzten Zug von der Zigarette und warf die Kippe auf den Boden. Sofort danach steckte ich die eiskalte Hand in die Manteltasche; zur Faust geballt, um die Finger zu wärmen. "Kupplung ist kaputt. Die Reparatur kostet mehr Geld, als ich habe. Wahrscheinlich muß ich die Kiste an einen Schrotthändler verkaufen; dann kriege ich wenigstens etwas Geld dafür."

"Das tut mir leid", meinte sie ernst. Ich verzog nur das Gesicht.

"Mir auch. Warum willst du weg?"

Sie stieß den Atem aus.

"Ich muß weg", sagte sie dann leise. "Ich halt das nicht mehr aus."

"Was denn?"

"Die Schläge." Ihre Schritte wurden schneller, dann war sie neben mir. Sie ging auf der anderen Seite des Gleises, wo die Schwellen lagen. Sie machte kurze Schritte, um nicht auf das glatte Holz zu treten: zwei auf dem Schotter, einen über die Schwelle, zwei auf dem Schotter.

"Deine Eltern?" fragte ich sanft, schon versöhnt mit ihrer Angst, die sie vor mir gehabt hatte. Sie schüttelte den Kopf.

"Meine Tante", flüsterte sie so laut, daß ich es so gerade verstehen konnte. Sie sah mich kurz an, dann schaute sie wieder auf die Schwellen, denen sie mit konzentrierten Schritten auswich.

"Hat sie einen Grund dafür gehabt?"

Sie zuckte mit den Schultern. "Warum sind Sie so vorsichtig auf die Gleise gegangen? So alt sind Sie doch noch nicht."

"Mein linkes Bein." Ich seufzte laut. "Der Grund, warum ich arm wie eine Kirchenmaus bin, Kleine."

"Das verstehe ich nicht. Wieso sind Sie arm wegen Ihrem Bein?"

"Weil ich nie etwas Anständiges gelernt habe", meinte ich recht verbittert. "Nach der Schule eine Lehre, die aber abgebrochen, weil ich keinen Spaß daran hatte, Heizkörper zu schleppen. Bei der Bundeswehr Nahkampf gelernt, Ausbilder geworden, nach der Bundeswehr zu einem Sicherheitsdienst gegangen und bei einem Einbruch angeschossen worden. Zwei Kugeln ins linke Bein, eine davon ins Knie. Gehen ist noch drin, aber springen, laufen und hüpfen nicht mehr. Und selbst beim Gehen muß ich es schön langsam angehen lassen."

"Dann sind Sie arbeitslos?" fragte sie besorgt.

"Nein. Frührentner." Ich sammelte den Speichel im Mund und spuckte ihn kräftig auf den Boden. "Mit 43 Jahren. Gibt ein ganz tolles Gefühl, das kann ich dir sagen."

"Meine Tante bekommt eine Rente", überlegte das Mädchen. "Sie nicht?"

"O doch!" lachte ich bitter. "Ganze elfhundert Mark im Monat. Ich bin richtig reich."

Mein Sarkasmus prallte an ihr ab.

"Das tut mir wirklich leid", sagte sie bekümmert. "Wo wohnen Sie denn dann?"

Ich atmete tief durch, um den Aufruhr in mir zu beschwichtigen, holte meine Zigaretten heraus und bot dem Mädchen eine an, doch sie schüttelte mit einem leisen, scheuen Lächeln den Kopf.

"In meinem Haus", antwortete ich, als die Zigarette brannte. "Als ich bei dem Sicherheitsdienst anfing, habe ich zwei Versicherungen abgeschlossen. Berufsunfähigkeitsversicherungen. So nennt man das. Wollte die Firma so. Nachdem ich angeschossen worden war, wurde ich zwar von einem Arzt zum anderen geschickt, weil die Versicherungen mir nicht geglaubt haben, daß ich nicht mehr arbeiten kann, aber nach zwei Jahren mußten sie dann doch zahlen. Die eine zahlte alles auf einmal, die andere monatlich eine Rente. Auch so, wie die Firma es vorgesehen hatte. Das erste Geld hat gerade für ein kleines Häuschen gereicht. Zum Glück habe ich die Abfindung, die ich von der Bundeswehr bekommen habe, fest angelegt, sonst müßte ich das Haus verkaufen. Wegen der ganzen Kosten wie Heizöl, Strom und so weiter. Die Rente reicht für das tägliche Leben, aber mehr auch nicht." Ich lächelte sie schief an. "Und du? Was ist deine Lebensgeschichte?"

"Genauso beschissen", faßte sie es kurz und treffend zusammen. "Meine Eltern sind gestorben, als ich vier war. Erst meine Mutter, dann mein Stiefvater. Sie hatte Krebs, und er hat sich umgebracht, als sie tot war. Meinen richtigen Vater kenne ich nicht. Ich bin dann zu meiner Tante gekommen, aber ich wäre viel lieber im Heim." Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie unangenehme Bilder vertreiben.

"Sie prügelt ständig auf mich ein", sagte sie leise. "Ständig. Morgens, wenn mein Wecker klingelt und ich aufstehen muß, gibt es die erste Ohrfeige. Damit ich wach werde, sagt sie immer. Wenn ich aus der Schule komme, geht's erst so richtig los. Meistens prügelt sie mit einem Kleiderbügel auf mich ein. Deswegen wollte ich weg." Sie schaute bedrückt auf den Boden.

"Hat sie gesagt, warum sie das tut?" fragte ich behutsam. Das Mädchen nickte.

"Ja. Weil sie mich haßt. Weil ich so aussehe wie meine Mutter. Weil ich sie immer daran erinnere, daß meine Mutter tot ist. Weil sie mir vorwirft, daß meine Mutter wegen mir Krebs bekommen hat. Meine Mutter und sie waren nämlich Schwestern."

Ich nickte schweigend; die Abgründe der menschlichen Seele waren mir nicht unbekannt. Das Mädchen war auch ruhig.

Wir gingen langsam über den groben Schotter, der unter unseren vorsichtigen Schritten knirschte und klickte, und versuchten, dem eisigen Wind auszuweichen, so gut es ging: Kragen hoch geklappt, Kopf zwischen die Schultern gezogen, Hände in den Taschen, Arme dicht an den Körper gezogen. Vielleicht zehn Minuten später fragte sie: "Was wollten Sie denn klauen? Ich meine, als Sie eingebrochen sind?"

Ich lachte leise. "Ganz falsch. Ich wollte nicht einbrechen, Kleine. Mein Kollege und ich haben auf eine Lagerhalle aufgepaßt, wo sehr viele elektronische Sachen herum lagen. Vier andere sind eingebrochen. Mein Kollege hat eine Kugel in den linken Arm bekommen, ich habe zwei von denen ausgeschaltet, und die anderen beiden haben dann beim Abhauen auf mich geschossen. Und getroffen."

"Scheiße!" Ihre Stimme klang erschüttert. "Was waren das denn für Sachen da?"

"Keine Ahnung." Ich spuckte wieder aus, was ich gleich bereute, denn etwas Speichel blieb an den Lippen hängen und gefror fast sofort. "Irgend welche Sachen eben." Ich schaute kurz zu ihr. "Wie heißt du überhaupt?"

"Vanessa. Vanessa Schmidt. Mit DT. Und Sie?"

"Martin Roth. Mit TH."

Sie lächelte. "Martin mit TH?"

"Nein." Ich mußte auch etwas lächeln. "Roth mit TH. Tut mir leid, daß ich dich vorhin so angefahren habe, Vanessa."

"Sie hatten auch allen Grund dazu", erwiderte sie mitfühlend.

"Und du hattest wohl allen Grund, ängstlich zu gucken." Ich zuckte mit den Schultern. "Das Leben ist schon Scheiße, nicht wahr?"

"O ja!" seufzte sie überzeugt. "Und dieses ganz besonders."

"Was?" lachte ich. "Glaubst du etwa an diesen Mist von Wiedergeburt?"

"Nein." Sie lachte leise; ein sehr schönes Geräusch, das sogar durch mein Selbstmitleid drang. "Aber es tut einfach gut, das zu sagen. Probieren Sie's mal."

"Das Leben ist schon Scheiße", meinte ich tiefsinnig. "Und dieses ganz besonders."

"Und?" fragte sie gespannt, als ich keinen Kommentar abgab.

"Ja. Tut sehr gut. Viel besser als das andere." Es tat wirklich gut. Es war eine schöne Steigerung meines miesen Gefühls.

"Mein ich doch." Sie lächelte zufrieden, dann schaute sie wieder ernst drein. "Wie war das nach dem - dem Unfall? Wie ging's weiter?"

"Weiter?" Ich lachte bitter. "Es hörte alles auf, Kleine. Alles. Ich war noch nicht ganz wieder bei mir nach der Operation, als meine damalige Freundin auch schon Schluß machte. Sie meinte, sie hätte keinen Nerv darauf, abends einzuschlafen und mitten in der Nacht von den - der Polizei geweckt zu werden und zu erfahren, daß ich tot sei. Das könne sie einfach nicht. Ich solle nicht enttäuscht sein, aber sie wäre dafür nicht abgestumpft genug. Obwohl sie genau wußte, was ich beruflich machte, als wir uns kennen lernten. Also war sie weg. Meine Freunde nach und nach auch. Sportverein? Ging nicht mehr. Sportstudio? Keine Chance. Tanzen? Ein falscher Schritt, und das Knie bleibt für eine Stunde völlig steif. Wandern? Genau das gleiche. Radfahren? Mit einem kaputten Knie? Skilaufen? Schwimmen?" Ich sah sie voller Haß an, doch der Haß galt nicht ihr. "Es hörte einfach alles auf, Vanessa. Mein gesamtes Leben war zu Ende. Und das, was ich jetzt habe, ist nur noch Scheiße. Armdrücken kann ich noch, aber auch nur, wenn ich mich nicht mit dem linken Bein abstützen muß."

Ich schüttelte den Kopf, um den Haß zu vertreiben, und atmete mehrmals tief durch. Ich erfror mir dabei fast die Lungen, aber es tat einfach gut.

"Deswegen gehen Sie so vorsichtig?" fragte sie leise. "Weil das Knie sonst steif wird?"

"Genau. Nicht direkt steif, sondern... Das ist ganz merkwürdig. Wenn der Fuß umknickt, passiert nichts. Aber wird der Unterschenkel auch nur ein bißchen im Kniegelenk gedreht, ist es aus und vorbei. Was ist mit deiner Tasche? Wird sie zu schwer?" Ich hatte bemerkt, daß sie häufig das Gesicht verzog und die Tasche kurz zurecht rückte.

"Nein. Der Riemen drückt nur genau auf die ganzen blauen Flecke, egal wie ich sie trage."

"Soll ich sie dir abnehmen?"

Sie schüttelte nur stumm den Kopf; griff gleichzeitig den Riemen fester, als wollte sie die Tasche vor Diebstahl schützen. Ich ließ sie in Ruhe.

Wieder hielt das Schweigen Einkehr. Das Eis unter unseren Füßen hörte nach und nach auf und war schließlich vollständig verschwunden. Also hatte die Haltestelle, wo ich gewartet hatte, nur den letzten Ausläufer des Regens mitbekommen. Das war allerdings auch kein Trost für mich. Die nächste Haltestelle eisfrei zu sehen und zu wissen, daß dennoch kein Zug kam, ärgerte mich schon jetzt.

Gut fünfzehn Minuten später kamen die Lichter der nächsten S-Bahn-Haltestelle in Sicht. 'Noch drei Stationen', dachte ich bitter. 'Dann bin ich zu Hause.'

Dieser Gedanke löste den nächsten, mit Vanessa zusammen hängenden aus, doch bevor ich ihn aussprechen konnte, hörte ich leises Gegröhle, das mit jedem Schritt, den wir der Haltestelle näher kamen, lauter wurde. Vanessa kam näher zu mir, trat schnell über das Gleis und hielt sich hinter mir. Ihr Atem ging schneller, als hätte sie etwas Angst.

Der Bahnsteig kam in Sicht, und mit ihm fünf Gestalten in Jeans, mit dem Logo der "Hell's Angels" auf dem Rücken. Was sie um diese Uhrzeit auf einem Bahnhof machten, wußten wohl nur sie selbst. Ich konnte mir jedenfalls keinen Grund vorstellen. Ich spürte Vanessas Hand, die sich in meinen Mantel krallte; wie ein kleines Kind, das Angst hat, von der Mutter getrennt zu werden und verloren zu gehen. In diesem Moment erblickte uns einer der Rocker, ein wahrer Riese oder Herkules: weit über zwei Meter groß, und muskulös wie ein Stier.

"Der Zug kommt!" grölte er laut. Die anderen vier fuhren herum; manche schwankten unter zuviel Einfluß von Alkohol. "Ich fahr bei der Kleinen mit!"

"Halt doch die Schnauze!" rief ich laut. "Bist du wieder so blau, daß du nicht mehr weißt, mit wem du redest? Du solltest keinen Wodka saufen, du abgewrackstes Stück Mist!"

Die Meute verstummte verblüfft. Vanessa machte ein entsetztes Geräusch, als rechnete sie damit, im nächsten Moment bei lebendigem Leib zu Tode gefoltert zu werden. Dann sprang der Riese auf die Gleise und kam auf uns zu. Vanessa jammerte voller Angst.

"Martin?" fragte der Rocker fassungslos. "Martin 'Eisenfaust' Roth?"

"Genau der, du Arsch!" Ich umarmte ihn lachend und schlug ihm kräftig auf den Rücken. "Wie geht's dir, Kralle?"

"Wie's mir geht?" Er schob mich perplex etwas von sich weg, um mich von oben bis unten anzusehen. "Wie geht es dir, Mann? Was macht die Verletzung? Wo bist du plötzlich abgeblieben? Warum hast du dich nicht mehr gemeldet? Was ist mit deiner Guzzi? Wie -"

"Halt's Maul, Kerl!" grinste ich breit. "Ich komm ja gar nicht zu Wort bei dir."

Die anderen vier waren mittlerweile auch näher gekommen. Ich erkannte drei von ihnen: Wildbock, Fräser und TNT. Wir begrüßten uns unter lautem Hallo; der vierte wurde mit "Peitsche" vorgestellt. Vanessa hatte sich ängstlich an meine Seite gedrückt und musterte die fünf Rocker voller Furcht. Kralle war mit 2,12 Meter Länge der imposanteste von ihnen, was seine überaus breiten Schultern und der muskulöse Körperbau noch bekräftigten. Er trug sein langes graues Haar wie der Wrestler Hulk Hogan, dem er sogar etwas ähnlich sah: nach hinten gekämmt. Kralle machte schon ausgewachsenen, gestandenen Männern Angst, auch ohne das Hinweisschild der Rocker auf dem Rücken; seinen Eindruck auf ein abgehauenes, 13jähriges, verängstigtes Mädchen kann sich wohl jeder vorstellen. Die anderen vier verblaßten neben ihm regelrecht, obwohl auch sie jeden dazu veranlaßt hätten, einen weiten Bogen um sie zu machen.

"Jetzt red, Mann!" verlangte Kralle, als wir alle auf dem Bahnsteig standen. "Was war los? Wieso bist du nicht mehr gekommen?"

"Ging nicht", erwiderte ich lapidar. Vanessa, die unter Wildbocks stechenden Augen immer kleiner wurde, drückte sich ganz dicht an mich. Ich legte besitzergreifend meinen Arm um sie. Wildbock kapierte und sah von ihr weg.

"Knie im Arsch, Ende von Motorrad. Guzzi verscherbelt, kleines Häuschen gekauft, und vor mich hin gebrütet." Ich zuckte mit den Schultern. "Ich war keiner mehr von euch, Kralle. Deshalb."

"Du hast nie aufgehört, einer von uns zu sein." Er legte mir seine schwere Pranke auf die Schulter. "Nie. Wer ist das Püppchen?"

"Mein Püppchen. Vanessa. Sucht ein neues Zuhause."

"Alles klar. Was treibst du überhaupt hier? Warum spielt ihr Eisenbahn? Lebensmüde?"

"Hast du die Durchsage nicht gehört?"

Kralle grinste breit. Sein Kinn deutete auf eine Ecke am Ausgang. Ich sah genauer hin und entdeckte sechs ordentlich gestapelte Lautsprecher, die wohl noch vor kurzer Zeit friedlich an ihren Masten hingen.

"Uns war langweilig", gestand er fröhlich. "Welche Durchsage meinst du?"

"Hinter uns ist Blitzeis. Züge sind abgesagt. Kommt vorläufig keiner mehr. Und ihr?"

"Wir warten auf die S-Bahn. Da sollte Silberfisch drin sein. Sie ist aus der Klinik abgehauen. Hatte keinen Bock mehr auf Entzug. Jetzt wird sie wohl am Bahnhof pennen. Von da aus hatte sie mich nämlich angerufen." Er musterte uns kurz. "Wo wohnst du jetzt?"

Ich nannte ihm die Adresse. Kralle drehte sich zu TNT.

"Wir beide fahren sie heim. Ihr anderen wartet hier. Vielleicht löst sich das Scheiß Eis doch noch auf, und Silberfisch kommt. Wir sind gleich wieder da. Laßt wenigstens die Mauern stehen, okay?" Er sah wieder zu mir. "Mitfahren kannst du doch, oder?"

"Ja. Nur schalten geht nicht mehr. Das zieht voll ins Knie durch."

"Hast du den Sack wenigstens erwischt?"

"Als er abhaute."

"Lebt er noch?"

Ich nickte. "Sitzt wegen schweren Einbruchs und bewaffneten Überfalls."

"Wenigstens etwas." Er schlug mir schwer auf die Schulter; zum Glück auf die rechte. "Was macht die Kunst?"

Ich schloß kurz und sehr traurig die Augen. "Vorbei. Wie alles andere."

"So ein Dreck!" fluchte er wütend und sah zu Peitsche. "Eisenfaust ist der einzige, der sich jemals mit mir angelegt und gewonnen hat. Ich hab kaum gesehen, was er machte, aber ich lag flach." Er sah wieder zu mir. "Wirklich vorbei?"

"Ja", stieß ich aus. "Heute hätte ich nicht mal gegen die Kleine hier eine Chance." Vanessa sah verständnislos von einem zum anderen. Kralle nickte grimmig.

"Die Welt ist ein Arschloch, und wir sind das, was da raus kommt. Fahren wir."

Wir setzten uns in Bewegung, auf den Ausgang zu.

"Was passiert jetzt?" fragte Vanessa flüsternd, die Augen voller Angst. Ich drückte sie kurz, beruhigend.

"Die fahren uns zu mir, und dann sehen wir weiter, was wir mit dir machen." Ich senkte meinen Kopf zu ihrem Ohr.

"Du bist mein Püppchen", flüsterte ich. "Dadurch lassen die anderen dich in Ruhe. Mußt aber keine Angst haben, auch wenn das im Moment alles böse aussieht. Das sind ganz alte Kumpels von mir. Die tun dir nichts." Vanessa nickte schnell; nicht im Geringsten von meiner kleinen Ansprache überzeugt.

Doch welche Wahl hatte sie? Sich hier und jetzt von mir zu trennen hätte bedeutet, sich den anderen auszusetzen, und wie das ausging, konnte sie sich trotz ihrer Jugend am kleinen Finger abzählen. Im Moment bot ich ihr die größte Sicherheit, auch wenn das Mädchen den Grad der Sicherheit wesentlich geringer einschätzte als ich. Ich wußte, daß ich meinen alten Freunden vertrauen konnte. Ich hatte es oft genug erlebt. Und nicht sie hatten sich von mir getrennt, sondern ich von ihnen; aus einem Grund, den jeder von ihnen verstehen konnte. Von ihrer Seite aus bestand das alte Band der "Hell's Angels" zu mir noch. Gott, wie sehr vermißte ich mein altes Leben!

"Vanessa fährt bei dir mit", sagte ich zu Kralle und wandte mich gleich darauf an das Mädchen. "Setz dich hinter ihn, mach dich ganz klein, pack deine Hände in seine Jacke und vergiß die Kälte. In zehn Minuten sind wir im Warmen."

Vanessa schluckte schwer, als Kralle ihr wortlos die Reisetasche abnahm und auf seine Maschine packte. Er und TNT warfen die Motoren an. Vanessa stieg hinter Kralle auf die Maschine, als würde sie zu ihrer eigenen Beerdigung gefahren. Als sie sich vorsichtig hinsetzte, griff Kralle nach hinten, drückte sie so fest an sich, daß ihr die Luft aus dem schmalen Leib gepreßt wurde, legte krachend den ersten Gang ein und donnerte los. TNT und ich folgten sogleich.

Zehn ewig lange Minuten später, in denen unsere ungeschützten Hände und Köpfe dem eisigen, schneidenden Wind ausgesetzt waren, hielt Kralle vor meinem kleinen Häuschen an. Vanessa stieg mit zitternden Knien von seinem Motorrad herunter; ihre Zähne klapperten wie ein Maschinengewehr. Mir ging es jedoch auch nicht besser. Ich bedankte mich bei TNT durch einen Schlag auf die Schulter. Der nickte mir wortlos zu; die Augen voller Trauer und Mitleid über mein Schicksal. Das tat fast noch mehr weh als der Einschuß damals. Ich wandte mich schnell ab. Kralle winkte mich zu sich.

"Wenn du uns brauchst, sind wir da, Mann", sagte er ernst. "Du bist immer noch einer von uns, Eisenfaust. Du hast bei Ärger immer die Schnauze gehalten, hast keinen rein geritten, keinen verraten. Wir für dich, wie du damals für uns. Klar?" Ich nickte gerührt. Kralle nickte knapp, hob den rechten Arm, ließ den ausgestreckten Zeigefinger mehrmals kreisen und gab dann bei angezogener Vorderradbremse Vollgas. Das Hinterrad seiner schweren Harley hinterließ einen perfekten Kreis aus verbranntem Gummi auf der Straße. Sekunden später dröhnten zwei Motoren auf, dann waren Kralle und TNT im Dunkel der Nacht verschwunden. Licht hatten sie nicht an; sie wollten wohl Strom sparen. Ich sah ihnen mit feuchten Augen hinterher. Der Kreis zeigte an, daß ich tatsächlich immer noch einer von ihnen war.

Vanessas Zähneklappern holte mich aus meiner Vergangenheit zurück ins Hier und Jetzt. Ich öffnete das kleine Türchen im Gartenzaun, schob das Mädchen hindurch und lief zur Haustür. Sekunden später standen wir im Warmen. Ich schickte sie ins Wohnzimmer und machte Kaffee für uns. Während das Wasser vor sich hin kochte, rauchte ich eine Zigarette in der Küche, in Gedanken bei meinem früheren Leben; erst das Pfeifen des Kessels holte mich wieder zurück. Ich goß das Wasser in die vorbereiteten Tassen und rührte dann schnell um, damit sich das Instantpulver gut auflöste. Wenig später war ich mit den Tassen im Wohnzimmer. Vanessa saß zitternd auf dem Sofa, ihre Reisetasche zwischen den Füßen, auf dem Schoß eines der abgewetzten Kissen, die auf dem Sofa lagen.

"Hier." Ich schob ihr eine Tasse zu. Sie griff mit beiden Händen danach und trank mit sehr vorsichtigen, kleinen Schlucken. Wie ich. Die Wärme breitete sich schnell im Magen aus. Ihr und mein Zittern ließ allmählich nach.

Als ihre Tasse leer war, stellte sie sie auf den Tisch.

"Danke", meinte sie schüchtern. "Das hat gut getan. Ich hatte vorhin wirklich große Angst. Das waren doch Rocker, oder?"

"Ja." Auch ich trank aus, stellte die Tasse ab, bot ihr eine Zigarette an, die sie dankend annahm, gab ihr Feuer und zündete dann meine an.

"Ja, es sind Rocker", meinte ich mit einem sehnsüchtigen Lächeln, während ich den Rauch ausstieß. "Aber es sind auch meine Freunde. Freunde von mir sind auch Freunde von ihnen. Deshalb warst du für die Zeit mein Püppchen. Du verstehst?" Sie nickte ganz leicht; so vorsichtig, als wollte sie diesen Zustand möglichst schnell beendet wissen.

"Wieso haben die alle so komische Namen?" fragte sie.

"Das sind treffende Bezeichnungen. Kralle heißt so, weil er sich eine zweite Hand gebaut hat. Er hat in seiner Jugend den Film 'Der Mann mit der Todeskralle' gesehen. Kennst du den?" Vanessa schüttelte den Kopf.

"Macht auch nichts. Bruce Lee - ein irrsinnig guter Kämpfer - kämpft in diesem Film gegen einen Oberbösen, dessen rechte Hand amputiert ist. Statt der Hand hat er ein Sammelsurium von anderen Händen, die er sich anstecken kann; darunter auch eine Kralle. Wie eine lange, scharfe Pranke. So was hat sich Kralle mal gebaut. Seitdem heißt er so." Vanessa nickte verstehend.

"Und die anderen?"

"Wildbock heißt so, weil er an keiner Frau vorbei gehen kann, die den Fehler macht, ihn anzulächeln. Hat schon zwei Mal wegen Vergewaltigung gesessen. TNT hat früher Safes geöffnet, eben mit TNT, bis er erwischt wurde. War fünf Jahre im Bau. Fräser trägt den Namen, seit er sich mit so 'nem Spielzeugfräser, die du im Baumarkt kaufen kannst, in etwa vierzig Autos verewigt hat. Er hat seinen Namen da eingraviert. Na ja, er war noch nie gut mit dem Kopf. Peitsche... Den kenne ich nicht, aber ich kann mir denken, was der kann."

"Ich auch." Vanessa lächelte leicht. "Und Silberfisch?"

Ich mußte lachen. "Silberfisch! Das ist eine! Sie hatte schon mit 14 die Schnauze voll von ihren Alten. Sie ist genau an ihrem 14. Geburtstag runter in den Keller, mit einer Dose, in die sie dann diese kleinen Tierchen namens Silberfische gepackt hat. Anschließend hat sie die in ihrem Zimmer ausgesetzt und gut gefüttert. Zwei Monate später hat sie das Gesundheitsamt angerufen und gesagt, ihre Eltern lassen sie verkommen. Sie hat am Telefon so geheult, daß wir alle einen Lachkrampf bekommen haben. Die Leute waren keine halbe Stunde später da. Silberfisch hat ihr Zimmer natürlich noch extra schön hergerichtet. Sie hat direkt nach dem Telefonat auf den Boden gepißt, damit es auch richtig schön stank, und aus der Mülltonne Essensreste in den Zimmerecken verteilt. Die Leute sind beinahe tot umgefallen! Silberfisch hat sich sofort schluchzend und heulend an Kralle gehängt und gesagt, sie wollte bei ihrem Onkel wohnen. Nicht mehr hier. Ihre Eltern würden sie verhungern lassen und so weiter und so weiter. Die hätte glatt 'ne Hauptrolle in einem Film bekommen können."

"Kralle ist ihr Onkel?" fragte Vanessa entgeistert. Ich nickte grinsend.

"Das ist er tatsächlich. Na ja, seit dem Tag lebt sie jedenfalls bei ihm. Sie war damals so dünn, daß ihr die Leute alles sofort abgenommen haben. Kein Wunder; Heroin dünnt aus, wie wir sagen."

"Heroin?" Vanessa wurde blaß vor Schreck.

"Ja. Sie ging schon mit 12 auf den Strich, und mit 13 hing sie an der Nadel. Bei ihr hält sich das aber gut die Waage. Ein halbes Jahr leicht süchtig, drei Monate Entzug, von denen sie aber regelmäßig nur zwei Monate durch hält, und vier Monate ruhiges Leben. Dann packt es sie wieder, und sie geht raus auf die Straße. Sie müßte jetzt so um die 20 sein."

Vanessa stieß erschüttert den Atem aus. "Und Ihr Name? Eisenfaust?"

"Wie gesagt", seufzte ich. "Ich war beim Bund Ausbilder für Nahkampf. Als ich zu den Angels stieß, hab ich mich gleich mit Kralle angelegt und ihn schlafen geschickt. Mit einem Schlag. Seitdem heiße ich so."

"Aber das geht jetzt nicht mehr?" fragte sie leise. Ich schüttelte den Kopf.

"Nein, das geht jetzt nicht mehr. Beim Kampf muß ich auch die Beine bewegen können, und das... Siehe oben." Sie nickte verstehend.

"Aber trotzdem sind das Rocker", meinte sie mit fragendem Gesicht. "Die andere Menschen schlagen."

"Ja und Nein, Kleine." Ich nahm einen tiefen Zug von der Zigarette und ließ den Rauch langsam nach oben steigen, mit kleinen Ringen. Vanessa sah fasziniert zu.

"Ja, es sind Rocker. Ja, sie schlagen zu. Wenn sie angegriffen werden. Werden sie in Ruhe gelassen, sind sie auch friedlich. Von kleinen Streichen wie dem mit den Lautsprechern am Bahnhof mal abgesehen. Kralle und die anderen gehören zu der Linie, die noch relativ friedlich ist. Sie fangen keinen Streit an, sind aber sofort dabei, wenn ihnen jemand schräg kommt." Ich seufzte sehnsüchtig.

"Du kannst es dir nicht vorstellen", sagte ich leise. "Dieses Gefühl, zu siebt oder acht in eine Kneipe zu kommen, mit den Jacken. Sofort ist es dort totenstill. Alle schauen dich an und sofort wieder weg. Die haben verdammten Respekt vor dir, und das tut so was von gut, das kannst du dir nicht vorstellen. Dann marschierst du auf die Bar zu und siehst den Typen dahinter immer kleiner und blasser werden. Du bist aber ganz lieb und bestellst eine Runde Bier. Seine Hände zittern vor Angst, wenn er die Gläser füllt. Du kannst es richtig hören, wie das Glas schnell gegen den Zapfhahn schlägt. Du greifst in die Tasche, um das Bier zu bezahlen, und er wird bleich, weil er glaubt, du zückst ein langes Messer. Du legst das Geld auf die Theke, aber das will er in dem Moment schon nicht mehr. Der ist schon fertig mit der Welt. Er lädt dich ein, aus reiner Angst. Du steckst das Geld wieder ein und setzt dich mit den Kumpels an einen Tisch. Du spürst richtig, wie die anderen in der Kneipe sich anstrengen, dich nicht anzusehen, aber sie schaffen es einfach nicht. Du schaust ihnen in die Augen und spürst ihre Angst. Du kannst sie fast sehen. Du trinkst in aller Ruhe dein Bier aus, brüllst ab und zu, damit die anderen ja nicht vergessen, daß du da bist, und wenn das Glas leer ist, stehst du auf und schaust dich um. Ganz ruhig. Dann rasten die aus, Kleine. Die denken, du zerlegst den Laden jetzt. Die Frauen greifen sich alles, was ihnen wichtig ist, und hauen ab. Mit Vollgas. Ihre Männer stolpern hinterher. Ein paar Alte bleiben sitzen, weil die einfach nicht mehr abhauen können, aber die läßt du links liegen. Das sind keine Gegner für dich. Dann schaust du den Typen hinter der Theke an. Dessen Hand schwebt schon über dem Telefon, aber wenn der dich sieht, hebt er sofort die Hände und geht in die andere Ecke. Du bleibst noch ein paar Sekunden stehen, um das zu genießen, dann brüllen alle vor Lachen und stürmen raus." Mein Blick wurde langsam wieder klar. Vanessa lauschte mir gebannt, gefangen zwischen Angst und Faszination.

"So ist das, Mädchen", flüsterte ich. "Du steigst auf die Maschine und bretterst durch die Stadt. Einfach so, weil's toll ist, sich zu zeigen. Ab und zu kommt es zu Schlägereien mit anderen Banden, aber das gehört dazu. Alle haben ihren Beruf, aber das richtige Leben beginnt nach Feierabend. Begann nach Feierabend. Noch einen Kaffee?"

Sie nickte schüchtern. Ich stand vorsichtig auf, nahm die Tassen mit in die Küche und machte sie wieder voll.

"Was machen wir jetzt mit dir?" überlegte ich laut, als ich wieder im Wohnzimmer saß. "Wo willst du hin?"

Vanessa zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung", gestand sie leise. "Ich wollte nur da raus. Alles andere war mir egal. Ich bin aber wirklich nicht abgehauen." Ihr Blick war fest auf mich gerichtet. "Ich hab meiner Tante gesagt, daß ich die Schnauze von ihr voll hab und daß ich gehe. Sie meinte nur: 'Na endlich! Wenn ich dich in zehn Minuten noch sehe, schlage ich dich tot.' Sie hat mich zum Abschied noch einmal kräftig in den Bauch geboxt." Vanessa lächelte zufrieden. "Aber dafür hab ich ihr auch fünfzig Mark geklaut. Das tut ihr mehr weh als mir ihr Schlag."

"Sie hat dich einfach so gehen lassen?"

"Ja. Aber nicht einfach so. Während ich meine Tasche packte, hat sie mir jede halbe Minute mit der flachen Hand vor den Kopf geschlagen. Ich hab zwei Minuten gebraucht, um alles zu packen." Sie schüttelte wieder kräftig den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben, dann schaute sie mich an.

"Kann ich heute nacht hier bleiben?" fragte sie zögernd.

"Natürlich. Was ich vorhin auf dem Bahnhof gesagt habe, gilt übrigens immer noch."

"Was denn?"

"Daß du mich nicht interessierst." Ich lächelte knapp. "Nicht so. Du verstehst."

Sie nickte mit etwas geröteten Wangen.

"Gut. Du kannst hier unten schlafen. Schließ die Tür ruhig ab; mich stört das nicht. Denk bitte nur an eins." Ich sah ihr tief in die Augen. "Denk an meine Freunde. Wenn du mich beklaust..." Sie verstand.

"Ich klaue sonst nicht", meinte sie leise, ohne meinem Blick auszuweichen. "Nur das heute. Sonst nicht."

"Hoffentlich." Ich wollte aufstehen und achtete einen Moment nicht auf das, was ich tat. Sofort drehte sich mein Unterschenkel etwas im Knie, und im gleichen Moment schoß dieser irrsinnige Schmerz stechend heiß durch mein Knie, trieb mir die Tränen in die Augen, ließ meinen Kopf beinahe explodieren und mich mit an den Leib gepreßten Armen und leise schreiend nach vorne beugen. Ich streckte den Unterschenkel aus, doch der Schaden war geschehen. Mein Herz raste wie ein überdrehter Motor, jeder einzelne Nerv in mir schrie gequält auf. Mein Körper war so kraftlos wie der eines Neugeborenen. Ich preßte die Arme so fest an den Leib, wie ich konnte, biß die Zähne zusammen, während mir die Tränen über die Wangen liefen, und hoffte nur noch, wahnsinnig zu werden, um diese grausamen Schmerzen nicht mehr erdulden zu müssen. Ich schämte mich, vor dem Mädchen so schwach zu sein, und ich war wütend auf sie, weil sie mich so sah.

"Hau ab!" wimmerte ich durch den Schmerz hindurch. "Hau ab, Kind!"

Sie sprang auf; ich hörte es mehr, als das ich es durch meine nassen Augen sah. Im nächsten Augenblick war sie an meiner Seite, legte ihre Arme um meinen Hals und zog meinen Kopf an ihren Bauch.

"Nein", sagte sie leise. "Ich kenne Schmerz. Nicht dagegen wehren, sonst tut es nur noch mehr weh."

Das war im Moment viel zu kompliziert für mich. Zum Streiten hatte ich jedoch auch keine Kraft. Ich konnte mich auch nicht dagegen wehren, daß sie sanft meinen Kopf streichelte, so wie eine Mutter ihr Kind trösten würde, das sich den Zeh gestoßen hat. Doch ich spürte, daß mir ihre Nähe, überhaupt die Nähe zu einem anderen Menschen, gut tat. Ich drückte mich stärker an sie, auf der Suche nach jemandem, der diesen wahnsinnigen Schmerz mit mir teilen konnte, und sie hielt mich fest, streichelte mich, gab mir etwas Ablenkung.

Es dauerte fast zwei Minuten, bis der Schmerz allmählich abklang. Wie jedes Mal. Nach diesen zwei Minuten entspannte ich meine verkrampften Muskeln langsam und vorsichtig; immer damit rechnend, daß eine weitere Attacke käme, doch es blieb ruhig. Naß vor Schweiß lehnte ich mich vorsichtig in den Sessel zurück; mein Atem ging schnell und schwer, wie nach einem langen Dauerlauf. Vanessa nahm ihre Hände von mir.

"Ich geh schlafen", meinte sie. Ich nickte; dankbar, daß sie mich nicht auf meinen Anfall ansprach. Andererseits... Wenn das von ihrer Tante stimmte, kannte sie tatsächlich Schmerzen und wußte damit umzugehen. Dann wußte sie, daß keine Worte halfen, mochten sie auch noch so gut gemeint sein und aus tiefstem Herzen kommen.

"Im zweiten Schrank von links liegen zwei Decken", sagte ich matt. "Nimm sie dir."

Sie lief zum Schrank. Ich hörte, wie sie die Türen öffnete, die Decken herausholte und auf den Boden legte, dann die Türen wieder schloß und mit den Decken auf den Armen zurück kam. Sie warf mir einen kurzen Blick zu, wie um mich einzuschätzen, dann zog sie sich aus: Jacke, Schuhe, Pullover, Hose, T-Shirt. Sie behielt nur ihr Unterhemd, das Höschen und die Socken an. Zwei Sekunden später lag sie auf dem Sofa, zog die Decken über sich und stopfte die Kissen zurecht. Dann drehte sie sich zu mir.

"Darf ich noch eine rauchen?"

"Nimm sie dir."

"Danke." Sie nahm sich eine Zigarette aus der Packung, zündete sie an, atmete den Rauch tief in die Lunge und stieß ihn wieder aus.

"Entweder bist du total naiv, Vanessa, oder lebensmüde."

"Weswegen?"

"Weil du dich vor mir ausziehst."

Sie lächelte. "Weder noch. Ich dachte erst, das mit Ihrem Bein wäre ein Trick, aber jetzt... Nein. Sie würden mir nichts tun. Was passiert, wenn ich vor das Knie trete?"

Ich wurde blaß; schon bei dem Gedanken wurde mir kotzübel und schwindelig.

"Dachte ich mir", sagte das Mädchen leise. "Deswegen. Ich hab in unserer Gegend gelernt, schwache Stellen auszunutzen. Das hat meine Tante mir sehr gut vorgemacht. Außerdem hätten Sie das schon auf den Gleisen gemacht, wenn Sie das gewollt hätten."

"So?" Ich lächelte; langsam kehrte meine Kontrolle über meinen Körper zurück. "Und wenn es mir da viel zu kalt gewesen wäre?"

"Das hätte Sie nicht gestört." Sie tippte die Asche in den Aschenbecher. "Überhaupt nicht."

"Mag sein." Ich wollte nicht mehr darüber reden. "Du kannst morgen früh ab halb neun duschen, wenn du möchtest. Die Heizung springt um acht Uhr an, und bis halb neun ist das Wasser dann heiß genug." Ich zog vorsichtig den linken Unterschenkel heran. Das Knie fühlte sich noch etwas taub an, aber der furchtbare Schmerz war weg. Ein paar Minuten noch, dann würde ich wieder gehen können.

"Macht es Ihnen Spaß, anderen Angst einzujagen?" fragte sie plötzlich.

"Weil ich zu den Hell's Angels gehörte? Nein, Vanessa. Das war nicht der Grund. Sie waren für mich eine Familie. Meine Freunde. Die Gewalt..." Ich zuckte mit den Schultern. "Wir haben uns gewehrt, wenn wir angegriffen wurden. Klar. Und das auch nicht zu knapp. Aber wir waren eine Gruppe. Wir gehörten zusammen. Jeder half dem anderen. Jeder war für den anderen da. Deshalb war ich dabei."

"Haben Sie keine Familie?"

"Nein. Ich bin ein Waisenkind. Meine Mutter hat mich nach der Geburt zur Adoption freigegeben, aber in den Fünfziger Jahren waren die Menschen noch nicht so gestört wie heute. Sie konnten noch selbst Kinder machen." Vanessa lächelte still. "So kam ich ins Waisenhaus, und da blieb ich, bis ich 18 war. Dann stand ich auf der Straße, mit abgebrochener Lehre. Die Bundeswehr kam mir da gerade recht, und nach der Grundausbildung habe ich mich dann für fünfzehn Jahre verpflichtet. Mit 33 bin ich aus dem Verein raus, mit 39 wurde ich angeschossen. Das war vor vier Jahren."

"Also sind Sie 43."

"Gut gerechnet!" meinte ich anerkennend. "Außerdem habe ich das vorhin schon gesagt, wie alt ich bin. Bist echt schlau und schnell." Ich zwinkerte ihr zu, um ihr zu zeigen, daß ich nur gescherzt hatte. Vanessa schnitt mir ein Gesicht, dann lächelte sie wieder. Sie legte die Zigarette ab, drehte sich um und zog ihr Unterhemd bis zum Nacken hoch. Ihr Rücken war übersät mit Prellungen und blauen Flecken. Sie ließ mich das einige Sekunden sehen, dann zog sie ihr Unterhemd wieder herunter, drehte sich zu mir um, deckte sich zu, nahm ihre Zigarette in die Hand und sah mich an.

"Wann sind Sie zu den Rockern gekommen?"

Sie sprach mich nicht auf meine Schwächen an, also ich sie auch nicht auf ihre.

"Mit 34. Von der Abfindung hatte ich mir die Moto Guzzi gekauft und den Rest wie gesagt angelegt. Als ich über die Straßen fuhr, war ich urplötzlich eingekreist. Neben und hinter mir waren die Hell's Angels, und einen Moment später hatte ich auch zwei vor mir." Ich grinste breit. "Ich hab Gas gegeben, bin einem der beiden vorderen ins Hinterrad gefahren, daß der ganz schön ins Schleudern kam, bin an dem vorbei und ab. Und schon ging die Jagd los. In Hafennähe hatten sie mich dann. Kralle - das war der, dem ich ins Bike gefahren bin - hat mich total wütend von der Guzzi gehoben und mich angeschrien, daß er mir jetzt die Augen raus reißt und mir in den Schädel scheißt." Vanessa kicherte hell bei diesem Bild.

"Na ja", meinte ich grinsend. "So Sprüche gehören halt dazu. Einen Moment später lag er jedenfalls bewußtlos auf dem Boden. Die anderen sechs sind auf mich gestürzt, und nach einer Minute war es vorbei. Ich hatte ein blaues Auge und eine aufgeplatzte Wange, aber denen ging es auch nicht viel besser. Und dann..." Mein Blick bekam etwas Verlorenes. "Dann, Vanessa, bin ich da geblieben. Ich wußte nicht viel von den Hell's Angels, aber ich dachte mir, daß sie mich entweder umbringen oder mich aufnehmen. Ich hab mich auf die Harley von Kralle gesetzt, mir eine angesteckt und gewartet, bis er wieder zu sich kam. Er setzte sich total verdattert auf und starrte mich an. Ich fragte ihn, ob ich zu ihnen gehören könnte. Er hat erst mal einen Anfall bekommen, doch als er dann die anderen bemerkte, die still und friedlich auf der Straße schliefen, wurde er ruhig. Wir haben uns dann unterhalten, bis die anderen wieder wach waren, und so kam ich dazu."

"Cool!" Vanessa strahlte mich an. "Einfach so?"

"Nicht einfach so. Es gehört schon etwas mehr dazu, ein Angel zu werden. Aber ich gehörte schließlich dazu. So kam das." Das taube Gefühl in meinem Knie war verschwunden. Überaus vorsichtig stand ich auf. Es ging gut. Ich sah zu Vanessa.

"Schlaf schön, Kleine. Und schlaf vor allem ruhig und fest. Ich tue dir nichts."

Sie lächelte nur wortlos zurück, nahm einen letzten Zug von der Zigarette, drückte sie aus und legte sich hin. Ich ging in die Diele, schaltete das Licht im Wohnzimmer aus, zog die Tür leise zu und stieg dann die Treppe hinauf, immer angespannt auf meine Schritte achtend. Ein paar Minuten später lag ich auch im Bett. Wie jede Nacht kreisten meine Gedanken noch sehr lange um mein Leben. Um das Leben vor der Schießerei, um das Leben danach. An Vanessa dachte ich überhaupt nicht; sie interessierte mich auch nicht. Sie konnte gerne meine gesamte Wohnung durchsuchen; sollte sie etwas Wertvolles finden, bekäme sie von mir sogar noch eine Belohnung. Sie konnte auch ruhig ein paar Nächte hier schlafen. Morgen, spätestens zum Wochenende hin würde sie wieder verschwunden sein. Ich kannte diese Ausreißer, auch wenn sie sagte, sie sei keiner. Dennoch hatte sie kein Heim. Wie andere vor ihr würde sie in der Gosse landen. Als erstes auf dem Strich, um Geld zu verdienen. Dann, um dem Bewußtsein dieses widerlichen Geschäfts auszuweichen und es zu verdrängen, der Griff zu Drogen; erst weiche, dann harte. Und in zwei Jahren würde sie als Drogentote die Statistik um Eins erhöhen. Spätestens in drei Jahren. Wenn ein Freier sie nicht vorher umbrachte oder sie einem Zuhälter in die Finger fiel.

Aber das war ihr Leben. Meins war schon beschissen genug; mit ihrem Müll wollte ich nichts zu tun haben. Es ging mich auch nichts an.

Deswegen dachte ich nicht an sie; nicht eine Sekunde lang. Ich dachte nur an die alte Zeit mit den Hell's Angels, unsere Sauftouren, unsere wüsten Partys, die Orgien, die Kumpels. An den Blick meines Kollegen, als er in den Arm getroffen wurde, an die Schüsse, die mein Bein trafen. An mein Leben, das in diesem Moment geendet hatte.

Nur daran.

Wie jeden Abend.







Das Rauschen der Dusche weckte mich. Verstört sah ich auf die Uhr, dann fiel mir das Mädchen wieder ein. Vanessa. Das war ihr Name. Beruhigt legte ich mich wieder hin, um noch etwas zu dösen; der Schmerzanfall von gestern hatte, wie üblich, sehr viel Kraft gekostet.

Etwa zwanzig Minuten später war es kurz vor zehn, und Vanessa fertig mit Duschen. Ich hörte sie im Bad, das direkt neben meinem Schlafzimmer lag, etwas rumoren, dann ging die Spülung der Toilette, und kurz darauf stand sie vollkommen angezogen in der Tür, die ich offen gelassen hatte.

"Morgen!" sagte sie leise, doch unverkennbar gut gelaunt. "Alles klar?"

Ich richtete mich etwas auf. "Ja. Bei dir auch?"

"Jetzt ja." Sie legte den Kopf in den Nacken, schüttelte ihn, um die langen Haare zu lösen, die sie wohl gewaschen hatte, und sah mich wieder an. "Soll ich Frühstück machen?"

Ich mußte lachen. "Ist das eine Umschreibung für: 'Ich hab tierisch Hunger'?"

Sie kicherte verlegen und nickte grinsend.

"Dann ab mit dir. Ich komm gleich nach."

"Okay!" Sie hüpfte fröhlich die Treppe hinunter. Mein Lachen verschwand in gleichen Augenblick, und ich sah ihr neidisch hinterher. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, mit ihr den Körper zu tauschen, ich hätte es ohne Gewissensbisse getan. Wieder unbelastet laufen und springen zu können, Motorrad zu fahren, Sport zu treiben, wieder kämpfen zu können...

Ich schüttelte den Kopf und schlug mir selbst auf die Wangen, um wieder klar zu werden. Soweit war ich schon, daß ich daran dachte, ein junges Leben zu zerstören, um mein altes zu verbessern. Sie konnte für ihr Leben nichts, ich nichts für meins. Das ganze beschissene Spiel nannte sich Schicksal. Mehr war nicht dran.

Ich stand wie jeden Morgen vorsichtig auf, belastete wie jeden Morgen den linken Fuß stärker und stärker, bis er sich an seine Aufgaben erinnerte, bewegte wie jeden Morgen das linke Knie einige Male, bis es wieder locker wurde, und konnte dann endlich auf Toilette gehen. Waschen, Rasieren und Zähneputzen ließ ich sein; für wen denn auch? Für mich? Drauf geschissen.

Ich zog mir den dicken Jogginganzug an, in dem mir nicht kalt wurde, wenn ich stundenlang auf dem Sofa lag und in die Flimmerkiste starrte, und ging dann langsam die Treppe nach unten hinunter. Vanessa wirbelte in der Küche herum. Als sie mich bemerkte, schenkte sie mir einen strafenden Blick.

"Keine Eier. Keine Milch. Kein Öl. Wie soll man denn da ein Frühstück machen?"

"Wie ich, Kleine. Klatsch dir 'ne Scheibe Brot auf den Teller, mach Butter drauf, und friß es." Ich lächelte bitter. "Ich sagte doch, daß ich schwer reich bin."

Vanessa ließ die Schultern fallen und seufzte.

"Das sollte ein Scherz werden, Mann!" meinte sie leise. Nun zuckte ich mit den Schultern.

"Für Scherze bin ich nicht der richtige Typ. Oder ich bin im falschen Leben, wie du sagen würdest."

"Das kann man ändern." Sie sah mich fest an. "Mein Leben war auch Scheiße. Haben Sie ja gestern gesehen, wie mein Rücken aussieht. Trotzdem glaube ich daran, daß ich es irgendwann gut haben werde."

Ich dachte an ihre Zukunft und nickte. "Sicher. Ganz klar. Da glaub mal ganz fest dran."

"Tu ich auch." Sie hielt meinem Blick stand, bis ich weg sah, und kümmerte sich dann weiter um das Frühstück. Ich wollte ihr helfen, doch sie wehrte lächelnd ab.

"Ich mach schon. Als Dankeschön, daß ich hier übernachten durfte."

Ich setzte mich seufzend an den kleinen Küchentisch und sah ihr zu. Sie trug wie ich einen Jogginganzug, nur saß ihrer wesentlich besser und betonte ihre schlanke Figur. Wäre ich 30 Jahre jünger gewesen, hätte ich sofort zugegeben, daß sie ein sehr hübsches Mädchen war, doch so... Es war besser, mich erst gar nicht an sie zu gewöhnen. Um so schlimmer würde es sein, wenn sie wieder weg war. Diese Lektion hatte meine ehemalige Freundin mir gründlich beigebracht.

Vanessa stellte nach und nach alles auf den Tisch, was irgendwie nach eßbarem Frühstück aussah, und fragte schließlich: "Haben Sie Kerzen?"

"Kerzen?" Ich lachte verblüfft. "Was zur Hölle soll ich mit Kerzen, Kind?"

"Dachte nur." Sie setzte sich mit gleichgültigem Gesicht hin. "Die kosten nicht viel, machen aber 'ne schöne Stimmung. Guten Hunger dann."

"Dir auch."

Kerzen. Ich schüttelte kurz den Kopf. Die kam auf Ideen... Was würde als nächstes kommen? Kleine Deckchen unter den Tellern? Bunte Aufkleber auf den Fliesen an der Wand? Tischdecke aus Leinen und Servietten aus Stoff womöglich? War das hier ein Luxushotel?

"Wann hast du vor, zu gehen?" fragte ich sie, ohne sie anzusehen. Ihre Antwort kam sehr schnell.

"Wann muß ich gehen?"

Ich sah auf, in ihre Augen. "Deine Tante wird dich als vermißt melden, Vanessa. Du kannst dich nicht ewig verstecken. Das muß dir klar sein."

"Nein." Sie lächelte. "Also klar ist mir das schon, aber sie wird das nicht tun. Sie wollte mich ja schon immer aus dem Haus haben. Sie wird mich von der Schule und bei der Stadt abmelden, und das war's. Sie wird niemandem sagen, daß ich weg bin. Nicht so weg. Also abgehauen. Bin ich ja auch nicht."

"Ich weiß", stöhnte ich. "Du bist einfach gegangen."

"Genau." Ihre blauen Augen hielten meinem Blick stand. "Ich habe entschieden, daß ich gehe. Nicht meine Tante."

"Aber immerhin hat sie dich dazu gebracht, daß du - Ach, vergiß es." Ich hatte kein Interesse an Streit. Nicht um diese Uhrzeit. Nicht an diesem Tag. Nicht in diesem Stadium meines Lebens.

"Ja, sie hat mich geschlagen", gab Vanessa störrisch zu. "Aber ich habe den Zeitpunkt bestimmt, wann ich gehe."

"Das hast du, Vanessa." Sie brauchte ihre Mauer. Wie ich meine.

"Genau. Ich. Nicht sie. Ich." Sie schaute mich herausfordernd an. Ich gab nach und sah auf meinen Teller.

"Fragen wir andersrum. Wie lange möchtest du hier bleiben?"

"Weiß nicht." Sie schaute nachdenklich nach draußen. "Es ist kalt draußen. Wo könnte ich denn noch unterkommen?"

"Wo immer du willst, Kind. Du mußt einfach nur jemanden fragen."

Ihr lautes Auflachen erschreckte mich.

"Herr Roth!", meinte sie fröhlich. "Klar! Ich muß nur jemanden fragen, und eine Stunde später liege ich irgendwo als Nutte im Bett und darf meinen ersten Freier bedienen. Nein danke. So kaputt bin ich noch nicht."

"Also hast du dir darüber schon Gedanken gemacht?"

"Ich bin ja nicht von Gestern", meinte sie etwas arrogant. "Ich bin zwar erst 13, aber nicht doof. Nicht so doof. Klar weiß ich, was mit Mädchen in meinem Alter passiert, die nirgendwo schlafen können. Die kein Zuhause haben. Das weiß ich alles. Aber das will ich nicht. Ich will keine Nutte werden, ich will nicht auf der Straße enden, und ich will nicht irgendwo als Sexsklavin landen."

"Na schön." Ich legte mein Brot auf den Teller und sah sie ganz offen an. "Wenn du das schon alles weißt, wirst du auch wissen, daß kaum einer ein 13jähriges Mädchen aus Freundlichkeit aufnimmt. Auch wenn du tausend Mal sagst, daß deine Tante dich nicht sucht, wird dir das doch niemand glauben. Und immer Angst haben, daß plötzlich die Bullen vor der Tür stehen. Welche Möglichkeiten hast du also noch?"

"Mich anbieten." Sie grinste, als ich zurück fuhr. "Nein! Nicht so! Meine Arbeitskraft, wie man so schön sagt. Ich kann den Haushalt machen. Ich kann kochen. Die Wäsche machen. Aufräumen. Sowas eben. Das kann ich alles. Und dafür verlange ich nur eine Ecke, wo ich schlafen kann, und Essen und Trinken."

Ich lachte. Ich lachte laut. Schallend. Herzhaft. Und sehr, sehr lange über so viel Dummheit und Naivität.

"Was denn?" fragte sie unschuldig, als ich mich langsam wieder einkriegte.

"Nichts." Ich wischte mir die Augen an meiner Joggingjacke ab. "Natürlich kannst du das verlangen, Vanessa. Und jeder Mann wird auch sofort zustimmen und gar nicht bemerken, daß du ein hübsches junges Mädchen bist. Du wirst jede Nacht in aller Ruhe schlafen können, weil sich kein Mann in deine Ecke schleicht, wo du friedlich schläfst, und sich an deinem Körper zu schaffen macht. Das sind alles nur böse Erfindungen von ebenso bösen Reportern. Alles nur Märchen."

"Schluß!" Sie wurde tatsächlich wütend. "Herr Roth, tun Sie nicht so, als wüßte ich nicht, was mir passieren kann. Das ist mir nämlich schon passiert. Da war ich elf. Mein Onkel hat mich vergewaltigt. Und ich hab von meiner Tante auch noch Prügel bekommen, weil sie sagte, ich hätte ihn verführt." Sie schlug wütend auf den Tisch.

"Wie zur Sau kann eine Elfjährige, die von Sex noch keine Ahnung hat, jemanden verführen? Hä? Hä?" Sie sah mich aufgebracht an. "Natürlich weiß ich, woran Männer denken. Das weiß ja jedes Mädchen. Ich weiß aber auch, wie ich mir die Männer einordnen muß. Nein, ich hab nicht viel Erfahrung mit Männern. Das geb ich zu. Aber ich hab vielen Männern in die Augen gesehen. Ich kann nämlich in den Augen lesen."

"Sicher kannst du das."

"Kann ich wohl!" Ihre Augen sprühten Funken. "Ich weiß, was ich sage. Von hundert Männern bin ich neunzig egal, fünf schauen mich an und überlegen, wie ich wohl in drei Jahren aussehe, vier wollen mich küssen, und einer will mich sofort ficken. Das sehe ich alles. Und ich sehe bei Ihnen, daß Sie Kinder für den letzten Dreck halten. Daß Sie einen Scheiß auf meine Zukunft geben. Ich aber nicht! Ich weiß, was ich will, und das kriege ich auch. Werden Sie schon sehen."

"Du wirst gleich etwas anderes kriegen", drohte ich. Sie hob den Kopf und blitzte mich an.

"Was denn? Eine Tracht Prügel? Na los! Vielleicht sind noch ein paar Stellen an meinem Rücken frei. Oder wollen Sie mir das Höschen herunter ziehen, wie mein Onkel? Mir den Arsch versohlen und mich dann vergewaltigen? Vorne und hinten? Oder schlagen Sie mich gleich bewußtlos und fallen dann über mich her? Oder schlagen Sie mich tot? Oder brechen Sie mir nur ein paar Knochen? Was denn nun?"

Entweder war dieses Dreckstück noch mehr auf Selbstzerstörung aus als ich, oder sie erkannte wirklich nicht die Gefahr.

"Doch, die kenne ich!" fuhr sie mich an. "Aber trotzdem! Jeder kann auf mich einschlagen, solange er will, aber deswegen habe ich immer noch meine Gedanken. Ich hab das mit elf überlebt, also werde ich es auch jetzt überleben. Und ich glaube kaum", fügte sie sehr bitter hinzu, "daß irgend jemand härter schlagen kann als meine Tante. Zehn Mal mit der Faust in die rechte Niere. Schaffen Sie das auch? Oder zwanzig Mal genau mit den Knöcheln auf die Wirbelsäule?" Sie lächelte grimmig. "Aber meine Tante hat eins nicht bedacht: daß bei Kindern noch alles sehr beweglich ist. Sich verschiebt. Meine Nieren sind in Ordnung, und die Wirbelsäule auch. Genau wie die Milz und die Leber. Die Lungen. Hat sie alles ausprobiert, aber ich lebe immer noch. Und genau deswegen weiß ich, daß ich überlebe. Daß ich alles überlebe. Da sorgt Gott schon für."

"O nein!" lachte ich ironisch. "Nicht den auch noch ins Spiel bringen. Bitte nicht! Auf den bin ich überhaupt nicht gut zu sprechen."

"Das ist Ihr Problem. Meins ist, irgendwo gut unter zu kommen. Ich schaff das auch. Was Sie mit Ihrem Leben machen..." Sie zuckte mit den Schultern.

"Du riskierst eine ganz schön dicke Lippe, Kleine."

"Und?" grinste sie breit. "Was wollen Sie tun? Mich rausschmeißen?"

"Ein Punkt für dich." Ich schaute sie an und entdeckte in mir etwas wie ganz leisen Respekt für sie. Sie wurde im gleichen Moment wieder friedlich.

"Ich hab mir wirklich viele Gedanken gemacht", sagte sie leise. "Gerade weil ich nicht auf der Straße landen will. Ich werde einfach mit offenen Augen durch die Welt gehen und jemanden finden, der mich aufnimmt. Der mich verpflegt, und für den ich die Wohnung sauber halte."

"Auch dabei vergißt du eins, Vanessa: daß Nähe auch Gefühle schafft. Es mag durchaus sein, daß du so jemanden findest, wie du suchst. Aber das bedeutet nicht, daß es für alle Zeit so bleiben muß. Du bist... 13?" Sie nickte.

"Also 13. Was ist, wenn du 14 bist? Oder 15? Wenn sich dein Körper mehr entwickelt? Glaubst du, du könntest im Haushalt eines Mannes leben, der diese Tatsachen einfach übersieht? Gerade weil du so mutterseelenallein bist, könnte das ein großer Anreiz sein. Besonders, wenn es ein lediger Mann ist. Dann ist der Anreiz so groß, daß ihm kaum ein Mann widerstehen kann."

"Sie auch nicht?"

"Ich?" Ich lachte herzhaft auf. "Kind! Du hast doch gestern gesehen, was mit mir los ist. Was würde passieren, wenn ich mich auf dich stürze? Es könnte gut gehen, aber ich würde mein Haus drauf wetten, daß schon beim ersten Schritt mein Knie wieder den Bach runter geht."

"Sehen Sie?" Sie nickte zufrieden. "Also könnte ich theoretisch bei Ihnen leben und trotzdem sicher sein."

"Vergiß es." Ich nahm mein Brot wieder in die Hand. "Erstens suche ich keine Freundin, Kind. Zweitens schon gar keine in deinem Alter."

"Hören Sie mir nicht zu?" grinste sie. "Ich will ja auch gar nicht Ihre Freundin sein. Weder Ihre noch die von jemand anderem. Ich will irgendwo wohnen, den Haushalt machen und dafür Essen bekommen. Und Trinken natürlich."

"Natürlich." Ich schüttelte den Kopf. "Nimm das jetzt nicht persönlich, aber du bist bescheuert."

"Wenigstens fühle ich mich wohl dabei", meinte sie mit einem versteckten Lächeln. "Und Sie? Sie sind doch auch nicht ganz beisammen. Vergraben sich hier, obwohl Sie laufen können. Gehen, meine ich. Gehen können Sie ja. Trotzdem bleiben Sie den ganzen Tag im Haus und versauern vor dem Fernseher."

"Woher weißt du denn das?" fragte ich verblüfft.

"Hab ich in Ihren Augen gelesen." Sie ließ mich einen Moment zappeln, bevor sie lächelte.

"Das habe ich gesehen, Herr Roth. Im Wohnzimmer liegt alles griffbereit um einen Platz auf dem Sofa herum: Fernbedienung, Sprudel, Fernsehzeitung, eine leere Packung Kekse. Und die Zeitung ist schon ganz schön abgegriffen, obwohl heute erst Dienstag ist. Sie blättern pausenlos hin und her, um etwas anderes zu suchen. Der eine Platz auf dem Sofa ist viel mehr durch gesessen als alle anderen. Sie tragen einen Jogginganzug, und Sie sehen nicht so aus, als wollten Sie heute noch mal nach draußen." Sie beugte sich etwas vor, ihre blauen Augen fixierten mich mit einem durchdringenden Blick. "Haben Sie überhaupt keinen Respekt vor sich selbst?"

Ich mußte tief durch atmen, um meine plötzlich auftretende Wut nicht nach außen zu lassen.

"Hör gut zu, Kleine", sagte ich leise. "Du magst den vollen Durchblick haben, aber das gibt dir nicht das Recht, andere so zu beleidigen, wie du es gerade getan hast. Klar?"

"Ja." Sie nickte unbeeindruckt. "Ich dachte halt nur. Ich hätte vielleicht auch Grund, mich aufzugeben, aber ich glaube daran, daß ich irgendwann mal glücklich sein werde. Daran glaube ich ganz fest, und Gott hilft mir dabei." In ihrem Blick war keine Spur von Spott. Nur feste, unbedingte Überzeugung.

"Machen wir einen Handel?" fragte sie übergangslos. "Ich schaff hier in der Küche Ordnung, und dafür darf ich bis morgen früh bleiben?"

"Was willst du denn hier in Ordnung bringen?"

"Kühlschrank. Der muß abtauen. Im Gefrierfach liegen Fischstäbchen, die schon seit zwei Jahren nicht mehr genießbar sind, aber die sind so fest gefroren, daß die nicht mehr raus gehen. Staub wischen. Auf den Schränken liegt dicker Staub. Alles mal gründlich wischen." Sie schaute mich fragend an. "Ich kann auch einkaufen, wenn ich weiß, wo hier die Geschäfte sind. Gut und preiswert einkaufen. Gilt der Handel?"

"Das alles willst du für eine Übernachtung und drei Mahlzeiten machen?" grinste ich. Sie nickte ernst.

"Genau. Einverstanden?"

"Sicher. So einen Deal lasse ich mir nicht entgehen."

"Gut. Dann gehe ich gleich einkaufen. Quittung bringe ich mit, und Sie geben mir das Geld zurück. Damit Sie nicht denken, ich gehe mit dem Geld laufen."

Das hatte ich tatsächlich angenommen. Vanessa lächelte leicht.

"Hätte ich auch. Deswegen hab ich's ja angeboten. Und nur deswegen hab ich meiner Tante die fünfzig Mark geklaut. Ich hab mir wirklich alles überlegt."

Mein Respekt für dieses Mädchen wuchs.

"Na schön", meinte ich friedlich. "Allerdings kann ich dir kein Festmahl bieten, Vanessa."

"Müssen Sie auch nicht. Ich weiß, wie man ohne viel Geld leckeres und gesundes Essen macht."

"Das glaube ich dir sogar. Doch ein einziger Punkt fehlt noch, Kind: was ist mit Schule? Auch wenn deine Tante dich tatsächlich sozusagen aus der Stadt löscht, mußt du doch was lernen."

"Schule ist abgehakt." Sie lächelte herzlich. "Für dieses Jahr wenigstens. Durch die Prügel habe ich ziemlich oft gefehlt, weil ich manchmal nicht mal mehr laufen konnte. Unseren Lehrern ist das ziemlich egal, ob wir da sind oder nicht. Die sind sogar froh, wenn welche fehlen, denn dann ist mehr Ruhe in der Klasse. Nach den Sommerferien mache ich die siebte Klasse noch mal. Bis dahin habe ich jemanden gefunden, bei dem ich wohnen kann."

Ihre Sicherheit überraschte mich. "Das glaubst du wirklich, nicht wahr?"

"Ja", nickte sie. "Ich glaube das, ich bin überzeugt davon, und ich weiß, daß es so kommt. Gott läßt mich nicht auf der Straße landen. Ganz bestimmt nicht. Außerdem kann ich ein paar Monate Ferien im Moment gut gebrauchen. Mal alles richtig auskurieren." Sie lächelte entschuldigend. "Und zur Ruhe kommen. War ganz schön stressig in den letzten Jahren."

"Das kann ich mir denken, Vanessa. Allerdings glaube ich dir den Punkt mit der Vergewaltigung nicht. Kein Mädchen deines Alters redet so locker und unbefangen darüber."

"Ich weiß", gab sie ohne zu zögern zu. "Weil kein Mädchen meines Alters sich damit beschäftigt. Ich habe darüber viel - Nein. Ich denke überhaupt sehr viel nach, Herr Roth." Sie nahm sich eine zweite Scheibe Brot und schmierte sie, während sie weiter redete. Wenn sie aufsah und mich anblickte, waren ihre Augen kalt, als würde sie über etwas reden, daß sie so gerade eben verarbeitet hatte. Auch den Blick kannte ich, und ich wußte, daß der nicht gespielt werden konnte. Nicht von einem kleinen Mädchen wie ihr.

"Mein Onkel hat meinen Körper benutzt. Gegen meinen Willen. Sicher war das ein Schock; vor allem, weil ich überhaupt nicht gewußt habe, was er da eigentlich treibt. Dann tat es auch noch sehr weh, als mein Häutchen kaputt ging, und hinten... Das war wie Hölle. Mein After ist sogar etwas aufgerissen und hat zwei Tage lang geblutet. Aber trotzdem hat er nur meinen Körper benutzt. Lieb gehabt habe ich ihn nicht. Für mich war die Sache klar. Er hat was mit mir gemacht, was ich nicht wollte. Wie die Prügel meiner Tante. Das war für mich das gleiche. Etwas, was irgendwann vorbei sein würde. Nach und nach bekam ich dann auch zusammen, wieso er das gemacht hatte, und dann war mir klar, daß er ein noch ärmeres Schwein als ich ist. Er mußte kleine Mädchen vergewaltigen, um Sex zu haben, weil ihn keine Frau wollte. Nicht mal seine eigene. Die hat ihn anschließend raus geschmissen; da wollte sie ganz auf Nummer Sicher gehen. Oder sie wollte die einzige sein, die mich quält. Das weiß ich nicht so genau." Sie lächelte schief.

"Ich erzähle nicht genau, was er gemacht hat, weil ich Sie ja kaum kenne und mir das dann doch zu peinlich ist, aber daß ich vergewaltigt worden bin, sage ich ganz offen. Ich hab's verarbeitet, wie man so sagt. Viel drüber nachgedacht, und irgendwann war es dann gut. Es war passiert, und Ende. Wenn ich immer noch darüber jammern würde, könnte ich nicht an mein Glück glauben, also laß ich es. Ganz einfach."

"Ganz einfach!" Ich lachte herzhaft. "Jetzt sag mir noch, warum du überhaupt so lange da geblieben bist, und dann glaube ich dir vielleicht."

"Weil vorher nicht der richtige Zeitpunkt war", erwiderte sie in aller Ruhe. "Erst gestern war es richtig. Da hatte ich das ganz feste Gefühl, daß es jetzt Zeit sei. Und da bin ich eben gegangen."

Ich grinste breit. "Hat dein lieber Gott dich zu mir geschickt?"

"Ja." Ihr Blick, ihr Gesicht und ihre Stimme blieben ruhig, gefaßt, bestimmt. "Das hat er. Das können Sie glauben oder nicht, aber für mich ist das so. Deswegen sagte ich ja gestern, daß ich den Zeitpunkt bestimmt habe. Gott hat mir das Gefühl gegeben, daß es jetzt Zeit sei, und ich habe dann entschieden, auf ihn zu hören und zu gehen."

"Alles, was du sagst, Kind." Ich biß lächelnd in mein Brot. Vanessa schaute mich einen Moment lang an, bevor sie den Kopf senkte und sich um ihr Frühstück kümmerte.

Was hatte ich mir da bloß ins Haus geholt? Eine 13jährige religiöse Fanatikerin. Der Tag mußte einfach perfekt werden. Ich hatte schon jetzt mehr gelacht als in diesem ganzen Jahr, und dabei waren wir erst beim Frühstück. Vielleicht, dachte ich schmunzelnd, sollte ich sie wirklich behalten. Als eine Art Hofnarr. Lustig war es auf jeden Fall mit ihr.







Vanessa ging gleich nach dem Frühstück einkaufen. Ich hatte ihr erklärt, wo die Geschäfte lagen, und sie hatte sich zwei Tragetaschen aus Stoff aus der Küche eingepackt, bevor sie mit einem scheuen Winken und einem leichten Lächeln das Haus verließ. Das gab mir Gelegenheit, ihre Sachen anzuschauen. Sie hatte so in meiner Seele, in meinen Gefühlen herum gewühlt, daß ich es nur gerecht fand, das gleiche bei ihren Sachen zu tun.

Ich fand nichts Interessantes. Sie hatte jede Menge Unterwäsche und Socken dabei, viele T-Shirts, drei Pullover, zwei Hosen und ein zweites Paar Schuhe. In einer Seitentasche fand ich eine kleine Packung Binden, in einer anderen ihre Geburtsurkunde und einen Kinderausweis. Vanessa Schmidt, geboren in Velbert (das lag irgendwo bei Wuppertal, wenn ich mich recht erinnerte), am 14.3.1987. Also würde sie erst in einem Monat 13 werden.

Ich sah ihr diese kleine Lüge nach. Mein Geburtstag lag im Mai, doch ich fühlte mich schon jetzt wie 43. Außerdem benahm sie sich in der Tat nicht wie ein Kind. Doch auch wenn der Schnitt zwischen 12 und 13, also zwischen Kind und Teenager, von der Zahl her ein recht deutlicher war, war das "Hineinwachsen" in den Teenager doch ein fließender, unmerklicher Vorgang. Es geschah Tag für Tag, und wenn sie wirklich viel nachdachte - was ich ihr mittlerweile doch glaubte - dann überraschten mich ihre Sätze und Gedanken nicht mehr so stark.

Im Bad fand ich nur ihre Zahnbürste, eine fast leere Tube Zahnpasta, einen dicken Kamm und eine Bürste. Auf dem Rand der Badewanne lag ein Taschenbuch: "Momo".

Achselzuckend schaute ich in den Spiegel. Ich rasierte mich sonst nur alle drei Tage. Für mehr war ich zu faul, für weniger war mein Bartwuchs zu dicht. Am vierten Tag mußte ich schon richtig arbeiten, um die Stoppeln zu entfernen; am dritten Tag ging es noch viel leichter. Heute war der zweite Tag.

Ich schaute mich einen Moment an und fand Essensreste von gestern zwischen den Zähnen, neben denen von heute Morgen. Meine Fingernägel waren unter den Rändern dunkel vor Schmutz. Sie hatte recht: ich sah tatsächlich nicht so aus, als wollte ich nach draußen gehen. Dann dachte ich an das Mädchen. An ihre Geste, wie sie ihr Haar gelockert hatte. An ihr frisch gewaschenes, sauberes Gesicht. Die sauberen Finger und Nägel. Ihren Geruch nach Dusche und Seife.

Darüber dachte ich sehr lange nach.



* * *



"Wow!" Vanessas Augen leuchteten auf, als sie in die Küche kam. "Sie sehen ja richtig gut aus!" Sie stellte die zwei Stofftaschen auf die Spüle, kam zu mir und strich mir mit den Fingerspitzen staunend über die glatten Wangen. Dann zog sie die Luft in die Nase.

"Lecker!" meinte sie anerkennend. "Rasierwasser?"

"Genau." Ich kam mir richtig blöd vor, mich extra wegen eines Kindes so heraus geputzt zu haben, doch gleichzeitig fühlte ich mich wesentlich frischer und sauberer. Die ausgiebige Dusche hatte sehr gut getan.

"Gefällt mir." Ihre blauen Augen leuchteten vor Freude. "Riecht schön männlich. Nicht übertrieben und nicht zu herb. Doch, mag ich."

"Du riechst auch lecker", gab ich etwas verlegen zu. "Was hast du eingekauft?"

"Etwas Vorrat." Sie strahlte mich noch einen Moment an, dann hüpfte sie zu den Taschen und räumte sie aus. Bei der Menge an Dosen und Netzen und Tüten, die heraus kam, wurde mir übel. Das waren doch mindestens hundert Mark!

"Die sind etwas teurer als bei uns", meinte Vanessa in diesem Moment, ohne mich anzusehen. "Bei uns zahle ich dafür knapp dreißig Mark, aber hier waren es sechsunddreißig. Hier ist die Quittung."

Ich starrte fassungslos auf den Kassenbon. DM 36,51. Mein Blick flog zu ihren Einkäufen. Ich fand Kartoffeln, Erbsen, Möhren, Blumenkohl, Salat, ein bißchen Obst, jede Menge Suppen, etwas Fleisch, kleine Dosen Gewürze, und sogar Süßigkeiten. Das konnte nicht sein! Sie hatte bestimmt etwas so mitgehen lassen.

Ich ging mit dem Zettel zur Spüle und verglich. Hinterher starrte ich sie fassungslos an; sie hatte für jedes einzelne Teil bezahlt. Vanessa lächelte tief, als sie mein Gesicht sah.

"Ich sagte doch, ich kann gut und preiswert einkaufen. Das reicht bis zum Wochenende. Jetzt raus mit Ihnen; ich muß arbeiten."

Und das tat sie. In den nächsten zwei Stunden hörte ich sie nur rumoren und wirbeln, untermalt von dem köstlichen Geruch nach leckerem Essen. Zwischendurch lief sie zwei Mal nach draußen, in der Hand eine Plastiktüte voller Abfall. Danach wurde es relativ ruhig, nur noch die Geräusche von Kochen und Braten drangen an mein Ohr.

Es war fast halb drei, als sie fröhlich in der Tür zum Wohnzimmer erschien.

"Essen!" rief sie munter. Ich sprang beinahe auf; von dem Geruch des Essens schon sehr hungrig. Vanessa strahlte mich an und lief vor. In der Tür zur Küche blieb ich wie erstarrt stehen.

Die Küche sah aus, als sollte sie für einen Prospekt fotografiert werden. Boden, Schränke, Spüle, Arbeitsplatte und Herd blitzten, als wären sie brandneu. Das schmutzige Geschirr vom Morgen war verschwunden, die Trockentücher hingen ordentlich über der Heizung. Der kleine Eßtisch brach unter der Last von Tellern, Besteck, Töpfen und Pfanne beinahe zusammen. Sprachlos setzte ich mich. Vanessa füllte meinen Teller mit ein paar Kartoffeln, Blumenkohl, Erbsen und Fleisch, bevor sie sich Essen gab.

"Mahlzeit!" Sie lachte mich fröhlich an. "Und? Hab ich mir die Übernachtung verdient?"

"Das hast du weiß Gott!" entfuhr mir. Vanessa grinste.

"Der weiß das sowieso. Guten Hunger."

"Dir auch." Ich stach mit der Gabel ein Stück von einer Kartoffel ab, tunkte es in die dünne Soße und führte es vorsichtig zum Mund.

"Hmm!" machte ich im nächsten Moment überwältigt. "Ist das lecker!"

"Danke." Sie freute sich unsagbar, das sah ich ihr an, obwohl ich nicht in Augen lesen konnte. Es schmeckte aber auch fantastisch. Die Kartoffeln waren etwas mürbe, doch es waren Kartoffeln. Frische Kartoffeln. Keine trockene Pappe für die Mikrowelle. Der Blumenkohl schmeckte saftig und frisch, wie die Erbsen. Das Fleisch gehörte wieder zur billigen Sorte, aber wie lange hatte ich schon kein anständig zubereitetes Fleisch mehr gegessen! Vor allem nicht so lecker gewürzt wie dieses.

Vanessa wurde rot vor Stolz und Freude, als ich ihr einen überwältigten, anerkennenden Blick schenkte. Dann sah sie auf ihren Teller und aß. Wie ich.

Das in meinen Augen unvorstellbar leckere Essen krönte sie mit Vanillepudding, den ich ebenso gierig verschlang wie den Hauptgang. Anschließend ließ ich mich vollgestopft in den Stuhl sinken und schaute sie an.

"Ich weiß ganz genau, was du vorhast, Kleine. Du willst dich hier einschmeicheln und mich einwickeln, damit du hier bleiben kannst. Stimmt's?"

Vanessa schaute schuldbewußt auf den Tisch, ihre Wangen wurden rot. Dann sah sie wieder auf und öffnete den Mund, um sich zu rechtfertigen, doch ich kam ihr zuvor.

"Und wenn du so weiter machst, schaffst du es auch."

Sie starrte mich einen Moment verblüfft an, dann zog ein strahlendes Lachen über ihr Gesicht.

Kapitel 2
Was soll ich lange drum herum reden: Vanessa blieb bei mir. Innerhalb von einer Woche hatte sie mein Haus von oben bis unten auf Vordermann gebracht; jeden Tag ein Zimmer, am fünften Tag die beiden Badezimmer, am sechsten die Fenster im Erdgeschoß, und am siebten die Fenster im Obergeschoß. Das Haus blitzte und blinkte, wie es selbst vor meinem Kauf nicht getan hatte. Gleichzeitig senkte sie die Kosten für meine Einkäufe um ein solches Maß, daß ich für zwei Personen nur wenig mehr als vorher für mich alleine ausgab. Dabei war das, was auf den Tisch kam, hundert Mal gesünder als der Fraß, den ich vorher gekauft hatte, und schmeckte hundert Mal besser.

Und sie war eine sehr angenehme Gesellschaft, wie ich nach dieser Woche zugestehen mußte. Von ihrem Fimmel mit Gott mal abgesehen, konnten wir uns gut unterhalten. Sie war humorvoll und schlagfertig, ließ sich nie den Mund verbieten und sprach aus, was sie dachte. Wenn sie ein Zimmer fertig hatte, kam sie ins Wohnzimmer, drehte mir den Rücken zu, zog sich T-Shirt und Unterhemd aus, legte sich mit dem Bauch auf das Sofa, stopfte sich die Decke an die Seite, um ihre kleinen Brüste zu verstecken, und blieb dann liegen, um ihrem malträtierten Rücken auszuheilen. Doch von mir aus hätte sie auch nackt dort liegen können, und ich hätte sie genauso wenig als Frau angesehen wie in diesem halbnackten Zustand.

Sie hatte schlechtes Heilfleisch. Die Prellungen und blauen Flecken verschwanden nur sehr, sehr langsam, doch nach insgesamt drei Wochen war ihr Rücken wieder in Ordnung. Sie duzte mich inzwischen; das kam mir irgendwo fairer vor. Sie rackerte sich ab und schuftete, und dann sollte sie auch noch 'Sie' zu mir sagen? Fand ich beknackt.

Mittlerweile hatte ich auch meinen Wagen verkauft; an einen Schrotthändler, für 300 Mark. Der würde ihn reparieren und verkaufen, das war mir schon klar. Auch, daß er dabei den besseren Schnitt machen würde. Aber so war mein Leben nun mal. Immer ging es den anderen besser. Selbst Vanessa, die für ihr zartes Alter schon genug mitgemacht und erlitten hatte, besaß einen größeren Halt als ich: ihren Glauben an Gott, über den ich mich nicht mehr lustig machen konnte, der mir sogar sehr imponierte. Sie redete nicht viel über Gott. Nicht mehr, seitdem sie mir erklärt hatte, wie sehr er an ihrem Leben beteiligt sei. Daß sie keine "Stimmen" hören, sondern nur spüren würde, wann für etwas ein guter oder ein schlechter Zeitpunkt sei. Welcher Mensch gut für sie sein würde, und welcher nicht. Sehr viel mehr erzählte sie nicht darüber, doch ich sah es ihr an. Ihr "lieber Gott" war bei jeder Tätigkeit dabei. Vanessa ging ihrer Arbeit mit so viel Freude und Hingabe nach, daß ich begann, mir ernsthafte Gedanken über sie, über ihren himmlischen Freund, und über mich zu machen. Tiefe Gedanken.

Wie über die Hygiene, die bei mir die Note "Ungenügend" verdient hätte. Ich konnte es nicht von heute auf morgen ändern; dafür waren fast vier Jahre einfach zu lang. Doch nach vier Wochen war ich soweit, daß ich mich morgens duschte, meistens nach ihr, und so fertig machte, als müßte ich zur Arbeit gehen. Ich kam mir erst blöd vor, weil ich ja doch nur zu Hause blieb, doch die Blicke von Vanessa, mit denen sie mich ansah, waren es wert. Sie freute sich für mich, daß ich langsam wieder aus meiner Trauer heraus kam, und das freute wiederum mich.

Zu ihrem Geburtstag am 14. März schenkte ich ihr eine gute Armbanduhr, die ich mir so gerade eben leisten konnte. Vanessa flippte beinahe aus vor Glück. Sie umarmte mich stürmisch, als sie sie angelegt hatte, und da geschah das, was ich ihr damals gesagt hatte: durch die Nähe zu ihr erwachten bestimmte Gefühle in mir. Sie war erst 13, aber sie war ein weibliches Wesen, und ich nun mal ein männliches. Ich drückte sie kräftig an mich, ging gleichzeitig mit dem Unterleib auf Abstand (so viel Verstand hatte ich noch), und wunderte mich sehr, als sie den Abstand wieder verringerte und sich mit Ober- und Unterkörper an mich schmiegte.

Minutenlang standen wir einfach so da, hielten uns im Arm, und ich streichelte ihr feines, volles Haar. Dann machte sie den großen Fehler, der unsere "Geschäftsbeziehung" auf eine neue Stufe hob: sie schaute mich an, mit sehr viel Gefühl in ihren wunderschönen blauen Augen. Und natürlich reagierte ich sofort auf diesen Blick, senkte meinen Kopf und küßte sie. Erst als ich ihre weichen, warmen Lippen unter den meinen spürte, erkannte ich, was ich da tat. Zu Tode erschrocken wollte ich meinen Kopf zurück reißen, doch da hatte ich schon Vanessas Arme um meinen Hals, und sie hielt mich fest, während gleichzeitig ihre kleine Zunge in meinen Mund fuhr.

Da vergaß ich, daß sie erst 13 war. Das darf mir auch niemand übel nehmen, denn welches 13jährige Mädchen konnte schon so gut und geschickt küssen? Meine Hände fuhren über ihren verheilten Rücken, zogen das T-Shirt aus der Hose, strichen über ihre warme, glatte Haut, vom Bund der Jeans bis fast zum Nacken; eben so weit, wie das Shirt es erlaubte.

Doch Vanessa wehrte sich nicht. Sie gab nicht einmal einen Ton des Mißfallens von sich. Sie drückte sich im Gegenteil noch enger an mich, verstärkte ihre Umarmung und ließ ihre Zunge geschickt und voller Gefühl um meine lecken. Irgendwann spürte ich, daß ich nur noch einen winzig kleinen Schritt davon entfernt war, sie komplett auszuziehen, und da meldete sich der Verstand wieder zu Wort.

Ich zog meinen Kopf zurück, drückte den ihren an meine Brust und legte meine Wange auf ihr Haupt. Vanessa kuschelte sich an mich, umarmte mich und sagte keinen Ton, doch ich spürte, daß es ihr gefallen hatte. Der Kuß, das Streicheln, das Gefühl zwischen uns.

Doch was nun? Sie war 13. Ich konnte sie nicht wie eine erwachsene Frau behandeln, sie in mein Schlafzimmer führen und mit ihr schlafen. Das ging nicht. Erstens, weil sie erst 13 war, und zweitens, weil sie diese schlimme Erfahrung gemacht hatte. Sobald sie mich nackt sehen würde, käme die Erinnerung an ihren Onkel wieder hoch, von dem sie mir mittlerweile so viele Details verraten hatte, daß ich ihr die Vergewaltigung ohne jeden Zweifel abkaufte.

Also: was nun? Wie sollte es weiter gehen? Konnte es überhaupt weiter gehen? Wollte sie, daß es weiter geht? Und wenn ja: wie weit? Küssen war eine Sache, Sex eine andere. Eine ganz andere, viel intimere und intensivere. Und mit ihrem Hintergrund...

Ich drückte sie an mich, den Kopf voller Zweifel und Fragen. Da hob sie ihr Köpfchen und schaute mich ernst an.

"Gib mir noch etwas Zeit, ja?" bat sie leise. "Das mit meinem Onkel ist verarbeitet, aber... Na ja, etwas Angst ist halt noch da. Weil er mich so furchtbar geschlagen hat dabei. Das gehört für mich noch zusammen, aber daran arbeite ich auch. Daß ich das trennen kann."

"Du mußt keine Angst haben." Ich drückte sie gerührt. "Nicht die geringste, Vanessa. Wir sind wohl beide gerade etwas überrascht worden, oder?"

"Nein." Ihre Augen schimmerten fröhlich. "Ich nicht. Ich wollte das schon seit letzter Woche. Seit mein Rücken wieder in Ordnung ist."

"Du kleiner Satansbraten scheinst viel mehr zu planen, als du mir erzählst, was?"

"Genau!" Sie strahlte mich an. "Mußt ja nicht alles wissen."

"Eins schon: woher kannst du so küssen?"

"Vom Frank. Das war ein Junge aus dem Nachbarhaus. Der ist 16. Der hat mir das gezeigt. Nein. Ich wollte, daß er mir das zeigt. Mir das beibringt." Ihr Blick wurde besorgt. "War es nicht gut?"

"Doch, Vanessa. Sogar sehr gut. Fast schon zu gut."

Sie kicherte leise. "Ich weiß. In mir ging auch viel ab. Kannst du im Sitzen küssen, oder tut dann dein Knie wieder weh?"

"Nicht, wenn du auf meinem Schoß sitzt."

Sie schaute mich verlangend an. "Dann probieren wir das doch mal."

"Willst du das wirklich?" vergewisserte ich mich. Sie nickte ernst.

"Ja. Weil ich dich mag. Weil du nett zu mir bist. Weil du so tust, als wäre ich nicht nur deine Sklavin, sondern ein richtiger Mensch. Du redest ganz normal mit mir, schimpfst mit mir wie mit deinen Freunden, und tust mir nichts." Ihr Blick verschleierte sich, und sie zog das T-Shirt auch vorne aus der Hose.

"Jetzt sollst du mir aber was tun", sagte sie leise. "Alles ab Jeans nach oben ist erlaubt."

"Alles?" fragte ich ungläubig.

"Ja. Alles. Komm." Sie schob mich vorsichtig zum Sofa, auf das ich mich setzte. Vanessa kam auf meinen Schoß, breitbeinig. Sie wartete, bis ich zögernd meine Hände an ihre bloßen Seiten gelegt hatte, dann nickte sie, lächelte mich voller Verlangen an und küßte mich.

Dieses Mal schlug ihr Kuß noch mehr durch. Meine Hände machten sich selbständig, streichelten sich über ihren warmen, festen Bauch nach oben, bis zu den beiden walnußgroßen Hügeln. Vanessa zuckte zusammen, seufzte gleichzeitig leise und preßte sich enger an mich. Ihre Zunge schaltete in den zweiten Gang, leckte über meine Zähne und das Zahnfleisch, und ich legte meine Fingerspitzen auf das weiche Fleisch ihrer warmen Kinderbrüste, spürte das abwechselnd harte und weiche Gewebe darunter, massierte und streichelte es sanft, saugte ihre Zunge verspielt in meinen Mund, hielt sie mit den Zähnen fest und gab sie wieder frei. Vanessa klemmte mich zwischen ihren Oberschenkeln ein, als hätte sie Angst, daß ich plötzlich nicht mehr da sein könnte, leckte über meine Lippen, fing ihrerseits meine Zunge ein, knabberte zärtlich daran, ließ sie so zögernd los, daß ich das rauhe Ende ihrer Schneidezähne über meine Zunge gleiten spürte, nahm ihre zwei harten Brustwarzen zwischen je zwei Finger und drehte sie, drückte sie, zog daran, rollte sie. Vanessa seufzte laut, stöhnte leise, drückte ihre Brust weit heraus, schmiegte sich noch enger an mich, verwöhnte mich und ließ sich verwöhnen. Der Kuß wurde leidenschaftlicher, erregter, wie meine Finger an ihren kleinen Mädchenbrüsten. Plötzlich zog sie ihren Kopf zurück und schaute mich mit verschwommenen, erregten Augen an.

"Ich muß was los werden", flüsterte sie. "Du auch?"

Ich nickte mit trockenem Mund.

"Gut." Sie schien sich darüber sogar zu freuen. "Ich lauf nach oben, und du machst unten. Okay?"

"Okay." Ich drückte sie wieder an mich, um Vorrat zu sammeln für gleich. Sie warf ihre Arme um mich, preßte ihre Lippen auf meinen Mund, schob ihre Zunge heraus. Ich ging gleich wieder unter ihr T-Shirt, zu ihren herrlich kleinen Brüsten, die mich so sehr erregten, spielte mit ihrer Zunge, nahm das Mädchen mit allen Sinnen auf, bis sie sich schwer atmend von mir löste, aufstand und nach oben lief. Ich stand wesentlich langsamer auf, ging mit wackeligen Knien und schmerzenden Hoden ins Gästebad und tat etwas gegen den Überdruck in meinen Lenden.

Ein junges Mädchen von gerade mal 13 Jahren.

Das mich so sehr erregte.

Das konnte nicht nur an ihrem Alter liegen, genauso wenig wie an meiner Abstinenz der letzten Jahre. Da war mehr im Spiel. Was, wußte ich noch nicht, aber es war da.

Ich packte meinen Schwanz aus, dachte an ihren Geschmack, an ihre Brüste, an ihr weiches, warmes Fleisch, und wichste mich, daß es nur so krachte.

* * *

"Es war grausam, Martin." Sie kuschelte sich in meinen Arm, schmiegte sich an mich, legte einen Arm um meine Brust und starrte aus dem Fenster ins Nichts.

"Ich war schon am Schlafen, als er rein kam. Ich wurde wach, weil er die Tür von innen abschloß. Er hatte Licht angemacht. Er schaute mich so ganz komisch an. So hat er vorher nie geguckt, und ich kriegte ein ganz komisches Gefühl. Stärker als Angst. Bei Angst kann man ja noch was tun, ausweichen oder weglaufen und so. Aber das ging da nicht mehr. Das spürte ich. Er zog sich ganz aus, was mir noch mehr Angst machte, und legte sich in mein Bett. Ich fragte ihn, was los ist, aber er sagte kein Ton. Er schaute mich nur so komisch an. Ich wollte aufstehen, aber er hielt mich fest und knallte mir eine. Da kriegte ich richtig Panik. Die Schläge von meiner Tante waren ja schon fest, aber er... Er hat voll zugelangt. Ich dachte, mir platzt der Kopf. Dann fing er an, mir meinen Schlafanzug auszuziehen. Ich hatte so Angst vor ihm, Martin! Ich wußte überhaupt nicht, was er von mir wollte, und ich hatte Schiß bis obenhin, daß er mir noch mal so eine langt. Als ich nackt war, fing er an, mich von oben bis unten zu betatschen, aber vor allem meine Brust, die ja noch völlig flach war, und zwischen den Beinen. Ich hab überhaupt keinen Schimmer gehabt, was der ganze Scheiß sollte! Was war da unten so interessant? Da kam doch nur das Pipi raus. Aber er konnte seine Finger nicht mehr da weg nehmen. Ich hab ganz still da gelegen und furchtbare Angst gehabt. Ich hab nicht mal gewagt, zu weinen oder zu schreien. Irgendwann hat er mich auf den Bauch gerollt und fing dann hinten an, zu fummeln. Als er mir dann seinen Finger hinten rein gesteckt hat, wollte ich weg, aber er gab mir so einen harten Schlag in den Rücken, daß ich mich gar nicht mehr bewegen konnte. Dann drehte er mich wieder zurück und steckte den Finger da unten rein. Und das tat weh. Das tat höllisch weh, Martin. Etwas in mir, was ich damals noch nicht kannte, ging kaputt, und das tat so weh, daß mir die Tränen kamen. Dann stieg er auf mich drauf, packte meine Hände in meinen Rücken und rieb sein -sein Ding an meiner Scheide. Und dann hatte ich es auch schon drin." Vanessa atmete tief durch und hielt mit Müh und Not die Tränen zurück.

"Das kannst du dir nicht vorstellen", sagte sie leise. "Das kann sich kein Mann vorstellen, Frank. Deine Scheide tut weh, weil irgendwas da drin kaputt gegangen ist, und du weißt nicht, was. Auf jeden Fall hast du wahnsinnige Angst. Dann tut sie weh, weil sie so verdammt weit gemacht wird, so weit wie nie zuvor, und sie tut weh, weil sein - sein Ding da drin herum tobt. Es tut nur noch weh, du hast Angst bis obenhin, weil du nicht weißt, was da überhaupt mit dir passiert, du spürst seinen widerlichen Atem, der dir ins Gesicht bläst, du spürst sein Gewicht, mit dem er dich fest hält, und dann küßt er dich auch noch. Schiebt dir seine Zunge in den Mund. Das kann sich überhaupt keiner vorstellen, wie das ist. Ich hab tote Maus gespielt, weil ich dachte, beim ersten Ton schlägt er mich tot. Irgendwann stöhnte er dann, und unten wurde alles voll und naß. Noch voller und nasser als vorher. Dann zog er sein Ding raus, drehte mich um, schob mir die Knie unter den Bauch, daß ich hockte, griff mir voll an die Scheide, nahm den ganzen Scheiß da und rieb mir das auf den Arsch. Immer wieder. Dann fing er an, den ganzen Mist in meinen Hintern zu drücken, und kurz darauf stieß er mir sein Ding hinten rein. Da dachte ich wirklich, daß ich sterbe. Ich spürte, wie etwas da hinten riß und blutete. Ich hab leise vor Schmerz geweint, und er... Er schlug zu, Martin. Richtig zu. Erst mit der Faust an den Kopf, dann mit der Faust in den Rücken, genau ins Kreuz." Sie schüttelte den Kopf.

"Ich war elf Jahre alt", flüsterte sie. "Ganze elf Jahre. Wie kann sich eine Elfjährige dagegen wehren? Nicht nur gegen die Vergewaltigung, sondern auch gegen diesen furchtbaren Schmerz? Wie soll ein elfjähriges Kind da nicht weinen? Je mehr er schlug, um so mehr mußte ich weinen, und er schlug dann gleich wieder zu. Irgendwann war er dann auch hinten fertig, drehte mich wieder um und riß mich an den Haaren hoch. Ich mußte sein Ding sauber lecken. Aber zum Glück war er schon leer; ich glaube, wenn er in meinen Mund gekommen wäre, hätte ich ihn voll gekotzt, und dann hätte er mich umgebracht. Zum Abschluß gab er mir noch zwei satte Ohrfeigen, stieß mich grob ins Bett und stand auf. Während er sich anzog, schaute er mich nur an. Ich hab ganz still gelegen, das Weinen unterdrückt und gebetet, daß er wirklich geht. Und das ist er dann auch. Als er weg war..." Sie drückte sich an mich.

"Als er weg war, hab ich erst mal das Bett abgezogen. Alles war naß, und blutig. Dann hab ich mich im Bad gewaschen, so gut es ging, hab vorne und hinten Nivea drauf getan und hab dann auf dem Fußboden geschlafen. Ins Bett wollte ich nicht mehr. Am Morgen... Als meine Tante das blutige Bettzeug gesehen hat, hat sie mir gleich eine gescheuert und erst dann gefragt, was der Scheiß soll. Ich hab ihr gesagt, was passiert ist, und sie wurde leichenblaß. Dann dunkelrot vor Wut, und dann hat sie mich gründlich verprügelt. Richtig zusammen geschlagen, Martin. Ich konnte den Tag nicht mehr laufen. Erst wieder am nächsten." Sie lächelte traurig.

"Verstehst du jetzt? Deswegen hängen Sex und Gewalt in meinem Kopf ganz dicht zusammen. Ich arbeite schon seit gut einem halben Jahr daran, das zu lösen, aber das geht nicht so einfach. Wenigstens weiß ich, daß es so ist, und ich habe was, wo ich ansetzen kann."

"Warum willst du das überhaupt?" fragte ich leise, als sie mehrere Sekunden lang schwieg.

"Weil ich das muß. Ich will glücklich werden, Martin. Ein Mädchen aus meiner Klasse hat einen Freund, der 15 ist. Sie fickt mit dem, und sie sagt, es wäre einfach toll. Sie hat's eben so erlebt, und ich eben anders. Deswegen. Damit ich das auch mal machen kann. Ohne Angst, und ohne an die ganzen Schläge zu denken."

"Und du warst da elf Jahre alt."

"Ja. An dem Tag gerade geworden. Heute vor zwei Jahren ist das passiert. Heute Abend vor genau zwei Jahren. Von elf Uhr abends bis kurz vor Mitternacht. Halt mich bitte ganz fest, ja?"

Ich drückte sie fest an mich, während sie die Bilder der Vergangenheit aus ihrem Kopf vertrieb. Was einige Zeit dauerte.

* * *
Mit dieser ersten vollständigen Erzählung hatte Vanessa auch gleichzeitig den ersten großen Schritt gemacht. Es war raus, und in den folgenden Tagen und Wochen erzählte sie immer wieder davon, einfach um es los zu werden. Der April kam und verging, der Mai brach an. Die Tage wurden allmählich wärmer, und ich investierte hundert Mark in einen Gartentisch und zwei Stühle. Wir saßen manchmal stundenlang auf der Terrasse, redeten oder schwiegen, lachten oder trauerten, aber wir waren zusammen, und ich spürte, wie sie mir mehr und mehr ans Herz wuchs. Wegen ihrer Stärke, wegen ihres Mutes. Wegen ihrer sanften und doch zielstrebigen und entschlossenen Art. Wegen ihrer einmaligen Persönlichkeit. Wenn das Wetter danach war, aßen wir draußen; nach dem Mittagessen gingen wir langsam, doch lange spazieren, und teilten noch sehr viel mehr an Gesprächen miteinander.

Damals wurden wir ein Paar, im wahrsten Sinn des Wortes. Meine Zuneigung zu ihr verwandelte sich unmerklich in die nächste Stufe, die Liebe. Mitte Mai sprach sie mich auf ihr Bett an. Direkt, offen und frei, wie es ihre Art war.

"Martin?" fragte sie, während wir in einem kleinen Stück Wald saßen und uns für den Rückweg etwas ausruhten. Das heißt, ich mußte mich ausruhen; sie war fit wie ein Sportprofi.

"Sag mal... Hättest du etwas dagegen, wenn ich nicht mehr im Wohnzimmer schlafe?"

"Wo dann?"

Sie schaute mir voll in die Augen. "Bei dir."

"Bei mir." Ich erwiderte ihren Blick in der Hoffnung, Anzeichen von Wahnsinn bei ihr zu entdecken, doch sie war vollkommen klar im Kopf. "In meinem Bett?"

"Genau da. Das ist doch breit genug für zwei, oder?"

"Das ist es schon, nur..." Ich legte meinen Arm um sie; sie kuschelte sich an mich.

"Dann gibt es kein Zurück, Vanessa", sagte ich leise. "Du und ich wissen, was passiert, wenn du am Abend neben mir liegst. Ist dir das klar?"

"Ja", sagte sie ebenso leise wie ich, doch wesentlich bestimmter. "Das ist mir vollkommen klar, Martin. Deswegen frage ich ja. Kann ich ab heute bei dir schlafen? In deinem Bett?"

Ich stieß ratlos den Atem aus. "Ich finde das keine gute Idee, Kleine. Gut, du hast in den letzten Wochen sehr viel und hart an dir gearbeitet, aber... Stell dir vor, deine Hand rutscht auf meinen harten Schwanz. Dann gerätst du doch sofort wieder in Panik."

"Tue ich das?" Sie schaute mich an, gleichzeitig legte sich ihre Hand auf meinen Schritt. Sofort reagierte mein Glied und wuchs ihr entgegen. "Du hast immer noch nicht geschnallt, wie ich bin, was? Ich mache mir vorher Gedanken, Kerl. Nicht hinterher. Vorher. Klar?"

"Das bedeutet also", sagte ich sehr bedächtig, "daß du mit mir schlafen willst."

"Nein", grinste sie. "Eigentlich wollte ich nicht schlafen, sondern mit dir ficken."

"Schön. Wenn du alles so gut bedacht hast, was ist dann mit Empfängnisverhütung? Oder willst du schon mit 13 Mama werden?"

"Sobald du sagst, daß ich bei dir schlafen kann", erwiderte sie mit einem süßen, verschmitzten Lächeln, "sage ich dir, was du noch zu tun hast."

Ich zog sie an mich und schaukelte sie stürmisch. "Ich hätte dich damals Wildbock überlassen sollen, du Miststück."

Sie drückte mich lachend. "Der wäre auch nicht glücklich mit mir geworden. Darf ich?"

"In drei Teufels Namen, ja!" stieß ich aus.

"Geil!" Sie drückte mich mit aller Kraft. "Dann paß auf: Auf der Rückfahrt hältst du an einer Apotheke und kaufst Präser, okay? Erst mal 'ne Zehnerpackung. Damit kommen wir wohl bis morgen früh aus."

"Du hast Vorstellungen." Ich legte meine Hände an ihre Wangen und sah sie zärtlich an. "Du willst das wirklich, Vanessa? Von dir aus? Ganz allein von dir aus?"

"Ja." Sie wurde ernst. "Ich habe das verarbeitet, was ich alleine schaffen kann. Jetzt mußt du mir helfen, die letzte Angst los zu werden. Genau heute Abend." Sie drückte mir einen leichten Kuß auf den Mund. "Und wenn du es so machst, daß ich meine Angst verliere, dann schauen wir weiter. Aber ein Mal muß ich es tun, und das ist eben heute. Laß uns zurück gehen, ja?"

Arm in Arm gingen wir nach Hause, wo wir es uns auf dem Sofa gemütlich machten. Viel zu schnell ging der Abend vorbei; ich hatte trotz allem Angst, daß bei Vanessa im kritischen Moment die Vergangenheit zuschlagen und sie ausrasten könnte. Entsprechend nervös war ich, als sie gegen neun Uhr den Fernseher ausschaltete, meine Hand nahm und mit mir nach oben ins Schlafzimmer ging. Sie zog sich vor mir aus, im Licht der hellen Deckenlampe, und stand schließlich ganz nackt vor mir. Als ich ihren schmalen, kindlichen Körper mit den kleinen Brüsten sah, wollte ich die ganze Sache am liebsten abblasen. Es würde ihr garantiert nur weh tun, aber keinen Spaß bereiten. Ganz sicher nicht.

"He!" sagte sie leise. "Das paßt. Glaub mir. Komm." Sie setzte sich auf das Bett und wartete. Seufzend zog ich mich aus. Ich würde ja merken, ob es ging oder nicht, und sollte es nicht gehen... Nun, dann hatten wir es immerhin probiert.

Vanessa hielt das Oberbett hoch, als ich fertig war, und legte sich hin. Ich schlüpfte zu ihr unter die Decke.

"Du mußt nach oben", sagte ich leise. "Ich kann das nicht mehr."

"Ich weiß." Sie gab mir einen Kuß und lächelte mich dann an. "So hab ich immerhin alles im Griff."

"Nicht alles." Ich zog sie an mich. "Ich hatte seit über vier Jahren keinen Sex mehr, Vanessa. Ich werde viel zu schnell für dich sein."

"Abwarten. Jetzt sei mal still."

Ich schwieg; neugierig, was sie vor hatte. Doch sie hatte nichts vor. Sie schaute mich einfach nur an. Und ganz allmählich tauchte etwas wie Erregung in ihren Augen auf. Das war der Moment, wo ihre Hand in meinen Schoß ging und sich um mein Glied schloß. Vanessa trat das Oberbett mit den Füßen weg, daß es auf den Boden fiel, schwang sich gelenkig über mich und hielt mir ihre offene Scheide entgegen. Sie selbst stützte sich mit dem linken Ellbogen neben meiner Hüfte ab; ihre rechte Hand begann, mich zu wichsen.

Jetzt verstand ich. Lächelnd strich ich mit den Händen über ihren gespannten Po, versicherte ihr damit, daß sie keine Angst vor mir haben mußte, und massierte das feste, heiße Fleisch, bis Vanessa sich wirklich entspannte. Erst dann hob ich meinen Kopf. Ich küßte sie auf ihre noch trockene Scheide; erst sanft, dann nach und nach fester werdend. Als sie begann, ihren Unterleib gegen mein Gesicht zu drücken, war die erste Gefahr vorbei.

Vanessa strich sich die Haare aus dem Gesicht. Sie fielen schwer und samtig auf mein Bein und die Hüfte. Ich gab ihr einen dicken, kräftigen Kuß mitten auf den Schlitz, dann machte ich Ernst. Meine Zunge drückte sich in ihre Scheide, leckte sie kurz aus, drückte kräftig gegen den kleinen Kitzler, ging wieder in sie. Vanessa gefiel es; ich spürte es an ihrer Hand, die schneller wurde, und ich hörte es an ihren leisen Lauten.

"Sei ruhig lauter", meinte ich zu ihr. Sie nickte nur schnell, blieb jedoch so leise wie vorher.

Wir trieben uns gegenseitig höher und höher, bis Vanessa als Erste das Ziel erreichte. Sie stöhnte kurz auf, unterdrückte den Laut jedoch sofort, doch ihr Körper redete eine deutlichere Sprache: das Mädchen zitterte kurz und heftig, drückte mir ihre Scheide fest ins Gesicht und rieb sich daran. Ich leckte ihren Nektar auf, saugte sogar, und ihre Hand raste mein Glied entlang, bis auch bei mir der Krampf einsetzte. Mein Becken zuckte nach oben, stieß mein Glied tief in ihre Hand, und einen Moment später löste sich die Spannung in dicken, heißen Stößen. Vanessa blieb dran, bis der letzte Ausstoß über ihre Hand tropfte, dann hielt sie ihre Hand still, behielt mein Glied jedoch im Griff.

Wir gönnten uns schwer atmend ein paar Sekunden Pause, bevor sie vorsichtig aufstand, um nicht gegen mein Knie zu stoßen, sich umdrehte, neben mir in das Bett sank und in meinen Arm kam.

"Ich wollte nicht laut sein", flüsterte sie. "Eins nach dem anderen."

Ich gab ihr einen Kuß auf die feuchte Stirn. "Ich hab dich lieb, kleine Vanessa."

"Ich dich auch, Martin." Sie kuschelte sich an mich. "Ich hab dich auch sehr lieb."

Wir erholten uns ein paar Minuten, dann setzte sich Vanessa auf, nahm sich ein Kondom vom Nachttisch und öffnete es halb. Mit der rechten Hand sorgte sie dafür, daß mein Glied wußte, was auf es zu kam, und als es wieder hart war, packte sie das Kondom ganz aus, setzte es auf die Eichel und rollte es ungeschickt, doch korrekt nach unten. Ohne ein weiteres Wort schwang sie ein Bein über mich und setzte sich auf meine Beine. Sie schaute nach unten, nahm mein Glied in die Hände und setzte es an. Ich blieb ganz still. Ich wollte am liebsten nicht mal atmen, um ihr möglichst keine Angst zu machen, doch sie war konzentriert bei der Sache. Ihre noch immer feuchte Scheide und die Beschichtung des Gummis sorgten für einen perfekten Rutsch. Ich verkrampfte mich unwillkürlich, als die Eichel eindrang; immer in Erwartung einer schmerzhaften Reaktion bei Vanessa oder mir, doch sie blieb aus.

Vanessa seufzte leise, als sie ihr Becken gegen mich drückte und mehr von mir aufnahm. Sie ließ ihre Hände auf meine Schultern fallen, um sich abzustützen; ihr volles Haar fiel schwer nach unten. Ihre Augen waren geschlossen.

"Geht's?" fragte ich besorgt. Sie lächelte, ohne die Augen zu öffnen, und nickte schnell.

"Ja", wisperte sie. Ich strich ihr ganz sanft über den Kopf. Sie schmiegte sich kurz in meine Hand, bevor sie weiter auf mich zu rutschte und mich aufnahm.

Und das für unmöglich Gehaltene traf ein: mein Glied paßte vollständig in sie. Es war bis zum Anschlag in einem 13jährigen Mädchen. Vanessa schlug die Augen auf, und ein Blick voller Staunen, gepaart mit Erregung und Lust traf mich.

"Ist das schon drin?"

Ich nickte lächelnd. "Sieht so aus."

"Cool! Und ich hab keine Angst!" Sie strahlte über das ganze Gesicht. "Überhaupt keine Angst!"

"Dann können wir ja jetzt aufhören, oder?"

"Arsch!" Kichernd sank sie auf mich und küßte mich. Ich warf meine Arme um sie, erwiderte den Kuß und drückte sie zärtlich an mich. Als sie den Kopf wieder hob, sagte ich:

"Du hast dir eine echt beschissene Ausdrucksweise angewöhnt."

"Ich weiß!" lachte sie leise. "Hab ja auch lange Zeit bei so 'nem Sack gewohnt, der so redet."

"Das färbt natürlich ab."

Wir umarmten uns lachend, dann setzte sie sich auf und schaute mich verliebt an.

"Und los."

Mit diesen Worten ließ sie sich wieder nach vorne fallen, stützte die Hände auf meinen Schultern ab und begann, ihr Becken zu heben und zu senken.

Schon beim ersten Mal dachte ich, ich sterbe. Es war ein Gefühl, als würde ich in einen engen Ofen stoßen, der mein Glied heiß umschloß. Meine Erregung stieg schlagartig an, wie die von Vanessa, die nach zwei, drei Bewegungen ebenfalls anfing, laut zu stöhnen.

Ein erwachsener Mann und ein 13jähriges Mädchen. Daß das geht, hätte ich vorher nie geglaubt, doch der Beweis saß auf mir, in ganz offensichtlich hervorragender Stimmung, und ließ es sich gut gehen. Je mehr sie sich bewegte, um so lauter wurde sie auch, und ihr Kopf fiel nach vorne, nach hinten, nach rechts, und nach links. Sie ging viel mehr mit als ich.

Bei mir war allerdings auch noch ein Rest Sorge mit im Spiel, doch als ich sah, wie sehr Vanessa erregt wurde, ließ ich sämtliche Schranken und Hemmungen fallen. Ich kam ihr entgegen, wenn sie auf mich sank, und zog mich zurück, wenn sie sich wieder erhob. Sie schaute mich immer wieder an, mit mehr und mehr verschwommenem Blick, mit immer mehr wachsender Lust, mit immer mehr lautem Stöhnen.

Und ich betete stumm. Ich betete, daß das Kondom hielt und nicht platzte. Ich betete, daß ich trotz des ersten Orgasmus durchhalten würde, denn ihre junge Scheide war so eng, daß bei jedem Eindringen glühendes Feuer durch meine Nerven im Unterleib schoß. Ich betete, daß Vanessa genauso schnell kommen würde wie ich.

Und ich betete, daß sie bei mir bleiben würde.

Erst bei diesem letzten Gedanken wurde mir bewußt, wie viel Gefühl ich mittlerweile für sie empfand. Sie hatte sich mir angeboten, als Haushaltshilfe, und war nach knapp drei Monaten schon wie eine eigene Tochter für mich. Und nun, da wir miteinander schliefen, war sie in meinem Gefühl meine Partnerin. Als wäre sie in meinem Alter. So empfand ich für sie. An wen ich mein Gebet da gerichtet hatte, entging mir in diesem Moment jedoch völlig. Auch da hatte sich etwas verändert, doch ich wußte es damals noch nicht.

Die immer höher steigende Erregung verdrängte alle anderen Gedanken. Vanessa schwitzte, wie ich sah, doch ihr Unterleib blieb in Bewegung, wurde sogar noch heftiger. Ich stützte mich mit dem gesunden rechten Bein auf dem Bett ab, rammte kräftig in sie, wenn sie mich aufnahm, entlockte ihr leise Schreie der Lust, die bei jedem Mal lauter wurden, bis sie plötzlich langgezogen wimmerte und ihr Becken in Raserei geriet. Ihre Scheide schloß sich noch enger um mein Glied, reizte es bis zum Platzen, und genau das tat es wenige Sekunden später. Meine Hoden gaben das frei, was sie noch hatten, und füllten das Gummi. Vanessa wimmerte hell vor Lust, als mein Glied noch dicker wurde, und sank auf mich. Ich stieß zuckend in sie, bis ich komplett leer war, dann hielt ich sie nur noch fest.

"Das war's!" keuchte sie atemlos. "Jetzt bin ich repariert."

Ich drückte sie gerührt an mich.



* * *



Auch nach diesem Abend blieb sie bei mir. Ich hatte immer die leise Befürchtung gehabt, daß sie sich wieder auf die Reise begeben würde, sobald das Wetter wärmer wurde, doch sie blieb. Wenn ich scherzhaft zu ihr sagte, was ich tun müßte, um sie wieder los zu werden, meinte sie nur: "Mich nicht mehr mögen."

Das war natürlich unmöglich.

Nach den Sommerferien meldete ich sie auf der Schule in unserer Stadt an, mit dem Hinweis auf ein Heim, in dem sie das letzte halbe Jahr verbracht hatte, um den Ausfall der letzten Monate zu erklären. Da ich ihre Geburtsurkunde vorweisen konnte und mich als ein entfernter Onkel, der letzte noch lebende Verwandte, ausgab, wurde das alles ohne Kommentar geschluckt.

Vanessa wiederholte die siebte Klasse, wie sie es gewollt hatte, und war natürlich als die ein Jahr ältere schnell eine Art Idol. Sie schloß auch recht zügig Freundschaft mit anderen Mädchen, besonders mit einer Antje; einer munteren, aufgeweckten Zwölfjährigen. Doch das ist wiederum eine ganz andere Geschichte, und da Antje sehr - nun, sagen wir: sehr ungewöhnliche Vorlieben hatte, die sowohl Vanessa wie mir zwar bekannt waren, die wir jedoch nie ausprobiert hatten, ziehe ich es an dieser Stelle vor, noch etwas Zeit ins Land gehen zu lassen, bevor ich diese Dinge schriftlich niederlege. Ich kann nur soviel sagen, daß wir viel Zeit im Bad verbringen. Sehr viel Zeit. Und nicht mit Duschen oder Baden.


E N D E

 

 

 

 

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