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SH-077 - Flucht in die Wut
Flucht in die Wut .... (sh-077.zip) (M/f M/g oral nc) (21k) (date posted: Monday PM, February 28, 2000)
Toni, der Lover von Karins (12) und Martinas (14) Mutter, fängt eines Tages an, sich sehr für die beiden Mädchen zu interessieren. Dummerweise glaubt den beiden niemand, und so müssen sie das ertragen, was Toni für sie geplant hat...
Flucht in die Wut
Einleitung
Die brüllende, aggressive Stimme drang noch in den letzten Winkel der Wohnung. "Wer hat nach dem Scheißen das Fenster zugelassen? Das stinkt ja wie im KZ hier!" Die 14jährige Martina, auf deren Konto der Geruch im Badezimmer ging, flüchtete aus der Küche in ihr Zimmer. So schnell und gleichzeitig so leise wie möglich schloß sie die Tür und drehte überaus behutsam den Schlüssel herum, um bloß kein Geräusch zu verursachen. Voller Angst ließ sie sich dann auf das große Bett fallen. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester Karin, mit der sie das Zimmer teilte und die auf dem Bett saß und in einer Illustrierten blätterte, sah sie mitfühlend an. "Er hat wieder gesoffen." Martina nickte bedrückt. "Und nicht zu knapp." Beide Mädchen versuchten, das Toben ihres Stiefvaters nicht zu hören, mit dem er sich über die Unfähigkeit der Menschen im allgemeinen und seiner beiden "Taugenichtse" im besonderen ausließ. Karin rutschte dicht an Martina heran. "Warum weinst du denn jetzt?" fragte sie ihre große Schwester besorgt. "Er ist doch so wie immer." "Genau!" schluchzte Martina unterdrückt. "Wie immer. Alles ist wie immer. Mutti arbeitet sich 'nen Buckel, und er versäuft das ganze Geld. Dabei sind sie nicht mal verheiratet! Warum wirft sie ihn nicht einfach raus?" Sie warf sich an ihre kleine Schwester und weinte still. Karin nahm sie tröstend in den Arm. Obwohl erst zwölf Jahre alt, war sie doch die robustere der beiden Schwestern. Ihr ging nur nahe, wenn ihre Mutter oder ihre Schwester traurig waren. Alles andere steckte sie weg. Dieses Naturell hatte sie von ihrem Vater geerbt, der kurz nach ihrer Geburt vor der Verantwortung, zwei Kinder versorgen zu müssen, geflüchtet war. Niemand wußte, wo er sich aufhielt. Karin konnte so gefühllos wie er sein, wenn es darauf ankam, jedoch nicht bei ihrer Schwester und ihrer Mutter. Da war sie ganz weich und mitfühlend. Martina dagegen war viel zu empfindlich, wie sie auch als erste sofort zugab. Bei ihr reichte schon ein strenger Blick, um ihr Schuldgefühle zu verursachen, auch wenn sie gar nichts getan hatte. Damit kam sie nach ihrer Mutter, die auch lieber alle möglichen Anschuldigungen und Vorwürfe einsteckte, um Frieden zu haben, als sich zu wehren. Und auch wenn die beiden Mädchen es aufgrund ihrer Jugend noch nicht erkannten, war diese Eigenschaft ihrer Mutter nicht weit von Resignation entfernt. Martina - und auch das wußte sie noch nicht - hatte diesen Zug geerbt. Martina hatte außerdem die schwarzen Haare ihrer Mutter und deren braune Augen mitbekommen, und auch ihre leichte Neigung zu Übergewicht. Nur dank des Sportunterrichts und des Fahrradfahrens hielt Martina ihr Gewicht unter der kritischen Grenze, ab der sie dick genannt werden konnte. Karin hingegen war trotz ihres zarten Alters schon eine Schönheit. Von wem sie die blonden Haare mit einem Stich ins Rötliche bekommen hatte, wußte niemand so genau, doch sie standen ihr erstklassig. Genau wie die intensiven grünen Augen. Sie hatte keine Probleme, ihr Idealgewicht zu halten, und verdiente zu Recht das Attribut schlank. Beide Mädchen trugen ihr Haar etwas länger als bis zur Schulter, und Martina war nur deswegen nicht neidisch auf ihre kleine Schwester, weil deren Haare glatt, die von Martina jedoch wunderschön gelockt waren. Doch trotz aller Unterschiede waren die beiden ein Herz und eine Seele, und das nicht nur, weil sie zusammenhalten mußten. "Wird doch alles gut", tröstete Karin Martina mit möglichst viel Überzeugung in der Stimme. "Immerhin schreit er nur und tut uns nichts." Martina nickte nur schweigend. Sie verriet ihrer Schwester nicht, was vor einer knappen Viertelstunde im Wohnzimmer passiert war. Sie hatte sich aus dem Bücherregal ein Buch holen wollen, um etwas für die Schule nachzuschlagen. Sie hatte das Buch aus dem Regal genommen, und als sie sich umgedreht hatte, hatte sie gesehen, wie ihr Stiefvater, wie sie ihn nennen mußten, sie mit glänzenden Augen von oben bis unten angeblickt und sich dabei durch die Trainingshose im Schritt gerieben hatte. Martina war feuerrot geworden und mit dem Buch ins Bad geflüchtet, voller Furcht und Angst. Die Angst war so groß gewesen, daß sie innerhalb kürzester Zeit Durchfall bekommen hatte. Auch jetzt spürte sie noch viel von dieser Angst, zusammen mit dem Wunsch, irgendwo anders zu sein, gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester. "Eigentlich flüchte ich immer", sagte sie leise. "Was?" "Nichts." Sie zwang ihre Tränen nieder und sah ihre Schwester an. "Sollen wir an die Hausaufgaben gehen?" "Besser wär das", lächelte Karin schief. "Bist du okay?" "Natürlich", seufzte Martina. "Wie immer." Sie nahm sich vor, am Abend mit ihrer Mutter über den Vorfall im Wohnzimmer zu reden. Gemeinsam mit Karin setzte sie sich an den kleinen Schreibtisch im Kinderzimmer, jedes Mädchen an ein schmales Ende, und begann mit ihren Aufgaben. Das Toben ihres Stiefvaters hatte nachgelassen und hörte nach wenigen Minuten gänzlich auf. Zurück blieb nur ein dumpfes Gefühl in Martinas Bauch.
Als ihre Mutter am Abend nach Hause kam, abgekämpft und erschöpft wie jeden Abend, war der Stiefvater so betrunken, daß er keine Gefahr mehr darstellte. Die beiden Mädchen umarmten und drückten ihre Mutter stürmisch und halfen ihr dann, die Einkäufe in den Schränken unterzubringen und das Abendessen zuzubereiten. Als Karin für einen Moment draußen war, sah Martina ihre Chance gekommen. "Du, Mutti?" begann sie zögernd. "Bitte keine Probleme!" bat ihre Mutter sofort und inständig. "Der Filialleiter hat uns heute abend allesamt fertig gemacht, Tinchen. Wir wären viel zu langsam an den Kassen. Ungerecht wie jedes Mal, wenn er rumbrüllt, aber es geht einem doch an die Nieren. Setzt du die Kartoffeln auf?" "Natürlich." Martina kämpfte die Trauer nieder und füllte den Topf mit Kartoffeln voll Wasser. "Es ist ja nur, weil -" "Wo bleibt Karin denn?" Ihre Mutter sah sich stirnrunzelnd um. "Die Möhren müssen noch geschnitten werden. Was hast du gesagt?" "Nichts. Ich mach die Möhren schon." "Das ist lieb. Sind eure Hausaufgaben fertig?" "Wie immer." Sie stellte den Topf auf den Herd und schaltete die Platte ein. "Es ist aber wichtig, Mutti." "Nimm das Messer hier." Sie schob Martina ein kleines, scharfes Messer und die Schüssel mit den Möhren zu. "Ich mach das Fleisch. Kommt heute was Interessantes im Fernsehen?" Martina gab auf. "Ein spannender Krimi auf RTL. Glaube ich." "Hoffentlich einer, in dem der Filialleiter eines Supermarktes als Geisel genommen wird." Ihre Mutter lächelte schief. "Bist du schon wieder gewachsen? Dein T-Shirt sitzt sehr knapp." "Ich weiß." Martina sammelte neuen Mut. "Genau deswegen wollte ich ja mit dir reden, Mutti. Es geht um -" "Wo warst du denn?" Ihre Mutter wandte sich Karin zu, die in diesem Moment wieder in die Küche kam. "Eben Hände waschen. Eine Tüte hat abgefärbt, und meine Hände waren ganz grün. Wolltest du was sagen, Martina?" "Nein. Hat sich wohl erledigt." "Nun sei nicht gleich eingeschnappt." Ihre Mutter strich ihr sanft über die vollen Locken. "Ende des Monats kaufen wir dir zwei oder drei neue Hemden, ja?" Martina nickte nur. "Ist gut. Danke." Doch das dumpfe Gefühl in ihrem Bauch verstärkte sich.
Beim Abendessen glänzte der Stiefvater durch Abwesenheit. Die Mutter der Mädchen hatte ihn mit sanfter Gewalt und vielen guten Worten ins Schlafzimmer gelotst, wo sie ihn auf das Bett gelegt und dann sich selbst überlassen hatte. Martina brannte es auf der Zunge, ihrer Mutter von dem Vorfall am Nachmittag zu erzählen, doch in Gegenwart ihrer Schwester traute sie sich nicht, den Mund aufzumachen. Schweigend saßen sie zu dritt auf dem Sofa und sahen dem Krimi zu, doch an Martina gingen die Bilder völlig vorbei; sie sah ihren eigenen Film, mit ihr und dem so genannten Stiefvater als Hauptpersonen. Als Karin um kurz nach zehn ins Bett ging, sah Martina endlich ihre Chance gekommen. Sie wartete, bis sie die Tür zum Kinderzimmer zugehen hörte, und drehte sich im gleichen Moment zu ihrer Mutter. "Mutti, jetzt muß ich aber mit dir reden!" sagte sie schnell und eindringlich. "Heute nachmittag, als ich mir ein Buch holen wollte, hat der Kerl -" "Tinchen!" Ihre Mutter blickte sie vorwurfsvoll an. "Du sollst ihn nicht so nennen." "Darum geht es doch überhaupt nicht!" Martina kämpfte die aufsteigende Verzweiflung nieder. "Mutti, er hat sich zwischen den Beinen gerieben, als ich mir ein Buch geholt habe! Und mich dabei von oben bis unten angeschaut!" "Du spinnst." Ihre Mutter rückte instinktiv von ihr ab, als würde mit der Entfernung auch die Ablehnung zunehmen. "Das bildest du dir ein. Sind deine Hausaufgaben fertig?" "Mutti!" Martina begann zu weinen. "Das war wirklich so! Er hat lange auf meinen Busen und auf den Unterleib geschaut und sich -" "Schluß!" Die Mutter sah sie mit angespanntem Gesicht an. "Tinchen, du hast dir ein Buch geholt, und er hat sich gekratzt. Mehr war nicht. Alles andere redest du dir ein. Das kommt alles nur wegen diesem blöden Aufklärungsunterricht in der Schule. Der verdreht euch den Kopf. Früher, als das noch die Eltern gemacht haben, gab es so etwas nicht. Da hat sich niemand solche Sachen eingebildet. Geh jetzt schlafen, Tinchen; du siehst völlig übermüdet aus." "Warum glaubst du mir nicht?" schluchzte Martina leise. "Mutti, wenn er -" "Gute Nacht!" Ihre Mutter verschränkte die Arme vor der Brust und sah mit abweisendem Gesicht zum Fernseher. Martina schaute sie sprachlos an, doch als sie erkannte, daß das Thema für ihre Mutter beendet war, stand sie schluchzend auf und lief weinend in ihr Zimmer. Im Wohnzimmer schüttelte die Mutter mutlos den Kopf. "Bitte nicht noch mehr Probleme", flüsterte sie unhörbar. "Bitte nicht noch mehr Probleme. Sie hat sich ein Buch geholt, und er hat sich gekratzt. So war es. Genau so war es. Und nicht anders."
"Du hast doch was!" Karin sah ihre Schwester, die sich leise weinend auszog, kritisch an. "Du bist schon den ganzen Tag so komisch. Was ist los?" "Nichts." Martina rang sich ein Lächeln ab. "Ich wundere mich nur, was Mutti an ihm findet." "Was wohl." Karin legte sich auf den Rücken, streckte die Arme aus und gähnte herzhaft. "Du hörst doch auch, was die miteinander treiben. Wenn er mal nüchtern ist." 'Genau', dachte Martina bedrückt. 'Wenn er nüchtern ist, bumst er mit Mutti. Und wenn er blau ist...' Sie schüttelte schnell den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben. Sie griff nach ihrem Pyjama, schlüpfte hinein und warf sich ins Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, die Augen auf die Zimmerdecke gerichtet. "Kommt schon alles gut aus", hörte sie Karin tröstend sagen. "Du nimmst das alles viel zu ernst, Tina. Kümmer dich einfach nicht mehr um ihn. Dann läßt er uns auch in Ruhe." "Hoffentlich!" murmelte Martina leise. "Karin? Treffen wir uns morgen nach der Schule vor der Bäckerei?" "Geht nicht. Wir schreiben morgen 'ne Arbeit. Ich hab erst um drei Schluß. Fahr ruhig schon vor. Du kannst doch nicht zwei Stunden auf mich warten." Sie seufzte laut und legte sich zurecht. "Eine Deutscharbeit am Freitag in den letzten beiden Stunden. Plus eine extra. Man sollte die alle anzeigen! Wegen Vernichtung von Schülernerven. Nacht, Tina." Sie schaltete das Licht aus. "Nacht, Karin." Niedergeschlagen drehte sich Martina auf die Seite und schloß die Augen. Im gleichen Moment spürte sie das Ziehen in ihrem Magen wieder. Sie sprang auf, rannte in der Dunkelheit zur Tür, riß sie auf und rannte weiter ins Bad, das zum Glück frei war. Sekunden später saß sie auf der Toilette, und im gleichen Moment meldete sich ihr Durchfall zurück. Als es vorbei war, stand Martina mit zitternden Beinen auf. Sie öffnete das Fenster, bevor sie abzog und sich am Waschbecken gründlich säuberte. Mühsam schleppte sie sich danach in ihr Zimmer zurück. Karin schlief schon tief und fest. Gebrochen ließ sich Martina in ihr Bett fallen und deckte sich zu. "Kann mir denn keiner helfen?" flüsterte sie, den Tränen nahe. "Kein einziger?" Still weinend drehte sie sich auf die Seite.
Kapitel 1
Am nächsten Tag hatte Martina alle Mühe, dem Unterricht zu folgen. Immer wieder irrten ihre Gedanken zu ihrem "Stiefvater" ab. Er und ihre Mutter hatten sich vor etwas über einem Jahr kennengelernt. Er war mindestens 15 Jahre jünger als ihre Mutter, sah einigermaßen gut aus, trank - wie Martina zugeben mußte - zwar viel, aber nur selten so viel, daß er nicht mehr wußte, wer und wo er war. Außerdem hatte er, seitdem er vor knapp einem halben Jahr zu ihnen gezogen war, so gut wie gar nicht mehr gearbeitet. Er sagte immer nur, daß er auf die richtige Stelle wartete, und wenn er begann, seine Zukunftspläne zu entwickeln, war die Mutter der Mädchen immer ganz gebannt, während die Kinder nur die Augen verdrehten. Er redete davon, innerhalb von fünf Jahren Millionär zu sein, was er auch schafften würde, wenn er nur die Chance dazu bekäme, und auf genau diese Chance wartete er. Martina dachte seufzend, was man von einem Mann mit dem Namen Toni Nix auch schon erwarten konnte. Dann dachte sie an die Abende und die Nächte, wenn er und ihre Mutter im Schlafzimmer waren. Die beiden Mädchen schauten sich immer nur mit einem schiefen Lächeln an, wenn das laute Stöhnen der beiden bis in ihr Zimmer drang. Doch jetzt bekam das Ganze einen völlig neuen Aspekt. Beunruhigt dachte Martina an die Zeit nach der Schule heute. Wenn sie alleine mit ihm zu Hause wäre. Würde er wieder blau sein? Würde er sie vielleicht sogar ansprechen? Sie schauderte bei diesem Gedanken. Voller Angst blickte sie aus dem Fenster. Was würde er noch tun?, überlegte sie. Würde er sie womöglich sogar anfassen? Wenn ja, wäre sie weg. Das schwor sie sich. Sobald er sie anfaßte, würde sie abhauen. Sie wußte, was passieren konnte. Das las man doch oft genug, daß Frauen überfallen und vergewaltigt worden waren. Mußte an der Zeit liegen. Immerhin war es 1976, und da waren wohl auch Mädchen wie sie nicht mehr - "Martina Hoffmann!" Martina fuhr erschrocken zusammen und riß den Kopf herum. Ihr Blick fiel auf den Lehrer, der sie kühl anblickte. "Deine Noten sind nicht so gut, daß du es dir leisten kannst, die Stunde zu verträumen", meinte er bissig. "Hättest du die Güte, weniger an Ferien und mehr an den Unterricht zu denken? Das wäre ganz reizend." Unter dem lauten Gelächter der anderen Schülerinnen und Schüler senkte Martina den Kopf. Sie spürte die Schamröte bis zur Stirn gehen. 'Mit wem kann ich denn reden?', dachte sie verzweifelt. 'Mit wem kann ich denn bloß reden? Wenn ich einen Lehrer anspreche, glaubt der doch, ich will von meinen Noten ablenken, und wenn -' "Fräulein Hoffmann!" Wieder erschrak Martina heftig, als der Lehrer so urplötzlich vor ihr stand. "Würdest du bitte an die Tafel gehen? Reicht es, wenn ich das zweimal sage? Oder möchtest du eine schriftliche Einladung? Haben wir vielleicht etwas Besseres zu tun als dem Unterricht zu folgen?" "Ich mußte an was anderes denken", entschuldigte Martina sich mit glühenden Ohren, während sie aufstand. "Im Gegensatz zu dir habe ich das bemerkt." Er machte eine einladende Geste zur Tafel. Martina nickte bedrückt und riß sich zusammen. Noch war ja gar nichts passiert, sagte sie sich, während sie nach vorne ging. Vielleicht hatte er sich wirklich nur gekratzt, und ihr T-Shirt saß in der Tat sehr knapp. Kein Wunder, daß er sie angesehen hatte. Taten alle anderen ja auch. Die ganzen Schüler jetzt, und die Leute auf der Straße... Und schließlich: was konnte sie dafür, wenn ihre Mutter ihr und Karin immer nur Röcke kaufte anstatt Jeans? Mit leicht zitternden Händen griff sie nach der Kreide und sah zum Lehrer.
* * *
Das schrille Läuten am Ende der letzten Stunde ließ Martina heftig zusammenfahren. Voller Angst sah sie sich um. Alle in der Klasse schlugen Bücher und Hefte zu, verstauten sie in ihren Schultaschen und liefen fröhlich lachend oder schimpfend hinaus. Seufzend packte auch Martina ihre Sachen. Als sie aufsah, war das Klassenzimmer leer, nur die Lehrerin stand noch in der Tür und wartete auf sie, um abzuschließen. "Mach voran!" meinte sie mit einer Spur Ungeduld. "Mein Tag ist noch nicht zu Ende." Martina nickte schweigend, schloß ihre Tasche und lief hinaus. Erst auf dem Flur stoppte sie und sah zur Lehrerin. Vielleicht konnte sie sich einer Frau anvertrauen; die müßte eigentlich viel besser verstehen, was in ihr vorging. "Du solltest dich nicht so aufreizend anziehen", meinte die Lehrerin, noch bevor Martina den Mund aufmachen konnte. "Manche Leute könnten einen falschen Eindruck von dir bekommen." "Wir haben nicht viel Geld", gestand Martina mit brennenden Wangen. "Haben Sie einen Moment Zeit, Frau Wersten?" "Leider nein." Sie sah auf ihre Uhr. "Wenn es um Nachhilfe geht, frag im Sekretariat nach. Schönes Wochenende." Sie eilte davon. Martina sah ihr verzweifelt nach. "Glaubt denn die ganze Welt, daß es außer Schulnoten nichts anderes mehr gibt?" schluchzte sie. "Ist denn keiner da, mit dem ich reden kann? Der mir mal einen beschissenen Moment lang zuhört?" "Kraftausdrücke kannst du daheim benutzen", hörte Martina eine unfreundliche Stimme hinter ihr sagen. Sie fuhr herum und fand einen Lehrer, den sie nicht kannte. "Was lungerst du hier herum?" fuhr er sie an. "Die Schule ist kein Aufenthaltsort für..." Sein Blick glitt kurz über ihr knappes T-Shirt, unter dem sich ihre apfelgroßen Brüste deutlich abzeichneten. Er schüttelte den Kopf und ging wortlos an ihr vorbei. Martina wurde feuerrot im Gesicht und rannte wie vom Teufel gehetzt zum Ausgang und weiter zu den Fahrradständern. Sie schloß die Kette auf, mit der ihr Rad gesichert war, legte sie in ihre Schultasche, schob das Rad aus der Halterung heraus, schwang sich auf den Sitz und radelte schnell los. Doch sie fuhr nicht nach Hause. Sie fuhr in die City, zu einer großen Boutique. Dort angekommen, kettete sie ihr Rad an, warf die Schultasche locker über die rechte Schulter und ging mit fliegenden Nerven hinein. Sie mußte etwas wegen ihrer Kleidung tun. Sie konnte nicht noch zwei Wochen auf neue Hemden warten. Es mußte jetzt etwas geschehen. Sie ging zu den Regalen mit den T-Shirts, suchte sich hier und da eins heraus, hielt es vor die Brust, schüttelte den Kopf und legte es sauber gefaltet wieder zurück, wobei sie aus den Augenwinkeln das Geschäft und die Verkäuferinnen im Auge behielt, doch niemand achtete auf sie. Martina öffnete ihre Tasche, holte ihre Geldbörse hinaus, öffnete sie und zählte kurz ihr Geld. Acht Mark und siebzehn Pfennig. Sie steckte die Börse zurück, ließ die Tasche jedoch offen. Sie begann zu zittern, als sie daran dachte, zu stehlen. Aber es ging nicht anders. Sie brauchte mindestens ein neues T-Shirt oder Hemd. 'Ein einziges', beruhigte sie ihre Nerven. 'Nur ein einziges. Wenn ich Geld habe, bezahle ich es nach. Nur ein einziges.' Sie stöberte mit zitternden Fingern weiter durch die T-Shirts, zog eines von ganz unten heraus und tat erschrocken, als alle anderen darüber auf den Boden fielen. Hektisch kniete sie sich hin, ordnete den Haufen schnell, steckte dabei ein schwarzes T-Shirt mit heftig schlagendem Herzen blitzschnell in die Schultasche, nahm den übrigen Packen in die Hände und legte ihn zurück in das Regal. Ihr Mund war staubtrocken, und ihr Herz raste, als sie mit einem gelben T-Shirt in der einen Hand und die Schultasche mit dem gestohlenen Shirt in der anderen Hand zur Kasse ging. "Wieviel teuer kos- Ich meine, wie teuer ist das?" stotterte sie. Die Kassiererin mußte lächeln. "49,95." Martina schüttelte traurig den Kopf. "Soviel Geld habe ich nicht." Bedauernd legte sie das Shirt auf die Theke und faltete es. "Im Oktober bekommen wir die Winterkollektion herein", meinte die junge Frau an der Kasse freundlich. "Dann findest du T-Shirts schon ab zehn Mark, weil wir dann die Regale frei machen müssen." Martina nickte mit einem dankenden Lächeln und ging langsam hinaus, die Augen auf die vielen schönen Stücke gerichtet. Als sie draußen war, glaubte sie, ihr Herz würde platzen; es schlug so schnell und so hart, daß Martina für einen Moment lang schwindelig wurde. "Ich habe gestohlen!" flüsterte sie ungläubig. "Ich habe gestohlen!" Sie brauchte eine ganze Weile, um sich wieder zu fangen. Immer wieder sagte sie sich, daß es sein mußte. Sie brauchte etwas Neues, etwas Weiteres zum Anziehen. Schließlich hatte sie sich soweit im Griff, daß sie nach Hause fahren konnte. Dort angekommen, schob sie das Rad in den Keller und in ihren Verschlag. Karin war noch nicht da. Zitternd schaute sich Martina um, zog dann das gestohlene T-Shirt aus ihrer Schultasche, biß den Kunststoff durch, an dem das Preisschild hing, ließ den Kunststoff auf den Boden fallen und steckte das Preisschild in ihren Rock. Dann zog sie sich rasend schnell das knappe, enge T-Shirt aus und das neue an. "Wow!" meinte sie staunend, als sie es anhatte. Durch die schwarze Farbe waren ihre Brüste kaum mehr zu sehen; der dunkle Stoff verdeckte die Form ihres Busens ebenso gut wie der lockere Sitz. Erleichtert packte sie ihr altes Shirt in die Tasche und lief fröhlich zum Aufzug, der sie in den neunten Stock trug. Wenig später stand sie in der Wohnung, die heute nicht nach Bier roch. Das hieß, Toni war nüchtern, und das wiederum hieß, sie war sicher. Munter lief sie in ihr Zimmer, wo sie ihre Schultasche auspackte. Das alte Shirt kam in die Wäsche, die Schulsachen auf den Tisch. Anschließend lief sie in die Küche und machte sich eine große Scheibe Brot. Als sie sich mit dem fertigen Brot umdrehte, erschrak sie heftig. "Na!" lachte Toni, der in der Tür stand. "Seh ich so schlimm aus, daß du Angst vor mir bekommst?" Martina schüttelte ängstlich den Kopf. "Hast dich also nur erschreckt, weil ich so leise war?" Sie nickte stumm. "Wir müssen an die Nachbarn denken", sagte er ernsthaft. "Wenn wir zu laut sind, werden wir gekündigt und müssen ausziehen." Sein Blick glitt über Martinas Oberkörper. "Schwarz steht dir gut", meinte er anerkennend. "Schwarz ist auch meine Lieblingsfarbe." Martinas Herz begann zu rasen, und in ihrem Magen machte sich ein dicker Knoten breit. Toni kam langsam auf sie zu. "Warum verstehen wir beide uns nicht?" fragte er leise. "Ich bin doch nicht dein Feind, Martina." "Ich - Ich muß Hausaufgaben machen", stammelte Martina, die sich ängstlich an ihrem Brot festhielt und vor ihm zurückwich, bis in die Ecke, wo sich Kühlschrank und Spüle trafen. "Später." Toni kam dicht auf sie zu. Martina riß voller Angst die Augen auf, als er ihr Handgelenk in seine Hand nahm, ihre Hand mit dem Brot zu seinem Mund führte und in das Brot biß, ohne seine Augen von den ihren zu nehmen. "Lecker!" sagte er mit vollem Mund. Sein Daumen strich leicht über ihre Haut. "Du kannst es haben", sagte Martina zitternd. Sie wagte nicht, ihre Hand weg zu ziehen; aus Angst, er könnte wütend werden. "Ich mach mir ein neues." "Wir können es uns teilen", schlug Toni vor. Er drehte ihr Handgelenk, bis das Brot vor Martinas Mund war. Bebend vor Angst biß Martina hinein; genau an die Stelle, wo er abgebissen hatte. Toni lächelte freundlich. "Du bist ein sehr hübsches Mädchen, Martina. Hast du schon einen Freund?" Martina schüttelte ängstlich den Kopf. Toni biß in das Brot, schob es mit seinem Kopf auf Martina zu und forderte sie mit den Augen auf, auch abzubeißen. Am ganzen Körper zitternd biß Martina hinein. "Jetzt sind wir Blutsbrüder", meinte Toni lächelnd und kauend. "Siehst du? Ich bin gar nicht so schlimm, wie du denkst." Er strich noch einmal ausgiebig über ihre Haut, bevor er sie losließ und zurück ins Wohnzimmer ging. Martina lehnte sich in einem plötzlichen Schwächeanfall an die Spüle. Das Brot fiel aus ihren kraftlosen Händen auf den Boden. 'Er hat mich angefaßt!', raste durch ihren Kopf. 'Er hat mich angefaßt!' Doch eine andere Stimme in ihrem Kopf sagte, daß es doch gar nicht schlimm gewesen war. Es war nichts, weswegen sie von Zuhause fortlaufen müßte. Martina drehte sich um und wusch sich mit kaltem Wasser das Gesicht, bis ihr Kopf wieder einigermaßen ruhig war. Sie tastete mit geschlossenen Augen nach einem Trockentuch. "Hier." Ein Tuch wurde auf ihre Hand gelegt. Martina erschrak zu Tode. Panisch trocknete sie sich die Augen und entdeckte Toni, der sie kopfschüttelnd ansah. "Du bist ja völlig am Ende mit den Nerven. Was ist los mit dir?" "Nichts." Martinas Herz klopfte bis zum Hals. "Die Schule war nur anstrengend." Als Martina das Aufleuchten in seinen Augen sah, wußte sie, daß sie einen Fehler gemacht hatte. "Dann werden wir beide uns jetzt etwas beruhigen." Er legte seinen Arm um Martinas Schultern. Das Mädchen versteifte sich sofort. Toni zog sie trotz ihres sichtbaren Widerstandes ins Wohnzimmer, drückte sie auf das Sofa, setzte sich so dicht links neben sie, daß Martina vor Angst aufspringen wollte, und legte wieder seinen Arm um sie. "Ich war heute morgen bei zwei Firmen", plauderte er, während er mit der einen Hand den Fernseher anschaltete und mit der anderen Martina ganz eng an sich drückte. "Aber die wollten mein Talent nicht. Werden schon sehen, was sie davon haben. Irgendwann komme ich ganz groß raus, und dann haben die das Nachsehen. Eines Tages bin ich ganz oben. Das glaubst du mir doch, oder?" Martina nickte schnell. Toni legte seine Hand an ihren Kopf und fuhr langsam und voller Genuß durch ihr volles, lockiges Haar. "So schönes Haar!" schwärmte er. "Ganz wie deine Mutter. Ich bin gar nicht mal so viel älter als du, Tina. Nur sechzehn Jahre älter. Ein Klacks. Oder?" Wieder nickte Martina schnell, voller Angst. "Dann können wir doch auch Freunde sein, oder?" fragte er leise. Martina spürte, wie er sein Bein gegen das ihre drückte. Sie wollte von ihm abrücken, doch er hielt sie fest. "Oder?" wiederholte er seine Frage. Martina schaute ihn gequält an. "Was willst du von mir, Toni? Laß mich doch bitte in Ruhe!" "Ich möchte nur dein Freund sein, Tina." Er zog ihren Kopf an seine Schulter, legte seine Wange an ihr Haar und streichelte sie. "Nur dein Freund. Du gehst mir immer aus dem Weg. Warum?" Martina konnte kaum mehr atmen vor Angst. Alles was sie spürte, war Toni, und das wollte sie nicht. Sie wollte weg von ihm, wollte in ihr Zimmer, wollte Ruhe haben. "Tina." Sie spürte, wie er ihre Haare küßte. Ihr Herz war kurz davor, vor Angst zu zerspringen. "Kleine Tina. Laß uns Freunde sein." "Ich will das nicht!" schluchzte Martina und wand sich in seinem Griff. "Laß mich doch in Ruhe!" "Laß uns Freunde sein", wiederholte er flüsternd. "Du möchtest mich nicht zum Feind haben, Tina. Glaub mir das." Seine Hand wanderte von ihrem Kopf zum Hals und zur Schulter. Martina wurde steif wie ein Brett. Toni nahm ihre linke Hand, legte sie auf sein Bein und hielt sie dort fest. "Es ist viel schöner, wenn wir Freunde sind", flüsterte er und legte seine Lippen auf ihr Ohr unter den Haaren. Martina spürte seinen Atem in ihrem Ohr. Angeekelt wollte sie sich wegdrehen, doch er hielt sie fest. "Weißt du, daß du wunderschön bist, Tina? Ich find's toll, daß du immer Röcke trägst. Du hast wunderschöne Beine." "Ich will das nicht!" Martina riß sich weinend von ihm los, mit aller Kraft. Sie sprang auf, rannte in ihr Zimmer und schloß die Tür laut hinter sich ab. Zweimal sogar. "Du wirst es wollen!" hörte sie Toni rufen, als sie sich weinend auf ihr Bett warf. "Du wirst es wollen, Martina! Schon sehr bald!" Martina zog sich das Oberbett über den Kopf und drückte es auf ihre Ohren.
Als Karin um halb vier nach Hause kam, war Martina körperlich und seelisch am Ende. Sie hatte Hunger und sie mußte dringend auf Toilette, doch sie hatte nicht gewagt, ihr Zimmer zu verlassen. Sie schloß die Tür erst auf, als Karin sich von draußen meldete. "Kann ich mal bitte in mein Zimmer?" Martina weinte vor Erleichterung. Sie schloß die Tür auf, zog ihre überraschte Schwester hinein, warf die Tür zu und schloß sofort wieder ab. Ohne Karin auch nur die Chance zu geben, etwas zu sagen, sprudelte Martina im nächsten Augenblick alles heraus, was heute passiert war. Während sie erzählte, packte Karin ihre Schulsachen aus, legte sie auf den Tisch, setzte sich dann auf ihr Bett und hörte Martina schweigend zu. Als ihre Schwester aufgelöst endete, nickte Karin nur knapp. "Das hat er bei mir auch gemacht", meinte sie nur. "Vorgestern, als du einkaufen warst. Mich aufs Sofa gezogen, in 'n Arm genommen und von oben bis unten gestreichelt." "Was?" Martina sah sie schockiert an. Karin zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Ich hab ihm gesagt, wenn er das noch mal macht, bin ich bei den Grünen. Da hat er mich losgelassen." Sie machte ein grimmiges Gesicht. "Dann hat er noch gesagt, wenn ich jemandem was erzähle, schlägt er Mutti zusammen. Also halte ich die Klappe. Wolltest du deswegen vorhin auf mich warten?" Martina nickte weinend und warf sich an ihre kleine Schwester. "Ich hab so Angst!" schluchzte sie. "Beim nächsten Mal geht der mir todsicher unter den Rock! Ich wollt's gestern Abend Mutti erzählen, aber sie glaubt mir kein Stück. Sie sagt, ich bilde mir das nur ein. Was machen wir denn jetzt?" Karin legte ihre Arme um Martina und schaute ratlos aus dem Fenster. Innerhalb zweier Tage hatte sich das wohnliche Zuhause in einen Schrecken verwandelt.
Kapitel 2
Das Wochenende verlief ruhig; wohl aus dem Grund, weil die Mutter der Mädchen zu Hause war. Doch am Montag... Als die Mädchen am Montag gemeinsam nach Hause kamen, weil sie beide nach der sechsten Stunde Schulschluß hatten, rief Toni sie ins Wohnzimmer. Die Mädchen legten voller Angst ihre Schulsachen in den Flur und gingen zögernd in das Wohnzimmer. Toni winkte sie auf das Sofa; er selbst saß in einem Sessel. Als die Mädchen saßen, sprang er auf, lief zur Zimmertür und schloß sie ab. Die Mädchen rutschten ängstlich aneinander. "Wir müssen uns mal gründlich aussprechen", sagte Toni, der den Schlüssel in seine Hosentasche steckte und die Mädchen musterte. "Ihr zwei rennt hier halbnackt herum und erwartet, daß ich dabei ruhig bleibe. So geht das nicht. Deswegen werden wir mal ein paar neue Regeln einführen." "Du hast uns gar nichts zu sagen", meinte Karin daraufhin aufgebracht. "Du wohnst hier nur, weil Mutti so gutmütig ist und -" Toni war mit zwei großen Schritten bei ihr und gab ihr eine schallende Ohrfeige. Geschockt klammerten sich die Mädchen aneinander. Toni ballte die rechte Hand zur Faust und hielt sie den Mädchen hin. "Schaut hin", forderte er sie wütend auf. "Seht ihr die Narben?" Vollkommen eingeschüchtert blickten die Mädchen auf die vernarbten Knöchel. "Ich kann zuschlagen, wenn's sein muß", sagte Toni gefährlich leise. "Laßt es nicht darauf ankommen. Zu den neuen Regeln. Eure Mutter ist gut zu bumsen, aber ihr zwei macht mich total scharf. Und da das eure Schuld ist, müßt ihr auch was dagegen tun. Karin, wenn ich von dir noch ein vorlautes Wort höre, schlage ich dich zusammen. Und deine Mutter anschließend auch. Ich tue das! Hab ich überhaupt kein Problem mit." Die Mädchen drückten sich leise weinend aneinander. "Ihr zwei", überging Toni das Weinen, "werdet euch zukünftig abwechseln. Wie und wobei, zeige ich euch jetzt." Die Mädchen erstarrten, als er seine Hose öffnete und sie mitsamt Unterhose herab zog. Als sein Glied steif heraus sprang, bekamen die Mädchen zum ersten Mal richtig Angst. Sie konnten nicht weglaufen, weil die Tür abgeschlossen war. Sie konnten nichts sagen, weil sie ihm sofort glaubten, daß er ihnen und ihrer Mutter etwas tun würde. Und sie konnten sich nicht gegen ihn wehren. Toni kam auf sie zu. Seine Hände schossen vor und griffen in die Haare der Mädchen. "Martina, mach's Maul auf!" fuhr er die 14jährige an. "Toni!" schluchzte sie jammernd. "Bitte nicht! Ich -" Er riß so kräftig an ihren Haaren, daß ihr die Tränen in die Augen schossen. "Du sollst deine verfluchte Schnauze aufmachen!" herrschte er sie an. Karin folgte dem Geschehen mit fassungslos aufgerissenen Augen. "Wir sind doch noch Kinder!" weinte Martina hemmungslos. "Toni, das kannst du nicht tun!" "Wetten?" Er ließ für einen Moment ihre Haare los, gab ihr eine kräftige Ohrfeige und griff sofort wieder in ihr Haar. "Mund auf!" Laut weinend öffnete Martina ihren Mund. Karin schüttelte ungläubig den Kopf, als Toni sein dickes Glied in Martinas Mund steckte. "Toni, bitte!" bettelte die 12jährige, doch er riß so kräftig an ihren Haaren, daß sie vor Schmerz aufschrie. "Mund zu!" fuhr Toni Martina an. "Und wenn du zubeißt, bringe ich deine Schwester um." Schluchzend schloß Martina ihren Mund. Toni begann, ihren Kopf nach vorne und wieder nach hinten zu bewegen, immer und immer wieder. Wenn sie auch nur einen Moment die Lippen entspannte, riß er an ihren Haaren. Martina war vor Schmerz und vor Ekel speiübel. Ihr war wegen der nicht enden wollenden Bewegung ihres Kopfes schwindelig. Ihre Augen brannten vom Weinen. Und sie hatte unvorstellbare Angst, daß Toni ihr oder ihrer Schwester etwas tun würde. Sie versuchte, den Geschmack von Urin, Fleisch und Haut in ihrem Mund zu ignorieren, ließ ihren Kopf das tun, was seine Hand verlangte, und mußte schließlich mit aller Macht den Brechreiz bekämpfen, als etwas Zähes, Nasses, Flüssiges in ihren Mund schoß. "Schlucken!" hörte sie Toni keuchen. Stumm weinend schluckte sie das, was in ihrem Mund war, hinunter, gemeinsam mit dem sauren Erbrochenem, was aufstieg, und betete nur noch, daß sie und Karin am Leben bleiben würden. Ein Teil von ihr löste sich und tat so, als würde das alles gar nicht passieren, doch der Teil, der an dem Geschehen beteiligt war, spürte überdeutlich, daß dem nicht so war. Sein Glied in ihrem Mund wurde kleiner, nachdem nichts mehr heraus kam. Martinas Mund tat weh, doch sie wagte nicht, ihre Lippen zu bewegen. Als Toni sich von ihr trennte, schloß sie angewidert die Augen, um ja nicht das zu sehen, was sie da gerade im Mund gehabt hatte. Doch es war noch nicht vorbei. "Ausziehen", hörte sie Toni sagen. Als Martina sich nicht rührte, zerrte seine Hand an ihren Haaren. Leise weinend stand Martina auf. Sie tastete nach dem Knopf des Rockes in ihrem Rücken, öffnete ihn, zog den Reißverschluß herunter und ließ den Rock fallen. "Weiter!" fuhr Toni sie ungeduldig an. Unter Tränen zog sich Martina das Shirt, den BH und den Schlüpfer aus. Sie hielt die Augen geschlossen, als ob sie dadurch alles von sich weisen könnte, doch seine Hände, die kräftig und gierig über ihren ganzen Körper glitten, konnte sie einfach nicht ignorieren. Als sich seine Hand zwischen ihre Beine drängte, war sie schon so gebrochen, daß sie ohne Aufforderung ihre Knie öffnete. Sie spürte einen Finger dort hineingehen, wo sie es befürchtet hatte. Ihre Tränen flossen heftiger, unaufhaltsam. Plötzlich ließ Toni sie los. "Jetzt du", hörte sie ihn sagen. Sie öffnete vorsichtig die Augen und fand ihn vor ihrer kleinen Schwester stehen, sein Glied wieder so groß wie vorhin. Karin sah ihn mit Mordlust in den Augen an, doch als er an ihrem Haar riß, öffnete auch sie den Mund. Zitternd vor Angst und Hilflosigkeit mußte Martina das mit ansehen, was sie soeben selbst erlebt hatte. Als es vorbei war, mußte Karin sich ebenfalls ausziehen. Auch sie wurde von oben bis unten angefaßt, und auch sie bekam seinen Finger zu spüren. Dann ließ Toni sie los, drehte sie herum und zog sie mit dem Rücken an sich. Er winkte Martina zu sich und nahm auch sie von hinten in den Arm. Er fuhr mit beiden Händen gleichzeitig über die entblößten Körper der Mädchen. Martina und Karin tasteten nach ihren Händen und hielten sich aneinander fest, sich gegenseitig Hoffnung geben und trösten. "Zwei kleine süße Mädchen", hörten sie Toni murmeln, während er abwechselnd die Köpfe der Mädchen küßte. "Ganz allein für mich. Es hat euch doch auch gefallen, oder?" Automatisch nickten die beiden. Sie wollten nur noch weg, möglichst ohne Streit oder weitere Schmerzen. "Seht ihr", meinte Toni zufrieden, während er mit den Fingern in beide Mädchen gleichzeitig eindrang. "Ich sagte doch, es ist viel schöner, mich zum Freund zu haben als zum Feind. Glaubt ihr mir das jetzt?" Wieder nickten die Mädchen widerspruchslos. "Na also." Toni drehte die Mädchen in seinem Arm herum. "Kuß." Ohne Gegenwehr ließ Martina sich von ihm küssen. Seine Zunge in ihrem Mund war nach dem vorherigen Erlebnis nur noch halb so wild, auch wenn es sie ekelte bis zum Erbrechen. Karin reagierte kurz darauf ähnlich; auch sie machte Geräusche, als müßte sie das Brechen unterdrücken. Als Martina dann sein wieder hartes Glied an ihrem Bauch spürte, schloß sie verzweifelt die Augen. Hörte das denn gar nicht mehr auf? Tonis Hand ging zu ihrem Kopf und drückte sie nach unten. Völlig gebrochen ging Martina auf die Knie und öffnete den Mund, um ihn herein zu lassen. Sie öffnete die Augen einen winzigen Spalt und sah, wie Tonis andere Hand zwischen den Beinen ihrer Schwester war. Plötzlich entfuhr Karin ein Schmerzenslaut, und Sekunden später floß etwas Blut über ihre Oberschenkel. "Ist das schon mal aus dem Weg", sagte Toni ungerührt. "Tina, streng dich an, oder ich nehm mir deine Schwester mal richtig vor." Panisch bewegte Martina ihren Kopf vor und zurück, auch wenn sie vor Schwindel kaum mehr aus den Augen schauen konnte. Nach einer halben Ewigkeit hatte sie es endlich hinter sich: Toni zog seufzend sein kleines, nasses Glied aus ihrem Mund heraus. "Das tat doch mal gut", meinte er zufrieden. "Komm hoch, Tina." Zögernd und unsicher stellte sich Martina auf die Füße. Tonis Hand ging zwischen ihre Beine, und wenig später verspürte auch sie den kurzen, beißenden Schmerz, als ihr Häutchen zerriß. "Ihr zwei seid echt prima", meinte Toni lächelnd. "Nun geht euch waschen. Eure Kleidung bleibt solange hier." "Bitte!" weinte Martina leise. "Laß sie uns mitnehmen!" "Na gut. Bin ja kein Unmensch." Er griff noch einmal fest zwischen die Beine der Mädchen, bevor er sie entließ. "Die Tür", erinnerte Karin ihn. Toni rückte gnädig den Schlüssel heraus. Die Mädchen schnappten sich ihre Kleidung. Karin schloß auf, und beide rannten wie gehetzt ins Bad. Sie verschlossen die Tür hinter sich und fielen sich weinend in die Arme. "Er hat unsere Häutchen kaputt gemacht", schluchzte Karin leise. "Einfach so!" "Ich weiß." Martina drückte ihre kleine Schwester an sich. "Karin, das geht nicht gut. Heute das, und morgen..." Sie umarmte ihre Schwester weinend. Im Wohnzimmer legte Toni zufrieden die Füße auf den Tisch, die Arme ausgestreckt auf die Lehne und den Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken.
* * *
Die Mädchen konnten sich nicht auf die Hausaufgaben konzentrieren. Immer, wenn sie sich ansahen, erblickten sie in den Augen der anderen den Schmerz, den sie selbst erlebt hatten. Mit Mühe und Not erledigten sie ihre Aufgaben, packten die Schultaschen für den nächsten Tag und stellten sich dann Arm in Arm ans Fenster. "Was wird morgen sein?" fragte Martina verzweifelt. "Glaubst du, er macht damit Schluß?" "Glaub nicht." Karin zuckte hilflos die Schultern. "Ich hab morgen um zwölf Schluß. Und du?" "Um eins." Martina schüttelte den Kopf. "Ich laß dich nicht alleine mit ihm, Karin. Ich mach die letzte Stunde blau." "Danke", hauchte Karin mit nassen Augen. "Tina, wie können wir uns wehren? Ich will das nicht mehr!" "Wir müssen es jemandem sagen." Martina wischte sich die Tränen ab. "Irgend wem." "Ja, und dann schlägt er Mutti zusammen." Karin schüttelte den Kopf. "Oder uns. Glaubst du, daß er uns..." "Ganz sicher!" erwiderte Martina heftig. "Ganz sicher wird er uns vergewaltigen. Wenn nicht morgen, dann übermorgen. Oder Donnerstag. Irgendwann. Ganz sicher." Ihre Augen brannten, doch es kamen keine Tränen mehr. Sie waren aufgebraucht. "Wir müssen hier weg", flüsterte sie. "Wir müssen hier weg. Erst mal weg von hier." "Wohin?" Karin sah sie skeptisch an. "Und Mutti bei ihm lassen?" "Dann fahren wir am Supermarkt vorbei und sagen ihr Bescheid." Martina zog die Nase hoch. "Ja, und wenn sie dann nach Hause kommt und mit Toni redet, schlägt er sie zusammen." Karin seufzte laut. "Ist das alles Scheiße." Martina nickte zustimmend. "Tut's dir noch weh?" "Nein. Dir?" "Nicht da." Martina lächelte dünn. Karin nickte. "Ich möchte 18 sein", meinte sie grimmig. "Und dann mal sehen, ob der wirklich so toll zuschlagen kann. Vielleicht hat er sich die Knöchel bei einem Unfall so verletzt." "Oder vielleicht auch nicht." Martina zog ihre Schwester an sich. "Karin, laß uns hier verschwinden. Heute nacht. Oder morgen nach der Schule. Wir packen was ein und hauen ab. Wir sagen auch Mutti nicht Bescheid, dann kann Toni ihr nichts tun." "Aber Mutti macht sich dann große Sorgen um uns." "Ach Mensch!" Martina fing wieder an, zu weinen. "Was können wir denn tun?" "Den Mund aufmachen", meinte Karin verbittert. "Und schlucken." Sie würgte und rannte hinaus ins Bad, wo sie sich lautstark übergab. Auch bei Martina gewann der Brechreiz, der schon den ganzen Nachmittag in ihr gewesen war; trotz ausgiebigem Zähneputzen. Schnell rannte sie ihrer Schwester hinterher.
Als die Mädchen am Abend ins Bett gingen, legte sich Karin zu Martina. "Hast du gesehen, wie der uns angestarrt hat, wenn Mutti nicht hingesehen hat?" flüsterte sie leise. Martina nickte in der Dunkelheit. "Ja, und auch, wo er hingesehen hat. Morgen sind wir dran, Karin. Das spür ich. Morgen tut er uns richtig weh." "Na schön", meinte Karin mit plötzlicher Entschlossenheit. "Dann gehen wir jetzt ins Wohnzimmer und sagen, was passiert ist. Wenn wir zu dritt sind, kann er nicht viel machen. Eine von uns kann immer noch abhauen und auf den Hausflur rennen und um Hilfe schreien. Wollen wir?" In Martinas Magen wuchs ein dicker Knoten Angst. Sie schüttelte den Kopf. "Er bringt uns um!" jammerte sie. "Karin, er bringt uns um!" "Wird er nicht." Karin schlug das Oberbett zurück und setzte sich auf. "Komm. Bringen wir es hinter uns." Martinas Herz schlug wie wild, als sie gegen ihre Überzeugung aufstand und Karin durch das dunkle Zimmer zur Tür folgte. Mit jedem Schritt, den sie in Richtung Wohnzimmer machte, wo ihre Mutter und Toni saßen, schwand mehr von dem bißchen Mut, den sie in sich hatte. Doch Karin zog sie entschlossen ins Wohnzimmer und blieb mit ihr an der Hand neben dem Sofa, wo ihre Mutter saß, stehen. "Mutti?" sagte sie entschlossen. "Dein Toni hat uns heute nachmittag vergewaltigt. Den Finger unten reingeschoben, unsere Häutchen zerrissen, und wir mußten seinen - sein Glied in den Mund nehmen. Tina zweimal, ich einmal." Martina wurde schwindelig vor Angst. Sie sah nur noch Tonis Augen, die kalt auf ihre Schwester gerichtet waren. Daß ihre Mutter blaß wie der Schnee wurde, sah sie gar nicht. "Was?" flüsterte die Mutter entsetzt. "Was hast du da gesagt, Karin?" Karin wiederholte es, in aller Deutlichkeit und Entschlossenheit. Toni blieb noch sitzen, doch seine Haltung war sehr angespannt. Wie eine Katze vor dem Sprung auf die Maus. Die Mutter sah mit aschfahlem Gesicht zu Martina. "Stimmt das?" Martina nickte nur still weinend. Ihre Mutter fuhr zu Toni herum. "Was hast du getan!" flüsterte sie entsetzt. Toni zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Deine Töchter haben eine sehr wilde Fantasie", meinte er nur. "Und warum weint Tina dann?" "Weil sie hysterisch ist." Der Kopf der Mutter drehte sich zu den beiden Kindern, wieder zurück zu Toni, wieder zu den Mädchen. "Er lügt!" sagte Karin eindringlich. "Mutti, woher sollen wir denn sonst wissen, daß er auf seinem - seinem Glied ein fast schwarzes Muttermal hat? Genau oben in der Mitte? Wir haben es aus nächster Nähe gesehen!" Die Mutter lief rot im Gesicht an, preßte die Hände an ihr Herz und begann, zu röcheln. Die Mädchen bekamen Panik. "Mutti!" riefen sie gleichzeitig, und voller Angst. Ihre Mutter schaute sie voller Panik an, schnappte hektisch nach Luft und wurde plötzlich schlapp. Ihr Kopf fiel mit weit geöffneten Augen nach hinten, die Arme herunter. "Verdammte Scheiße!" brüllte Toni aufgebracht. "Ihr Dreckstücke habt eure Mutter umgebracht!" Er sprang wie von Sinnen auf und prügelte mit den Fäusten auf die Mädchen ein. Schon nach wenigen Schlägen begrüßten sie die Schwärze, die sich um sie legte und alles ausschloß.
Kapitel 3
Als Martina aus der Bewußtlosigkeit erwachte, war Toni weg. Jammernd vor Schmerzen rappelte sich die 14jährige auf und entdeckte sofort ihre Schwester, die reglos und aus Nase und Mund blutend auf dem Boden neben ihr lag. "Karin!" Martina wollte aufspringen, doch sie hatte keine Kraft in den Beinen und sackte schwer auf den Boden. Dabei fiel ihr Blick auf ihre Mutter, die noch immer so im Sofa saß wie vorher. "Mutti!" Martina brach in Tränen aus. "Hilfe!" schrie sie so laut, es ging. "Hilfe! Hilfe!" Sie schrie sich heiser, doch es kam keine Antwort. Im Gegenteil; es kam ihr so vor, als würden die vielen Fernseher und Radios in den anderen Wohnungen um sie herum plötzlich viel lauter sein. Schluchzend kroch sie zu ihrer Schwester. "Karin, komm zu dir!" flüsterte sie verzweifelt. "Ich brauch dich jetzt! Laß mich nicht allein!" Sie strich ihrer Schwester voller Angst über das Haar. In diesem Moment bewegte sich Karin. "Karin!" Erleichtert legte sich Martina neben sie und nahm sie in den Arm. "Du lebst!" "Halb", nuschelte die 12jährige matt. "Der Arsch hat mir zwei Zähne ausgeschlagen, bevor ich umgekippt bin. Was ist mit dir?" "Mir tut alles weh, und Mutti..." Sie vergrub das Gesicht weinend am Hals ihrer Schwester. "Mutti!" Karin setzte sich ächzend auf und sah ihre tote Mutter. Auch sie brach weinend zusammen. Vor Schmerz und Erschöpfung schliefen die beiden schließlich im Wohnzimmer ein. Als sie erwachten, war es schon weit nach neun Uhr morgens. Karin wachte auf, weil Martina wach wurde. Die Mädchen schauten sich verwirrt um, und sofort setzte die Erinnerung wieder ein. Karin stand stöhnend auf und schleppte sich in die Diele. "Was machst du?" fragte Martina, die beim Anblick ihrer Mutter wieder in Tränen ausgebrochen war. "Polizei", nuschelte Karin nur, während sie nach dem Hörer des Telefons griff. Martina nickte weinend, den Blick auf die Mutter gerichtet. "Mutti!" flüsterte sie. "Warum hast du mich nicht ausreden lassen? Warum hat niemand auf mich gehört?" Sie weinte noch, als ihre Schwester zurück kam und sie in den Arm nahm, und sie weinte noch immer, als die Polizei schellte. Karin öffnete. Wenig später war das Wohnzimmer voll mit fremden Leuten. Martina drehte beinahe durch, als sich zwei Männer an ihrer Mutter zu schaffen machten, doch Karin hielt ihre ältere Schwester eisern fest. "Sie ist tot, Tina", sagte sie, leise weinend. "Sie ist tot. Sie kann nicht hier bleiben." "Mutti!" schrie Martina gellend. "Mutti!" Zwei Leute liefen auf Martina zu und hielten sie fest, während ein dritter schnell eine Spritze aufzog und sie Martina in den Arm stach. Sekunden später fiel das Mädchen bewußtlos in Karins Arme. Der Arzt atmete erleichtert auf. "Gleich ins Krankenhaus mit den beiden. Die sehen schlimm aus." "Erst müssen wir erfahren, was hier los war." Einer der Männer, die Martina festgehalten hatten, sah Karin fragend an. Die 12jährige erzählte stockend und nuschelnd, unterbrochen von Weinen und Schluchzen, was in den letzten Tage passiert war, und endete mit einer sehr ausführlichen Schilderung des gestrigen Tages. "Also Herzinfarkt." Der Beamte machte sich einige Notizen, während der Arzt nickte. "Alle Symptome sprechen dafür. Und jetzt lasse ich die Kinder ins Krankenhaus bringen." Sein Ton duldete keinen Widerspruch. "Einen Moment noch." Der Beamte wandte sich noch einmal an Karin. "Gibt es ein Foto von diesem Toni?" "Nein. Doch. Im Schrank. Eins mit uns vier." Sie brach wieder in Tränen aus, als sie realisierte, daß es in Zukunft nur noch "Wir zwei" heißen würde. Der Arzt sah den Beamten vorwurfsvoll an und wollte gerade etwas sagen, als der Beamte nickte. "Das Wichtigste haben wir. Welches Krankenhaus?" "St. Lukas." Der Arzt winkte einigen Leuten zu. Wenig später lag die bewußtlose Martina auf einer Trage. Karin suchte sich auf Anraten eines anderen Beamten noch schnell Kleidung für ihre Schwester und sich heraus, bevor sie mit einem Sanitäter nach unten ging, wo Martina schon in einem Krankenwagen lag. Natürlich war die Straße voller Menschen; genau mit den Menschen, die gestern nicht auf Martinas Hilferufe gehört hatten. Doch das wußte Karin zum Glück nicht. Sie wußte noch viel mehr nicht. Sie wußte nicht, daß Toni seit knapp einem dreiviertel Jahr von der Polizei gesucht wurde, wegen Verletzung der Bewährungsauflagen. Sie wußte nicht, daß er wegen schweren Diebstahls bereits dreimal im Gefängnis gesessen hatte; das erste Mal schon mit 15. Sie wußte nicht, daß er sämtliches Geld, das der Mutter und das der Mädchen, eingesteckt hatte, bevor er sich aus dem Staub gemacht hatte. Sie wußte nicht, wo ihre Mutter hingebracht werden würde. Sie wußte nicht, daß keine Krankenkasse für ihre kaputten Vorderzähne zahlen würde und sie so lange mit den Zahnlücken herum laufen mußte, bis sie selbst das Geld dafür verdient hatte. Sie wußte nicht, daß Martina und sie nach dem Krankenhausaufenthalt in ein Waisenhaus gesteckt werden würden. Aber sie spürte etwas, als die Türen des Krankenwagens sich schlossen und sie die Hand ihrer bewußtlosen Schwester hielt: nämlich daß das Leben, was sie kannte, vorbei war. Endgültig und unwiderruflich. Und sie spürte, daß der Stärkere immer recht hatte. Oder immer das bekam, was er wollte. Ohne es zu merken, erkalteten ihre Augen, als sie nach draußen blickte, während sie sanft die Hand ihrer schlafenden Schwester streichelte. Wenn die Welt es so wollte, konnte sie es haben.
E N D E
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