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SH-039 – Silke
Silke .... (sh-039.zip) (Rom - kaum Sex) (65k) Zwischen der Schülerin und dem neuen Lehrer funkt es gewaltig
Copyright © 1998, Shana.
Date of first publication Sunday AM, October 11, 1998
Silke
Anmerkungen / Allgemeine Informationen für alle meine Geschichten: * In dieser Geschichte werden sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen deutlich beschrieben. Wenn diese Art Geschichten nicht Deinen Vorstellungen von einer erotischen Geschichte entsprechen oder Du selbst nicht volljährig bist oder diese Art Geschichten dort, wo Du lebst, nicht den lokalen Gesetzen entsprechen, lösche sie jetzt bitte sofort. * Geschichten in der Art von "Erwachsener Mann trifft minderjähriges Mädchen, und zehn Minuten später rammelten sie wie die Karnickel" finde ich persönlich sehr unwahrscheinlich und an den Haaren herbeigezogen, vor allem, wenn das Mädchen weit unter 16 Jahren alt ist. Daher versuche ich, in meinen Erzählungen mögliche Wege aufzuzeigen, wie eine Verbindung Mann - Mädchen zustande kommen kann. Wem dies zu langatmig ist, kann gerne auf andere Geschichten ausweichen. Zu einer guten Geschichte gehört für mich auch Logik. Ich möchte damit nicht behaupten, daß meine Geschichten gut sind, sondern nur eine Feststellung treffen. * Die meisten meiner Geschichten sind reine Erfindung. Namen, Personen, Orte und Daten sind frei erfunden, jedoch geändert in den Fällen, in denen ein realer Vorfall die Basis für eine Geschichte bildet. * Es wird ausdrücklich davor gewarnt, die Intimsphäre eines jungen, minderjährigen Menschen gegen seinen / ihren Willen zu verletzen! Nicht, weil es gegen das Gesetz ist, sondern weil es gegen den Willen des Menschen ist!!! Es entsteht kein gutes Karma, wenn Du dies tust, und du wirst früher oder später dafür bezahlen müssen. * Leben ist Kommunikation. Deshalb ist in meinen Geschichten sehr viel wörtliche Rede. * Für Handlungen, die aus dem Genuß dieser Geschichte entstehen, übernehme ich keinerlei Verantwortung. Ich habe schon genug damit zu tun, mein eigenes Leben in den Griff zu kriegen ;-). * Kommentare, Lob und Kritik sowie virtuelle Schokolade bitte in diese NG posten. * Falls diese Geschichte dem entspricht, was Du suchst: Viel Spaß beim Schmökern!
Begonnen: 13. August 1998 Beendet: 19. September 1998 Nr.: SH-039
(c) Story: Shana 1998
Das neue Schuljahr
"Das Schuljahr fängt gut an", schimpfte Meike. Ihre Freundin Silke sah sie überrascht an. "Wieso?" "Hast du den neuen Stundenplan nicht gesehen? Montag: zwei Stunden Englisch, zwei Stunden Deutsch, zwei Stunden Mathe. Zum Kotzen!" Silke verkniff sich ein Schmunzeln. "Sieh's locker, dann haben wir es zumindest hinter uns." "Klar!" maulte Meike. "Bis Donnerstag. Wieder so ein Hammertag, nur beginnt der mit Mathe und endet mit Deutsch. In der Mitte dann wieder Englisch. Außer Freitag jeden Tag bis halb zwei. Fuck!" "Das kannst du auf jeden Fall schon perfekt aussprechen", lachte Silke und steckte das zusammengefaltete Butterbrotpapier in ihre Tasche. Meike schaute sie giftig an. "Sag bloß, dir gefällt es, sechs Stunden hier in dem Bau zu hocken!" "Besser als auf der Straße rumzuhängen", meinte Silke mit einem versteckten Seitenhieb. Meike sprang sofort darauf an. "Ja und? Wenn ich so reiche Eltern hätte wie du, die mir alles hinten rein blasen, würde ich auch viel lieber zu Hause sein. Aber so..." "Ich weiß", sagte Silke sanft. "Tut mir leid, Meike. Ich hab's nicht so gemeint." "Ich auch nicht", erwiderte Meike, plötzlich zahm. "Ich bin froh, daß wir Freundinnen sind." "Ich auch. Dann mal los, Deutsch wartet." "Kann von mir aus warten", brummte Meike, erhob sich dann aber doch und ging mit ihrer Freundin über den Schulhof zurück zum Eingang. Die beiden 14jährigen Mädchen waren - äußerlich zumindest - sehr unterschiedlich, und niemand hätte auf den ersten Blick vermutet, daß die beiden gute Freundinnen waren. Meike war ein blondes Gift. Ihr Haar fiel lang, glatt und voll bis weit über die breiten Schultern, ihr deutlich entwickelter Busen drückte sich herausfordernd in das sehr knappe, bauchfreie Top. Ihre hautenge Hose begann weit unterhalb des Bauchnabels und endete in einem weiten Schlag knapp über dem Boden. Meike hatte einen kräftigen Knochenbau und war knapp 160 Zentimeter groß. Klare blaue Augen blickten grimmig in die Welt. Silke war ein eher zierliches Mädchen mit schulterlangen, mittelblonden Haaren und grauen Augen. Wo Meike auf den ersten Blick auffallend war, war Silke der unscheinbare Typ. Trotz ihrer reichen Eltern nicht auffällig gekleidet, sondern ganz normal mit T-Shirt und Jeans ausgestattet, heute in den Farben türkis und schwarz. Silke war schmal, körperlich fast unterentwickelt für ihr Alter; ihre Statur hatte sie von Vater und Mutter geerbt, die beide sehr schlank waren. Zwar überragte sie ihre Freundin um 5 Zentimeter, doch Blicke fielen immer und ausnahmslos zuerst auf Meike. Silke machte dies nichts aus. Ganz im Gegensatz zu Meike hatte sie keinerlei Interesse an Jungs in ihrem Alter, und an älteren, an die Meike sich noch lieber heranmachte, schon gar nicht. Silke beschäftigte sich in ihrer Freizeit viel lieber mit ihrer Querflöte und ihrem Hamster namens "Sir Winfried". Als Silke den Hamster zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, fiel ihr als erstes auf, daß das Fell weiß und hellbraun gemustert war, und zufällig waren das genau die Farben, in denen ihr Onkel Winfried gerne herumlief: weißes Hemd, hellbraune Hose. So wurde das Fellknäuel Sir Winfried getauft, sehr zur Erheiterung der gesamten Familie. Ihr Onkel setzte noch eins drauf, indem er stolz erklärte: "Und meine Augen hat er auch!" Trotz dieser Unterschiede waren Silke und Meike gute Freundinnen. Silke hörte gerne zu, wenn Meike von ihren Erlebnissen des Vortages erzählte, was Disco und Stadtpark und Marktplatz anging, wo sie abends immer herumhing, dafür fühlte Meike sich bei Silke zu Hause äußerst wohl. Die Ruhe und der Frieden dort gaben ihr Kraft, die Abende bei sich zu Hause zu überstehen, die bestimmt waren von Alkohol, Streit und - gelegentlich - auch Gewalt. Ein weiterer Grund, warum Meike oft zu Silke kam, war die Nähmaschine von Silkes Mutter. Trotz ihrer Jugend konnte Meike schon sehr gut nähen, und sie nähte sich ihre Kleidung selbst. Auch für andere Mädchen inzwischen; das Geld, das sie dafür bekam, teilte sie sich mit Silke, als Benutzungsgebühr für die Nähmaschine. Silke hatte sich erst dagegen gewehrt, aber Meike hatte darauf bestanden. "Sonst komm ich mir mies vor", meinte sie nur. Silke gab nach und ließ das Geld insgeheim ihrer Mutter zukommen, der die Maschine gehörte. Die Mutter hingegen gab das Geld für Stoffe oder Accessoires aus, die sie wieder Meike zukommen ließ. Dagegen konnte das blonde Mädchen nichts machen; auch wenn sie die Geschenke noch so sehr zurückwies, war Silkes Mutter besser im Überreden als Meike im Ablehnen. So verbrachten die beiden Mädchen so gut wie jeden Nachmittag zusammen. Trotz ihrer sehr forschen und manchmal auch groben Art konnte Meike lieb und nett sein, allerdings nur in dem entsprechenden Umfeld, wie bei Silke zu Hause. Sie kam sehr gut mit Silkes Eltern klar, mit ihren eigenen dagegen überhaupt nicht. Die Mädchen machten zusammen Hausaufgaben, dann ging Meike an die Nähmaschine, um ein T-Shirt, ein Top, eine Hose oder einen Rock für sich oder ein Mädchen aus der Schule zu nähen, und Silke übte Flöte oder spielte mir Sir Winfried Rasenmäher. Sie setzte den Hamster in den Garten, in einen großen Käfig aus Maschendraht, und Sir Winfried stürzte sich voller Begeisterung auf das frische Gras. Sie waren sehr gute Freundinnen, die beiden Mädchen, die nun ihr Klassenzimmer betraten und sich auf ihre Plätze setzten. Nach dem zweiten Gong, der den Beginn der Schulstunde einläutete, wurden die Kinder in der Klasse etwas unruhig, denn noch war ihr Lehrer nicht da. Als die Klasse nach zehn Minuten immer noch ohne Führung war, stand Bettina auf, die Klassensprecherin des letzten Jahres. "Ich geh mal nachfragen", meinte sie und eilte hinaus. Fünf Minuten später kam sie zurück. "Es kommt gleich jemand", meinte sie, etwas außer Atem. "Was ist denn los?" fragte ein Junge. Bettina zuckte die Schultern. "Keine Ahnung, aber wir sind nicht die einzigen, die noch keinen Lehrer haben. Irgendwas ist passiert; das Lehrerzimmer stinkt geradezu nach Streß." Sofort stieg der Lärmpegel, als die Jungen und Mädchen anfingen, sich über die möglichen Ursachen zu unterhalten. "Ich sagte doch, das Schuljahr fängt gut an", meinte Meike lakonisch und lehnte sich zurück in ihrem Stuhl. Silke schaute auf ihre Uhr. "Du, ich geh noch mal schnell aufs Klo. Das dauert ja eh noch was, bis jemand kommt." "Mach mal", sagte Meike und schloß ihre Augen. Silke stand schnell auf und eilte zur Tür. Sie öffnete sie und erstarrte. Vor ihr stand ein Lehrer, den sie noch nie gesehen hatte, ein Mann Ende Dreißig, genauso unscheinbar wie sie selbst. Etwas unter 1,80 Meter, nicht allzu sportlich, mit kurzen, dunkelblonden Haaren und blaugrauen Augen, konservativ gekleidet, doch Silkes Herz fing an, zu rasen, als sie in seine Augen sah. Sie spürte mehrere Dinge gleichzeitig: zum einen eine Seelenverwandtschaft mit diesem Mann, die sie sich nicht erklären konnte. Zum anderen wußte sie mit absoluter Sicherheit, daß ihr Leben, so wie sie es kannte, in dieser Sekunde endete und ein neues begann; eines, von dem sie nicht wußte, wie es ausging. Und sie spürte zum ersten Mal in ihrem jungen Leben, was es hieß, unsterblich verliebt zu sein. Dem Mann vor ihr erging es nicht viel anders. Er war auf dem Weg in seine neue Klasse gewesen, als sich die Tür vor ihm, nach der er gerade greifen wollte, öffnete und ein junges Mädchen vor ihm stand. Er sah in graue Augen, die ihn erschrocken anschauten, sah tiefer, ganz tief in die Seele des Mädchens und erkannte, was für jeden Lehrer ein Alptraum war: daß eine hoffnungslose und unstillbare, weil verbotene Liebe zugeschlagen hatte. Mit aller Macht. Die gegenseitige Musterung dauerte nur einen Augenblick, doch dieser Augenblick veränderte alles. "Hallo", sagte der Mann schließlich. "Schon auf dem Weg nach Hause?" Kein Vorwurf, kein Tadel, nur eine schlichte Frage, doch Silkes Bauch fing an zu flattern, als sie die Stimme des Mannes hörte. Sie schüttelte schnell den Kopf. "N- nein. Ich - ich wollte nur mal schnell austreten." Dem Mann erging es nicht viel anders. Als er die helle, sanfte Stimme des Mädchens hörte, erfaßte ihn eine so starke Sehnsucht, daß es ihm die Luft abschnürte. Mit aller Kraft riß er sich zusammen. "Ist es sehr dringend, oder kann das noch etwas warten?" fragte er höflich. "Kann warten", hauchte Silke und stolperte zu ihrem Platz zurück, während der Mann eintrat und die Tür leise hinter sich schloß. Die Klasse war mucksmäuschenstill, als er zum Lehrerpult ging und seine Tasche dort ablegte. Silke konnte ihre Augen nicht mehr von ihm abwenden. Gebannt sah sie ihm zu, wie er um das Pult herumging, sich vorne auf den Tisch setzte und den Blick über die Klasse gleiten ließ. "Guten Morgen", sagte er schließlich. "Mein Name ist Frank Michaels." Er verstummte wieder; überlegte seine nächsten Worte. "Wie ich gehört habe", begann er nach einer Weile, "lief diese Schule bisher ziemlich glatt, was den Unterricht angeht. Ab und zu wurde mal ein Lehrer krank, aber das konnte ohne größere Probleme aufgefangen werden. Zumindest bis heute morgen." Gespannt hörten die Kinder zu. "Für dieses Schuljahr wurden fünf neue Lehrer eingestellt. Ein Kollege, der wie ich hier aus der Stadt kommt, und drei aus einer Nachbarstadt. Diese drei kamen mit dem Zug heute morgen. Besser gesagt, sie sollten kommen. Der Zug hatte einen schweren Unfall." Er überflog kurz die erschrockenen Gesichter der Jungs und Mädchen. "Alle drei Lehrer sind tot, neben vielen weiteren Menschen", sagte er leise. "Es war ein schrecklicher Unfall. Warum, wieso, weshalb, ist noch unklar. Wir haben erst kurz vor Ende der zweiten Stunde davon erfahren." Er stand auf und ging langsam durch den Mittelgang, verfolgt von ungläubigen Gesichtern. "In der großen Pause gerade wurde ein Notplan aufgestellt. Ich sollte eine zehnte Klasse übernehmen, wurde aber gebeten, eure neunte zu leiten. Der Lehrer, der eigentlich euer Klassenlehrer werden sollte, gehört zu den Opfern. Ihr werdet bei mir Deutsch, Englisch, Mathematik und Geschichte haben. In Mathematik bin ich nicht allzu gut, aber bis zum Ende des Jahres wird es reichen. Das bedeutet, wir werden den gesamten Montag, den gesamten Donnerstag und eine Stunde am Freitag miteinander verbringen." Er sah auf seine Uhr. "Ihr habt jetzt noch ein paar Minuten für euch; ich werde gegen halb elf wiederkommen. Dann machen wir je eine Stunde Deutsch, Englisch und Mathematik, ab morgen folgen wir dann eurem Stundenplan, an dem sich nichts ändern wird." Er lächelte kurz, und dieses Lächeln ging Silke durch und durch. "The show must go on, wie es so schön heißt. Auch wenn hinter der Bühne das Chaos tobt, muß das Publikum unterhalten werden und darf von dem Chaos nichts mitbekommen. Ihr könnt in der Klasse bleiben oder auf den Gang gehen, aber seid bitte leise draußen. Bis gleich." Er stand auf und ging schnell hinaus. Sofort begannen aufgeregte Gespräche. "Das Schuljahr fängt echt gut an", meinte Meike kopfschüttelnd. "Ja." Silke war genau der gleichen Meinung. "Das fängt wirklich gut an." Noch immer schlug ihr Herz hart und schnell.
"Geh schon mal vor, ich komm gleich nach." Silke eilte zum Telefon, während ihre Freundin Meike in Silkes Zimmer ging. Sie griff nach dem Hörer und rief die Auskunft an. Nach einigen Sekunden meldete sich jemand. "Wendlandt, guten Tag", sagte sie höflich. "Ich hätte gerne die Telefonnummer und die Adresse von Frank Michaels. ... Ja, hab ich. Finkenweg 17. Und die Nummer? ... Gut, vielen Dank!" Zufrieden legte sie auf und steckte den Notizzettel mit den Angaben ein, dann ging sie zu ihrer Freundin. "Ich muß nachher noch mal weg", sagte sie zu Meike, die schon ihre Schultasche auspackte. "Direkt nach den Hausaufgaben." "Paßt ganz gut", meinte Meike. "Ich hab am Sonntag einen süßen Jungen kennengelernt, mit dem will ich mich so um fünf in der Eisdiele am Markt treffen." "Und?" grinste Silke. "Wie lange soll das diesmal halten? Länger als zwei Tage?" "Hängt von ihm ab", lachte Meike. "Wenn er sich benimmt und nicht gleich in meine Unterhose will, vielleicht sogar drei." Lachend gingen die Mädchen an die Schulaufgaben. Silke konnte sich sehr gut zusammennehmen, wenn es darauf ankam. Um vier waren sie fertig, dann stiegen die Mädchen auf ihre Räder und blieben einige Straßen zusammen, bis sie sich trennten. Meike fuhr in die Innenstadt, Silke machte sich auf zum Finkenweg. Sie wußte, daß es Wahnsinn war, was sie tat, aber das Gefühl in ihr war zu stark. Sie mußte einfach sehen, wo Frank Michaels wohnt. Aufgeregt und mit klopfendem Herz bog sie schließlich in den Finkenweg ein und schaute konzentriert auf die Hausnummern. Da! Nummer 17 war ein ganz normales Haus wie all die anderen auch, doch für Silke war dieses Haus das schönste auf der ganzen Welt. Sie hielt vor dem Haus und spähte durch das Fenster. Sie sah in eine Küche, die sich in nichts von vielen anderen Küchen in dieser Stadt unterschied, doch Silke sah in ihrer Phantasie Frank in der Küche stehen, sich das Essen zubereiten, etwas aus dem Kühlschrank holen, etwas in einen Schrank stellen. Ihr Herz schlug bis zum Hals vor Aufregung und Freude. Plötzlich bewegte sich etwas hinter dem Fenster. Silke erschrak und sah das Gesicht ihres neuen Lehrers, der staunend auf die Straße hinausblickte, genau in ihre Augen. Silke bekam Panik und trat so heftig in die Pedale, daß die Kette absprang. Mit fliegenden Fingern und zitternden Nerven legte sie die Kette um das Zahnrad am Hinterrad, drehte trotz ihrer Angst das Rad langsam weiter, bis die Kette wieder saß, dann stieg sie auf und fuhr weg, so schnell sie konnte. Erst viele Straßen weiter hielt sie an, mit trockenem Mund und zitternden Händen.
* * *
Frank Michaels hatte sich während seiner Laufbahn als Lehrer angewöhnt, seinen Blick nie auf einer Schülerin oder einem Schüler ruhen zu lassen, sondern von einem zum anderen zu blicken, bis er die ganze Klasse durch hatte und wieder von vorne anfing. Dies auch aus dem Grund, um frühzeitig zu sehen, wenn ein Kind dichtmachte, weil es den Stoff nicht mehr verstand. Aber mehr, um nicht in die Versuchung zu geraten, ein Mädchen zu lange anzusehen. An diesem Donnerstag wurde diese Fähigkeit auf eine harte Probe gestellt. Die kleine Silke war wie ein Magnet für seine Augen, und er brauchte alle Kraft, um seinen gewohnten Blick beizubehalten. Während die Klasse einen Text las und er die Reihen überflog, überlegte er, was ihn an diesem Mädchen so faszinierte. Er hatte schon oft hübsche und sehr hübsche Mädchen in seinen Klassen gehabt, war jedoch bisher nie in die Verlegenheit gekommen, daß ihn ein Mädchen so tiefgehend ansprach, daß es gefährlich werden konnte. Aber Silke... Silke war nicht außergewöhnlich hübsch, das wußte und sah er. Aber der Blick in ihre Augen hatte Quellen aufgetan, die Frank noch nie erlebt hatte. Es war, als hätte er in die Erfüllung all seiner Sehnsüchte geblickt. Und warum hatte dieses Mädchen ihn noch am ersten Schultag zu Hause besucht? Korrektur: warum hatte sie seine Adresse in Erfahrung gebracht und nachgesehen, wo und wie er wohnte? Konnte sie das gleiche fühlen wie er? Hatte auch sie etwas von dem verspürt, was in ihm tobte? Er hoffte, daß es nicht so war. Wenn dieses Gefühl nur einseitig war, konnte es im Zaum gehalten werden, aber wenn es ein beiderseitiges Gefühl war, lag eine Zukunft vor ihnen, die sie beide nicht abschätzen konnten. Wenn sie überhaupt eine Zukunft hatten. Er konzentrierte sich wieder auf die Klasse. Mittlerweile hatten alle den Text gelesen. "Gut", sagte er laut. "Wer möchte beginnen?" Einige Hände hoben sich, darunter auch die von Silke. Er schaute sie einen Moment lang an, wie die anderen, die sich gemeldet hatten, und wußte in der gleichen Sekunde, daß er diesem Mädchen rettungslos verfallen würde. Er wußte es so sicher wie das Amen in der Kirche. Er machte sich von ihren Augen los, in denen er zu ertrinken drohte, und sah sich weiter um, dann blickte er auf den Sitzplan vor sich. "David. Komm bitte nach vorne und fang an." Aus den Augenwinkeln sah er, daß Silke ihre Hand sinken ließ, und er spürte ihren Schmerz und ihre Enttäuschung wie seine eigene. David ging nach vorne und gab eine kurze Zusammenfassung des englischen Textes und seine eigenen Gedanken dazu, dann setzte er sich wieder. "Sehr schön, David. Die Zusammenfassung war in Ordnung. Wer möchte etwas zu Davids Anmerkungen sagen?" Diesmal meldete sich nur Silke. "Silke?" Schon der Name zerging ihm auf der Zunge wie eine köstliche Frucht. Silke stand schüchtern auf. "Ich glaube, daß David einen Punkt übersehen hat. Der Streik kam nicht nur aus Unzufriedenheit über das Geld, sondern mehr wegen der Arbeitsbedingungen." Sie setzte sich wieder. "Guter Einwand, Silke", lächelte Frank. Silkes erfreutes Gesicht traf ihn wie ein flammender Pfeil in den Bauch. "David, was meinst du dazu?" David stand auf. "Von den Arbeitsbedingungen stand nichts in dem Artikel", verteidigte er sich und setzte sich wieder. Ohne Aufforderung stand Silke wieder auf. "Schon, nur hatten wir vor den Ferien etwas darüber durchgesprochen, daß die englischen Arbeiter zum Teil unter absolut furchtbaren Bedingungen arbeiten mußten. Und deshalb sagte ich, daß du einen Punkt übersehen hast." David stand auf und blieb stehen, wie Silke auch. Frank sah amüsiert von Silke zu David, wie der Rest der Klasse auch. "Das hatten wir", gab er zu. "Allerdings beschränkte sich der Artikel, den wir jetzt gelesen haben, auf die Wirtschaft." "Mag ja sein", meinte Silke, "aber deswegen darf man doch nicht die Zusammenhänge vergessen." "Aber der Zusammenhang ist hier nicht erwähnt!" Die Stimmen wurden schärfer. "Doch, in dem Datum! Dieser Artikel kommt aus der gleichen Woche wie der, den wir vor den Ferien gelesen haben, und deshalb ist da ein Zusammenhang!" "Woher willst du das denn wissen?" "Weil ich mich daran erinnere!" "Es reicht!" lachte Frank und klatschte kurz in die Hände. Wütend setzte sich David, aufgebracht Silke. "Wenn ich jetzt sage, daß Silke recht hat, ist David wütend, und wenn ich sage, daß David recht hat, ist Silke wütend. Also?" Er blickte die beiden Schüler munter an. "Was machen wir jetzt?" "Trotzdem hängt das alles zusammen", meinte Silke leise, aber bestimmt. "Gut, fragen wir anders." Frank sah kurz zur Decke. "Silke, was macht dich so sicher, daß die beiden Texte im direkten Zusammenhang stehen?" Er sah ihr in die Augen und zwang sich, die Schülerin zu sehen, und nicht den Menschen. Obwohl es ihm dieses Mal gelang, wußte er auch, daß es ihm nicht mehr lange glücken würde. Dieses Mädchen löste einfach zuviel in ihm aus. "Na..." meinte Silke unsicher. "Weil, wie ich schon sagte, die Zeit, also das Datum, bei beiden Artikeln fast gleich ist. Ich glaube, die liegen nur zwei Tage auseinander. Und daß zwei Streiks innerhalb von zwei Tagen passieren, ist ziemlich unwahrscheinlich." "David", wandte sich Frank an den Schüler, ohne auf Silkes Äußerung einzugehen. "Was macht dich so sicher, daß die beiden Texte nicht im direkten Zusammenhang stehen?" "Ich denke, wenn der Streik wegen Geld und Arbeitsbedingungen gewesen wäre, daß der Artikel dann darüber berichtet hätte." "Sehr schön", freute Frank sich und stand auf. "Damit kommen wir zur Lösung des Rätsels: Silke hat recht, Silke hat unrecht, David hat recht, und David hat unrecht. Alles klar?" Er lachte die beiden Schüler fröhlich an, die ihn ungläubig anstarrten. Der Rest der Klasse lachte laut auf. "Silke hat insofern recht, wenn sie sagt, daß die Artikel aus der gleichen Woche stammen. Tatsächlich war der Streik nicht nur wegen der schlechten Bezahlung, sondern auch wegen der unzumutbaren Luft in dem Bergwerk entstanden." Silke freute sich. "Silke hat allerdings unrecht, wenn sie davon ausgeht, daß die Artikel nur wegen der fast gleichen Zeiten zusammenhängen. Zu jener Zeit brodelte und gärte es überall in England; nur von der Zeit ausgehend kann man nicht sagen, was zusammengehörte. Diese Schlußfolgerung liegt zwar nahe, ist aber nicht begründet. David hat recht, wenn er sagt, daß von den Arbeitsbedingungen nichts in dem zweiten Text stand. Dieses Thema wurde bereits in dem Artikel, den Silke erwähnte, erschöpfend behandelt und als bekannt vorausgesetzt. David hat unrecht, weil beide Artikel tatsächlich den gleichen Streik behandeln." "Wer hat denn jetzt gewonnen?" fragte Meike genervt und erntete Gelächter für diese Frage. "Keiner, und beide", grinste Frank. "Beide bekommen für ihre mündliche Leistung eine Zwei." Das schlichtete den Streit. Sowohl Silke wie David waren damit zufrieden.
Am Ende der sechsten Stunde fragte Silke Frank, ob sie ihn noch kurz sprechen könnte. "Ich warte draußen", sagte Meike und ging mit den anderen hinaus. "Worum geht's?" fragte Frank betont neutral. Jede persönliche Regung hätte bedeutet, Silke mindestens in den Arm zu nehmen. Mindestens. Frank nahm alle Beherrschung zusammen, die er noch hatte. Er wußte selbst am besten, daß dies nicht mehr allzuviel Beherrschung war. "Um die Diskussion vorhin in Englisch", sagte Silke leise und sah Frank in die Augen. Ihr Herz schlug so kräftig, daß sie es kaum mehr aushielt. Sie klammerte sich an ihre Tasche, um ihrem Lehrer nicht um den Hals zu fallen; die Sehnsucht nach ihm, die sie überfallen hatte, tat ihr regelrecht weh. "Ich bin der Meinung, daß David unrecht hatte mit seinen Argumenten." "Hatte er auch", gab Frank zu. Silkes Augen wurden groß. "Allerdings hatte er nur dann unrecht, wenn er den Zeitungsartikel zwischen den beiden, die wir durchgesprochen haben, gekannt hätte. Da er ihn nicht kannte, hatte er, was seine Argumente anging, recht. Du aber auch, Silke. Du hast beide Artikel in den richtigen Zusammenhang gebracht und völlig korrekt von dem ersten auf den zweiten geschlossen. Allerdings kanntest du den dazwischen auch nicht, und so bestand eine kleine Wahrscheinlichkeit, daß du unrecht hattest." Er schaute das Mädchen aufmerksam an und spürte, wie seine Beherrschung bröckelte und brach. Sein Gefühl zu diesem Mädchen war einfach zu stark. Silke ging es ähnlich. Sie sah Frank an und spürte eine so starke Anziehungskraft, daß sie sich fast nach vorne, in seinen Arm, fallen ließ. Frank sah die Bewegung ihres Körpers auf ihn zu und streckte instinktiv seine Arme nach ihr aus, doch beide stoppten die Bewegung noch rechtzeitig. Silkes Wangen wurden rot, Frank befeuchtete seine trockenen Lippen. "Du gehst jetzt besser", sagte er leise. Silke nickte. "Ja." Sie drehte sich weg und rannte hinaus. Frank stieß die Luft aus und fühlte sich erschöpft wie nach einem zweistündigen Waldlauf.
* * *
Der nächste Tag, in der Geschichtsstunde. "Sehr schön, Silke. Sehr gut dargestellt." Silke bedankte sich mit einem schüchternen Lächeln und wollte von der Tafel zurück zu ihrem Platz gehen, stolperte jedoch über ihre eigenen Füße. Frank wollte sie auffangen, doch sie hielt sich am Pult fest und vermied so einen Sturz. "Neue Schuhe", meinte sie verlegen und stand auf, dann ging sie zu ihrem Stuhl. Frank sah auf dem Boden ein kleines gefaltetes Stück Papier, was vorher nicht dagewesen war. Er ignorierte es für den Moment und machte mit der Geschichtsstunde weiter. Nach Unterrichtsende gingen die Schülerinnen und Schüler in die große Pause. Frank ließ sich Zeit mit dem Einpacken seiner Unterlagen und hob den Zettel erst auf, als der Raum leer war. Er steckte ihn ein und ging ins Lehrerzimmer. Die ganze Pause über brannte der Zettel wie Feuer in seiner Tasche, doch erst in der nächsten Stunde hatte er Gelegenheit, ihn zu lesen; diese Klasse schrieb einen Test. Frank holte einen Kuli mit dem Zettel zusammen aus der Tasche und legte beides auf den Tisch vor ihm. Dann öffnete er ein Buch, schlug eine beliebige Seite auf und legte den Zettel wie ein Lesezeichen hinein. Er stand auf, machte einen kurzen Kontrollgang durch die Reihen und setzte sich anschließend wieder an seinen Platz. Er schlug das Buch auf, legte den Zettel zwischen sich und das Buch und öffnete ihn mit einer Hand, während er mit der anderen das Buch hielt. "Heute, 17:00, hinter dem Sportplatz", stand auf dem Zettel. Er faltete ihn wieder zusammen und legte ihn hin. Nach der Stunde verschluckte er den Zettel.
Silke saß auf einer Bank hinter dem Sportplatz und wartete voller Ungeduld, doch als es schon weit nach sechs Uhr abends war, wurde ihr klar, daß Frank nicht kommen würde. Niedergeschlagen fuhr sie nach Hause. Den Rest des Wochenendes spielte sie auf ihrer Querflöte, ein trauriges Lied nach dem anderen. Selbst Sir Winfried konnte sie nicht aufheitern.
Die zweite Woche
"Ich hab einen so geilen Typen kennengelernt", schwärmte Meike am Montag vor der ersten Stunde. "Du, der hat 'ne echt irre Maschine, 'ne 900er! Und er will mich heute abend mitnehmen!" "Schön", sagte Silke teilnahmslos. Meike entging Silkes Ton völlig. "Ja, und er ist schon 19 und hat 'ne 18jährige wegen mir stehen lassen! Ist das nicht irre?" "Ja", antwortete Silke in dem gleichen Ton wie vorher. Während Meike weiter von ihrem neuen Freund (dem dritten in einer Woche) schwärmte, ging Silke nur eine einzige Frage im Kopf herum: Warum ist er nicht gekommen? Bedrückt ging sie neben ihrer immer noch eifrig erzählenden Freundin in die Klasse und setzte sich. Kurz darauf trat Frank Michaels ein. Silkes Herz schlug bis zum Hals, als sie ihn ansah. Sie verglühte förmlich vor Sehnsucht nach ihm. Warum das so war, wußte sie nicht; es war eben so, und es tat ihr sehr, sehr weh. Nicht die Sehnsucht als solche, sondern das Wissen, diese Sehnsucht nicht stillen zu können. Frank hatte ebenfalls ein sehr trostloses Wochenende hinter sich, voller Fragen ohne Antworten. Er war aus zwei Gründen nicht zu dem vorgeschlagenen Treffpunkt gekommen: erstens wußte er nicht genau, ob die Einladung wirklich ihm galt, und zweitens, wenn sie ihm galt, wußte er, was passieren würde, würde er zu dem vorgeschlagenen Treffpunkt kommen. Er saß den ganzen Freitag nachmittag zu Hause und schaute auf die Uhr, und als es endlich fünf Uhr wurde, überfiel ihn eine sehr große Trauer, doch er bezwang sich und fuhr nicht. Am Samstag morgen bedauerte er es zutiefst, daß er gestern zu Hause geblieben war. Gleichzeitig fürchtete er sich vor dem kommenden Montag. Vor Silkes Kummer. Als er nun die Klasse betrat, vermied er bewußt, Silke anzusehen. Hätte er es getan, wäre er gleich zu ihr gelaufen, vor ihr auf die Knie gefallen und hätte sie um Verzeihung gebeten. Was dann passiert wäre, konnte er sich an einem Finger abzählen. So ging er zu seinem Pult, legte seine Tasche darauf, dann blickte er über die Klasse. "Guten Morgen!" sagte er fröhlicher, als ihm zumute war. Sein Blick glitt über Silke, und ihr Schmerz traf ihn wie ein scharfes Messer. "Guten Morgen!" kam das Echo der Klasse. Nur ein Mädchen schwieg. Frank handelte impulsiv, ohne nachzudenken. "Silke", begann er. "Dein Vorschlag von Freitag - du erinnerst dich an unser Gespräch - war doch besser, als ich erst dachte. Ich glaube, ich werde es so machen." Er betete, daß sie verstand, was er ihr sagen wollte. "Freitag?" fragte Silke. Ihre Augen leuchteten kurz auf. Sie hatte verstanden. "Sie meinen Donnerstag, oder?" "Richtig", meinte Frank nach kurzem Nachdenken. "Montags habe ich immer Probleme, mir die Wochentage zu merken." Er schaute Silke kurz an. "Aber nur Montags!" Sie nickte leicht, ihre Augen strahlten. "Kommt wahrscheinlich vom Alkohol", meinte eine fröhliche Stimme aus der letzten Reihe. "Aber vierzigprozentig", grinste Frank, und die Klasse lachte. "Okay. Fangen wir an. Miriam, lies bitte deine Hausaufgaben vor." Als Frank wenig später wieder zu Silke blickte, lachten ihre Augen noch immer. Er stellte fest, daß er sich auf das Treffen freute. Falsch. Er sehnte es förmlich herbei.
Silke hatte sich um halb fünf von Meike getrennt, die vor lauter Freude auf das Motorradfahren nicht mehr geradeaus denken konnte, und war auf Umwegen zu ihrer Schule gefahren, so daß sie an der Rückseite ankam, wo der Sportplatz war. Sie fuhr über den schmalen Fußweg an der Seite des Geländes bis zu der kleinen Bank, stellte ihr Rad ab und setzte sich nervös hin. Sie schaute sich um, aber sie war alleine. Der Platz würde sich erst wieder gegen 19:00 Uhr beleben, wenn eine Fußballmannschaft hier trainierte. Um ganz sicherzugehen, wollte sie sich von Frank, sollte er kommen, woran sie dieses Mal nicht zweifelte, schon gegen sechs trennen. Die Aufregung ließ sie schwitzen. Immer wieder schaute sie an sich herab, überprüfte den Sitz ihres Sommerkleides, zupfte hier am Träger, zog dort am Saum, bis sie endlich einen Motor hörte. Sie schaute angestrengt über den Platz hinweg und sah ein Auto, das auf den Parkplatz für die Lehrer fuhr. Es hielt an, und Frank stieg aus. Silke bekam auf der Stelle einen trockenen Mund vor Nervosität. Sie sah ihm zu, wie er über den Fußweg ging und langsam näher kam; sein Blick war auf den Boden vor ihm gerichtet, die Bewegungen langsam, fast zögernd. Dann sah er auf und entdeckte sie. Er blieb einen Moment stehen, in dem Silke glaubte, sterben zu müssen, dann kam er entschlossen und zügig auf sie zu. Etwa zwei Meter vor der Bank blieb er stehen und nickte leicht. "Hallo, Silke" grüßte er mit ausdruckslosen Augen. "Hallo, Frank" gab Silke leise zurück. "Danke, daß du gekommen bist." "Silke, warum bist du letzte Woche zu meinem Haus gefahren?" "Weil ich sehen wollte, wo du wohnst." Schnell, ohne Pause und ohne nachzudenken flogen Frage und Antwort hin und her. "Warum?" "Weil ich es mußte." "Wer hat dir gesagt, daß du das mußt?" "Mein Bauch." "Warum hast du mir diesen Zettel gegeben?" "Weil ich es mußte." "Mußtest du das aus dem gleichen Grund?" "Ja." "Warum duzt du mich?" "Weil du mir so nah bist." Sie legte eine Hand auf ihre linke Brust. "Hier nah. Warum bist du Freitag nicht gekommen?" "Ich wollte nicht." "Warum nicht?" "Aus Angst." "Vor mir?" "Nein." "Vor uns?" "Ja." "Warum bist dann jetzt gekommen?" "Auch aus Angst. Aus Angst, dich zu verletzen, Silke." "Nur deswegen?" "Nein." "Warum dann noch?" "Mußt du das noch fragen?" "Nein." Silke lächelte ihn traurig an. "Mußt du noch fragen?" "Nein." Frank sah Silke an. "Wollen wir etwas laufen?" "Gerne." Silke stand nervös von der Bank auf und strich ihr Kleid glatt. "Ich schließ eben mein Rad ab." Frank sah ihr zu, wie sie die Kette von dem Rahmen nahm und durch die Speichen führte. Mit einem leisen Klick rastete das Schloß ein. Frank verschloß die Augen vor dem Symbolismus dieser kleinen, alltäglichen Handlung. Schweigend gingen der Mann und das Mädchen, der Lehrer und die Schülerin nebeneinander her, weg von dem Sportplatz, über den schmalen Fußweg, der in einen kleinen Wald führte. Beide wollten die Hand ausstrecken, um die Hand des anderen zu nehmen, und beide wußten, was geschehen würde, wenn sie sich berührten. Sie ließen ihre Hände, wo sie waren. Trotzdem stieg die Spannung zwischen ihnen. Mit jeder Sekunde, mit jedem Schritt. Schweigend gingen sie nebeneinander her. "Bist du verheiratet?" fragte Silke endlich leise. "Ja." "Wo ist deine Frau?" "In einem Internat. Sie kommt nur am Wochenende nach Hause. Es ist ziemlich weit weg von hier." "War sie jetzt am Wochenende da?" "Nein. Zuviel Arbeit mit den ganzen neuen Schülern. Ende der Woche kommt sie." "Spielt das eine Rolle, daß du verheiratet bist?" "Du meinst, jetzt? In diesem Moment?" "Ja." "Nein." Silke blieb stehen und drehte sich zu Frank, der ebenfalls stehenblieb. 'Sie muß den ersten Schritt tun', dachte Frank. 'Das wird mir vor Gericht nichts nützen, aber für mich ist es wichtig, daß sie den ersten Schritt tut.' "Warum ist das so mit uns?" fragte Silke leise. "Ich weiß es nicht, Silke. Es war schon so, als ich dich das erste Mal gesehen habe, in der Tür." "Bei mir auch. Ich wußte da, daß sich alles verändert." Sie sah Frank ernst an. "Ich habe Angst, Frank. Schreckliche Angst. Trotzdem kann ich nicht anders." "Angst vor der Zukunft?" "Ja." Silke ging langsam weiter, Frank folgte ihr. "Du wirst furchtbaren Ärger bekommen, genau wie ich. Und deine Frau... Ich bin 14, Frank. Ich habe bisher keinen Freund gehabt. Nicht so. Ich habe noch nicht mal einen Jungen geküßt. Trotzdem schreit alles in mir nach dir. Ich glaube, ich sterbe innerlich, wenn ich meinem Gefühl nicht folge." "Was sagt dir denn dein Gefühl?" "Das gleiche wie deins." Silke warf ihm einen scheuen Blick zu. "Glaube ich zumindest." "Du glaubst richtig, Silke. Mir geht es genauso. Ich habe auch Angst vor dem, was kommt, aber ich weiß, daß ich ohne dich nicht mehr leben kann. So etwas habe ich bisher zu keinem Menschen gesagt, aber bei dir ist es so. Du weißt, was auf uns wartet?" "Ja", hauchte Silke. "Heimlichkeiten, Verstecken, Lügen." "Willst du das?" "Nein." Sie schaute ihn entschlossen an. "Aber ich akzeptiere es. Wenn ich dich dafür habe." "Meine Ehe wird kaputtgehen. Auch wenn meine Frau es niemals erfährt, wird es nie wieder so sein wie früher." "Ist es denn jetzt noch so wie früher?" "Nein, Silke." "Frank?" "Ja?" "Küß mich." In brennender, verzehrender Leidenschaft fanden sich ihre Lippen zu einem wahren Vulkanausbruch an Gefühlen. Silke preßte sich mit all ihrer Kraft an Frank, schlang wie in schierer Verzweiflung ihre Arme um seinen Rücken und glaubte, unter seinen wilden, fordernden Lippen verglühen zu müssen. Seine Hände auf ihrem Rücken strahlten immense Hitze durch den dünnen Stoff ihres Kleides, gingen mit gespreizten Fingern durch ihr Haar, hielten ihren Kopf fest, und beide spürten, wußten, daß selbst der Kuß, die Umarmung und die Nähe, daß all dies noch lange nicht genug war für sie. Sie waren noch zu weit entfernt voneinander. Sie waren sich noch nicht nahe genug. Und Frank begann sich zu fragen, ob sie diese Nähe jemals erreichen würden. Silke zog sein Hemd aus der Hose, legte ihre heißen, feuchten Hände auf die Haut an seinem Rücken, drückte sich noch enger an ihn, den Mund weit geöffnet, um ihren Zungen Raum zu geben. Sie wußte, daß sie auf einem Weg war, der Gefahr und Verzweiflung brachte, doch sie wischte diesen Gedanken beiseite. Sie spürte seine Finger an den rückwärtigen Knöpfen ihres Kleides, spürte seine Hände auf ihrer nackten Haut im Rücken, drängte sich noch näher an ihn, preßte ihre Beine an seine, ihre Brust an seine und wünschte sich, in ihn hineinkriechen zu können. In ihr explodierten Gefühle, die sie noch nie gekannt oder erlebt hatte. Sie spürte Franks Hände, die ihr Kleid hochhoben und es über ihren Kopf zogen. Sie spürte sein Hemd sich von seinem Körper lösen. Sie hörte das leise Geräusch, mit dem Kleid und Hemd zu Boden fielen. Sie fühlte seine Hände zwischen ihren Körpern, hörte das dumpfe Geräusch eines sich öffnenden Gürtels, dann das leise Surren des Reißverschlusses. Ihre Welt drehte sich, als gierige, heiße und dennoch sanfte Hände über ihren unberührten Körper glitten, Punkte berührten, von denen Silke nie gedacht hätte, daß sie solche enormen, wilden Gefühle in ihr auslösten. Dann drehte sich ihre Welt wirklich, und sie sank auf den Boden, Frank über ihr. Noch immer küßten sie sich, als gäbe es kein Danach, kein Morgen, keine Zukunft, beider Hände bewegten sich wild über die Haut des anderen. Silke hob ihr Becken, als sie den Zug an ihrem letzten Stückchen Stoff verspürte; für Hemmung und Scham war kein Platz mehr in ihr, alles in ihr war voll von dem Wunsch, Frank noch näher zu sein. Und dann schrie sie leise auf, als er ihr nahe war, so nah wie noch nie ein Mensch zuvor. Selbst sie hatte sich noch nie so berührt. Doch der Schmerz verschwand im gleichen Moment und machte Platz für ein brennendes, leidenschaftliches Feuer in ihrer Seele. Ein Feuer, von dem sie im gleichen Moment wußte, daß sie es immer wieder suchen würde, und immer nur von Frank. Sie öffnete sich weit für ihn, ihre Fingernägel hinterließen Markierungen der Leidenschaft auf seinem Rücken, und ihr Körper schrie: 'Mehr!' und pulsierte im Rhythmus seiner Bewegungen. Ihre Seele flog gen Himmel, als ein ungeahntes Feuer durch sie schoß, jeden einzelnen Nerv mit elektrischer Spannung auflud, die fast stärker war, als sie ertragen konnte, doch es war nicht im Geringsten unangenehm, sondern schier ekstatisch. Wieder und wieder schrie ihr Körper auf, im Einklang mit seinen stummen Schreien, die so heiß in sie schossen, ihre Beine schlossen sich um ihn, um ihn ganz in sich zu ziehen, noch tiefer, als er schon war, und sie bedauerte mit einem kleinen Winkel ihres Bewußtseins, daß die Natur eine physische Grenze gesetzt hatte, die verhinderte, daß ihre Körper zu einem verschmolzen. Die Euphorie verblaßte. Silke wußte, daß ihre Kindheit hier und jetzt zu Ende gegangen war. Eine kurze, intensive Trauer überfiel sie, doch sie wurde gleich von einem erneuten Feuer verdrängt, das Franks wieder aufgenommene Bewegungen nach dieser beiderseitigen Ekstase in ihr entfachten. Willig überließ sie sich ihm, folgte seinen Gefühlen, gab zurück, was sie konnte, gab sich ihm ganz hin, schenkte ihm ihre Gefühle, ihre Liebe, ihre Seele, genauso wie er ihr seine Gefühle, seine Liebe und seine Seele schenkte. Sie verbanden sich mit Körper, Geist und Seele, tauschten weit mehr als nur reine Lust aus, sondern sie vereinten sich, auch wenn es eine verbotene Vereinigung war, doch es war die einzige Vereinigung, die sie beide miteinander verbinden konnte. Und wieder schrie Silkes Körper auf, wieder flog ihre Seele weit in den Himmel, und mit plötzlicher, absoluter Sicherheit wußte, daß in ihr etwas entstehen würde, ein sichtbarer Beweis dieses einmaligen, unwiederbringlichen Momentes, ein Beweis ihrer gemeinsamen Liebe, und ein Beweis, der ihnen beiden die Zukunft rauben würde und dafür eine neue Zukunft schenkte, eine Zukunft, von der sie noch immer nicht wußte, wie sie enden würde. Schwitzend, atemlos, und erfüllt lagen Silke und Frank aufeinander. Ihre Hände streichelten ihre Körper, versicherten sich ihrer Gefühle füreinander, wischten die Trauer weg, die schon auf sie lauerte. Augen trafen sich, identische Gefühle trafen sich, Lippen trafen sich, und ein letztes Mal verschmolzen zwei Menschen zu einer Seele, tauschten sich aus, verbanden sich, dann trennten sich die Körper, doch ein tiefes, deutlich sichtbares Band blieb zwischen ihnen; ein Band, so wußte Silke, das jeder sehen konnte. Schweigend lagen sie nebeneinander auf dem trockenen Waldboden, spürten nicht die Äste und Erde, spürten nur sich. Arme, Beine, Körper, Lippen verschlangen sich ineinander, heiße Haut stieß gegen heiße Haut. Niemand wollte den ersten Schritt machen und aufstehen, doch beide wußten, daß dieser Moment enden mußte. Wie jeder Moment in der Zukunft enden mußte, denn es durfte nicht sein, was hier geschehen war. Auch wenn beide es wollten, es mehr als alles andere in der Welt wollten, durfte es dennoch nicht sein. Graue Augen blickten in blaugraue Augen, ein junger Mund öffnete sich. "Ich liebe dich, Frank. Es tut so weh!" "Ich liebe dich auch, Silke." Seine Hände fuhren durch ihr Haar. "Mir tut es auch weh. Ich möchte bei dir sein, jede Sekunde des Tages, und..." "Pst!" unterbrach Silke ihn und legte ihren Zeigefinger an seine Lippen. "Sag es nicht, Frank. Tu mir nicht noch mehr weh. Auch wenn du es nicht absichtlich machst." "Werde ich dich wiedersehen?" fragte Frank leise. Silke lächelte traurig. "Schaffen wir es denn, uns nicht wiederzusehen?" "Nein." Er erwiderte ihr trauriges Lächeln. "Wie soll es weitergehen?" "Ich weiß nicht", flüsterte Silke. "Aber es muß weitergehen. Treffen wir uns morgen wieder? Hier? Gleiche Zeit?" "Oder heute abend? Hier? Um neun?" "Ich bin da." Silke legte ihre Lippen auf Franks Mund und küßte ihn zärtlich. "Um halb neun." "Halb neun. Ich werde hier sein." "Oder viertel nach acht? Dann haben wir eine Viertelstunde mehr Zeit für uns." Silke lächelte ihren Lehrer an. "Ich muß um zehn zu Hause sein." "Wann immer du möchtest, Silke." "Zehn nach acht."
"Hallo, Silke!" "Hallo, Frank!" Beide lachten verlegen, wie zwei Schulkinder, die bei einem Streich erwischt wurden, denn es war noch nicht einmal acht Uhr. "Wartest du schon lange?" "Nein. Ich bin gerade angekommen und hab mich hingesetzt, da bist du auf den Parkplatz gefahren." Silke schloß ihr Rad ab und legte ihre Hand in Franks. "Laß uns was laufen." Frank spreizte seine Finger, Silke schob ihre dazwischen, dann schlossen sich zwei Hände zu einer. Schweigend, weil keine Notwendigkeit bestand, zu reden, gingen sie nebeneinander her, über den schmalen, nur wenig begangenen Fußweg, hinein in den Wald. Nach wenigen Metern löste Silke ihre Hand und legte ihren Arm um Franks Hüfte, der wiederum seinen Arm um die Schultern des Mädchens legte. Silke drückte sich eng an ihn, roch seinen Geruch, und erinnerte sich an seinen Geruch von vor zwei Stunden. Ihr wurde schwindelig vor Verlangen; ihre Vorsätze, mit Frank nur zu laufen und zu reden, schwanden. Franks Verlangen wuchs ebenfalls, als der Duft von Silkes Haaren in seine Nase stieg. Er erinnerte sich an den schlanken Mädchenkörper unter sich, den er besessen hatte, hörte noch einmal Silkes Schreie, die er mit einem Kuß erstickte, als sie ihren Höhepunkt hatte, und sein Körper erinnerte sich an das Gefühl, mit Silke vereint gewesen zu sein. Er drückte das Mädchen enger an sich, spürte ihre kleine Brust an seiner Seite, und ihre Rippen. Seine Hand bewegte sich zu ihrer Wange. Silke drückte ihren Kopf in seine Hand. Sie wußte, was vorhin geschehen war, doch sie spürte keinerlei Verlegenheit oder Scham in sich. Im Gegenteil. Alles schien vollkommen richtig und natürlich gewesen zu sein, es war nur ein weiteres Steinchen in dem Mosaik namens Liebe. Sie wußte jedoch auch, daß Frank mindestens ins Gefängnis kommen würde, sollten ihre Eltern oder die Leute in ihrer Klasse jemals etwas davon erfahren. Sie selbst würde wahrscheinlich in ein Mädcheninternat kommen, oder in ein Heim. All dies war schlecht, denn es würde Frank und sie trennen, und das wollte - nein, mußte sie um jeden Preis vermeiden. "Wir müssen sehr vorsichtig sein, Silke", sagte Frank in diesem Moment. Sie nickte. "Ja, Frank. Jetzt werde ich es schaffen." Sie sah ihn an. "Jetzt sind wir ja zusammen, oder?" "Das sind wir", antwortete Frank ernsthaft. Er blieb stehen und nahm Silke in den Arm. "Mehr als zusammen, Silke." "Ich spür's", flüsterte sie und preßte sich an ihn. Sie spürte etwas an ihm erwachen; etwas, das ihr vorhin so unglaublich viel Gefühl geschenkt hatte. Ihr Unterleib schickte verlangende Impulse durch ihre Nerven. Unbewußt zog sie an Franks Hemd. Sie wollte, mußte seine Haut an ihrer spüren. Jetzt. Hier. In diesem Augenblick. Dieses Mal waren beide sehr viel zärtlicher. Frank öffnete die Knöpfe von Silkes Kleid, einen nach dem anderen, in dem Bewußtsein, daß Silke es genauso wollte und brauchte wie er. Es war nicht animalische Lust, die sie antrieb, es war das Verlangen, ineinander aufzugehen, gemeinsam eine neue Welt zu gründen; eine Welt, in der nichts existierte außer ihnen beiden. Silke hob ihre Arme und ließ sich das Kleid abnehmen, Frank streckte seine Arme nach hinten und ließ sich das Hemd ausziehen. Er drehte Silke um, drückte sie mit dem Rücken an sich, fuhr mit seinen Händen sanft über ihren Oberkörper, streichelte ihre jungen Brüste, glitt hinunter zum Bauch und in ihr Höschen. Silke erschauerte. Sie griff nach hinten, öffnete seinen Gürtel, den Knopf und den Reißverschluß, dann zog sie an der Hose. Sie drehte sich in Franks Arm, nahm ihrerseits Frank bei den Schultern und drehte auch ihn herum. Dann umarmte sie ihn von hinten, streichelte ihn so, wie er sie gestreichelt hatte: an der Brust, am Bauch und am Unterleib. Sie hatte keine Angst vor dem, was sie in seiner Unterhose spürte, sie wollte es wieder in sich haben, es spüren, davon hochgehoben und getragen werden. Sie schob ihre Hände an beiden Seiten in die Unterhose und zog sie nach unten. Frank stieg aus seinen Schuhen heraus und befreite sich von Hose und Unterhose. Silke sah ihn ohne Scheu an, nahm jede Einzelheit seines Körpers mit ihren Augen auf. Sie bemerkte die dünnen Haare an seiner Brust, den leichten Bauch, die vielen Haare zwischen seinen Beinen, wo sie zwar auch Haare hatte, aber längst nicht so viele und so dunkle. Sie stellte sich mit dem Rücken zu ihm und wartete. Frank wiederholte Silkes Bewegungen: er führte seine Hände in ihren Slip und schob ihn sanft hinunter. Silke hob ein Bein aus dem Slip heraus und schleuderte ihn mit dem anderen Fuß zur Seite. Frank legte seine Arme wieder um sie, streichelte ihren Bauch, ging tiefer. Silke war froh, daß sie sich zu Hause noch schnell dort gewaschen hatte; nun war alles wieder sauber und bereit für ihn. Sie drückte ihre Knie nach außen, gab ihm und seiner Hand mehr Raum und ließ sich forttragen von den wunderbaren Gefühlen. Sie spürte ein heißes, hartes Teil in ihrem Rücken und federte ganz leicht in den Knien. Sie spürte die Haut an diesem Teil sich bewegen, etwas freilegen und wieder verdecken. Sie hörte Franks Atem, der so schwer ging wie ihr eigener, sie fühlte seine Erregung wie ihre eigene. Frank drehte sie wieder herum, senkte seinen Kopf zu ihr und küßte sie zärtlich, voller Liebe und Sehnsucht. Silke wußte, daß es unglaublich riskant war, nackt mit ihrem nackten Lehrer im Wald zu stehen, doch ihr Verlangen war so groß, daß sie es selbst mitten in der Stadt getan hätte. So sehr gehörte sie ihm. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und erwiderte den Kuß mit all ihrem Gefühl für ihn. Franks Hände gingen hinunter zu ihrem Po und drückten ihren Körper an sich. Er war sich vollkommen im klaren darüber, daß es nur einen einzigen einsamen Fußgänger brauchte, um den Traum platzen zu lassen, in dem er sich befand. Er war Silke hörig, und es war pures Glück, daß das Mädchen für ihn genauso empfand wie er für sie. Wenn sie ein etwas skrupelloserer Mensch wäre, hätte sie ihn bis auf das symbolische Hemd ausziehen, ihn bloßstellen und erpressen können, und er hätte getan, was sie von ihm verlangte. Doch daß dieses vierzehnjährige Mädchen ihn liebte, sehr viel mehr liebte als seine eigene Frau, war die Erfüllung all seiner Träume von einer Seelenpartnerin. Für den Bruchteil einer Sekunde haderte er mit seinem Schicksal, das ihm ein so junges Mädchen über den Weg geführt hatte, doch diese Anwandlung von Trauer und Kummer verschwand, als Silke ihn anblickte. In ihren grauen Augen las er, was er noch nie zuvor in den Augen seiner Frau oder sonstwo gesehen hatte: bedingungslose, wahre Liebe. "Ich gehöre dir", sagte Silke in diesem Moment. "Und ich dir", erwiderte Frank ernst. "Schlußfolgerung: wir gehören uns", lächelte Silke. "Das gibt eine Eins Plus in Logik." Frank strich ihr durch die mittelblonden Haare. "Komm." Sie sanken zu Boden. Silke lächelte ihn verliebt an, als sie ihre Beine für ihn, nur für ihn, öffnete. Frank beugte sich über sie, küßte sie von der Stirn bis zu den Zehen und wieder aufwärts. In der Mitte machte er halt, küßte sanft die Stelle, die Silke glücklich machen würde, bis sie sich erregt hin und her wand. Mit seiner Zunge nahm er den nächsten Schritt vorweg, zeigte ihr im Kleinen, wie es im Großen wäre. Silke vergrub ihre Finger in seinem Haar, preßte seinen Kopf härter an sich, machte sich so weit, wie sie nur konnte, und dann peitschte es wieder durch ihren Körper, dieses unglaublich wilde Gefühl von Freiheit und Glück. Sie war noch nicht ganz wieder zurück, als sie Franks Lippen auf ihren spürte. Hungrig warf sie ihre Arme um seinen Hals, küßte ihn mit aller Leidenschaft, und spürte, wie sie geweitet wurde, wie dieses heiße und harte Teil sie betrat und ihr mit dieser monotonen, eigentlich langweiligen Bewegung mehr Gefühl und Freude schenkte, als sie jemals für möglich gehalten hatte. Ihre Hände fuhren wild über seinen Rücken, spürten die Kratzer, die sie vorher dort hinterlassen hatten, schickten ein kurzes Schuldgefühl hinauf in ihren Kopf, doch es löste sich dort sofort auf und verschwand im Nichts. Was blieb, waren die Vorboten dieser wundervollen Ekstase, die von Sekunde zu Sekunde stärker wurden. War sie vorhin noch das unschuldige, unerfahrene Mädchen gewesen, das nicht wußte, was es machen sollte, so war sie nun die erwachende Frau, deren Instinkte sich meldeten. Sie zog ihre inneren Muskeln zusammen, sich sicher, daß es Frank gefallen würde, und sein Seufzer und die stärkeren Bewegungen machten sie glücklich, daß auch sie ihm Freude schenken konnte, so wie er ihr. Sie paßte ihre Bewegungen seinen an, spürte, wie sie sich gegenseitig höher schaukelten auf dem Karussell der Freude, wußte mit einem neu erwachten Sinn, wie weit er war, half ihm, mit ihr gleichzuziehen, und gemeinsam beschritten sie den letzten Teil dieses wunderschönen, aufregenden Weges, der sich plötzlich in Luft auflöste, Tausende von Blumen auf sie regnen ließ, mit unbeschreiblichen Lichtern den Tag erhellte, die schönsten Melodien erklingen ließ, und sie wußte, daß es immer so bleiben würde mit Frank. Und sie wußte, daß auch Frank es wußte. Stöhnend und keuchend stießen ihre Körper aneinander, bis der letzte Funke verglomm, der letzte Ton verklang, die letzte Blume fiel, dann blieb nur noch das Gefühl von Gemeinsamkeit, mitten auf der Erde im Wald. Und das war das schönste Gefühl von allen. "Weinst du vor Glück?" "Ja." "Ich auch." Und es war vollkommen gleichgültig, wer die Frage gestellt und wer die Antwort gegeben hatte.
* * *
Silke fuhr zusammen, als sie das leise Klopfen ihrer Mutter an ihrer Zimmertür hörte. Sie wappnete sich innerlich. "Herein." Die Tür öffnete sich. Ihre Mutter betrat das Zimmer, das Gesicht sorgenvoll, in der Hand eine schmale Packung. Silke schloß die Augen. "Silke, hast du eine von diesen Tabletten genommen?" fragte ihre Mutter ruhig und setzte sich neben Silke auf ihr Bett. Silke nickte, ohne aufzusehen. "Warum?" "Das weißt du doch, Mutti", erwiderte Silke verlegen. "Ich weiß, wofür die sind, und du weißt das auch." Sie sah auf, mit Tränen in den Augen. "Es tut mir leid, Mutti. Daß ich eine genommen hab, ohne dich zu fragen." "Das andere nicht?" "Nein." Silke sah wieder auf ihre Bettdecke. "Das tut mir nicht leid. Ganz und gar nicht." Silkes Mutter nickte traurig. Als sie entdeckt hatte, daß eine ihrer Pillen fehlte, wußte sie, daß nur Silke sie genommen haben konnte. Und den Grund dafür wußte sie auch. Keine Vierzehnjährige nimmt die Pille, nur um mal zu probieren, wie sie schmeckt. Sie hatte lange nachgedacht, wie sie mit ihrer Tochter reden sollte, und sich trotz ihres ersten Schocks für das ruhige Gespräch entschieden. Wenn überhaupt, dann brauchte Silke jetzt Verständnis, und nicht Vorwürfe. "Wer war es denn?" fragte sie Silke. "Das sag ich nicht." Leise, aber fest entschlossen antwortete Silke. "Wann ist es passiert?" "Heute. Heute nachmittag." Sie schaute ihre Mutter fest an. "Und heute abend." "Hat er dich dazu gezwungen?" "Nein." Silke sprach die Wahrheit, das konnte die Mutter an ihren Augen ablesen. "Wirst du es wieder tun?" "Ja." "Warum hast du nicht erst mit uns darüber gesprochen, Silke?" Silke lächelte dünn. "Dazu war keine Zeit, Mutti. Es... es ist einfach passiert. Weil wir beide es wollten." "Das ging mir mit deinem Vater genauso", erwiderte ihre Mutter und schaute ihre Tochter traurig an. "Allerdings war ich da schon sechzehn." "Ich weiß, Mutti." Silke atmete tief ein. "Ich hab es wirklich nicht vorgehabt. Wenn Meike... also, wenn sie von ihren Verabredungen erzählt, dann klingt das alles immer so furchtbar grob und... Ich weiß nicht. Es klingt mehr nach Kampf. Nach Besiegen und Ergeben." Sie zuckte die Schultern. "Aber bei mir - bei uns war das ganz anders." Silke redete sehr langsam, überlegte jedes einzelne Wort, um Frank nicht versehentlich zu verraten. "Wir sind spazierengegangen, und wir hatten beide Angst, uns zu berühren. Wir haben nicht mal Händchen gehalten. Und dann... Dann hab ich ihm gesagt, daß er mich küssen soll. Und plötzlich..." Wieder zuckte sie die Schultern. "Es kam einfach so, Mutti. Aber es war wunderschön." "Redest du dir das nicht nur ein?" "Nein, Mutti. Ich bin zwar erst vierzehn, aber ich liebe ihn. Ich will jede Sekunde bei ihm sein, mit ihm reden und wissen, daß er bei mir ist. Das andere... Ich weiß nicht, aber das gehört irgendwie dazu. Heute nachmittag war das wie eine Explosion, aber heute abend war es einfach wunderschön für uns beide. Trotzdem ist das nicht das Wichtigste für uns. Das weiß ich. Es ist neu, es ist fantastisch, aber es ist nur ein Teil von dem, was wir fühlen." "Silke, du machst mir Angst!" Erschüttert sah ihre Mutter sie an. "Weißt du, was du da redest?" "Ja, Mutti." Die Tränen kamen zurück. "Ich liebe ihn. Ich liebe ihn so stark, daß ich es nicht aushalte, hier zu liegen und zu wissen, daß er auch alleine zu Hause liegt und an mich denkt. Ich möchte bei ihm sein, in seinen Armen liegen und mit ihm reden. Ich möchte ihn spüren und eigentlich immer in seiner Nähe sein. Das tut so weh, Mutti!" schluchzte sie plötzlich auf und warf sich an ihre Mutter, die sie fassungslos festhielt und unbewußt tröstete, während ihre Gedanken ein Chaos waren. Aber eins wußte sie mit mütterlicher Scharfsicht: Silke schwärmte nicht. Sie liebte. Und das machte ihr mehr Angst als jede noch so verrückte Schwärmerei. Noch etwas erkannte sie plötzlich: sie redeten nicht über einen Jungen in Silkes Alter. "Silke, ist er erwachsen?" fragte sie behutsam. Silke schluchzte nur stärker und klammerte sich an ihre Mutter. "Frag bitte nicht", stammelte sie unter Tränen. "Frag das bitte nicht, Mutti." 'Ist das der Schnitt?' fragte ihre Mutter sich, am Rande der Verzweiflung. 'Ist das der Schnitt, der die Familie auseinander bringt? Was soll ich jetzt machen? Erlauben kann ich es ihr nicht, aber wenn ich es ihr verbiete, wird sie mir vollständig entgleiten.' Abwesend strich sie ihrer Tochter über den heißen Kopf. 'Eins nach dem anderen', ermahnte sie sich und zwang ihre Gedanken zur Ruhe. 'Erst einmal dafür sorgen, daß sie nicht schwanger wird.' "Hast du morgen wieder um halb zwei Schule aus?" "Ja", schniefte Silke und nahm sich ein Taschentuch, um ihre Nase zu putzen. "Warum?" "Weil ich morgen die größte Dummheit meines Lebens machen werde", seufzte ihre Mutter. "Wir beide gehen zum Gynäkologen."
Die nächsten Tage
"Morgen, Meike! Wie war das Motorradfahren?" "Hör bloß auf!" Meike sah sich kurz um und flüsterte: "Der Typ hat die Maschine so hochgedreht, daß alles vibrierte und ich fast einen Orgasmus hatte! Dann hält der plötzlich an und will mich ausziehen! Ich hab gemacht, daß ich wegkam!" Sie kicherte. "Er hat mich zwar festgehalten, aber ich hab den Schlüssel abgezogen und weit weggeworfen. Hättest den mal fluchen hören sollen, als der im Gras robbte und seinen Schlüssel suchte!" "Nichts passiert?" fragte Silke besorgt. "Nichts", beruhigte Meike sie. "Ich will das noch nicht. Ich weiß zwar, was über mich geredet wird, aber ich bin noch Jungfrau, und ich gedenke, dies noch lange zu bleiben." Sie zwinkerte Silke zu. "Auch wenn ich mich gerne anfassen lasse und wild knutsche. Sag mal, kann ich Physik von dir abschreiben? Ich hab das gestern nicht mehr geschafft." "Klar." Silke holte ein Heft aus ihrer Tasche und gab es Meike. "Ist nicht so viel." "Danke!" strahlte Meike und schrieb schnell die Hausaufgaben ab. Rechtzeitig zum Gong zur ersten Stunde war sie fertig.
Nach der Schule fuhren die Mädchen direkt zu Silke und aßen zu Mittag, dann setzte Meike sich an die Nähmaschine. Die Hausaufgaben wollten sie angehen, sobald Silke mit ihrer Mutter zurück war; Meike hatte fürs erste keine Lust mehr auf Ausgehen. Aber so, wie Silke sie kannte, würde sich das schon morgen wieder ändern. Ziemlich nervös fuhr sie mit ihrer Mutter zum Frauenarzt und kam auch gleich dran, nach nur wenigen Minuten Wartezeit. Ihre Mutter hatte offenbar schon mit dem Arzt gesprochen, denn er verabreichte ihr zwei Tabletten, die sie sofort schlucken mußte, und zwei weitere, die sie morgen nach der Schule nehmen sollte. "Die verhindern, daß Sie schwanger werden", erklärte der Arzt Silke. Dann folgte eine für Silke sehr peinliche Untersuchung, bei der ihre Mutter zum Glück nicht anwesend war, doch der Arzt war sehr professionell, vermied Augenkontakt und brachte es schnell hinter sich. Dann bat er die Mutter wieder herein. "Keine Schäden festzustellen", beruhigte er die Mutter. "Sie wollen wirklich, daß Ihre Tochter die Pille bekommt? Sie ist immerhin erst vierzehn." "Fast fünfzehn", korrigierte Silke. "Ich hab im Januar Geburtstag." "Gut, vierzehneinhalb", lächelte der Arzt. "Die Risiken und Nebenwirkungen sind Ihnen bekannt?" Silke verneinte. "Nicht so genau. In der Schule haben wir darüber nicht so ausführlich gesprochen." Der Arzt klärte Silke über die möglichen Folgen auf, von denen keine so schlimm war, daß Silke auf den Schutz der Pille verzichtet hätte, und so war sie schließlich im Besitz des Rezeptes. Von ihrer Mutter wurde sie zum Auto geschickt, während diese noch in eine Apotheke ging und wenig später mit zwei Tüten zurückkam. Eine gab sie Silke. "Deine Pillen sind kostenlos, aber das andere wirst du beim nächsten Mal selbst bezahlen." Sie seufzte. "Ich weiß wirklich nicht, warum ich das tue." Silke schaute verlegen in die Tüte und fand eine Dreimonatspackung ihrer Pille, und eine Schachtel mit Kondomen. Überwältigt drehte sie sich zu ihrer Mutter, doch die sah sie nur streng an. "Kein Wort darüber zu deinem Vater, verstanden? Und auch kein Wort mehr zu mir!" Silke nickte strahlend. "Versprich mir nur eins, Kleines", sagte ihre Mutter, plötzlich sehr besorgt. "Wenn du jemals das Gefühl hast, er nutzt dich nur aus oder spielt mit dir, komm bitte sofort zu mir, ja?" "Das verspreche ich", beteuerte Silke ernsthaft. "Aber das wird nicht passieren." Ihre Mutter startete den Wagen und sah Silke an. "Ich muß verrückt sein, daß ich dir das erlaube. Warum kannst du nicht so unreif sein wie Meike? Dann hätte ich kein Problem, dir Hausarrest zu geben!" "Nützt bei Meike ja auch nichts", antwortete Silke mit einem scheuen Lächeln. "Sie tut ja doch das, was sie will." "Und das würdest du auch?" "Ja, Mutti. Wenn ihr mich einsperrt, würde ich abhauen. Ich hab Papa und dich sehr lieb, aber..." Sie schluckte schwer. "Ach, vergiß es!" knurrte ihre Mutter brummig und fuhr los. Silke lächelte verlegen in sich hinein. Zuhause angekommen, rief sie als erstes Frank an und sagte ihm Bescheid, daß sie sich erst nach dem Abendessen treffen könnten. "Ich sag dir dann, warum", flüsterte sie. "Ist gut, Silke", kam die warme Stimme durch den Hörer. "Hauptsache, ich sehe dich überhaupt noch heute." "Das wirst du. Ich liebe dich." "Und ich dich, Silke. Bis heute abend. Acht Uhr?" "Spätestens", lachte Silke. "Ich eß was früher und komm um halb acht. Bis dann." Sie legte auf, hob den Hörer wieder ab und wählte die Null, dann legte sie wieder auf. Nun war die Nummer von Frank gelöscht. Beschwingt hüpfte Silke in ihr Zimmer.
* * *
Dieses Mal war Frank als erster da. Silke stellte ihr Fahrrad ab und begrüßte ihn überglücklich mit einem leidenschaftlichen Kuß. "Jetzt erzähl", forderte er sie atemlos auf. "Was ist denn so Aufregendes passiert?" Silkes Augen strahlten vor Glück. Frank wurde schwindelig bei dem Gedanken, daß er dieses Gefühl in Silke auslöste. "Komm mit!" Silke griff nach seiner Hand und ging mit ihm in den Wald. "Mutti war heute mit mir beim Arzt", begann sie, nachdem der Sportplatz hinter ihnen lag. Sie schaute Frank mit roten Wangen an. "Ich bekomm jetzt die Pille", flüsterte sie. "Und es ist nichts kaputt bei mir." Frank erstarrte. "Weiß deine Mutter Bescheid?" "Ja und Nein. Sie weiß nicht, wer du bist, aber sie weiß, daß ich wahnsinnig verliebt bin." Sie lächelte schüchtern. "Ich glaube, das kann ich nicht gut verstecken." Frank atmete auf. "Das kann keiner von uns beiden", sagte er sanft und strich mit dem Daumen über ihren Handrücken. "Wenn meine Frau am Freitag kommt..." Er verstummte. "Wann kommt sie denn?" fragte Silke besorgt. "Am späten Nachmittag. Ich schätze, so gegen fünf, halb sechs." Silke nickte traurig. "Dann können wir uns das ganze Wochenende nicht sehen?" "Ich weiß es nicht", seufzte Frank aus tiefstem Herzen und legte seinen Arm um Silke. "Erinnerst du dich? Heimlichkeiten, Verstecken, Lügen." Silke nickte. "Ja, Frank. Ich erinnere mich. Und ich akzeptiere es, auch wenn ich es nicht aushalte." Sie schmiegte sich an ihn. "Wirst du es ihr sagen?" "Sie wird es wissen, wenn sie mich ansieht", erwiderte Frank leise. "Wir sind jetzt über zehn Jahre verheiratet. Wir kennen uns in- und auswendig, Silke." "So wie meine Mutter mich", lächelte Silke verlegen. "Ich konnte es auch nicht geheimhalten. Daß ich verliebt bin, meine ich. Daß du es bist, weiß sie nicht, aber sie ahnt, daß es ein Erwachsener ist." "Und trotzdem war sie mit dir beim Arzt?" fragte Frank erstaunt. "Ja. Oder gerade deswegen." Sie sah Frank an. "Sie hat gespürt, daß es mir verdammt ernst ist mit uns, und daß sie nicht dagegen ankommt. Sie sagte, sie wüßte nicht, warum sie mir nicht einfach Hausarrest gibt und mich einsperrt." Silke kicherte. "Ich hab gesagt, daß ich dann abhauen würde. Würde ich auch." "Eine Sorge weniger", seufzte Frank. "Bleiben nur noch..." "Deine Frau", unterbrach Silke ihn, "und all die Leute in der Schule." Traurig drückte sie sich an ihn. "Trotzdem will ich das, Frank. Ich brauche dich. Du fehlst mir schon, wenn wir uns gerade Auf Wiedersehen sagen." "Das geht mir genauso, Silke", antwortete Frank leise. "Ich sitze zu Hause und sehe immer nur dich vor mir. Für mich beginnt der Tag erst, wenn ich dich gesehen oder mit dir geredet habe." "Für mich auch. Alles andere ist das normale Leben, aber wenn ich bei dir bin, ist das dann das richtige Leben." Sie zog eine flache Schachtel aus der Tasche ihres Kleides. "Hier, die hat Mutti mir gekauft. Weißt du, wie man damit umgeht?" "Denke schon", lächelte Frank und nahm die Schachtel. "Bestell deiner Mutter, sie wäre eine großartige Frau." "Besser nicht", lächelte Silke verlegen. "Sie sagt, sie will kein Wort mehr davon hören. Aber sie hält zu mir." Sie drückte ihren Kopf an Franks Brust. "Ich soll aber zu ihr kommen, wenn du mich ausnutzt oder mit mir spielst. Ich hab ihr gesagt, daß das nie passieren wird." "Das wird es auch nie, Silke", sagte Frank mit fast tödlichem Ernst. Er blieb stehen und hob den Kopf des Mädchens. "Silke, als ich meine Frau geheiratet habe, dachte ich, daß ich sie liebe. Aber erst seit ich dich kenne, weiß ich, was Liebe wirklich ist. Wir zwei sind fünfundzwanzig Jahre auseinander, aber das spielt nicht die geringste Rolle für mich. Ich habe noch nie eine Frau oder ein Mädchen getroffen, bei dem ich so absolut sicher wußte, daß es das fehlende Teil zu meinem Glück ist." "Bei mir auch", hauchte Silke glücklich. "Du könntest mein Vater sein, Frank, aber für mich bist du der Mensch, mit dem ich mein ganzes Leben lang zusammen sein möchte. Wär ich doch nur älter!" brach es plötzlich aus ihr heraus. "Dann könnte ich dich besuchen, bei dir übernachten, mit dir aufwachen und frühstücken, und wir müßten uns überhaupt keine Sorgen mehr machen!" "Hör bitte auf", lachte Frank bitter. "Silke, noch ein Wort, und ich nehm dich mit zu mir nach Hause und sag deinen Eltern, daß du nicht mehr zu ihnen zurück kommst!" Er drückte das Mädchen an sich und sah in ihre grauen Augen. "Warum liebe ich dich so sehr?" "Sag du's, und wir wissen es beide", meinte Silke bekümmert. "Wie wird es Donnerstag werden?" "Wir müssen uns beide sehr zusammennehmen", erwiderte Frank. "Schaffst du das?" "Glaub schon. Ich üb schon zu Hause, damit ich wieder 'Sie' zu dir sage." Sie lächelte Frank an. "Heimlichkeiten, Verstecken, Lügen. Aber wir sind zusammen. Laß uns weitergehen, ja?"
* * *
Es lief besser, als sie beide erhofft hatten. Das Wissen, alles miteinander zu teilen, gab ihnen die Kraft, sich als Schülerin und Lehrer anzusehen. Silke sagte sich einfach, daß die Schule das "normale" Leben sei, in dem sie ihren Lehrer nicht duzte, und Frank sagte sowieso zu allen Du. Zu Beginn der letzten Stunde erhob sich Frank von seinem Tisch und schaute die Kinder der Reihe nach an. "Ich möchte jetzt ein kleines Spiel mit euch machen", begann er. "Wir sind jetzt knapp zwei Wochen zusammen, und als euer Klassenlehrer möchte ich euch besser kennenlernen." Sein Blick ging über die Kinder wie gewohnt, selbst bei Silke machte er nicht länger Halt als bei jedem anderen. Es machte ihr nichts mehr aus, da sie wußte, daß sie sich schon in wenigen Stunden wieder treffen würden. "Was ich vorhabe", redete er weiter, "ist eine Art sehr kurzer Aufsatz. Ihr schreibt auf, was ihr gestern abend vor dem Einschlafen gedacht habt, und ich werde das Gleiche machen, damit auch ihr eine Chance bekommt, mich kennenzulernen." "Müssen wir alles aufschreiben?" fragte Meike besorgt. "Wirklich alles?" Lautes Lachen ertönte. "Nein, Meike", lachte Frank beruhigend. "Laß ruhig das weg, was dir peinlich ist." "Dann bleibt bei ihr ja nicht mehr viel über", grinste Peter, der hinter Meike saß. Meike drehte sich unter dem Gelächter der anderen wütend um und fegte seine Hefte vom Tisch. "Wichser!" fauchte sie leise und wandte sich wieder nach vorne. "Friedlich, bitte", grinste Frank. "Wir werden nicht darüber sprechen, was ihr schreiben werdet. Es sind eure Gedanken, und das sollen sie auch bleiben. Wer möchte, kann sich melden, um es vorzulesen. Zeit: eine Viertelstunde." Er sah aus den Augenwinkeln, daß Silke schon schrieb, ohne auch nur einmal zu stocken. Genau fünfzehn Minuten später stand Frank wieder auf und nahm sein Blatt in die Hand, auf dem er seine Gedanken notiert hatte. "Um euch die Scheu zu nehmen, fange ich an. Gedanken zur Nacht: War der Tag erfolgreich? Habe ich all das vermittelt, was wichtig ist für sie? Nicht nur totes Wissen, sondern auch Menschlichkeit? Konnte ich ihnen begreiflich machen, wie schön das Leben da draußen sein kann, wenn sie nur ihre Angst davor verlieren? Haben sie verstanden, wie wichtig es ist, an sich selbst zu glauben? Haben sie erkannt, daß Wissen nur dann einen Sinn hat, wenn es angewandt wird? Werden sie lernen, daß Probleme etwas sind, woran sie wachsen können, und daß sie nur daran zerbrechen, wenn sie sich selbst aufgeben? Finden sie in sich den Halt, den jeder Mensch in sich hat, und sei er auch noch so tief vergraben? Ich hoffe es." Er ließ das Blatt sinken und begegnete Silkes Augen, die ihn voller Liebe anstrahlten. Er riß sich gewaltsam von ihrem Blick los und schaute sich um. "Nächster?" Niemand meldete sich, alle waren noch zu sehr damit beschäftigt, über Franks innerste Gedanken nachzudenken. Schließlich meldete sich Corinna. Frank nickte ihr zu, und sie stand auf. "Meine Gedanken: Ich hoffe, daß mein Großvater wieder gesund wird, und daß mein Vater öfter zu Hause bei meiner Mutter, meinem Bruder und mir ist. Ich hoffe, daß ich meine Eltern nicht enttäusche, wenn ich abends mal ausgehe und vergesse, wie spät es ist. Ich hoffe, daß es morgen - also heute - kein Sauerkraut gibt. Ich hoffe, daß mein Großvater wieder ganz gesund wird." Mit zittriger Stimme brach Corinna ab und setzte sich schnell hin. "Das hoffe ich auch für dich", sagte Frank leise. "Wer jetzt?" Zwei weitere Mädchen meldeten sich. Frank lachte. "Kommt schon, Jungs! Laßt mich nicht hängen! Wenigstens einer von euch Männern?" Zögernd hob sich eine Hand. "Sehr schön, Hafis. Zuerst Veronika, dann Nicole, dann du." Veronika begann. "Ich denke an die Blumen in dem Park, in dem du mit mir warst. Ich denke an den wunderschönen Ring, den ich von dir bekommen habe, und an dein Versprechen. Ich denke an dich und frage mich, was du jetzt gerade machst. Denkst du an mich? Danke, daß du mich nicht drängst." Verlegen setzte sie sich wieder. Frank lächelte ihr anerkennend zu. "Nicole?" Nicole atmete tief durch und las von ihrem Blatt ab. "Ich frage mich, warum du immer so gemein zu mir sein mußt. Ich kann doch auch nichts dafür, daß ich ein Mädchen geworden bin. Warum siehst du mich immer so an, als wäre ich ein Stück Dreck an der Tapete?" Ihre Stimme begann, zu zittern. "Als wäre ich ein Insekt, das zerquetscht werden muß? Wann..." Ihre Stimme kippte. "Wann..." "Ist gut, Nicole", unterbrach Frank schnell. "Danke. Das war sehr, sehr mutig von dir." Nicole setzte sich hin und wischte sich die Augen. "Hafis?" Hafis stand auf. "Meine Gedanken gestern abend, wie jeden Abend." Er schaute zu Meike. "Ich wünsche mir, daß du mich einmal ansiehst und mit mir sprichst. Ich wünschte, ich hätte den Mut, dich zu einem Eis einzuladen." Fassungslos starrte Meike Hafis an, dessen Gesicht rot anlief. "Ich wünschte, du würdest mir mal ein T-Shirt nähen, mit meinem Namen drauf. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt eine Chance bei dir habe, aber ich würde es gerne einmal riskieren." Mit feuerroten Wangen setzte er sich wieder. Meike sprang auf und zeigte mit dem Finger auf Hafis, ihre Augen schimmerten. "Du wartest nachher bei den Fahrradständern auf mich! Ich glaube, wir haben ein oder zwei Dinge zu besprechen." Meike setzte sich unter dem fröhlichen Gelächter in der Klasse wieder hin. Hafis' Augen leuchteten auf, und er nickte schnell. "Sehr schön", lachte Frank. "Noch jemand?" Sein Blick flog über Silke, die rot wurde, aber aufstand. "Meine Gedanken zu dir", sagte sie leise und schaute auf ihr Blatt. Die Klasse verstummte. "Sei mein Kissen, auf das ich meinen Kopf bette, und schicke mir Träume von dir. Sei meine Decke, die mich vor der Kälte der Welt beschützt und mich wärmt und umarmt. Sei der Weg, der meine Schritte lenkt, fort von Trauer, und hin zum Glück. Sei die Sonne, die über mir leuchtet und den Tag erhellt, wenn meine Sorgen mein Leben verdunkeln. Sei die Blume, deren Duft mich betört. Sei der Vogel, dessen unbeschwerten Flug ich neidvoll betrachte und mir dabei wünsche, mit dir zu fliegen, bis über alle Wolken. Sei das Feuer, das mich wärmt, wenn mein Herz vor Sehnsucht nach dir vergeht. Sei die Nacht, die mit Sternenfunkeln die Angst vertreibt. Sei die Wolke, die ruhig am Himmel steht und mich einlädt, mit ihr zu fliegen in eine saubere und schöne Welt. Sei das Wasser, dessen Plätschern mich beruhigt, wenn ich vor Aufregung nach dir zittere. Sei die Erde, die mich stützt, wenn meine Liebe zu dir mich erdrücken will. Sei der Tag, in dessen Licht ich dich sehen kann, wenn ich Angst habe, daß du nicht da bist. Sei die Luft, die mich atmen läßt, wenn meine Sehnsucht nach dir mich zu ersticken droht. Sei das Eis, das mich kühlt, wenn mein Gefühl für dich mich verbrennen will. Und laß mich all das für dich sein, was du für mich bist." Verlegen ließ sie ihr Blatt sinken und sah ihren Lehrer entschuldigend an, unter dem atemlosen, gebannten Schweigen in der Klasse. "Ich wollte das alles noch sortieren, aber die Zeit hat nicht mehr gereicht." Sie setzte sich langsam hin, von Meike völlig fassungslos angestarrt. "Es war wunderschön, Silke", sagte Frank sanft. "Der Mensch, den du damit meinst, ist zu beneiden." Silke wurde feuerrot. "Gut", rief Frank dann. "Jetzt brauche ich noch fünf Freiwillige, die sich von mir mit einer Nadel in den Finger stechen lassen." Er lächelte listig. "Und diese fünf müssen mir versprechen, mich nicht wegen Körperverletzung anzuzeigen." Gelächter erklang, und mehrere Kinder standen auf. "Prima. Ich nehme... Hafis, Yasmin, Jana, Sirin, und..." Er sah sich um. "Silke. Kommt ihr fünf bitte mal zu mir?" Da Silke und Meike sehr weit vorne saßen, war sie als erste bei ihrem Lehrer. Wenige Sekunden später standen auch die anderen bei ihm. Er flüsterte ihnen etwas zu, was schon in der ersten Reihe nicht mehr verstanden werden konnte. Gespannt sahen die Kinder, wie sich alle sechs zu dem Lehrertisch drehten und dort etwas machten. Die fünf Kinder standen dicht bei ihrem Lehrer, und so fiel es nicht auf, daß Silke und Frank sich stark berührten. Wenig später löste die Traube sich auf, alle gingen an ihren Platz zurück. Frank hielt ein weißes Blatt Papier in der Hand. "Die Gedanken, die ihr schildern solltet", begann er, "waren Teil Eins. Dies hier ist Teil Zwei. Was das alles bedeutet, erfahrt ihr gleich. Kommt jetzt bitte alle nach vorne, nur die fünf nicht, die gerade bei mir waren. Stellt euch dann bitte um meinen Tisch herum auf." Frank wartete, bis die Klasse sich um seinen Tisch versammelt hatte, dann legte er das Blatt mitten auf die Fläche. Erschrocken sahen die Kinder, daß fünf Blutflecken auf dem Blatt waren. "Yasmins Eltern sind türkischer Abstammung", sagte Frank, als alle Augen auf ihn gerichtet waren. "Zeigt mir bitte, welcher Blutfleck von ihr stammt. Nicht raten, sondern wirklich wissen." Er wartete, doch es geschah genau das, was er erwartet hatte: nichts. "Hafis' Eltern sind persischer Abstammung", sagte Frank dann. "Welcher Fleck kommt von ihm?" Wieder Schweigen. "Janas Eltern kommen aus Polen. Welcher Fleck ist der von Jana?" Keine Reaktion. "Sirins Eltern kommen aus Pakistan. Was ist ihr Blut?" Stille. "Silkes Eltern kommen aus Deutschland. Welches Blut ist von ihr?" Unschlüssig blickten die Kinder sich an. "Hausaufgabe für nächste Stunde: macht euch Gedanken darüber. Schluß für heute." Er sah flüchtig zu Silke, dann auf seine rechte Hand, schloß sie, öffnete sie, hielt sie einen Moment offen, als hätte er einen Krampf, dann drehte er sich wieder um. Sehr nachdenklich gingen die Mädchen und Jungen zu ihren Plätzen zurück und räumten ihre Sachen ein, und genauso nachdenklich verließen sie das Klassenzimmer. Silke hatte keine Gelegenheit mehr, mit Frank zu reden, denn Meike quetschte sie sofort aus. "Über wen hast du geschrieben?" fragte sie neugierig und zog Silke an der Hand auf den Gang. "Sag schon!" "War nur so", wehrte Silke ab. "Quatsch!" Meike wurde ärgerlich. "Silke, du kannst deinen Eltern was vormachen, aber nicht mir! Du schreibst, als hättest du dich unsterblich verliebt! Wer ist es?" "Es ist niemand", lachte Silke. "Meike, das waren einfach meine Träume von jemandem, in den ich mich verlieben möchte. Mehr nicht. Wirklich nicht." "Hm." Meike sah Silke mißtrauisch an, doch wie schon gesagt, konnte Silke sich sehr gut beherrschen. So gut, daß Meike ihr nach einem weiteren prüfenden Blick beinahe glaubte. "Was hältst du denn von diesem Blutsauger?" fragte Meike schließlich. "Kann ich nichts zu sagen", lächelte Silke, während sie mit Meike zum Ausgang schlenderte. "Er hat uns ja gesagt, was er mit uns vorhat, und warum." "Was er mit diesem Test meinte, ist schon klar", erwiderte Meike. "Aber was hältst du von ihm als Lehrer?" "Sehr viel", antwortete Silke leise. "Meike, hast du seine Gedanken nicht gehört? Er macht sich wirklich Sorgen, ob er seinen Schülern mehr als nur Wissen vermittelt. Das ist sehr selten." "Stimmt." Meike schaute Silke nachdenklich an. "Wenn ich an den Brock denke, der Physik runterleiert, als wäre es eine Qual für ihn..." "Genau. Der Michaels ist um Klassen besser." Sie legte ihren Arm um Meike und grinste sie schelmisch an. "Und was hast du jetzt mit Hafis vor? Willst ihn doch hoffentlich nicht aufziehen?" "Auf keinen Fall", entgegnete Meike ernst. "Nicht nach dem Chaos vom Montag." "Solltest du auch nicht, Meike. Hafis ist zwar still, aber er ist auch sehr nett. Bei ihm kannst du wirklich ganz locker sein." "Das wär was!" sagte Meike sehnsüchtig. "Bei den anderen mußte ich immer auf die Finger achten. Hab ich mal einen Moment weggesehen, hatte ich schon eine Hand irgendwo." "Probier's einfach mal mit ihm. Da steht er ja schon!" Hafis stand mit seinem Rad neben dem von Meike und Silke und sah sehr unsicher aus. Als er Meike sah, zog ein glückliches Leuchten über sein Gesicht, das gleich darauf von Verlegenheit abgelöst wurde. Silke verabschiedete sich schnell und fuhr heim. Meike kam zehn Minuten später. Silke und ihre Mutter waren schon beinahe fertig mit Essen und leisteten Meike Gesellschaft. Dabei unterhielten sie sich. "Er ist wirklich sehr nett", gab Meike zu. "Ich dachte erst, der will mir auch nur anfassen, aber..." Sie schüttelte erstaunt den Kopf. "Was denn?" wollte Silke wissen. Meike sah auf. "Silke, die ganze Zeit, wo wir uns unterhalten haben, hat der nicht einmal woanders hingesehen als in meine Augen!" "Was für ein Perverser!" lachte Silke. Meike tat so, als wollte sie die Gabel nach ihr werfen und mußte dann auch lachen. "Redet ihr über einen aus eurer Klasse?" fragte Silkes Mutter neugierig. Meike nickte. "Ja, Frau Wendlandt. Wir hatten heute in Deutsch einen kleinen Aufsatz geschrieben über das, was wir gestern abend vorm Einschlafen gedacht haben, und dieser Hafis hat mir praktisch vor der ganzen Klasse ein Liebesgedicht vorgelesen." Meikes Augen blickten stolz. "Das war sehr mutig", sagte Silkes Mutter anerkennend. "Aber lange nicht so mutig wie das, was Silke geschrieben hat", schmunzelte Meike. Silke wurde rot. "Kann ich das mal lesen?" fragte ihre Mutter. Silke schüttelte den Kopf. "Na los!" drängte Meike. "Das war doch wirklich schön, was du geschrieben hast!" 'Heimlichkeiten, Verstecken, Lügen', dachte Silke. "Ich möchte nicht", sagte sie leise und räumte ihr Geschirr ab, dann setzte sie sich wieder an den Tisch und sah ihre Mutter an. "Ich muß nachher nochmal weg, Mutti." "Bist du zum Abendessen da?" fragte ihre Mutter betont ruhig. Meike spürte die Spannung und sah erstaunt von Silke zu ihrer Mutter und wieder zu Silke. "Nein. Ich komm erst gegen zehn wieder." Ihre Mutter nickte knapp und stand schnell auf. Sie öffnete den Mund, sah Meike, schloß ihn wieder und ging hinaus. "Was ist denn mit euch los?" fragte Meike unruhig. "Da ist doch was!" "Wir haben uns etwas gestritten", log Silke. "Nicht viel, nur etwas, aber ich brauch einfach ein bißchen Abstand von allem." Sie sah Meike an. "Ich geh spazieren und denk nach, das hilft mir." Sie spürte selbst, daß sie mit jedem Satz, mit jedem Wort das Netz aus Lügen enger zog. Irgendwann würde es so eng sein, daß sie sich nicht mehr bewegen konnte. "Wenn ich dir helfen kann...", sagte Meike unsicher. Silke lächelte dankbar. "Das ist lieb von dir, Meike. Laß uns die Hausaufgaben machen, das hilft mir im Moment am meisten."
Um halb fünf fuhr Silke los. Meike blieb in Silkes Zimmer und nähte noch etwas. Was das werden sollte, sah Silke mit einem Blick. Sie schmunzelte, nickte Meike wissend zu, die verlegen zurücklächelte, dann verließ sie das Haus. Zwanzig Minuten später saß sie auf der Bank und wartete auf Frank. Sie hatte gestern die letzten beiden Tabletten, die der Arzt ihr gegeben hatte, eingenommen, und heute meldete sich ihr Unterleib mit leichtem Ziehen. Aber das wäre normal, hatte der Arzt gesagt, da die Tabletten die Monatsblutung vorwegnehmen würden. Einerseits war Silke froh darüber, denn das bedeutete, sie würde kein Kind bekommen. Andererseits betete sie, daß die Regel noch etwas auf sich warten ließe, denn heute war Donnerstag, und das war der letzte Tag, wo sie und Frank sich sehen konnten vor dem langen, vor dem viel zu langen Wochenende. Drei ganze Tage! Drei Tage, in denen sie sich nicht sehen konnte. Sie dachte zurück an Dienstag, an dem Frank die Kondome benutzt hatte. Es war so schön wie immer gewesen, aber es fühlte sich doch etwas fremd an, dieses künstliche Produkt in ihr. Sie sehnte sich nach dem Tag, an dem die Pille ihre Arbeit aufnehmen würde, um Frank wieder ganz natürlich spüren zu können, so wie am ersten Tag. Ein Motorgeräusch erweckte ihre Aufmerksamkeit. Sie blickte auf und sah Frank, der gerade auf den Parkplatz fuhr. Wenig später stand er vor ihr. "Kann es sein", lächelte er, "daß du von Stunde zu Stunde hübscher wirst?" "Das liegt nur an dir", erwiderte Silke verlegen und geschmeichelt. Sie stand auf und nahm seine Hand. "Komm." Wortlos gingen sie in den Wald hinein, zu "ihrem Platz". Frank setzte sich und lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum, Silke ließ sich zwischen seinen Beinen nieder, mit dem Rücken zu ihm, und legte seine Arme um sich. Schweigend saßen sie da, mit geschlossenen Augen. "Drei Tage", flüsterte Silke schließlich. Sie spürte Franks Kopfnicken. "Drei lange, einsame Tage", gab er leise zurück. "Silke, ich halte das nicht aus. Ich weiß, daß ich verrückt werde, wenn ich dich nicht sehe." Er drückte das Mädchen an sich. "Versteh mich bitte nicht falsch, Silke. Es ist nicht dein Körper, den ich vermisse. Du bist es!" "Ich weiß", hauchte sie. "Das... Wenn wir miteinander schlafen, ist das toll und fantastisch, aber das ist noch lange nicht alles. Ich könnte darauf auch verzichten, wenn du nur bei mir bist." Sie knabberte verspielt an seinem Oberarm. "Aber wenn du bei mir bist, dann möchte ich das auch." "Jetzt sofort?" "Ja. Verrückt, was?" "Nein", beruhigte Frank sie. "Ich sehe das genauso, Silke. Ich liebe dich, nicht nur deinen Körper, aber dein Körper ist eben auch ein Teil von dir." Silke drehte ihren Kopf und sah Frank an. "Du kannst alles von mir haben, Frank. Ich gehöre dir." "Und ich dir", erwiderte Frank ernst. "Mit allem, was ich habe." Silke stand auf und setzte sich auf seinen Schoß. "Frank, was machen wir, wenn es kälter wird? Oder mal ganz stark regnet?" Ihre Augen waren voller Sorge. "Das werde ich morgen in der Geschichtsstunde verraten", lächelte er. "Ich hab mir schon was überlegt." Er legte seinen Zeigefinger auf ihre Lippen. "Keine Angst, Silke. Es ist etwas vollkommen Unverfängliches, aber es wird dir ermöglichen, mich zu besuchen, ohne daß jemand etwas merkt." "Wirklich?" Silke sah Frank aufgeregt an. "Frank, das..." Sie küßte ihn. "Das wär traumhaft!" "Es ist bereits traumhaft", sagte er leise. "Denn du bist bei mir." "Und du bist bei mir!" Ihre Lippen trafen sich. Frank schob seine Hände unter ihr Kleid, streichelte ihre schlanken, glatten Beine bis zur Hüfte, ging zur Innenseite der Oberschenkel und wieder hinunter zu ihren Knien. Dann über dem Stoff hinauf zum Rücken, wo die Knöpfe waren, die er einen nach dem anderen öffnete. Silke richtete sich etwas auf, hob ihr Kleid so weit hoch, daß sie nicht mehr darauf saß, und Frank zog es ihr aus. Er legte seine Hände auf ihre kleinen Brüste, streichelte sie zärtlich, bis ihre Brustwarzen hart wurden, dann streichelte er wieder ihre Beine. Silke öffnete sein Hemd, Frank streifte es ab, dann umarmten sie sich wieder. Frank spürte Silkes Brüste an seiner Haut und küßte das Mädchen sanft. Silke öffnete derweil seine Hose. "Ich liebe dich mehr als mein Leben", flüsterte sie und zog an der Hose. Frank erhob sich etwas. "Und du bist mein Leben", erwiderte er leise. "Mein Leben, das an dem Tag begann, als ich dich gesehen habe." Silke stand auf, entfernte seine Hose und die Unterhose gleichzeitig, dann folgte ihr Schlüpfer. Sie setzte sich wieder auf seinen Schoß und griff nach seinem Glied. "Einen Satz habe ich heute morgen nicht vorgelesen", gestand sie verschämt. "Sei mein Feuer, das meine Leidenschaft entzündet und mich in unseren Strudel der Gefühle stürzt." "Ich habe auch etwas nicht gesagt", lächelte Frank. "Ist es richtig, einen Menschen, der sein ganzes Leben noch vor sich hat, so an mich zu binden, wie ich es tue?" "Du bindest mich nicht an dich", entgegnete Silke ernst. "Das Band war bereits da und hat nur darauf gewartet, daß wir uns treffen." "Wie das Feuer, das nur auf dich gewartet hat, um hell aufzulodern." Frank packte das Kondom aus und streifte es schnell über. "Ich wünschte, es gäbe eine Steigerung von 'Ich liebe dich', aber selbst die stärkste Steigerung würde das, was ich für dich empfinde, nicht ausdrücken können, Silke." "Ich weiß, Frank", flüsterte sie und führte ihn langsam ein. "In mir sind so viele Gefühle, die ich alle nicht beschreiben kann, und alle zusammen schreien: 'Ich will bei dir sein!' Für immer und ewig!" Sie stellte ihre Beine richtig und fing an, sich langsam auf und ab zu bewegen. "Glaubst du, daß ich mal bei dir übernachten kann?" "Leider nein, Silke. Auch wenn ich mir das noch so wünsche. Es ginge nur am Wochenende, wenn überhaupt, und da... Laß uns jetzt nicht darüber reden, ja?" "Ist gut." Sie beugte sich vor und küßte ihn. "Wir müssen zufrieden sein mit dem, was wir haben." "Und das ist schon sehr viel." Er drückte ihre Wange an seine. "Mehr, als viele andere Menschen haben." "Das stimmt", erwiderte sie. "Du, können wir tauschen? Meine Beine fangen an, wehzutun." "Sicher." Schnell tauschten sie ihre Positionen. Silke legte sich auf den Rücken, öffnete sich und empfing Frank wieder. Kurz dachte sie daran, wie es wäre, wenn sie bei Frank zu Hause wäre, und das Glücksgefühl, daß sie bei diesem Gedanken empfand, war fast noch stärker als das Gefühl, was Frank in diesem Moment in ihr auslöste.
* * *
Silke mußte nicht erst die Stimme ihres Vaters hören, als sie gegen zehn nach Hause kam; ein Blick in das Gesicht ihrer Mutter reichte, um zu erkennen, daß es Ärger gab. "Papa hat deine Pillen gefunden", flüsterte die Mutter ihr zu. Silke wurde blaß, als ihr einfiel, daß sie die Pillen an diesem Morgen nicht in den Schrank zurückgestellt, sondern offen auf ihrem Tisch stehengelassen hatte. "Ich hab schon versucht, mit ihm zu reden, aber ohne Erfolg. Streite dich bitte nicht mit ihm, hör ihm einfach zu und sag nichts." Silke nickte mit trockenem Mund und ging zögernd in das Wohnzimmer. "Setz dich", knurrte ihr Vater, ohne sie anzusehen. Silke setzte sich auf den äußersten Rand des Sessels und schwieg. Das Gesicht ihres Vaters war rot vor Ärger. "Mit wem schläfst du?" Silke schwieg. Ihr Vater drehte seinen Kopf zu ihr. Silke hielt seinem zornigen Blick weniger als eine Sekunde stand, dann senkte sie ihre Augen. "Ich habe dich etwas gefragt, Silke", sagte er mit eisiger Stimme. Silke schüttelte nur ganz leicht den Kopf und schwieg. Ihre Angst stieg. "Nun gut", fauchte er. "Silke, du wirst die nächste Zeit sofort nach der Schule nach Hause kommen. Dein Musikunterricht ist gestrichen, so wie jede Freizeit außerhalb des Hauses. Du wirst den ganzen Tag hier im Haus verbringen. Hast du mich verstanden?" Silke sah auf, in ihren Augen flammte Wut auf. "Ja, hab ich", sagte sie beherrscht. "Aber ich werde mich nicht danach richten. Du kannst mir Vorwürfe machen, und das sogar mit Recht, aber ich lasse mich nicht einsperren!" "Du wirst keine andere Wahl haben", zischte ihr Vater. "Ich will dir jetzt nicht mit Sprüchen kommen wie: solange du in meinem Haus wohnst und so weiter, aber ich werde nicht zulassen, daß mein Kind rumhurt." Silkes Gesicht wurde rot vor Scham und Wut. "Ich hure nicht rum", sagte sie erbost. "Ich schlafe mit dem Menschen, den ich liebe!" "Liebe!" rief ihr Vater verächtlich. "Was weiß ein Kind wie du von Liebe?" "Wenn du mich immer noch als Kind ansiehst, wirst du auch alles andere nicht akzeptieren, was ich sage." Silke stand auf. "Ich entschuldige mich nicht für das, was passiert ist. Es ist passiert, weil ich es so wollte, und es wird wieder passieren. Mutti wollte mir auch schon Hausarrest geben, aber sie hat es nicht getan. Weißt du, warum?" Ihre Augen bohrten sich in die ihres Vaters. "Weil sie weiß, daß ich langsam erwachsen werde. Wenn du dich mehr mit mir beschäftigt hättest oder öfter zu Hause wärst, hättest du das auch mitbekommen." "Das reicht!" Ihr Vater sprang auf und ging auf sie zu. Silke wich instinktiv zurück und hob die Hände. "Ich werde dich nicht schlagen, Silke. Aber ich werde herausfinden, mit wem du dich triffst, und sobald ich das weiß, werden wir beide uns wieder unterhalten." "Willst du mich ausspionieren?" entfuhr Silke. "Du hast mir deutlich klargemacht, daß du dein eigenes Leben hast, das du für dich behalten willst." Ihr Vater sah sie kalt an. "Das gleiche Recht nehme ich für mich in Anspruch." "Aber das, was ich mache, greift nicht in dein Leben ein!" sagte Silke erregt. "Wenn du mich ausspionieren läßt..." Sie stockte. "Warte mal! Ich hab doch Hausarrest!" "Wir beide wissen, daß du dich nicht daran halten willst", lächelte ihr Vater süffisant. "Oder täusche ich mich?" "Nein." In Silke stieg kalte Wut auf. "Ich werde nach wie vor zum Flötenunterricht gehen. Ich werde morgen mit Meike schwimmen gehen. Ich werde am Wochenende mit Meike eine Radtour machen. Wenn du wirklich Geld ausgeben willst, um mich verfolgen zu lassen, dann mach das. Aber wundere dich nicht, wenn es ein Echo gibt." "Du drohst mir?" "Du drohst mir ja auch. Ich bin deine Tochter, aber nicht dein Sklave." "Du sagst es, Silke. Du bist meine Tochter. Als meine Tochter hast du bestimmte Regeln zu befolgen. Die Alternative wäre ein schönes, gepflegtes Internat, weit weg von hier." "Das wagst du nicht!" Silke erschrak bis ins Innerste bei dem Gedanken, auf Jahre von Frank getrennt zu sein. "Wir werden sehen. Jetzt verschwinde in dein Zimmer, ich will dich nicht mehr sehen." "Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit", schleuderte Silke ihm entgegen. "Du warst mal jemand, der mir etwas bedeutet hat, aber jetzt bist du nur noch ein mieses, kleines Stück Scheiße!" Sie drehte sich um und rannte in ihr Zimmer. Die Tür flog mit einem so lauten Knall zu, daß die Fenster zitterten.
Das Wochenende
Der nächste Morgen begann eisig. Silke und ihr Vater sahen sich nicht an, redeten nicht miteinander und gingen sich aus dem Weg. Die Mutter versuchte zwar, zu vermitteln, stieß jedoch sowohl bei ihrem Mann als auch bei ihrer Tochter auf eine unüberwindliche Mauer. Der einzige Lichtblick für Silke war an diesem Morgen die Geschichtsstunde, denn da war sie in Franks Nähe. Er sah mit einem Blick, daß Silke sehr aufgewühlt war, doch er konnte sie nicht fragen. Die einzige Chance war das Ende der Stunde, als er seine kleine Ankündigung machte. "Wir haben jetzt zwei Wochen hinter uns", sagte er zu seiner Klasse. "Zwei Wochen, in denen wir uns mehr oder weniger gut kennengelernt haben. Wie in jeder Klasse sind auch hier gute und nicht so gute Schülerinnen und Schüler zusammen. Deshalb habe ich mich entschlossen, euch Nachhilfe anzubieten. Es mag zwar sehr früh dafür sein, doch jetzt wäre die Anstrengung noch nicht so stark wie gegen Ende des Jahres. Der Unterricht würde bei mir zu Hause stattfinden, jeweils eine Stunde pro Fach. Wer Interesse daran hat, sich in einem der Fächer, die ich unterrichte, zu verbessern, möchte sich bitte mit den Eltern unterhalten und mich dann ansprechen. Ansonsten wünsche ich euch ein schönes Wochenende." Er lächelte der Klasse zu, sah Silke kurz an und spürte ihren Schmerz wegen der langen Trennung, die vor ihnen lag. Schnell ging er hinaus. In den beiden großen Pausen hatte Frank keine Aufsicht, und als die Schule zu Ende war, ging Silke mutlos neben Meike zu den Fahrrädern. Drei Tage lang kein Frank. Mechanisch schloß sie ihr Rad auf, wartete auf Meike, deren Schloß sich in den Speichen verheddert hatte, dann fuhren die Mädchen langsam los. Am Ende des Weges, kurz vor der Straße, fiel Silke ein junger Mann auf, der sie und Meike kurz musterte. Was genau ihr auffiel, war, daß er zuerst sie ansah, und zwar einen Augenblick zu lange, als müßte er ihr Gesicht einordnen, erst dann sah er zu Meike. Das kam ihr sehr merkwürdig vor. Als sie und Meike auf die Straße einbogen, sah sie, wie der junge Mann auf seine Uhr schaute, die Schultern zuckte, als hätte er vergeblich auf jemanden gewartet, und dann in die gleiche Richtung wie sie fuhr. 'Er hat es gewagt!' durchfuhr sie. 'Dieses Schwein hat tatsächlich einen Detektiv auf mich angesetzt!' Fassungslos und erschüttert fuhr sie neben Meike her, bis sie zu Hause waren. Die Mädchen schoben die Räder zum Haus, stellten sie ab, dann schloß Silke die Haustür auf und ging mit Meike hinein. Sie lief gleich in die Küche, wo ihre Mutter war, begrüßte sie jedoch nicht, sondern eilte zum Fenster, das auf die Straße hinausging, und spähte vorsichtig hinaus. Da stand er, etwa dreißig Meter die Straße hinunter, und bastelte irgendwas an seinen Pedalen. Aufgewühlt drehte sie sich zu ihrer Mutter um, die gerade das Geschirr auf den Tisch stellte. Meike half ihr dabei. "Mutti", sagte sie völlig durcheinander, "da draußen, da ist jemand, der..." "Ich weiß, Silke", unterbrach die Mutter sie. Sie schaute zu Silke, mit feuchten Augen. "Ich habe heute morgen gehört, wie dein Vater... mit dieser Agentur telefoniert hat. Ich habe wirklich alles versucht, aber er hat seinen Kopf durchgesetzt." "Das glaub ich nicht", flüsterte Silke und sank zerstört auf einen Stuhl. "Ich glaub das nicht!" "Was ist denn?" fragte Meike irritiert. "Mein Vater läßt mich verfolgen." Silkes Augen füllten sich mit Tränen. "Dieser verdammte Dreckskerl läßt mich durch einen verdammten Detektiv verfolgen." Sie fegte den Teller beiseite, der mit einem lauten Knall auf den Boden fiel und zerbrach, legte den Kopf auf die Arme und weinte bitterlich. Ihre Mutter biß die Zähne zusammen und fegte die Scherben zusammen, die dann im Mülleimer landeten. Meike brachte kein Wort heraus. Ihr Blick flog von Silke zu ihrer Mutter und zurück. Frau Wendlandt stellte sich neben ihre aufgelöste Tochter und legte ihr die Hand auf die Schulter. "Du weißt, das ich nicht so ganz einverstanden bin mit dem, was du tust", sagte sie leise. "Aber das geht entschieden zu weit. Detektive in der eigenen Familie! Als dein Vater heute morgen weggefahren war, habe ich diese - diese Agentur angerufen und versucht, den Auftrag zu stornieren, doch sie haben sich nicht darauf eingelassen. Es tut mir so leid, Kleines." "Silke wird beschattet?" brach es endlich aus Meike heraus. Die Mutter nickte traurig. "Ja, Meike. Du weißt, warum?" "Nein!" Verwirrt blickte Meike Silkes Mutter an. "Wieso denn?" "Weil ich einen erwachsenen Freund habe", schluchzte Silke aus der Versenkung heraus. Jetzt war die Schleuse geöffnet, und alles floß heraus. "Weil ich mit ihm schlafe, weil ich die Pille nehme, weil mein Vater die gefunden hat, weil er mich einsperren wollte und ich mich gewehrt habe. Weil er mich ins Internat stecken will und ich ihm gesagt habe, er wäre ein mieses Stück Scheiße!" Ihr Körper bebte, als das Schluchzen stärker wurde. "Oh, Kacke!" sagte Meike leise. "Ich hab's geahnt. Dein Gedicht war echt!" Silke nickte leicht, die Stirn noch immer auf die Arme gelegt. "Silke, ich möchte dieses Gedicht lesen", bat ihre Mutter. Meike sprang auf und lief in Silkes Zimmer, noch während Silke den Kopf schüttelte. Wenig später war Meike zurück und reichte Silkes Mutter das Blatt. Sie nahm es entgegen, las es einmal, dann ein zweites und gleich darauf ein drittes Mal. Schließlich ließ sie es sinken. "Meike, wie ist Silke in der Schule?" "Na, ganz normal", überlegte Meike. "Nicht abwesend oder schlechter geworden?" "Überhaupt nicht. Eher noch besser und aktiver. Sie meldet sich wesentlich öfter als letztes Jahr. Warum?" Silke hob ihren Kopf und schaute ihre Mutter mit geröteten und verweinten Augen an. "Wieso fragst du das?" "Weil ich wissen will, ob dein Freund einen schlechten Einfluß auf dich hat, Silke", antwortete ihre Mutter ernst. "Meike, kann man das so sagen?" "Bis gerade wußte ich ja noch nichts davon", entgegnete Meike verlegen. "Aber so gesehen... Nein. Würde ich nicht sagen. Eher das Gegenteil." "Sagst du die Wahrheit, Meike?" "Natürlich!" Meike blickte Frau Wendlandt überrascht an. "Sie kennen mich doch! Ich sage zwar manchmal Unsinn und ich red auch viel, aber ich lüge nicht." "Stimmt", entschuldigte sich die Mutter. "Silke, geh und wasch dir das Gesicht. Dein Hausarrest ist beendet. Ich rede heute abend mit deinem Vater." "Ich hab keinen Vater mehr", sagte Silke traurig und stand auf. "Danke, Mutti." Sie umarmte ihre Mutter herzlich, dann lief sie ins Bad. "Soll ich gehen?" fragte Meike schüchtern. "Auf keinen Fall, Meike. Wie hat Hafis auf sein neues T-Shirt reagiert?" "Er fiel aus allen Wolken", grinste Meike. "Es war genau so, wie er es sich gewünscht hat: schwarz, und sein Name in Gold auf der Brust." Sie wurde etwas rot. "Wir treffen uns nachher in der Eisdiele am Markt." "Kein Interesse mehr an älteren Jungs?" lächelte Silkes Mutter verschmitzt. "Nein", antwortete Meike verlegen. "Entweder das gleiche Alter oder..." Sie brach ab. "Entschuldigung, ich hätte beinahe was gesagt." "Sprich dich aus", lachte Frau Wendlandt ironisch. "Noch schlimmer kann es ja nicht kommen." "Na ja, ich wollte sagen, entweder gleichaltrig oder viel älter." Meikes Wangen wurden feuerrot. "Wie alt ist Silkes Freund denn?" "Fast dreimal so alt wie ich", antwortete Silke, die in diesem Moment wieder hereinkam. "Fast." Sie sah Meike und ihre Mutter bittend an. "Aber fragt mich nicht, wer es ist. Bitte nicht!" Silkes Mutter nahm das Blatt mit Silkes Gedanken auf. "Ist das wirklich das, was du fühlst?" "Ja", hauchte Silke. "Und noch viel mehr, Mutti. Das war das Stärkste, was mir eingefallen ist." "Gut. Jetzt essen wir erst mal was, und dann fahrt ihr schwimmen, wie ihr es vorhattet. Um den da draußen kümmere ich mich." "Lassen Sie mich das bitte machen", flehte Meike inständig. "Bitte, Frau Wendlandt! Ich weiß, wie wir den loswerden, ohne daß es auffällt." "Der ist doch viel zu erfahren für dich, Kind", sagte Frau Wendlandt überrascht. "Wetten, nicht?" grinste Meike verlegen. "Der ist gerade mal zwanzig, und damit kenn ich mich aus. Garantiert!" "Wie willst du das denn anstellen?" Meike beugte sich vor und erklärte ihren Plan.
Eine halbe Stunde später waren die Mädchen aus dem Haus und bestiegen ihre Fahrräder. Der Detektiv hatte sich inzwischen um etwa fünfzig Meter bewegt und bastelte immer noch an seinem Rad herum. Als er die Mädchen sah, nickte er und stieg auf sein Rad. Er drehte mehrere Kreise, wie um das Rad zu testen, und hörte plötzlich ein Klappern und einen leisen Schmerzensschrei. Erschrocken sah er zu dem Haus und fand das Mädchen, das er nicht beobachten sollte, unter ihrem Rad liegen. Das andere Mädchen blickte sich hilfesuchend um und blickte ihn an. "Hallo!" rief sie drängend. "Können Sie uns helfen?" Nun war er im Zwiespalt. Er sollte den Kontakt zu dem Objekt, wie das Mädchen genannt wurde, unbedingt vermeiden, befürchtete jedoch, daß der Lärm und die Rufe des Mädchens zuviel Aufmerksamkeit erregen würden. Schnell fuhr er zu den beiden Kindern. "Was ist denn passiert?" fragte er neutral. "Keine Ahnung", sagte Silke ängstlich. "Sie ist losgefahren und gestürzt, und jetzt bewegt sie sich nicht mehr!" Besorgt legte der junge Mann sein Rad zur Seite und kniete sich neben Meike, die ganz still unter ihrem Rad lag. Er griff vorsichtig nach ihrem Hals, um den Puls zu fühlen. In diesem Moment schlug Meike die Augen auf. "HILFE!!!" brüllte sie. "Der Mann will mich vergewaltigen!" "Hilfe!" schrie auch Silke mit aller Kraft. Die Haustür öffnete sich, und Silkes Mutter erschien. "Was ist hier los?" fragte sie streng. "Sie da! Was machen Sie mit dem Mädchen?" Der Detektiv sprang mit knallrotem Kopf auf, riß sein Fahrrad hoch, sprang im Laufen auf und radelte weg, so schnell er konnte. Er war zwar ein Detektiv, aber er war in erster Linie auch ein Mann, und als solcher wußte, er was ihm blühte, wenn er blieb und versuchte, zu erklären, was er tat. Auftrag hin, Geld her; das Risiko war ihm einfach zu groß. Er sah nicht mehr, daß Meike, Silke und ihre Mutter sich herzhaft lachend umarmten.
"Ganz offensichtlich habe ich mich sehr geirrt, was Ihre Leistungsfähigkeit angeht", sagte Achim Wendlandt, Silkes Vater, wütend in den Hörer. "Wenn Sie nicht einmal in der Lage sind, eine Vierzehnjährige zu beobachten..." Er lauschte eine Weile. "Das interessiert mich nicht! Ihr Mitarbeiter sollte eigentlich damit rechnen, daß der Versuch gemacht wird, ihn abzuhängen, und sich dagegen wappnen." Er atmete tief durch. "Gut, vergessen wir das. Meine Tochter ist im Moment also unbeobachtet. Sie wollte mit ihrer Freundin schwimmen gehen, im Freibad. Halten Sie es für möglich, sie dort zu überwachen? Oder können Ihre Leute nicht schwimmen?" Wieder lauschte er. "Schön. Aber noch ein derartiger Patzer, und Sie können den Rest vergessen. Wie auch alle anderen Aufträge. Schönes Wochenende." Er knallte den Hörer auf und sah wütend aus dem Fenster seines Büros im dreißigsten Stock. Wenig später kam die Stimme seiner Sekretärin. "Ihre Frau auf Leitung Vier." "Danke." Er riß den Hörer an sich und drückte viel zu kräftig auf den kleinen Knopf an seinem Telefon. "Was ist?" "Ich wünsche dir auch einen schönen guten Tag", kam die muntere Stimme seiner Frau. "Hast du schon mit der Agentur gesprochen?" "Mit..." Wendlandt schluckte und verstand. "Du steckst auch mit drin?" fragte er leise. "Sicher, Achim." Die Stimme seiner Frau wurde kühl. "Silke hat sich heute Mittag die Seele aus dem Leib geheult, als sie entdeckt hatte, daß sie beschattet wird. Offenbar war der Detektiv nicht der Hellste. Aber egal. Ich wollte dich nur fragen, wo ich deine Sachen hinschicken soll. Daß ich mit dir nicht mehr unter einem Dach wohnen möchte, wirst du bestimmt verstehen." "Bettina", sagte Wendlandt mit aller Ruhe. "Kann es sein, daß du das viel zu ernst siehst?" "Hast recht", lenkte seine Frau ein. "Ich sehe es viel zu eng, wenn mein Mann meine Tochter durch eine Detektei überwachen läßt. Das ist ja eigentlich etwas völlig Normales, oder irre ich mich?" "Könntest du dir bitte die Ironie sparen?" fuhr Wendlandt seine Frau an. "Ich versuche nur, sie vor Schaden zu bewahren!" "Der Schaden war bei weitem nicht so groß wie der, der jetzt angerichtet ist, Achim. Deine Tochter lehnt dich als Vater ab. Ist dir das klar?" "Erwartest du etwa, daß ich meine Augen verschließe, wenn Silke mit Jungs rummacht?" fuhr er auf. "Nein, Achim. Keinesfalls. Du solltest die Augen aufmachen und sehen, daß Silke in einem halben Jahr fünfzehn wird. Hast du gehört? Fünfzehn! Noch ein Jahr weiter, und sie darf selbst entscheiden, mit wem sie ins Bett geht, ohne daß wir beide auch nur ein Wort dazu sagen können." Wendlandt wollte etwas sagen, doch seine Frau redete weiter. "Silke hat das Glück, jemanden kennengelernt zu haben, der sie liebt und den sie liebt. Auch wenn du sagst, daß sie erst vierzehn ist, so hat sie doch Gefühle. Sie ist ein Mensch, Achim! Ein Mensch mit Sorgen und Ängsten, mit Hoffnungen und Wünschen. Mit Trauer und mit Liebe. Laß es nicht dazu kommen, daß sie mit vierzehn schon den Haß zu ihren Erfahrungen zählen kann." Er hörte seine Frau tief einatmen. "Achim", sagte sie dann ruhiger. "Wenn du heute abend nach Hause kommst, wirst du dich bei Silke entschuldigen. Laß ihr die Freiheit, die sie braucht. Bisher hat sie uns nicht enttäuscht, und sie wird es auch in Zukunft nicht tun." "Nicht enttäuscht?" Wendlandt lachte bitter auf. "Bettina, sie schläft mit einem Jungen!" "Ich weiß", hörte er die ruhige Stimme seiner Frau. "Ich habe alles versucht, trotzdem ihr Vertrauen zu behalten. Die Pille hat sie von mir bekommen, damit sie nicht noch mehr Schwierigkeiten ertragen muß. Wir sollten sie gerade jetzt unterstützen, damit sie uns nicht noch mehr aus der Hand rutscht, Achim. Sie sagt weder mir noch ihrer besten Freundin, wer es ist, und das sollte uns beiden, dir und mir, mehr zu denken geben als die Tatsache, daß sie mit jemandem schläft. Dazu wäre es früher oder später sowieso gekommen." "Bettina, sie ist doch noch ein Kind", erwiderte Wendlandt, ebenfalls viel ruhiger. "Sie ist vierzehn! Hast du in dem Alter schon mit einem Jungen geschlafen?" "Nein, Achim. Aber ich habe mich mit vierzehn schon von einem Jungen da unten streicheln lassen, bis ich einen Orgasmus hatte. Du weißt auch, wer der Junge war?" "Wie könnte ich das vergessen?" antwortete er sanft. "Ich weiß noch wie heute, wieviel Angst wir hatten, daß meine Eltern früher nach Hause kommen würden." "Ganz genau", lachte seine Frau leise. "Und an meinen sechzehnten Geburtstag erinnerst du dich auch noch?" "Als wäre er erst gestern gewesen." Er seufzte. "Ich verstehe, Bettina. Ich war damals schon volljährig, und deshalb haben wir solange gewartet." "Obwohl wir beide es schon viel früher wollten, nicht wahr? Aber du hattest ja damals schon deine Prinzipien. Deswegen habe ich dich ja auch geheiratet. Allerdings ist da ein großer Unterschied zwischen Prinzipien und Verbohrtheit." "Ich bin nicht verbohrt", wehrte Wendlandt sich halbherzig. "Ich bin nur in Sorge!" "Ich mach dir einen Vorschlag: wenn du nach Hause kommst, gebe ich dir etwas zu lesen. Etwas, das Silke geschrieben hat. Wenn du es gelesen hast und danach immer noch der Meinung bist, daß sie zu jung ist, dann können wir uns gerne noch einmal darüber unterhalten. Aber du mußt ganz ehrlich sein, Achim! Einverstanden?" "Heißt das, daß ich doch noch zu Hause wohne?" lächelte er. "Zumindest solange, bis du es gelesen hast", lachte seine Frau. "Einverstanden?" Wendlandt seufzte laut. "Einverstanden." "Fein. Und jetzt sei so lieb und pfeif die Wachhunde zurück, ja? Wir können uns das Geld dafür sparen. Bis nachher." "Bis nachher, Bettina." Er legte auf und starrte noch lange auf das Telefon.
* * *
"Ich bin da!" Frank Michaels zuckte zusammen, als die Stimme seiner Frau Franziska in sein Arbeitszimmer im ersten Stock drang. Mit einem bohrenden schlechten Gewissen und einem sehr flauen Gefühl im Magen stand er auf und ging die Treppe hinunter. "Hallo!" rief er gespielt munter. "Wie war die Fahrt?" "Nervig! Nur Idioten unterwegs." Sie räumte ihren Koffer beiseite und sah ihn an. Ihr freudiges Gesicht erlosch, und sie wurde bleich. "Nein!" flüsterte sie. "Frank, sag, daß es nicht wahr ist!" Frank hatte Silke gegenüber nicht gelogen, als er sagte, seine Frau würde es wissen, wenn sie ihn ansieht. Sie kannten sich zu lange und zu gut, um etwas voreinander verbergen zu können. Voller Schuld führte er sie ins Wohnzimmer und setzte sich neben sie. Franziska sah ihn voller Ungläubigkeit an. "Wann? Wie lange?" flüsterte sie. "Wie alt?" "Franzi", begann Frank und stockte gleich wieder. Das Recht, seine Frau bei ihrem Kosenamen zu nennen, hatte er verwirkt. "Franziska, was auch immer ich sage, wird es nur noch schlimmer machen. Es ist keine Affäre, kein Ausrutscher, kein Seitensprung. Es ist all das, aber es ist noch sehr viel mehr. Es geht sehr, sehr tief." "Tiefer als bei uns?" fragte sie. "Ja." Er stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus in den Garten. "Du weißt, wie das ist. Du warst einmal in der gleichen Situation, allerdings warst du sehr viel stärker als ich. Wahrscheinlich deshalb, weil von deiner Seite aus nicht so viel Gefühl zu dem Jungen war. Du hattest widerstehen können. Nicht einmal diese Chance hatte ich. Ich habe sie gesehen, und es war vorbei. Es tut mir leid." "Wie alt ist sie?" Frank schüttelte den Kopf. "Das spielt keine Rolle. Ob sie zwölf, zwanzig oder fünfzig ist, ist vollkommen gleichgültig. Es wäre in jedem Alter passiert." "Schläfst du mit ihr?" fragte Franziska tonlos. "Ja. Seit Montag." "Ich will davon nichts hören." Franziska stand zitternd auf. "Ich habe vier beschissene Stunden auf der beschissenen Autobahn hinter mir, nach zwei beschissenen Wochen in einem beschissenen Internat voll von verzogenen Gören, und vor mir liegt ein noch viel beschisseneres Wochenende. Ich brauche jetzt ein Bad. Und wenn ich wiederkomme, will ich nichts mehr davon hören. Du bist mein Mann, ich bin deine Frau, und damit hat es sich." Sie ging in den Flur und die Treppe hinauf. "So einfach ist das nicht, Franzi", flüsterte Frank verzweifelt. "So einfach ist das nicht."
* * *
"Kannst du jetzt immer noch mit gutem Gewissen sagen, daß sie zu jung ist?" Frau Wendlandt sah ihren Mann an, der nachdenklich auf das Blatt von Silke schaute. "Achim, solche Gefühle hatte ich nicht einmal mit zwanzig!" "Ich auch nicht", gab ihr Mann zu. "Bei weitem nicht." Er sah seine Frau an. "Und um ganz ehrlich zu sein, bin ich nicht mal sicher, ob ich Gefühle in dieser Form jemals hatte. Den einen oder anderen Gedanken davon ja, aber nicht in dieser Konzentration." "Ich auch nicht", lächelte sie. "Als ich es das erste Mal gelesen habe, dachte ich nur: Das kann nicht sein! Beim zweiten Mal erkannte ich, was Silke für ihren Freund empfindet, und beim dritten Mal" - sie lachte auf - "wurde ich neidisch." "Und dabei ist sie immer so still", wunderte sich der Vater. "Vor zwei Jahren, als sie ihre Querflöte bekommen hat, hatte sie feuchte Augen vor Glück, und das war schon ein enormer Gefühlsausbruch für ihre Verhältnisse." "Das war nichts gegen den heute Mittag", erinnerte seine Frau ihn. "Als sie gemerkt hatte, daß sie einen Detektiv an sich kleben hat. Sie hat sich die Augen ausgeheult." "Sie hat das gemerkt?" "Ja. Sie kam rein und stürzte gleich zum Fenster. Sie sah nach draußen und sagte, daß da jemand wäre. Da hab ich ihr von deinem Telefonat heute morgen erzählt." Wendlandt schüttelte den Kopf und sah wieder auf das Blatt. "'Sei die Luft, die mich atmen läßt, wenn meine Sehnsucht nach dir mich zu ersticken droht.' Unvorstellbar! Haben wir jemals so etwas empfunden?" "Ich fürchte nicht", lächelte seine Frau mitfühlend. "Wie alt ist er denn? Sechzehn? Siebzehn?" "Silke verrät nicht, wie alt er ist." Und damit hatte Frau Wendlandt nicht einmal gelogen. "Aber sei ehrlich, Achim: spielt das noch eine Rolle? Von Silke weiß ich, daß ihr Freund genau das gleiche für sie empfindet, und das glaube ich ihr auch. Der Gedanke, ins Internat gehen zu müssen und ihn nicht mehr sehen zu können, ist für sie unerträglich." "Aber sie ist erst vierzehn!" sagte Wendlandt verzweifelt. "Vierzehn Jahre jung!" "Genau deswegen braucht sie uns, Achim", sagte seine Frau sanft. "Ihr Körper wird erwachsen, aber ihre Seele ist noch ein Kind. Wir sind die einzigen Menschen, die ihr helfen können, mit diesem Konflikt klarzukommen. Aber davon abgesehen: bevor wir beide uns eingemischt haben, gab es für sie keinen Konflikt." "Sehr großzügig von dir, einen Teil auf deine Schultern zu nehmen." Er sah seine Frau an. "Was sollen wir tun?" "Sie gewähren lassen. Bisher kam sie immer an, wenn sie Probleme hatte. Ich möchte, daß das so bleibt. Aber es wird nur dann so bleiben, wenn sie weiß, daß sie uns jederzeit fragen kann. Egal, was es ist." Wendlandt sah nachdenklich auf Silkes Blatt. "'Sei der Tag, in dessen Licht ich dich sehen kann, wenn ich Angst habe, daß du nicht da bist.' Kein Wunder, daß ich ein mieses, kleines Stück Scheiße bin." Er lächelte resigniert. "Gibst du mir bitte mal das Telefon?"
* * *
Silke war ausgesprochen nervös. Meike hatte sich schon vor einiger Zeit verabschiedet, weil sie sich mit Hafis treffen wollte, und Silke hatte beschlossen, die relative Ruhe des Freibades dem wartenden Ärger zu Hause vorzuziehen. Trotzdem war sie nervös. Sie wußte, daß in diesem Moment Frank und seine Frau miteinander reden würden, sie wußte, daß irgendein Beobachter immer noch hinter ihr her sein konnte, und sie wußte, daß der Konflikt mit ihrem Vater noch lange nicht ausgestanden war. Es war kein Zustand, in dem ein Mädchen in ihrem Alter sein sollte. So war es auch kein Wunder, daß sie heftig erschrak, als hinter ihr ein Handy laut schrillte. 'Müssen die denn die Dinger überall mit hin nehmen?' dachte sie aufgebracht, während der Mann hinter ihr ein "Ja, aha", nach dem anderen losließ. Schließlich hatte sie genug und packte ihre Sachen, zeitgleich mit dem Mann und seiner Frau hinter ihr. Als sie das sah, entschied sie sich anders und setzte sich wieder hin. Am Rande bekam sie mit, daß das Pärchen zum Ausgang ging, dann dachte sie wieder nur an ihre Sorgen. 'Ach, Frank!' seufzte sie stumm. 'Warum kannst du jetzt nicht hier sein?' Doch sie wußte die Antwort, und die Antwort machte sie noch trauriger, als sie schon war.
* * *
"Also gut." Beherrscht setzte Franziska sich auf die Terrasse zu Frank. "Ich bin ganz ruhig. Wie fing das an?" "Ganz plötzlich", sagte Frank leise. "Wir haben uns nur einen Moment lang angesehen, und es hat gekracht. Bei uns beiden, Franziska. Weder sie noch ich haben irgend etwas in dieser Richtung gesagt. Es war einfach so. Wir haben da noch nicht einmal miteinander gesprochen." "Die ganz große Liebe auf den ersten Blick?" sagte Franziska höhnisch. "Ach komm, Frank! Du müßtest doch aus dem Alter raus sein, wo du an diese Märchen glaubst!" "Es ist kein Märchen, Franziska. Es ist die reine Wahrheit." "Wann machst du damit Schluß?" Franziska sah ihn ernst an. Beide ignorierten das läutende Telefon. "Gar nicht, Franziska. Ich kann es nicht. Sie kann es nicht. Wir können es nicht." "Daß ich deine Frau bin, stört dich nicht?" Frank atmete tief durch. "Nein. Ihre Familie, meine Familie, all das ist vollkommen unwichtig für uns." Er blickte seiner Frau direkt in die Augen. "Du willst es wissen. Sie ist für mich der Teil, der bisher zu meinem vollkommenen Glück fehlte. Genau das Gleiche bin ich für sie. Das ist weder eine romantische Wunschvorstellung noch eine übertriebene Darstellung, es ist nichts als die reine Wahrheit. Sie liebt mich, wie sie noch nie zuvor jemanden geliebt hat, und ich liebe sie genauso stark." "Ich kann nicht glauben, was du da sagst", flüsterte seine Frau mit blassem Gesicht. "Ich kann das nicht glauben, Frank. Du wirfst zehn Jahre weg? Zehn Jahre Ehe?" "Nein, Franziska", sagte er ehrlich. "Ich werfe sie nicht weg. Sie existieren einfach nicht mehr, wenn ich mit ihr zusammen bin." "Willst du dich scheiden lassen?" fragte sie tonlos. "Auch das ist egal", erwiderte Frank. "So schlimm und verletzend das auch klingt, Franziska, aber es spielt keine Rolle mehr für mich." Franziska schloß die Augen. "Wirst du noch mit mir schlafen?" flüsterte sie. "Nein. Das kann ich nicht mehr, Franziska." Sie öffnete ihre Augen und sah Frank an. Er erschrak über den leeren Ausdruck in ihrem Gesicht. "Habe ich das richtig verstanden? Wir sind zehn Jahre verheiratet, und du hast das Gefühl, sie zu betrügen, wenn du mit mir schläfst?" "Genau so ist es. Es tut mir leid." "Mir auch." Sie stand auf. "Würdest du bitte heute nacht hier unten schlafen? Morgen früh fahre ich wieder zurück. Ich glaube, wir beide müssen über sehr viele Dinge nachdenken. Und wenn ich nächste Woche wiederkomme, verlange ich, daß dieses Thema vom Tisch ist!" "Das Thema wird auch in zwanzig Jahren nicht vom Tisch sein, Franziska. Auch wenn du noch so tobst und schreist, es wird nie vom Tisch sein. Nicht, solange einer von uns beiden noch lebt." Franziska ging in den Flur und drehte sich um. "Ich rufe dich am nächsten Freitag kurz an. Wenn du dann immer noch der gleichen Meinung bist, werde ich die Scheidung einreichen." Frank nickte müde, doch das sah seine Frau schon nicht mehr auf ihrem Weg nach oben.
* * *
Silke hielt es nicht mehr aus. Sie mußte wissen, was mit Frank los war. Schnell packte sie ihre Sachen zusammen, zog sich ihre Straßenkleidung an und fuhr mit dem Rad zur nächsten Telefonzelle um die Ecke. Mit zittrigen Fingern wählte sie die schon so vertraute Nummer und wartete, doch niemand meldete sich. Enttäuscht legte sie schließlich den Hörer zurück und fuhr nach Hause. Noch auf dem Weg verspürte sie plötzlich einen starken Stich im Unterleib, und in der gleichen Sekunde wurde ihre Unterhose feucht. Blitzartig überschlug sie den Termin für ihre Regel, die eine Woche zu früh war, doch dann fielen ihr die Tabletten vom Arzt wieder ein. Verbissen fuhr sie weiter, bis sie endlich zu Hause war. Vorsichtig stieg sie vom Rad und schob es in die Garage. Ein Schreck durchfuhr sie, als sie den Wagen ihres Vaters sah, doch dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Sie schloß das Tor von innen und lief durch die kleine Tür und die Küche ins Bad. Die Rufe ihrer Mutter ignorierte sie. Sie setzte sich schnell auf die Toilette und sah das Blut fließen. 'Das war unser Kind, Frank', dachte sie, dann weinte sie stille, heiße Tränen. Schließlich versiegte der erste Strom. Silke packte sich eine dicke Lage Toilettenpapier in die völlig blutige Unterhose, spülte das Becken gründlich durch und ging dann vorsichtig in ihr Zimmer, wo sie einen frischen Slip anzog und eine Slipeinlage benutzte. Gerade noch rechtzeitig zog sie die Unterhose hoch, dann spürte sie die nächste Welle. Langsam ging sie aus ihrem Zimmer und lief ihrer Mutter in die Arme. "Alles in Ordnung?" fragte sie besorgt. Silke nickte und zog die Nase hoch. "Meine Tage haben auf der Rückfahrt eingesetzt", sagte sie, und wieder stiegen die Tränen hoch. Ihre Mutter streckte die Arme aus, und Silke ließ sich fallen. "Das ist diesmal so schlimm!" schluchzte sie und drückte sich an ihre Mutter. "Körperlich oder seelisch?" fragte ihre Mutter behutsam. "Seelisch", jammerte Silke und weinte stärker. "Eine Frau weiß, wenn sie schwanger ist", sagte ihre Mutter leise. "Hast du etwas in dieser Richtung gespürt?" "Ja, Mutti. Schon am Montag. Beim zweiten Mal." Sie zitterte heftig und klammerte sich an ihre Mutter. "Und als das gerade alles rausfloß, da - da..." Ihre Stimme versagte. "Ist schon gut, Kleines", tröstete ihre Mutter sie und hielt sie fest. "Wein dich aus, mein kleines Mädchen." Gehorsam weinte Silke, bis keine Flüssigkeit mehr in ihr war. Schließlich putzte sie sich gründlich die Nase und setzte sich deprimiert auf ihr Bett. Ihre Mutter kam neben sie und legte ihrem Arm um sie. "Vor einigen Jahren ging mir das genauso", sagte sie leise. "Dein Vater hatte gerade die neue Stelle hier angenommen, und ein Kind war einfach nicht drin. Ich hatte mit der Pille ausgesetzt, aber wir hatten leider auch nichts anderes im Haus." Sie lächelte traurig. Silke hörte gebannt zu. "Am nächsten Tag bin ich dann zum Arzt und hab auch diese Pillen geschluckt, weil ich wußte, daß ich schwanger war." Sie tippte ihrer Tochter auf die Nasenspitze. "Und genau wie du hab ich mich auch ausgeheult. Allerdings noch viel gründlicher als du." Silke lachte, dann drückte sie ihre Mutter kräftig. "Danke, daß du da bist", murmelte sie. "Danke, daß du mir so vertraust." Sie gab ihrer Tochter einen Kuß auf die Stirn. "Und jetzt komm mit, dein Vater möchte sich entschuldigen." "Was?" Perplex sah Silke ihre Mutter an. "Was will er?" "Sich entschuldigen. Nun komm schon, dann hat er es hinter sich. Und du auch." Lächelnd zog sie ihre widerstrebende Tochter ins Wohnzimmer.
Nach dem Abendessen, das wesentlich harmonischer als das Frühstück verlief, versuchte Silke erneut, Frank anzurufen, und diesmal hatte sie Glück. Er meldete sich schon nach dem dritten Klingeln. "Michaels", hörte Silke seine Stimme. "Ich bin's", sagte sie leise. "Störe ich?" "Silke!" So viel Wärme und Zuneigung lag in den zwei Silben, daß Silke ganz schwindelig wurde. "Was ist das schön, deine Stimme zu hören!" "Deine auch, Frank. Wie geht's dir? Ich war so nervös, daß ich einfach anrufen mußte!" "Jetzt geht es mir sehr, sehr gut", kam die herzliche Antwort. "Und dir?" "Mir jetzt auch", lachte Silke leise. "Ist bei dir alles in Ordnung?" "Ja. Wir reden morgen darüber, ja?" "Morgen?" Silkes Herz schlug schneller. "Sehen wir uns morgen?" "Sehr wahrscheinlich. Kann ich dich morgen anrufen?" "Klar! Wann?" "Ich weiß noch nicht... So gegen eins oder zwei?" "Mach das, Frank! Boah, ich bin sowas von aufgeregt! Sehen wir uns wirklich morgen?" "Wenn ich dich anrufe, sehen wir uns auch. Dann kommst du mich besuchen, ja? Wenn ich nicht anrufe, müssen wir bis Montag warten." "Zu dir?" Silke schrie fast vor Freude. "Frank! Ist das dein Ernst?" "Absolut, Silke. Entweder morgen, sonst Montag." "Frank!" Silke rief den Namen so laut, daß ihre Eltern, die im Wohnzimmer saßen, sich halb amüsiert und halb besorgt ansahen. "Ich dreh durch! Wirklich?" "Ja, Silke. Ganz sicher. Du, was mach ich, wenn sich jemand anderer meldet?" "Dann legst du auf und rufst eine Minute später wieder an", sagte Silke mit heftig klopfendem Herzen. "Dann bin ich ganz bestimmt dran." Sie kicherte. "Bin ich dir die zwölf Pfennig wert?" "Sogar das Doppelte", lachte Frank. "Ach, Silke! Ich liebe dich so sehr!" "Ich dich auch, Frank", erwiderte sie sehnsüchtig. "Ruf morgen ganz bestimmt an, ja? Ich hab um halb elf Schluß und bin um elf oder so zu Hause." "Ich versuche es, Silke, aber das hängt nicht allein von mir ab. Aber ich versuche es ganz bestimmt." "Wenn nicht, kann ich auch bis Montag warten", sagte Silke aufgeregt. "Kann ich dann ehrlich zu dir kommen?" "Ja, Silke. Du brauchst doch Nachhilfe, oder?" "Ganz viel", kicherte sie ausgelassen. "In mindestens fünfzig Fächern!" "Laß noch etwas Platz für die, die es wirklich brauchen", lachte Frank und wurde sofort wieder ernst. "Ich vermisse dich, Silke. Ich vermisse dich wirklich." "Ich dich auch, Frank. Deswegen hab ich ja auch angerufen. Ich war vorhin schwimmen, und da hab ich mir so gewünscht, daß du bei mir wärst!" "Ich hab letzte Nacht von dir geträumt", sagte Frank leise. "Ich habe geträumt, wir wären auf einer wunderschönen, weiten Wiese mit ganz vielen Blumen, und wir..." "Haben getollt und gelacht und viel Spaß gehabt?" vollendete Silke aufgeregt den angefangenen Satz. "Ja", kam die verblüffte Antwort. "Woher..." "Das hab ich auch geträumt", sagte Silke völlig außer sich. "Frank! Wir hatten den gleichen Traum! Wann hast du das geträumt?" "Ich weiß nicht... Irgendwann tief in der Nacht. Und du?" "Ich bin um drei oder so davon wachgeworden, weil das so schön war." Silke atmete tief durch. "Frank, ist das nicht wahnsinnig?" "Wahnsinnig schön", kam die leise Antwort. "Wieder ein Beweis." "Für unsere Liebe", sagte Silke ebenso leise. "Ich liebe dich, Frank. Du rufst morgen an?" "Ich versuche es, Silke. Ich liebe dich auch. Bis morgen, oder bis Montag." "Bis morgen", sagte Silke zuversichtlich. "Das klappt bestimmt." "Na gut, bis morgen dann. Mach es gut, meine Liebe." "Mach es auch gut, mein Leben." Silke machte ein Kußgeräusch, legte auf, hob erneut ab, um die Nummer zu löschen, dann legte sie endgültig auf und tanzte in ihr Zimmer. Frank legte den Hörer zurück und lächelte. Jetzt war der Tag doch noch schön geworden. Eine Etage höher legte Franziska den Hörer des zweiten Apparates auf und ging schweigend daran, ihre Sachen zu packen. Sie hatte verloren, das konnte sie an dem Ton der beiden Stimmen hören. Gegen eine beliebige Konkurrenz wäre sie angekommen, aber nicht gegen dieses Gefühl, was deutlich zwischen ihrem Mann und diesem Mädchen zu spüren war.
* * *
Silke spielte gerade mit Sir Winfried, als es an der Tür klingelte. Da sie kaum Besuch bekam, ging Silke davon aus, daß es jemand für ihre Eltern wäre, und kümmerte sich weiter um den Hamster, der sich gerade auf die Kabel der kleinen Stereoanlage stürzen wollte. Silke hob ihn geschickt hoch, rollte sich auf den Rücken und drückte den kleinen Hamster auf ihren Bauch. "Du Böser!" schimpfte sie lachend. "Das ist pfui!" Der Hamster sah sie mit seinen dunklen Augen an und rümpfte die Nase. "Mußt dich gar nicht beschweren", lachte Silke. "Du läßt meine Kabel in Ruhe, und ich eß dir nicht die Knabberstange weg. Abgemacht?" Sir Winfried drehte ihr mit einer deutlichen Geste die Kehrseite zu. "Boah! Na warte!" Silke hielt das Tier fest, stand auf und sprang mit ihm auf ihr Bett, wo sie ihn auf das Kopfkissen setzte. Sofort begann Sir Winfried, nach Futter zu scharren. Silke fuhr mit dem Zeigefinger sachte über sein Fell. "Vielleicht taufe ich dich um", überlegte sie laut. "Frank wär doch ein schöner Name, oder?" Der Name interessierte Sir Winfried nicht so sehr wie das Kopfkissen, in dem er sehr leckeres Essen vermutete. Silke wollte ihn gerade wieder hochheben, um den Stoff zu retten, als es an ihre Tür klopfte. "Ja?" rief sie, ohne sich umzudrehen. Sir Winfried erstarrte und schaute zur Tür, die Nase in heftiger Bewegung. "Besuch für dich", hörte Silke die Stimme ihrer Mutter. Silke fuhr herum und sah Meike, die bedrückt in der Tür stand. Über ihrer Schulter hing der Träger einer kleinen Tasche. "Meike?" Sie hob Sir Winfried hoch und sprang auf. "Was ist los?" "Kann ich bei dir übernachten?" fragte Meike leise. "Zuhause tobt das Chaos." "Sicher kannst du. Oder, Mutti?" "Natürlich kann sie hierbleiben. Meike, möchtest du etwas zu trinken oder zu essen?" "Ein Glas Saft vielleicht", sagte Meike dankbar und nahm ihre Tasche ab. "Bring ich dir sofort, Meike. Silke, munterst du sie etwas auf?" "Klar. Setzt dich erst mal, Meike. Was war denn los?" Sie setzte den Hamster wieder in den Käfig und schloß den Deckel. "Das Übliche. Jede Menge Bier, dann jede Menge Geschrei, und zum Schluß haben sie sich wieder in die Haare gekriegt. Als die Klopperei anfing, hab ich gemacht, daß ich rauskam. Und wie war dein Tag?" fragte sie bekümmert. "Genauso langweilig", meinte Silke trocken. "Schwimmen gewesen, mit Papa wieder versöhnt, und meine Tage bekommen." "Das ist doch viel zu früh, oder?" "Ja, eine Woche." Silke beschimpfte sich selbst, daß ihr das rausgerutscht war. "Sowas passiert manchmal." Ihre Augen wurden wieder feucht. "Sprich dich aus, Silke", sagte Meike sanft. "Ich weiß jetzt schon so viel und hab immer noch nichts verraten." "Ach", seufzte Silke. "Da ist eigentlich nicht viel zu sagen. Am..." Die Tür öffnete sich, und ihre Mutter trat ein. "Ich konnte nicht anklopfen", entschuldigte sie sich. In den Händen trug sie ein Tablett mit zwei Gläsern, einigen Kartons Saft und einer Schüssel Kekse. Silke sprang auf und nahm ihr das Tablett ab. "Danke, Mutti!" "Schon gut. Ruh dich aus, Meike." Meike nickte lächelnd. Die Mädchen warteten, bis Frau Wendlandt wieder draußen und die Tür zu war. "Weiter!" forderte Meike Silke auf und nahm einen Keks, während Silke die Gläser füllte. "Am Montag", sagte Silke leise. "Da haben wir zum ersten Mal miteinander geschlafen. Nachmittags zweimal, und nach dem Abendessen nochmal." Sie verschloß den Karton und stellte ihn ab, dann trank sie einen Schluck aus ihrem Glas. Meike hörte gebannt zu. "Beim zweiten Mal wußte ich plötzlich, daß ich schwanger bin", fuhr Silke leise fort. "Als ich abends wieder zu Hause war, hab ich Mutti eine Pille geklaut und sie genommen. Sie hat das natürlich gemerkt." Meikes Augen wurden groß. "Dann hat sie mich etwas ausgequetscht, und am nächsten Tag sind wir zum Arzt gefahren. Der hat mir dann meine eigene Pille verschrieben und mir noch so Tabletten gegeben, damit ich nicht mehr schwanger bin. Und vorhin, als ich vom Schwimmen gekommen bin, hat das plötzlich eingesetzt. Als ich dann endlich zu Hause war, bin ich gleich auf die Toilette gegangen, und als das dann rauskam, da..." Ihre Stimme brach. Schnell nahm Meike sie in den Arm. "Ist schon gut", sagte Silke mit zitternder Stimme. "Ich hab mich schon ausgeheult." Trotzdem schmiegte sie sich an Meike, die sie festhielt und leise den Kopf schüttelte. "Arme Silke", sagte sie leise. "Das kann der Kerl gar nicht wieder gutmachen!" "Er kann doch nichts dazu", protestierte Silke. "Ich hab ja mitgemacht, obwohl ich wußte, was passieren kann." Sie zog die Nase hoch. "Ich wollte ja auch kein Kind, aber das zu sehen und zu wissen, daß irgendwo in dem ganzen Blut diese kleine Eizelle ist, die jetzt nicht leben darf..." Sie wischte sich die Augen mit einem Zipfel ihres Shirts ab. "Er kann nichts dazu", wiederholte sie energisch. "Wenn er das wüßte, würde er mich wahrscheinlich auch noch ausschimpfen, weil ich das Kind nicht behalten hab." "Sicher?" fragte Meike ungläubig. "Ganz sicher." Silke lächelte ihre Freundin an. "In welcher Ecke möchtest du schlafen?" "In deinem Bett natürlich", grinste Meike. "Du schläfst bei Winfried." "Bei Sir Winfried", betonte Silke, dann lachten die Mädchen und machten sich über die Kekse her.
* * *
Eheleute Wendlandt sahen Meike hinterher, die nur mit einem langen T-Shirt bekleidet aus dem Bad kam, wo sie gerade ausgiebig geduscht hatte. "Du hattest recht", gab Achim Wendlandt zu. "Wenn ich Meike ansehe, kann ich mir direkt vorstellen, daß die Jungs auf sie fliegen. Und Silke ist genauso alt." "Sogar zwei Monate älter", lächelte seine Frau. "Aber für mich war es zuerst auch ein Schock." Sie schmunzelte verschmitzt. "Man sollte es nicht glauben, aber Meike hat diese Erfahrung noch vor sich." "Was?" lachte ihr Mann. "Nach dem, was sie so erzählt, dachte ich..." "Ich auch, aber sie hat diesen Schritt noch nicht gemacht." Sie lehnte sich an ihren Mann. "Ich bin trotz allem sehr froh, daß Silke jemanden gefunden hat, der sie genauso ehrlich mag wie sie ihn." "Nach dem, was sie vorhin am Telefon gesagt hat, muß es wirklich die ganz große Liebe sein." Er seufzte. "Trotzdem würde ich zu gern wissen, mit wem sie sich rumtreibt." "Achim!" "Entschuldige. Mit wem sie sich trifft." "So klingt das schon viel besser." Sie schmiegte sich an ihn. "Hast du heute noch was vor?" "Vielleicht." Er zwinkerte ihr zu. "Vielleicht haben wir sogar das gleiche vor."
* * *
"Bist du sicher, daß du jetzt noch fahren willst?" fragte Frank besorgt. "Ja, Frank." Franziska sah ihn mit leeren Augen an. "Ich bin sicher. Danke, daß du mir beim Tragen geholfen hast. Meine anderen Sachen kannst du ja schon mal einräumen, Kartons müßten noch im Keller sein. Wegen Geld und Konto ruf ich dich in den nächsten Tagen an. Meine Schecks und die Scheckkarte habe ich. Den Hausschlüssel laß ich dir hier, wenn ich die anderen Sachen abhole. Leb wohl." Mit schnellen Schritten ging sie zu ihrem Auto. "Ruf mich an, wenn du angekommen bist", rief er ihr nach. Franziska blieb stehen und drehte sich um. "Interessiert dich das wirklich noch?" Sie stieg ein, schloß die Tür, ließ den Motor an und fuhr los. Frank drehte sich um und ging zurück ins Haus. 'Nicht in diesem Sinne', dachte er. 'Es war nur die Sorge um einen Menschen, den ich einmal geliebt habe.' Leise schloß er die Tür hinter sich und dem Motorgeräusch von Franziskas Auto.
* * *
"Geht's?" fragte Silke besorgt. "Ich bin nicht dicker geworden seit letzten Monat", knurrte Meike und rutschte etwas nach außen. "Hab ich auch nicht behauptet", grinste Silke. "Du liegst nur auf der Stelle, wo Sir Winfried vorhin hingepieselt hat." "Was?" rief Meike panisch und sprang auf. Silke krümmte sich vor Lachen. "Du blöde Ziege!" Wütend sprang Meike zurück ins Bett, stürzte sich auf Silke und kitzelte sie so durch, daß Silke nicht einmal mehr Luft hatte, um Gnade zu betteln. Kurz bevor sie an Luftmangel erstickte, ließ Meike sie los. "Beim nächsten Mal mach ich Ernst", knurrte sie. Silke lachte und japste gleichzeitig nach Luft. Als das Telefon klingelte, sprang sie auf, doch noch bevor sie aus der Tür heraus war, hörte sie ihre Mutter sich melden. Sie ging leise näher. "Hallo?" hörte sie ihre Mutter nachfragen, dann erklang das Geräusch eines aufgelegten Hörers. "Wer war das?" fragte sie gespannt. "Keine Ahnung. Hat einfach aufgelegt." Sie sah ihre Tochter an. "War das für dich?" "Möglich", gestand Silke verschämt. "Wenn es gleich nochmal klingelt, ist es für mich." Wenig später meldete sich das Telefon erneut. Silke sprang zum Telefon. Ihre Mutter lächelte ihr zu und ging zurück ins Wohnzimmer. Silke atmete tief durch und nahm ab. "Silke Wendlandt." "Der schönste Name auf der Welt", hörte sie die geliebte Stimme. "Frank!" Silkes Herz fing an, zu rasen. "Frank!" "Störe ich dich gerade?" "Nein, ganz und gar nicht! Was gibt es? Ist was passiert?" "Laß uns nicht über traurige Dinge reden", hörte sie seine Stimme sagen. "Silke, möchtest du mich morgen besuchen?" Silke schloß die Augen. "Sie weiß es?" "Ja. Sie ist ausgezogen. Vor knapp einer Stunde." "Frank, das tut mir so leid! Irgendwie", fügte sie ehrlich hinzu. "Mir auch, Silke. Auch irgendwie. Aber ich weiß, daß ich dich habe, und das versöhnt mich mit allem anderem. Es war wohl etwas, das so kommen mußte." "Daß ich dich habe, gibt mir auch mehr Halt als alles andere, Frank. Doch, ich würde dich gerne besuchen morgen. Wann?" "Nach dem Mittagessen?" "Gerne! Oh, Mist! Warte mal..." Sie dachte nach. "Paßt dir das nicht?" "Doch, doch", sagte Silke schnell. "Nur... Meike schläft heute bei mir. Sie hat ziemlichen Ärger zu Hause. Ich weiß nicht, wie das morgen sein wird... Doch, Frank. Ich komme. Meike kann ja was nähen." "Ich möchte deine Pläne nicht durcheinander bringen, Silke." "Das tust du nicht, Frank. Meine Pläne hängen alle mit dir zusammen. Warte mal eben... Mutti? Wann essen wir morgen?" "Gegen halb zwei." "Danke! Frank? Ich kann so gegen zwei Uhr bei dir sein." "Du machst mich sehr glücklich, Silke. Wieviel Zeit hast du dann für mich?" "Bis abends", sagte Silke glücklich. "Nur..." Sie senkte ihre Stimme. "Meine Tage haben heute eingesetzt." "Gott sei Dank!" hörte sie Frank seufzen. "Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, Silke." "Keine Sorgen mehr", sagte sie fröhlicher, als sie sich in diesem Moment fühlte. "Macht dir das wirklich nichts aus?" "Silke, ich liebe dich! Wie kann mir da etwas ausmachen? So haben wir die Chance, den ganzen Tag miteinander zu reden und uns im Arm zu halten." "Frank!" rief Silke aufgeregt, ohne daran zu denken, daß ihre Eltern nur wenige Meter entfernt saßen. "Sag noch einmal so was, und ich ziehe bei dir ein!" "Soll ich?" stichelte er. "Ja, sag's!" lachte sie. "Ich liebe dich, Silke. Um zwei?" "Um zwei Uhr. Spätestens. Ich liebe dich auch. Bis morgen." "Bis morgen, Silke. Paß auf dich auf." "Du auch auf dich." "Mach ich. Bis morgen." "Bis morgen, Frank. Ich leg jetzt auf!" "Mach das. Ich auch." Sie hörte sein Lachen, das sich entfernte, dann klickte es. "Mistkerl", brummte sie lachend. "Legt der vor mir auf!" Zärtlich legte sie den Hörer zurück und ging ins Wohnzimmer, wo ihre Eltern unverschämt gleichgültig zum Fernseher schauten. "Ich bin gerade zum Abendessen eingeladen worden", sagte sie schüchtern. "Das wird aber ein langes Abendessen", meinte ihre Mutter mit einem versteckten Lachen. "Von zwei bis...?" "Bis elf?" bettelte Silke. "Ist doch Wochenende! Hast du gelauscht?" "Nein. Du hast so laut geredet, daß selbst ein Rockkonzert dagegen nicht angekommen wäre. Von mir aus. Elf Uhr. Spätestens!" "Danke, Mutti!" strahlte Silke. "Papa?" "Wenn ich dich abholen darf, kannst du auch bis Mitternacht bleiben", sagte ihr Vater ernst. Silkes Kinn fiel nach unten. "Ist das dein Ernst?" flüsterte sie. "Bis Mitternacht?" "Wenn ich dich abholen darf. Wie weit weg wohnt dein Freund?" "Mit dem Rad sind das so zwanzig Minuten. Wenn ich langsam fahre. Willst du sehen, wo er wohnt?" Ihr Mißtrauen erwachte wieder. "Nein, Silke. Irgendwann wirst du uns das schon sagen, hoffe ich. Ich dachte nur, daß es nachts für dich gefährlich sein könnte." "Okay. Entschuldige." Verlegen ging sie zum Schrank und holte einen Stadtplan heraus. "Bringst du mich dann auch?" "Auch das", lächelte ihr Vater. "Toll!" Silke öffnete den Plan und suchte den Finkenweg. "So... Du kannst mich an der Ecke Adlerstraße und Finkenweg absetzen. Und abholen! Da ist 'ne Laterne." "Siehst du die Ecke von der Wohnung deines Freundes aus?" fragte ihre Mutter. Silke überschlug kurz den Standort von Franks Haus. "Nein, nicht ganz." "Gut, dann machen wir es ganz kompliziert", lächelte ihr Vater. "Ich werde einmal die Straße rauf und runter fahren, ganz langsam, und dann an der Ecke halten. Du kommst dann sofort angewetzt, klar?" "Mach ich, Papa!" strahlte Silke. "Danke! Bis Mitternacht!" schwärmte sie und schwebte zurück in ihr Zimmer. "War das jetzt ein Anfall?" fragte seine Frau schmunzelnd. Ihr Mann zuckte die Schultern. "Ob eine Stunde oder zehn Stunden, irgendwo macht das doch keinen Unterschied mehr, oder? Was kann denn jetzt noch passieren, was nicht schon passiert ist?" "Manchmal kannst du richtig vernünftig sein", lachte seine Frau. "Komm, mach den Fernseher aus, ja? Wir haben noch etwas vor."
* * *
"Danke für's Bringen", strahlte Silke ihren Vater an. "Bis heute abend dann!" "Mach's gut, Kleines. Und benimm dich, ja?" "Bestimmt." Silke schlug die Tür zu und winkte ihrem Vater hinterher, dann lief sie aufgeregt an den Häusern vorbei bis zur Nummer 17. 'Zehn ganze Stunden!' dachte sie aufgedreht und rannte über den kleinen Weg zum Haus. Ihr Herz wummerte stark, als sie auf die Klingel drückte. Wenige Sekunden später öffnete sich die Tür. "Hallo, Silke", lächelte Frank neutral und hielt ihr die Hand hin. "Hallo, Frank", erwiderte sie, plötzlich schüchtern, und nahm seine Hand. "Für die Nachbarn", flüsterte er, dann trat er zur Seite und ließ sie herein. "Kapiere", grinste sie und trat in den Flur. Frank schloß die Tür und drehte sich zu ihr. "Jetzt nochmal: Hallo, Silke!" "Hallo, Frank!" Sie ließ ihre kleine Tasche fallen und sprang ihn an. Frank hielt sie mit dem linken Arm unter ihrem Po fest und drückte sie mit der rechten Hand auf ihrem Rücken an sich. "Ich hab dich schrecklich vermißt", murmelte sie und küßte ihn auf das ganze Gesicht. "Ich dich auch, Silke. Heute mehr denn je." Er trug sie ins Wohnzimmer. "Erschreck dich bitte nicht, es sieht etwas unordentlich aus. Ich bin noch nicht ganz fertig." Silke sah auf und fand viele Kisten auf dem Boden, zum Teil noch offen. Alle Schranktüren standen offen, und viele Fächer waren zum Teil leergeräumt. "Alles von deiner Frau?" fragte sie traurig. "Ja. Sie hat gestern nur ihre Kleidung und persönlichen Sachen mitgenommen, den Rest will sie nächsten Samstag abholen lassen. Genug davon. Wo ist dein Rad?" "Papa hat mich hergebracht", sagte Silke abwesend und musterte die ganzen Kartons. "Frank, bin ich schuld daran?" "Nein, Silke. Wenn, dann sind wir beide schuld daran. Aber es gibt keine Schuld, zumindest nicht in meinen Augen. Du und ich lieben uns mehr als sie und ich. Ist das Schuld?" "Glaub nicht", erwiderte Silke zögernd. "Anders gefragt: wenn du morgen jemanden triffst, den du noch mehr liebst als mich, ist er dann schuld daran, daß du mich weniger liebst?" "Wohl nicht", sagte Silke nach einer kurzen Denkpause. "Aber das passiert nicht!" "Will ich auch nicht hoffen", lachte Frank. "Setz dich schon mal nach draußen. Ich räum hier eben noch was auf." "Soll ich..." Silke brach ab. "Gut. Ich warte draußen." Sie strich mit ihren Fingern über Franks Wange. Er fing ihre Hand auf, drückte die Fingerspitzen an seine Lippen und küßte sie sanft, dann ließ er sie los. "Wenn du etwas trinken willst, geh einfach in die Küche und hol es dir." Er sah sie ernst an. "Das ist jetzt auch dein Zuhause, Silke. Wenn du das möchtest." "Möchte ich schon", sagte sie scheu. "Das möchte ich sogar sehr gerne, nur..." Sie sah auf die Kartons. "Silke", sagte Frank eindringlich. "Es ist wirklich nicht deine Schuld. Ich hätte mich ja auch weigern können, mich in dich zu verlieben." "Laß uns jetzt nicht davon reden, ja?" bat sie ihn. "Ich warte draußen." Eine halbe Stunde später war Frank bei ihr, mit Getränken und Gläsern. "Es ist schön hier", sagte Silke. "Etwas verwildert", gab Frank zu. "Als wir... als ich hier eingezogen bin, hatte ich anderes zu tun als mich um den Garten zu kümmern." "Ich mag es, wenn es etwas wild aussieht. Wenn alles so gepflegt ist, wirkt das künstlich." Sie sah Frank an. "Vermißt du sie?" "Nein, Silke. Auch wenn es sehr hart klingt. Seit ich dich kenne, gibt es für mich keine andere Partnerin mehr. Nur noch dich." "Ich komm mir trotzdem wie ein Eindringling vor", flüsterte Silke. "Ich meine, ich wußte, daß du verheiratet bist, aber... da war das nur deine Frau. Nur ein Wort." Sie zuckte die Schultern. "Aber jetzt hab ich ihre Sachen gesehen. Ihre Bücher, die kleinen Figuren, ihre Kassetten und die CDs..." Sie schüttelte sich plötzlich. "Frank, ich möchte hier weg! Sei mir bitte nicht böse, aber ich fühle mich hier nicht wohl. Nicht so!" "Dann bist du ja noch empfindsamer als ich", lächelte Frank und stand auf. "Es war mein Fehler, Silke. Ich hätte dich nicht einladen dürfen. Nicht an diesem Wochenende. Ich war selbstsüchtig und brauchte Ablenkung. Es tut mir leid." "Das macht nichts, Frank. Wenn alle Sachen weg sind, geht's mir bestimmt viel besser." "Mir auch", gestand Frank. "Wo möchtest du hin?" "Zu unserem Platz? Ach, geht ja gar nicht!" rief sie enttäuscht. "Ich bin doch gar nicht mit dem Rad hier! Kann ich mal zu Hause anrufen?" "Sicher. Das Telefon steht im Flur." "Danke." Silke huschte schnell in den Flur und rief ihren Vater an. Der war zwar sehr erstaunt, daß Silke sich schon wieder meldete, sagte aber zu, sie in fünf Minuten abzuholen. Silke dankte ihm und legte auf. "Er kommt in fünf Minuten." Sie ließ sich von Frank umarmen. "Es tut mir leid, daß ich so ein Sensibelchen bin, Frank." "Aus dem Grund liebe ich dich", sagte er sanft. "Silke, wir ändern unsere Pläne etwas. Du fährst jetzt nach Hause und verbringst das Wochenende dort, und ich hier." Silke sah ihn erschrocken an. "Ab Montag treffen wir uns wieder hinter dem Sportplatz, und nächsten Samstag wird alles hier bereit sein für dich. Ohne böse Erinnerungen und offene Kartons. Es tut mir wirklich leid, daß du das gesehen hast. Ich habe nicht nachgedacht." Silke blickte ihn enttäuscht an, doch dann leuchteten ihre Augen auf. "Ist gut", sagte sie leise. "Und Samstag bin ich auch wieder fit. Dann kannst du mir das ganze Haus zeigen, und ich werde für jedes Zimmer etwas mitbringen." "Das wäre schön! Dann sehe ich dich in jedem Zimmer." "Wie viele sind das denn?" "Alle zusammen? Mit Abstellkammer und Keller? Warte...Oben sind drei Zimmer und das Bad. Hier sind auch drei Zimmer, die Kammer und das Gäste-WC. Im Keller... Ohne Heizungsraum noch einmal drei." "Also zwölf Zimmer", grinste Silke. "Plus drei Dielen. Fünfzehn. Ist notiert. Jetzt muß ich aber raus, sonst sieht Papa noch, wo du wohnst!" "Ist gut, Silke. Hab ein schönes Wochenende." "Du auch, Frank." Sie küßten sich zärtlich, dann trennte Silke sich von ihm. "Bis Montag!"
* * *
"Habt ihr euch gestritten?" fragte Silkes Vater, als sie im Auto saß. "Nein, Papa", lächelte Silke. "Ganz im Gegenteil. Es... Seine Wohnung, die... Ach, jemand aus seiner Familie ist ausgezogen, und die ganze Wohnung stand voller Kartons, alle Schränke waren offen, und es war einfach ein Chaos! Wir haben das auf nächsten Samstag verschoben. Wenn ich darf", fügte sie mit einem fragenden Blick hinzu. "Trennen sich seine Eltern?" "Sozusagen." Silke sah aus dem Seitenfenster. "Er hat gesagt, daß er mich eingeladen hat, um etwas Ablenkung zu haben, aber das brachte uns beiden nichts. So hat er mich dann wieder heim geschickt." "Er dich?" Ihr Vater blickte sie kurz an. "Das scheint ja ein sehr ehrlicher Junge zu sein." "Ehrlich ist er wirklich." Sie sah ihren Vater an. "Darf ich dich zu einem Eis einladen?" "Wie wäre es", schlug ihr Vater vor, "wenn wir deine Mutter und Meike einsammeln und zu viert ein Eis essen gehen? Auf meine Rechnung?" "Oh, toll!" freute Silke sich. "Da wird Meike sich bestimmt freuen! Und ich auch!"
Ein neuer Start
Der nächste Montag, dritte Stunde, Deutsch. "Begrüßt haben wir uns ja schon vorhin", lächelte Frank Michaels, als er nach der großen Pause die Klasse betrat. "Und wieder acht Sekunden gespart, die wir für den Unterricht benutzen können." Er öffnete seine Tasche und holte einige Unterlagen heraus, die er auf den Tisch legte. "Noch einmal zurück zur letzten Deutschstunde." Frank setzte sich, wie gewohnt, auf den Tisch und schaltete seinen "Klassenblick" an. "Warum habe ich fünf von euch letzte Stunde in den Finger gestochen?" "Weil Sie ein Sadist sind", kam leise aus der letzten Reihe. "Sehr gut", lachte Frank mit den anderen. "Wenn ich jetzt noch wüßte, wer das gesagt hat, könnte ich die Eins auch jemandem zuordnen." Wie erwartet, blieb es still. "Gut dann. Noch eine andere Meinung dazu?" Er flog über seine Kinder, schaute Silke kurz an, und blieb bei einem Jungen hängen, von dem er wußte, daß er eine leichte Tendenz nach Rechts hatte. "Roger?" "Weil Sie uns zeigen wollten, daß wir unter der Haut alle das gleiche Blut haben", kam die gelangweilte Antwort. "Beinahe. Seht das bitte in Verbindung zu den Gedanken vor dem Einschlafen." Viele Gesichter wurden ratlos. Silke und Wolfgang meldeten sich. "Wolfgang?" Silke wußte inzwischen, daß Frank ein bestimmtes System hatte, nach dem er seine Auswahl traf. Deshalb war sie nicht mehr enttäuscht, wenn sie mal nicht drankam. "Sie wollten uns zeigen, daß wir alle Menschen sind, egal welche Farbe unsere Haut hat", sagte Wolfgang selbstsicher. "Daß wir alle die gleichen Gefühle haben, die gleichen Sorgen und Hoffnungen, und daß wir unter der Haut, wie Roger schon sagte, im Prinzip völlig gleich sind." "Genau das war meine Absicht. Eventuelle Schlußfolgerungen überlasse ich euch. Nicole?" Das angesprochene Mädchen sah überrascht auf. Frank ging zu ihr und reichte ihr einen Zettel. "Hol dir aus der Bücherei dieses Buch. Vielleicht kann es dir helfen." "Danke!" "Schon gut", lächelte Frank. "Corinna, bei dir eine Besserung eingetreten?" "Ja", sagte das Mädchen freudig. "Mein Großvater kann Ende der Woche wieder nach Hause." "Das ist schön. Was aus Hafis Wünschen geworden ist, wissen wir ja inzwischen." Er zwinkerte Meike zu, die heute ein T-Shirt mit den Buchstaben "H" und "M" trug. Meike grinste verlegen und zuckte die Schultern. "Dagegen kann man sich wohl nicht wehren, oder?" sagte sie mutig. "Nein, Meike. Manchmal schlägt das wie aus heiterem Himmel zu." Er drehte sich um, ohne Silke anzusehen, und ging zurück zu seinem Tisch. Dann wandte er sich wieder seiner Klasse zu. "Dieses kleine Spiel von Donnerstag war für manche schmerzhaft, für andere peinlich. Ich möchte mich bei allen entschuldigen, die das Gefühl haben, sie hätten sich gewissermaßen vor der ganzen Klasse nackt gezeigt. Ich wollte euch damit etwas anderes zeigen: daß eure Gedanken eine Kraft haben." Er schaute Nicole an. "Eine Kraft, die sich verwirklichen kann, wenn ihr daran glaubt." Sein Blick ging zu Corinna. "Eine Kraft, die etwas in Gang setzt." Er sah zu Hafis. "Eine Kraft, die Dinge verändert." Gebannt lauschte die Klasse. Er sah zu Silke. "Eine Kraft, die blockiert oder befreit." Sie nickte leicht. Er sah wieder über die ganze Klasse. "Ihr alle habt Ängste. Ich auch. Ihr alle habt Wünsche. Ich auch. Je nachdem, welcher Gedanke stärker in euch ist, siegt die Angst oder der Wunsch. Der erste Schritt ist, die eigenen Ängste zu erkennen. So, wie wir es am Donnerstag gemacht haben. Sobald die Angst erkannt ist, ist sie auch fast schon gebannt. Euer Vorteil ist, daß ihr noch jung seid. Ihr habt noch sehr viel Kraft in euch. Überlegt euch, ob ihr diese enorme Kraft an Ängste verschwendet, die euch lähmen, oder sie lieber in Hoffnung investiert, die bestimmte Dinge verändert." Er nickte Nicole zu, die ihn mit leuchtenden Augen ansah. "Es liegt nur an euch, was ihr aus euch macht." Er stand auf. "Gut. Damit zurück zum Lehrplan." Er nahm seine Unterlagen vom Tisch und begann mit dem regulären Unterricht.
"Hmm!" Sehnsüchtig schaute Meike auf das Duplo, das Silke aus ihrer Tasche holte. "Hast du noch eins?" "Nein, leider nicht." Bekümmert schaute Silke in ihre Tasche. "Ist mein letztes." "Schade", seufzte Meike. Silke ließ sie einen Moment schmoren "Doch!" rief sie dann. "Da sind ja noch fünf!" Grinsend zog sie zwei heraus und gab sie Meike. "Du mieses Stück!" lachte Meike. "Danke!" Gierig riß sie den Schokoriegel auf und knabberte daran. "Ist das lecker! Du auch eins, Hafis?" "Gerne." Meike reichte ihm ihren zweiten Riegel. "Aber gut einteilen!" ermahnte sie ihn. "So wie du deinen?" grinste Hafis. Meike schaute auf den winzigen Rest in ihrer Hand und mußte lachen. "Nein! Viel besser als ich!" Grinsend schlang sie das kleine Stück Schokolade hinunter und nahm dankbar einen weiteren von Silke an. "Danke, Silke." Diesen Riegel öffnete sie langsamer. "Guten Appetit!" hörten sie eine Stimme. Sie sahen auf und blickten auf Frank Michaels, der vor ihnen stand. "Danke", murmelte Meike mit vollem Mund. "Eßt ihr sowas oft?" "Täglich", lächelte Silke höflich. "Und trotzdem bleibt ihr so schlank?" Frank hob die Augenbrauen. "Wie macht ihr das?" "Viel Bewegung an frischer Luft", sagte Silke unschuldig. "Radfahren, Schwimmen und so." "Ah ja." Frank hatte alle Mühe, sich zu beherrschen. Er wußte ganz genau, was Silke meinte. "Muß ich auch mal probieren." "Macht enorm viel Spaß!" beteuerte Silke mit dem gleichen unschuldigen Blick wie vorher. Sie kramte in ihrer Tasche und bot Frank einen Riegel an. "Das ist mein letzter. Möchten Sie?" Frank schaute sich schnell um. "Hoffentlich wird das nicht als Bestechung aufgefaßt", murmelte er mit Verschwörerstimme. "Danke, Silke." "Aber schön abtrainieren!" schmunzelte Meike. "Ich muß daheim den Rasen mähen", meinte Frank bedrückt. "Mit einem ganz altmodischen Handrasenmäher. Da würde ich sogar einen ganzen Kuchen abarbeiten!" Er nickte den dreien zu. "Bis gleich, und danke!" "Ja, tschüs!" sagte Meike. "Gern geschehen", sagte Silke im gleichen Moment und schaute wieder in ihre Tasche. "Meike, hast du noch mein Matheheft?" "Oh ja! Kriegst du gleich in der Klasse." Silke konnte sich enorm zusammennehmen.
"Viel Bewegung an frischer Luft, ja?" grollte Frank und kitzelte Silke, die auf seinem Schoß saß. Quiekend und lachend drehte das Mädchen sich unter seinen Händen hin und her. "Macht enorm viel Spaß, ja?" "Frank!" kreischte Silke. "Ich krieg keine Luft mehr!" Lachend preßte sie sich an ihn. Frank hörte auf, sie zu kitzeln, und streichelte ihren Rücken durch den Stoff des Shirts. "Ich dachte, ich brech zusammen, als du das gesagt hast!" "Wieso?" Wieder dieser unschuldige Blick, den nur junge Mädchen so zustande bringen. "Radfahren und Schwimmen sind doch gesund!" "Ich weiß genau, was du gemeint hast!" Er blickte Silke strafend an. "Beweis mir das", grinste Silke, dann wurde sie ernst. "Es tut mir leid, Frank. Ich wollte dich nicht ärgern. Aber ich fand, das war völlig harmlos. Weder Meike noch Hafis haben was gemerkt." "Es war auch harmlos", gab Frank zu. "Nur dadurch, daß wir beide wußten, was du meinst, war es für uns nicht so harmlos." "Ich tu's nie wieder", versprach Silke mit einem Kleinmädchenblick. "Das glaub ich dir nicht", lachte Frank. "Hast recht!" Silke lachte hell auf. "Du mußt mir jetzt einen Kuß als Strafe geben!" "Und du mir einen als Entschuldigung." "Klasse!" freute Silke sich. "Dann haben wir jetzt einen guten Grund, uns richtig lange zu küssen!" Gierig drückte sie ihre Lippen auf Franks.
* * *
Die ganze Woche über hatte Frank geschuftet wie ein Ochse, und als am Samstag vormittag seine Frau mit einem Kleinlaster vorfuhr, war alles fertig verstaut, die Kartons standen in der Garage, und die Zimmer waren bereit für Silke. Franziska und Frank behandelten sich mit professioneller Freundlichkeit, Frank lud die ganzen Kisten in den Laster, Franziska ging noch einmal durch das Haus, um zu sehen, ob sie wirklich nichts vergessen hatte, dann blieben sie in der Diele stehen. "Ich hoffe, du wirst glücklich", sagte sie mit einer Bitterkeit, die Frank ihr nicht verübeln konnte. "Wie teilen wir unser Vermögen auf?" "Möglichst gerecht", erwiderte Frank. "Dein Konto habe ich nicht angefaßt, und du warst nicht an meinem. Die gegenseitige Berechtigung ist aufgehoben. Das Haus ist nur gemietet, jeder von uns hat ein Auto. Bleibt nicht mehr viel übrig, oder? Außer den Sparbüchern." "Wegen der paar Mark Unterschied will ich keinen Streit. Was ist mit dem ganzen Schmuck, den du mir geschenkt hast?" "Wie du sagst: es waren Geschenke. Er gehört dir. Was ist mit der Einrichtung?" "Davon möchte ich kein einziges Stück", erwiderte Franziska heftig. "Wann zieht das kleine Dreckstück hier ein? Oh, ich vergaß!" lachte sie bitter. "Sie ist ja noch ein Kind." Frank blickte sie erstaunt an, dann klickte es. "Du hast uns belauscht! Letzten Freitag. Richtig?" "Du bist ja ein Schnellmerker! Ja, ich habe euch belauscht." Sie schüttelte den Kopf. "Wie alt ist sie? Zwölf? Dreizehn?" "Vierzehn", antwortete Frank leise. "Ich sollte dir die Schulbehörde auf den Hals hetzen", zischte Franziska. "Und die Kripo! Du mieses Dreckschwein! Kleine Kinder ficken!" "Leb wohl, Franziska", sagte Frank traurig. "Du wirst es nie verstehen. Ich verstehe es ja selbst nicht." "Ich verstehe sehr wohl. Hier!" Sie warf ihm ihren Hausschlüssel an den Kopf. Frank zuckte zurück, doch der Schlüssel traf ihn voll und fiel auf den Boden. Frank hob ihn auf und befühlte die Stirn. An seinen Fingerspitzen war Blut. "Alles Gute", sagte er leise und drehte sich um. "Frank! Es - es tut mir leid!" "Mir auch, Franzi!" Ohne sich umzudrehen, ging er ins Haus und schloß die Tür.
* * *
"Danke für's Bringen", strahlte Silke ihren Vater an. "Bis heute abend dann!" Ihr Vater lachte. "Hatten wir das nicht letzte Woche schon mal?" "Schon", grinste Silke. "Aber diesmal geht es besser aus. Bis dann!" Wieder winkte sie ihrem Vater hinterher, dann hob sie ihre Tasche auf, die schwer und voll gefüllt war, und ging fröhlich zu Franks Haus. Wieder begrüßten sie sich ganz formell mit Handschlag, dann trat Silke ein und wollte Frank wieder anspringen, doch er hielt sie auf. "Noch nicht. Erst schaust du dich um. Wir fangen im Keller an." "Sehr gerne", lachte Silke und folgte Frank die Treppe hinunter in den Keller. "Hier haben wir einen wunderschönen Raum, in dem es jeden Sonntag morgen sehr feucht ist." Silke sah die Wäscheleinen, die Waschmaschine und nickte grinsend. "Von diesem feuchten Raum aus geht es in zwei weitere, sehr schöne Zimmerchen." Frank öffnete die erste Tür, hinter der viele Gartengeräte wie Rechen, Harke und Rasenmäher standen. Von diesem Raum führte eine Tür in den Garten. "Der nächste Raum ist das Lager für den Winter, falls die Straßen zugeschneit sein sollten." Silke sah in einen Raum mit Regalen, in denen sehr viele Dosen und Flaschen lagen oder standen. "Gegenüber ist der Raum, der es im Winter schön gemütlich macht." Hinter dieser Tür war die Heizung. Silke verzog das Gesicht bei dem starken Geruch nach Öl. "Das war der Keller. Bitte folgen Sie mir, die Führung wird im Erdgeschoß fortgesetzt." Silke hüpfte fröhlich hinter Frank her. "Von dieser wunderbaren Diele geht es geradeaus in das Wohnzimmer, das wir nun besichtigen werden." Silke stellte erleichtert fest, daß kein einziger Karton mehr da war. Die Schranktüren waren geschlossen, und das, was Frank besaß, war großzügig verteilt, so daß es nicht allzu leer aussah. Sie fühlte sich sofort wohl. "Diese Glastür führt auf die Terrasse. Bitte die Türe vor dem Durchschreiten öffnen. Vielen Dank." Silke lachte hell auf und schmiegte sich an Frank, der lächelnd seinen Arm um sie legte und mit ihr in die Küche ging. "Hier wird, mehr oder weniger erfolgreich, die Nahrung zubereitet, die diesen alten Körper aufrecht hält. Bitte beachten Sie die Form der Handgriffe an den Türen, die ein einhändiges Öffnen ermöglichen." Silke biß ihn leicht in die Hand auf ihrer Schulter. Frank zog schnell die Hand weg und zwinkerte ihr zu, dann umarmte er sie wieder. "Nach der Nahrungsaufnahme können (und sollten) nicht benötigte Stoffe hier gelagert werden." Er öffnete die Tür zum Gäste-WC. "Wie Sie sehen können, ist alles anatomisch perfekt vorbereitet. Damit kommen wir zu den ganz heiligen Hallen." Er nahm Silke an die Hand und ging mit ihr hinauf in das Obergeschoß. "Zur Rechten sehen Sie das Arbeitszimmer, in dem ein gewisser Lehrer graue Haare bekommt beim Korrigieren bestimmter Arbeiten." Silke sah in ein gemütliches Zimmer mit einem großen Schreibtisch und vielen Regalen. Auch dieses gefiel ihr auf Anhieb, wie die anderen Zimmer auch. "In der Mitte des Flures ist das Badezimmer mit einer Wanne und einer schönen Dusche, die wirksam die Kopfschmerzen vertreibt, die sich nach dem Korrigieren immer einstellen." Das Bad war in einem ganz leicht hellblauen Ton gefliest. "Links neben dem Bad ist das zweite Arbeitszimmer, in dem eine gewisse junge Dame, die rein zufällig heute hier ist, sich ausbreiten kann, wenn sie bereit dafür ist." Er ließ Silke in ein ähnlich eingerichtetes Arbeitszimmer wie das erste blicken, nur daß dieses vollkommen leer war, bis auf einen Brief auf dem Tisch. "Dieser Brief ist an die erwähnte junge Dame gerichtet", lächelte Frank. Aufgeregt lief Silke zum Tisch. Auf dem Brief stand ihr Name. "Allerdings", sagte Frank ermahnend, "darf sie ihn erst zu Hause öffnen." Mit leuchtenden Augen steckte Silke den Brief in ihre Tasche und folgte Frank wieder auf den Flur. "Im letzten Zimmer", sagte Frank leise, "träumt ein gewisser Herr von einer gewissen Dame, und das schon seit dem ersten Tag, als er sie sah. Er schläft mit dem Gedanken an sie ein, und er wacht mit dem Gedanken an sie auf." Silke blickte erstaunt auf ein Doppelbett, das nicht bezogen war. Matratze, Kissen und Oberbetten lagen völlig offen. "Würde die Dame gemeinsam mit dem Herrn dieses Zimmer in einen Zustand bringen, der ihnen beiden mehr behagt?" "Ja!" hauchte Silke glücklich. "Oh, Frank! Das ist so lieb von dir!" "Unser gemeinsames Leben beginnt heute", sagte er leise. "Wenn du dein Leben mit mir teilen möchtest." "Das will ich!" Überwältigt umarmte sie ihn. "Das will ich, Frank. Ganz bestimmt! So gut ich kann!" "Sei einfach du selbst", flüsterte Frank und drückte sie an sich. "So liebe ich dich. Wie lange kannst du bleiben?" "Um Mitternacht holt mein Vater mich ab. Er wartet an der Ecke vorne. Wo du wohnst, hab ich ihm nicht gesagt, und er hat auch nicht versucht, mir zu folgen." Sie lächelte ihn verliebt an. "Kann ich jetzt loslegen?" "Womit?" "Mit Auspacken!" grinste Silke. "Wir fangen im Keller an." Erstaunt folgte Frank ihr in den Keller. Im Waschraum öffnete sie ihre Tasche, holte ein mehrfach gefaltetes Poster heraus und brachte es mit Klebestreifen schnell an einer Wand an. Das Poster zeigte die linke Gesichtshälfte einer Frau, ihre rechte Gesichtshälfte ging über in den Kopf eines schwarzen Panthers. "Die Frau bin ich", schmunzelte Silke. "Ich paß auf, daß du keine Wäsche außer unserer wäschst, und wenn doch, werd ich zum Raubtier!" Silke führte den beeindruckten Frank zu dem Raum, in dem die Gartengeräte waren. Dort legte sie eine Luftpumpe aus Metall ab. "Falls dir beim Rasenmähen mal die Luft ausgeht", grinste sie. Frank lachte und drückte sie herzlich. Im Vorratsraum legte sie eine kleine Packung Streu von Sir Winfried hin. "Falls ich mal Besuch mitbringe." Im Flur holte sie einen kleinen Hammer und einen Nagel aus ihrer Tasche. Geschickt hämmerte sie den Nagel in eine Fuge, holte ein Bild heraus und hing es auf. Es zeigte Silke, die furchtbar lachte, weil Sir Winfried auf ihrer Schulter hockte und an ihrem Ohrläppchen knabberte. "Das hat Mutti gemacht, weil ich so gejammert und gelacht habe. Sie sagte, das muß für die Nachwelt festgehalten werden." "Es ist herrlich", lachte Frank. "Wenn ich das ansehe, hab ich sofort gute Laune!" "Bin noch lange nicht fertig", grinste Silke. "Jetzt nach oben." Das Wohnzimmer wurde durch einen gläsernen Briefbeschwerer verschönert, der ein Seepferdchen umschloß. Auf einen Küchenschrank kam ein Stofftier: ein kleines Lamm. Das Gäste-WC wurde neuer Aufenthaltsort für einen von Silkes Haarreifen, und in die Diele legte sie eine grün-gelbe, etwa siebzig Zentimeter lange Schlange aus Stoff, die mit kleinen Bleikügelchen gefüllt war. In die Abstellkammer, die Frank völlig vergessen hatte, ihr zu zeigen, legte Silke eine Rolle weißes Nähgarn. Franks Arbeitszimmer im Obergeschoß wurde durch ein sehr dickes Märchenbuch bereichert, in das Bad stellte Silke je eine Flasche Shampoo und Duschgel, in das zweite, leere Arbeitszimmer legte sie ein ebenfalls sehr dickes Buch mit Sagen aus der griechischen Götterwelt. Nach einem weiteren Nagel in der Diele hing hier nun ein Foto, das Silke eines frühen Morgens gemacht hatte: ein Sonnenaufgang im nebligen Wald. Nun war ihre Tasche so gut wie leer. Sie drehte sich zu Frank und sah ihn schüchtern an. "Ich mach sowas normalerweise nicht, weil ich das doof finde, Bilder von sich selbst zu verschenken, aber Mutti meinte, es würde dir bestimmt gefallen." Sie griff in ihre Tasche und holte einen Rahmen heraus, den sie Frank gab. Er nahm ihn, drehte ihn um und sah auf ein exzellent fotografiertes Bild von Silke; ein Portrait, das ihre ganze jugendliche Schönheit eingefangen hatte. Ihre schulterlangen Haare fielen glatt und ordentlich gekämmt, ihr Mund stand ein winziges Stück offen, die grauen Augen blickten voller Hoffnung und Glück aus dem Bild heraus. Und somit auf Frank. "Deine Mutter hat recht", sagte er bewegt. "Silke, das ist ein wunderschönes Bild! Von wann ist das? Das sieht ganz neu aus." "Ist es auch", gestand Silke. "Ich hab das Montag machen lassen, und gestern war es fertig." Daß sie ihr ganzes Taschengeld plus einen Vorschuß auf das nächste dafür ausgegeben hatte, verschwieg sie. Aber der Gedanke, ihr Bild auf seinem Nachttisch zu wissen, war stärker als jede Sparsamkeit. Frank konnte sich gar nicht von dem Bild losreißen. Der Fotograf hatte nicht nur Silkes Abbild, sondern ihr sanftes Wesen eingefangen und perfekt wiedergegeben. "Hey!" lachte Silke schließlich, als Frank sich gar nicht mehr rührte. "Ich bin auch noch da!" "Entschuldige", lächelte Frank verlegen. "Ich stell es eben hin, ja?" Er eilte in das Schlafzimmer, stellte das Foto auf seinen Nachttisch, legte sich in sein Bett und drehte das Bild, bis er es im Liegen gut sehen konnte. Dann stand er wieder auf, kam zu Silke und drückte sie gerührt. "Jetzt bist du in jedem Zimmer hier", flüsterte er. Sie lächelte schüchtern. "Ich würd auch gerne ein Bild von dir haben, aber wenn meine Eltern das sehen..." "Schon gut, Silke. Wir müssen unser Glück ja nicht herausfordern." Er küßte sie zärtlich, dann schaute er sie an. "Was hast du heute vor?" "Ich dachte, wir setzen uns was raus und reden. Dann möchte ich gern etwas fernsehen und in deinem Arm liegen, und nach dem Abendessen..." Ihre Stimme wurde leise. "Da würd ich gern mit dir duschen. Und danach mit dir schlafen." Sie schmiegte sich an ihn und legte ihre Arme um ihn. "Das haben wir ja seit letzter Woche nicht mehr getan." "Das klingt nach einem sehr schönen Tag." Er strich ihr zärtlich über die Haare. "Laß uns nach unten gehen und die Sonne ausnutzen, ja?"
* * *
"Das war lecker!" stöhnte Silke und legte ihr Besteck auf den Teller. "Hast du das echt selbst gemacht?" "Aber natürlich!" beteuerte Frank. "Ich hab die Packung ganz alleine in den Ofen geschoben!" "Du Doof!" lachte Silke und griff nach seiner Hand. "Weißt du, daß ich mich hier richtig wohl fühle?" sagte sie leise. "Als wäre das wirklich mein Zuhause." "Es ist dein zweites Zuhause", erwiderte Frank lächelnd und schloß seine Hand um ihre. "Und wer weiß! Vielleicht wird es irgendwann einmal dein erstes Zuhause." "Das möchte ich jetzt schon", flüsterte sie und wurde rot. "Ich - ich hab meine Eltern gefragt, ob ich hier übernachten darf, aber das wollten sie nicht. Sie sagten, sie wollen erst mal sehen, wie ich zurückkomme." Sie lächelte traurig. "Wahrscheinlich denken sie, du hast mich verzaubert oder so was." "Es dürfte wohl eher anders herum sein", lächelte Frank. "Du hast mich verzaubert!" "Dann sind wir jetzt beide im Zauberland!" schwärmte Silke. "Wo es nur uns beide gibt, und ganz viel Glück!" "Und ein schönes Sofa, das darauf wartet, uns beide in eine sanfte Umarmung zu nehmen", schmunzelte Frank. Silkes Augen leuchteten auf. "Au ja! Gehen wir rüber?" "Geh schon mal vor, ich räume eben hier ab." "Kommt gar nicht in Frage! Ich helf dir." Schnell war der Tisch abgeräumt, dann gingen Frank und Silke ins Wohnzimmer und setzten sich auf das bequeme Sofa. Silke griff nach der Fernbedienung, schaltete den Fernseher ein, legte sie wieder weg und kuschelte sich ein. Frank legte seinen Arm um sie, schob seine Hand unter ihr T-Shirt und streichelte ihre kleine Brust. "Urgemütlich", lächelte Silke. "Danke, daß du das für mich getan hast." Frank wußte, was sie meinte. "Reden wir nicht mehr darüber", flüsterte er und küßte Silke auf die Stirn. "Das ist alles Vergangenheit. Du bist jetzt hier, in jedem Zimmer, und nur das zählt." Silke schaute ihn glücklich an. "Gleich weihen wir die Dusche ein?" "Warum nicht jetzt? Die Betten sind bezogen, die Mägen gefüllt... Was meinst du?" "Bist du so wild?" fragte Silke mit einem aufgeregten Schimmer in den Augen. Frank nickte. "Ja, Silke. Ich möchte jeden Moment mit dir teilen, dich jede Sekunde ganz nah bei mir spüren." Er drückte sie an sich. "Ich möchte dich am liebsten gar nicht mehr nach Hause lassen." "Ich möchte auch am liebsten hierbleiben", flüsterte sie. "Mit dir schmusen, mit dir einschlafen, dich die ganze Nacht an mir spüren, mit dir aufwachen." Sie schaute ihn sehnsüchtig an. "Glaubst du, daß wir das jemals schaffen werden?" "Bin ich sicher", lächelte Frank. "Spätestens in dreieinhalb Jahren." "Das ist noch soooo lange!" seufzte Silke, dann schob sie ihre Unterlippe vor. "Und ich überred die doch noch! Nächstes Wochenende will ich hier schlafen!" "Nicht so ungeduldig, junge Dame!" Frank blinzelte ihr zu. "Laß uns erst mal duschen gehen. Ich möchte dich waschen." Er schaltete den Fernseher aus, stand auf und nahm Silkes Hand. Sie folgte ihm aufgeregt nach oben, in das nun gemeinsame Schlafzimmer. "Ziehst du mich aus?" bat Silke leise und stellte sich vor Frank. "Mit dem allergrößten Vergnügen", lächelte er. Silke streifte schnell die Schuhe von den Füßen und stellte sie halb unter das Bett. Frank kniete sich vor sie, öffnete Knopf und Reißverschluß ihrer Shorts und zog sie langsam herunter. Silke nahm seinen Kopf in ihre Hände und drückte ihn an ihren Bauch. Frank küßte sie dort zärtlich, während seine Hände die Rückseite ihrer Oberschenkel streichelten. Dann stand er auf und schob dabei Silkes T-Shirt hoch. Sie reckte die Arme nach oben, Frank zog, und Silke hatte nur noch das Höschen an. Frank legte ihre Sachen ordentlich über die Fußlehne ihres Bettes. Silke knöpfte sein Hemd auf, dann seine Hose. Auch sie kniete sich vor ihn und zog die Hose herunter, dann legte sie ihre Wange an seinen Unterleib. Sie spürte ihn wachsen. Sanft bewegte sie ihre Wange hin und her und freute sich, daß sie Frank so glücklich machte wie er sie. Noch immer kniend, zog sie schließlich Franks Unterhose herab und warf sie zu ihren Sachen. Sie brachte ihre Wange zurück und genoß die Hitze, die ihr entgegenstieg, und das leichte, unwillkürliche Zucken, das ihr sagte: er war bereit. So bereit, wie sie für ihn war. Silke drehte ihren Kopf, drückte mit ihrer Hand hoch, was ihr im Weg war, dann küßte sie die Unterseite. Frank seufzte leise und strich ihr mit beiden Händen durch die Haare. "Laß uns duschen gehen, Silke", sagte er dann sanft. Silke nickte und stand auf. Sie befreite Frank von seinem Hemd, dann ging er wieder auf die Knie und zog Silke ihr Höschen aus. Frank küßte ihre Oberschenkel, den Bauch und die Stelle darunter. Silke schloß die Augen und legte den Kopf in den Nacken, als sie seine Zunge an ihrer empfindlichsten Stelle spürte. Unwillkürlich öffnete sie sich etwas, spürte seinen heißen Atem an ihr und seine Zunge in ihr. Sie erschauerte vor Erregung. Seine Zunge glitt noch einmal voller Zärtlichkeit durch ihre Spalte, dann stand er auf und nahm ihre Hand. Wortlos gingen sie ins Bad. Silke drehte das Wasser an, wartete einige Sekunden, dann mischte sie Heiß und Kalt, bis die Temperatur für sie angenehm war. Sie nahm Franks Hand und betrat mit ihm die Dusche. Er schloß die Glastür, dann stellten sich beide unter den angenehm prickelnden Strahl der Brause und umarmten sich. Endlich hatten sie die Nähe erreicht, die sie suchten. Sie waren zusammen, sie gehörten zusammen, und wenn sie sich vorsahen, würde es andauern, bis Silke alt genug war, um ihre Beziehung legal werden zu lassen. Auch wenn Silke vorerst noch abends zurück nach Hause mußte, war es doch wie eine richtige Beziehung, und die Zeit, die sie gemeinsam in Franks Haus verbrachten, sahen sie beide als ihre Zeit an. Noch immer schweigend seiften sie sich gegenseitig ein, voller Liebe und Zärtlichkeit. Keine Stelle des Körpers wurde vernachlässigt oder bevorzugt, alles war gleich wichtig. Schließlich spülten sie sich ab, stellten das Wasser ab und gingen Hand in Hand zurück ins Schlafzimmer, ohne sich abzutrocknen. Und noch immer redete weder Silke noch Frank; es war einfach nicht nötig. Daß sie sich liebten, sagten sie sich mit jedem Blick, mit jeder Geste, mit jeder Berührung, und so sanken sie naß und nebeneinander in das Bett, drehten sich zueinander, und küßten sich mit all ihrem Verlangen, das sie füreinander empfanden. Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben lag Silke in einem fremden Bett, zusammen mit einem Mann, mit dem sie schlafen wollte, mit dem sie ihr weiteres Leben verbringen wollte, ungeachtet des Altersunterschiedes, der für sie beide völlig unwichtig war. Sie war Frank über alle Maßen dankbar, daß er gemeinsam mit ihr die Betten bezogen hatte; so war es für sie, als wäre alles neu, als wäre es das erste Mal für sie beide, der Grundstein für etwas, was noch stärker werden sollte, als es schon war. Silke drehte sich auf den Rücken, öffnete sich, empfing Frank, der so zärtlich und sanft in sie ging, daß es vom ersten Moment an wunderschön war. Kein Schmerz, keine Trauer, keine Verlegenheit, nur Freude und Glück. Seine nasse, frisch gewaschene Haut an ihrer nassen, frisch gewaschenen Haut, gemeinsam in einem frisch bezogenen Bett, all das kam ihr vor, als wäre dies ihre Hochzeitsnacht. Und sie hatte diesen Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, als ihr plötzlich klar wurde, was in Franks Brief stand, den sie in seinem - oder jetzt ihrem - Arbeitszimmer gefunden hatte. Über jede Vorstellung hinaus glücklich, weitete sie sich noch mehr, nahm ihn mit jeder einzelnen Nervenzelle auf, paßte sich seinem Rhythmus an, atmete, stöhnte und keuchte mit ihm gemeinsam, erlebte ihren jungen Körper mit klarstem Bewußtsein, dankbar für die dreifache Übereinstimmung zwischen ihnen, die jede Vereinigung zu einem einmaligen, immer wieder neuem Erlebnis machte. Sie folgte Frank, führte ihn, zog gleich mit ihm, ging mit ihm, weiter und weiter, jedes kleinste Gefühl genießend, höher und höher auf der breiten Treppe ins Paradies, bis sich plötzlich die Tür für sie öffnete und sie einließ in die Verheißung, ihnen das höchste Glück schenkte, das die irdische Welt für sie bereithielt, und sie so lange bei sich behielt, bis sie atemlos aufeinander sanken, überwältigt von der gemeinsamen Erfüllung, überwältigt von der gemeinsamen Erfahrung. Langsam, ganz unmerklich zog die Erde sie wieder in ihren Bann. Die seelische Vereinigung ließ nach, auch wenn sie nicht abbrach, die physische Berührung trat wieder in den Vordergrund. Zwei Augenpaare schauten sich an, teilten und versprachen, versicherten und bestätigten, und ein langer, überaus zärtlicher Kuß besiegelte es.
* * *
Achim Wendlandt beneidete seine Tochter, die neben ihm im Auto saß und schweigend nach vorne blickte. Sie strahlte ein solches Glück und eine dermaßene Ausgeglichenheit aus, daß er regelrecht beeindruckt war von dem Gefühl, was sie für ihren Freund empfand. Auch wenn er noch so viele Vorbehalte hatte, Silkes Verhalten wischte sie alle endgültig beiseite. Er beneidete Silke um ihre Welt, in der sie jetzt war. Sie strahlte Sex aus, das spürte sogar er, aber das war noch das Geringste von allem. Das Glück, die Ruhe und der seelische Frieden, den er bei ihr spürte, ließ seine Augen feucht werden. "Silke", sagte er mit vor Bewegung rauher Stimme und räusperte sich. Seine Tochter schaute ihn ruhig an. "Möchtest du zurück zu ihm?" Sie nickte nur, und zwei Tränen flossen ihre Wangen herunter. Ihr Vater trat auf die Bremse, wendete und brachte sie zurück zu Frank, zurück in die neue Welt, die sie gefunden hatte und in der sie nun leben würde. Vorerst jedoch nur am Wochenende, bis seine Frau und er sich an den Gedanken gewöhnt haben würden, daß ihre Tochter ihnen schon an dem Tag, an dem sie ihren Freund getroffen hatte, nicht mehr gehörte. Und es wunderte ihn nicht im geringsten, daß Silke nicht zurückblickte, als sie in das Haus ging, hinein zu ihm.
Ende des Anfangs, und Anfang des Lebens
Silke (c) Shana 1998
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