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SH-017 - Tina und Frank

 

Tina und Frank

Eins


"Guten Tag", kam die fröhliche Kinderstimme durch das Telefon. "Haben Sie Kin-der, mit denen ich spielen kann?" "Nein, aber du kannst mit mir spielen", lachte ich und legte auf. Ich hatte nichts gegen Scherze dieser Art, auch nicht in der Mittagszeit. Ich selbst hatte als Kind oft genug Bekannte oder Fremde angerufen und sie verulkt, um nicht mehr auf solche Scherze hereinzufallen. In Erinnerung dieser alten Zeiten gedenkend und gutgelaunt ging ich zurück ins Wohnzimmer, als es an der Tür zu meiner Wohnung klopfte. Muß ein Nachbar sein, dachte ich und ging öffnen. Draußen stand ein unglaublich hübsches Mädchen von vielleicht 12, 13 Jahren, mit intensiven grünen Augen, die mich fröhlich anschauten, und kupferroten Haaren, die ungebändigt und lockig schwer über die schmalen Schultern fielen. Das Mädchen trug ein dunkelgrünes, ärmelloses T-Shirt und schwarze Jeans, die sehr hoch an den Oberschenkeln abgeschnitten waren, so daß an der Rückseite ihrer nackten Oberschenkel der Ansatz des Pos zu sehen war. Ihr Kör-per war schön schlank, an der Grenze zu dürr; genauso, wie ich es an jungen Mädchen so liebte. Dazu war sie sehr groß für ihr Alter, fast ein Meter sechzig. Meine Hormone reagierten auf dieses engelhafte Geschöpf mit urplötzlicher Akti-vität.
"Ich bin zum Spielen gekommen", lachte das Mädchen mich an. "Ich hatte Sie ge-rade angerufen." "Du warst das!" Verblüfft schaute ich sie an. "Ich hatte das für einen Scherz ge-halten." "Nee, war schon ernst gemeint", beteuerte sie. "Wir sind heute hier eingezogen, und Mutti meint, ich solle ihr unter den Füßen weggehen, bevor sie noch über mich stolpert. Darf ich reinkommen?" Aber natürlich, du Hübsche, komm ruhig in meine Höhle...
"Selbstverständlich", sagte ich galant, öffnete die Tür weit und trat zur Seite. "Danke", schmunzelte sie und ging mit diesem schlaksigen Gang, den ich an jun-gen Mädchen so liebte, an mir vorbei. Ich schloß die Tür und wies ihr den Weg ins Wohnzimmer.
"Ist genau wie unsere Wohnung", meinte sie, nachdem sie sich kurz umgeschaut hatte. "Ist nur alles genau andersrum." Sie sah mich fragend an. "Was wollen wir denn spielen?" Wie wäre es mit Doktor und Patientin? "Äh... meinst du das ernst, daß du mit mir spielen willst?" "Klar", lachte sie. "Ich kenn doch noch keinen hier. Deswegen hab ich mir ja heute morgen alle Namen unten vom Eingang abgeschrieben und gerade eben der Reihe nach angerufen. Du warst der einzige, der mit mir spielen wollte. Die anderen hatten keine Kinder oder waren nicht da oder wollten nicht mit mir reden. Warum bist du denn zu Hause? Arbeitslos? Krank? Oder machst du blau?" Sie zwinkerte mir zu und setzte sich rittlings auf die Lehne des Sofas, wobei sie ein Bein anzog und auf die Lehne stellte. Unter ihrer schwarzen Jeans lächelte mich der Rand eines hellrotes Höschens an.
"Nein", antwortete ich leicht abwesend, dann nahm ich mich zusammen. "Ich ar-beite zu Hause, deswegen bin ich hier." "So einen Beruf will ich auch mal haben", lachte das Mädchen. "Verdienst du gut?" Sie hatte so wunderschön ehrliche, offene Augen, daß ich ihr die Frage nicht übel-nehmen konnte. "Geht so", lächelte ich. "Es reicht, um einem hübschen Gast eine Cola anzubieten." "Echt?" strahlte sie mich an. "Findest du mich hübsch?" Etwas an dieser Situation kam mir nicht nur komisch, sondern sehr merkwürdig vor. Daß ein blutjunges Mäd-chen die Wohnung eines fremden Mannes betritt, sich dort so wohlfühlt, wie sie es offensichtlich tat, und dann auch noch nach Komplimenten angelt, kam mir mehr als merkwürdig vor. Doch irgend etwas hatte dieses Kind an sich. Wenn ich hübsche jun-ge Mädchen sah, stellte ich mir vor, wie sie wohl nackt aussähen, und ich hatte dabei immer ein etwas ungutes Gefühl, so als ob meine Phantasie irgendwie auf das Kind einwirken könnte. Bei diesem Mädchen hingegen war nichts dergleichen zu spüren. Ich konnte sie mir nicht nackt vorstellen, beim besten Willen nicht. Es war, als würde meine Vorstellungskraft irgendwie... aufgeweicht, oder noch besser: aufgesaugt wer-den, so daß meine Gedanken ziellos herumkreisten und sich auflösten.
"Ich finde dich sogar sehr hübsch", sagte ich ehrlich und bemühte mich um
'saubere' Gedanken. "Du hast wundervolles Haar und sehr schöne Augen."
"Danke", strahlte das Mädchen. "Wie heißt du eigentlich? Ich bin die Tina. Ei-
gentlich Martina, aber Tina gefällt mir besser."
"Ich heiße Frank. Möchtest du eine Cola?"
"Gerne", freute sie sich. "Schön kalt?"
"Frisch aus dem Kühlschrank", lächelte ich. "Setz dich doch bequem hin." "Ich sitze bequem", schmunzelte sie. "Oder siehst du mein Höschen? Mutti sagt immer, daß diese Hose so kurz ist, daß meine Unterhose rausschaut." Sie sagte dies vollkommen natürlich, ohne Scheu. "Aber draußen ist so warm, und ich hab keine an-deren kurzen Hosen. Na, und im Badeanzug kann ich ja wohl schlecht rumlaufen, oder? Zuhause ginge das ja noch, aber doch nicht, wenn ich irgendwo zu Besuch bin." Sie ließ sich über die Lehne auf das Sofa fallen.
"Ich hol eben die Cola", sagte ich schwach und ging in die Küche. Der Gedanke an Tina im Badeanzug schlug durch bis in mein Innerstes. Merkwürdig... dieses Bild kam bei mir an. Ich zuckte mit den Schultern und trug die Flasche Cola und zwei Gläser ins Wohnzimmer. Tina stand vor meiner Plattensammlung und schaute sich interessiert die Titel an.
"Kenn ich so gut wie gar nichts von", gab sie freimütig zu und setzte sich neben mich auf das Sofa. Normalerweise würde ich jetzt meinen Arm ausstrecken und auf die Lehne hinter dem Mädchen legen, doch wieder war da ein Gefühl von - von - ich konnte es nicht beschreiben. Es war nicht die Vorahnung, daß sie schreien und panisch reagieren würde; es war eher wie eine unerschütterliche Sicherheit in mir, daß sie es nicht wollte. Gleichzeitig wußte ich auch, daß sie es mir vielleicht später erlauben würde.
Ich gehöre zwar nicht zu den Menschen, die sich über die Gefühle und Wünsche eines anderen Menschen gleichgültig hinwegsetzen, aber eine harmlose Berührung hier und da leistete ich mir schon, vor allem, wenn so ein Engel keine zwanzig Zentimeter neben mir saß, mit bloßen Armen und Beinen. Aber bei Tina ging es nicht. Selbst mei-ne leichte Erektion, die sich bei ihrem Eintreten entwickelt hatte, war wieder verklun-gen.
"Danke für die Cola", strahlte sie mich an und trank etwas davon. "Hmm", brummte sie zufrieden und stellte das Glas wieder ab. "Schön kühl! Was wollen wir denn jetzt spielen? Oder stör ich dich bei deiner Arbeit? Was machst du eigentlich ge-nau?" "Ich bin ein junger, hoffnungsvoller Schriftsteller", lachte ich und zitierte meine er-ste Buchbesprechung, die gerade mal drei Monate zurücklag. "Ich schreibe Fantasy-Romane." "Ist nicht wahr!" freute Tina sich. "Du schreibst Bücher?" "Genau. Mein erstes Buch handelte von einem Mädchen in deinem Alter, das eines Morgens urplötzlich in einer völlig anderen Welt aufwacht und dort mit magischen Kräften, die sie in sich entdeckt, einiges in Ordnung bringen muß." "War das 'Janine und der Bergkristall'?" fragte Tina aufgeregt. "Richtig!" wunderte ich mich. "Kennst du das etwa?" Tina gehörte zwar zu der Zielgruppe, für die ich dieses Buch - wie auch das, an dem ich gerade arbeitete - ge-schrieben hatte, aber plötzlich erkannt zu werden, war noch ziemlich neu für mich. Tina sprang auf. "Bin sofort wieder da", rief sie und lief hinaus. Ich hörte die Tür zur Nebenwohnung aufgehen, dann Tinas Stimme, die etwas sagte, was ich nicht ver-stand, und leichtes Gepolter. Kurz darauf war Tina zurück, in der Hand hielt sie mein erstes (und bisher einziges) Buch.
"Das hast du geschrieben?" fragte sie atemlos und setzte sich wieder neben mich.
Sie zeigte mir den Umschlag des Buches.
"Ja", antwortete ich mit leichtem Stolz. "Vor diesem Buch habe ich etwa achtzig kurze und längere Geschichten und weit über zwanzig Beinahe-Bücher geschrieben, bis es endlich so war, wie ich es wollte. Gefällt es dir?" "Es ist fantastisch", antwortete Tina ehrlich. "Es - es hat mir... Hast du dir das alles ausgedacht, oder sind manche Sachen wirklich passiert?" fragte sie übergangslos, als ob sie nicht von sich reden wollte.
"Ich denke, du hast es gelesen", stichelte ich grinsend. "Ganz am Anfang, im Vorwort, steht was darüber."
"Das hab ich nicht gelesen", gab Tina mit einem verlegenen Lächeln zu. "Ich hab
mir nur die Beschreibung auf der Rückseite durchgelesen, und den Anfang des ersten
Kapitels. Dann hab ich es mir gekauft." Sie schlug das Buch auf und blätterte bis zum
Vorwort. "Ah ja, da steht's tatsächlich. 'Namen, Personen und Orte sind frei erfunden'
und so weiter... Da: 'Manche Ereignisse jedoch basieren auf tatsächlichen Vorfällen'."
Sie klappte das Buch zu und schaute mich erwartungsvoll an. "Was genau waren denn
diese tatsächlichen Vorfälle?"
"Das wollte mein Verleger auch wissen", grinste ich, "aber das verrate ich nicht."
"Okay", sagte Tina gleichgültig und legte das Buch an die Seite. "Sag mal, gibt es
hier in der Nähe BurgerKing oder McDonalds?"
"Ja, gibt es. Tina, bist du jetzt böse auf mich?"
"Nein, warum?" fragte sie desinteressiert. "Wenn du etwas nicht erzählen willst, ist es okay." Ihr Blick indes sagte etwas anderes.
"Paß auf, Tina", versuchte ich zu erklären. "Die meisten Menschen halten das, was ich Janine in dem Buch machen ließ, für absolut versponnen. Es gibt kaum jemanden, mit dem man über Magie reden kann. Deswegen rede ich nicht gern darüber." "Aha", sagte sie mit einem feinen Lächeln, für das sie eigentlich noch viel zu jung war. "Und du denkst, wenn du es mir verrätst, daß ich dich dann auslache?" "So etwa", schmunzelte ich. "Ich kenn dich zwar erst ein paar Minuten, aber ich möchte auf keinen Fall, daß du böse bist auf mich oder mich auslachst." "Verstehe", grinste sie. "Wo gibt's denn jetzt die Hamburger? Müssen wir da hin-fahren, oder kann man da zu Fuß hin? Wir haben nämlich kein Auto." "Man kann zu Fuß dahin, es ist nur etwa fünf Minuten von hier. Wenn du möch-test, kann ich es dir zeigen." "Das wär schön", freute Tina sich. Die Verstimmung von vorhin schien sie über-wunden zu haben. "Wir essen das Zeugs nämlich wahnsinnig gerne. Und dann könnte ich Mutti auch was mitbringen..." Sie schaute auf ihre Uhr. "Hast du denn Zeit?" "Für dich immer", konnte ich mir nicht verkneifen. "Mußt du dich noch umziehen?
Oder eben Bescheid sagen?"
"Nö", meinte Tina. "Weder noch. Außer, es gefällt dir nicht, was ich anhabe." Sie blickte mich verschmitzt an.
"Es gefällt mir sogar ausnehmend gut", gestand ich offenherzig. "Die Sachen ste-hen dir hervorragend, Tina." "Danke schön", strahlte sie und stand auf. "Kann ich das Buch hierlassen, oder soll ich's eben rüberbringen?" "Wenn du nachher noch mit zu mir möchtest, laß es hier, sonst nimm es mit." "Okay", meinte sie und ließ das Buch liegen. "Dann mal los." Tina wartete, bis ich mir meine Schuhe angezogen hatte, dann folgte sie mir hinaus. Ich erklärte und zeigte ihr den Weg zu McDonalds und machte sie nebenbei noch auf Geschäfte aufmerksam, von denen ich dachte, sie wären interessant für das Mädchen. Tina nickte jedesmal dankbar, machte sich aber weder Notizen noch ließ sie erkennen, daß sie es sich ge-merkt hatte. Schließlich waren wir in dem Fast Food Restaurant und reihten uns in die kleine Schlange ein. Tina studierte aufmerksam die Preisliste und bewegte die Lippen, als würde sie rechnen.
"Hast du genug Geld bei?" fragte ich leise, als der Mann vor uns dran war. Sie nickte.
"Ja, es reicht. Was nimmst du?"
"Zwei Cheeseburger und eine große Cola. Und du?"
"Das gleiche", sagte sie überrascht. "Das nehm ich nämlich immer." "Ich auch", lachte ich. "Dann bestell mal." Der Mann vor uns nahm sein Tablett und verließ den Kassenbereich. Tina bestellte für mich mit, aber auf getrennte Kasse. Die Verkäuferin nickte nur und holte die Sachen. Tina reichte ihr einen Zwanzigmark-schein und nahm das Wechselgeld in Münzen entgegen, ohne es zu zählen. Dann schnappte sie sich ihr Tablett und wartete auf mich. Ich zahlte schnell mit passendem Kleingeld und folgte Tina zu einem Tisch. Verwundert stellte ich fest, daß sie in den Teil ging, der für Raucher war. Rauchte sie etwa?
Tina stellte ihr Tablett auf einen Tisch am Fenster und räumte schnell die Blumen-vase weg, so daß ich Platz hatte, um mein Essen abzustellen. Ich dankte ihr und setzte mich ihr gegenüber hin. Tina zählte kurz das Wechselgeld durch, dann stutzte sie und zählte erneut.
"Stimmt was nicht?" fragte ich sie.
"Es fehlen sechs Mark", meinte sie nachdenklich. "Die hat mir Münzen zurückge-geben, doch statt zwei Fünfmarkstücken hab ich nur zwei Zweimarkstücke. Bin gleich wieder da." Sie stand auf und ging zurück zur Kasse. Nach einer kurzen und schnell hitzig werdenden Diskussion kam Tina wütend zurück. "Die glaubt mir nicht", fauchte sie. "Die meint, ich wolle betrügen. Dabei hat sie den Mist gebaut." Ich wollte gerade anbieten, ihr die sechs Mark zu geben, als mir auffiel, daß Tinas Augen nun wesentlich intensiver schauten als vorher. Sie sprühten geradezu vor Energie, doch so schnell es begonnen hatte, so schnell war es auch vorbei.
"Guten Hunger", wünschte mir Tina fröhlich und packte ihren ersten Cheeseburger aus.
"Dir auch", erwiderte ich verwirrt. Hatte sie sich so schnell mit dem Verlust von sechs Mark abgefunden?
"Verzeihung", unterbrach eine Stimme meine Gedanken. Ich schaute auf und ent-deckte die Verkäuferin, mit der Tina sich gestritten hatte, neben mir. "Ihre Tochter hat das Wechselgeld liegenlassen." Mit diesen Worten legte sie sechs Mark auf den Tisch. "Das ist aber nett", strahlte Tina. "Vielen Dank!" Mit einem freundlichen Nicken verschwand die Frau wieder. "Deine Tochter!" kicherte Tina. "So schnell kann man Vater werden. Ist was?" Sie blickte mich unschuldig an.
"Äh... nein, nur... Tina, wieso hat sie dir das Geld gebracht? Du sagtest doch..." "Wahrscheinlich das schlechte Gewissen", grinste Tina mit vollem Mund. "Das schmeckt echt gut hier, Frank. Ich glaub, ich komm öfter hierher." "Jetzt lenk nicht ab", lachte ich. "Hat dein Blick von vorhin etwas damit zu tun?" "Welcher Blick?" fragte sie, ganz die Unschuld in Person. "Außerdem hast du ja auch deine kleinen Geheimnisse." Mit einem frechen Grinsen biß sie herzhaft in den Cheeseburger.
"Kapiere", lachte ich. "Jetzt sind wir wohl quitt, was?" "Noch lange nicht!" drohte Tina mit lustig funkelnden Augen.

* * *

"Warte, ich bring Mutti eben die Burger", meinte Tina, als wir vor meiner Tür standen. "Geh schon vor, ich komm sofort nach." "Mach das, ich laß offen." Ich schloß auf und ging hinein, ließ dabei die Tür einen Spalt offenstehen, so daß Tina hereinkommen konnte, ohne zu klopfen. Während ich mir die Schuhe auszog, hörte ich, wie die Tür nebenan ins Schloß fiel und Tina her-auskam. Das Geräusch des Schlüssels, mit dem sie ihre Tür aufgeschlossen hatte, mußte ich wohl überhört haben.
Gutgelaunt kam Tina herein und schloß die Tür. "Jetzt will ich aber endlich mit dir spielen", forderte sie mich auf. "Was hast du denn so?" "Schau mal im Wohnzimmer nach, im Schrank unter dem Fernseher. Da sind jede Menge Spiele drin." Tina lief vor, während ich meine Schuhe in den Schuhschrank stellte. Als ich zu ihr ins Wohnzimmer ging, hatte sie bereits ein Spiel ausgesucht. "Das?" fragte sie mit leuchtenden Augen und hielt mir die Schachtel hin. Es war 'Verlies', ein Brettspiel, bei dem man eine bestimmte Figur wie Elfe, Zauberer oder Held mit Würfeln zu einem bestimmten Teil des aufgemalten Verlieses führte, um dort, ebenfalls mit Würfeln, gegen Monster zu kämpfen und Schätze einzusammeln, bis man eine bestimmte Karte gefunden hatte.
"Gerne, das hab ich lange nicht mehr gespielt." Schnell räumte ich den Tisch ab. Tina las sich die Spielregeln durch, dann legten wir die Karten auf die vorbestimmten Felder und wählten die Spielfiguren.
"Was nimmst du?" fragte Tina.
"Normalerweise den Zauberer", erwiderte ich. "Und du?"
"Eigentlich auch", sagte sie mit einem verlegenen Lächeln. "Kann man denn mit der gleichen Figur spielen?" "Sicher, das macht es noch spannender, weil wir beide dann auch noch gegenein-ander spielen müssen, um die Schlußkarte zu bekommen." Wir stellten unsere Figuren auf das Startfeld und würfelten aus, wer beginnen durfte. Tina gewann und marschierte mit ihrer Figur los in den Teil des Verlieses, der für den Zauberer gedacht war. Von Zeit zu Zeit bemerkte ich in ihren Augen wieder dieses intensive Schimmern, beson-ders dann, wenn wir beide um die gleiche Karte kämpften. Und sie gewann jedes Mal. "Gewonnen!" jubelte sie schließlich, riß die Arme hoch und ließ sich nach hinten fallen. Ihr T-Shirt spannte sich über ihrer kleinen Brust, und ich dachte daran, meinen Kopf auf ihren Bauch zu legen und diese kleinen, sanften Erhebungen zu küssen. Und wieder war mir, als würden meine Gedanken irgendwie blockiert, jedoch nicht mehr so stark wie noch vor dem Essen. Tina sah mich nachdenklich an. "Woran denkst du?" fragte ich sie, als sie ihren Blick nicht von mir löste. "Daran, ob du wohl noch eine zweite Runde möchtest", sagte sie schnell und blickte auf das Spielbrett. "Oder möchtest du was anderes spielen?" Das wollte ich tatsächlich, aber was, konnte ich ihr schlecht sagen... "Von mir aus können wir noch eine Runde spielen, Tina. Oder was du möchtest. Du bist der Gast." Sie stand auf und ging zum Schrank, in dem die Spiele lagen. "Ich schau mal, was noch da ist", meinte sie, öffnete die Türen und hockte sich hin. Ihre dichten, vollen Haare fielen nach vorne, als sie sich vorbeugte, um die Titel der Packungen zu lesen. Ihr T-Shirt rutschte etwas aus der Hose und gab den Blick frei auf eine kleine Stelle ihres Rückens, die ich ausgiebig bewunderte. Schnell stopfte Tina das Shirt zurück in die Hose. Schließlich zog sie eine Schachtel heraus und stand auf.
"Wie gut bist du in Schach?"
"Schach?" fragte ich erstaunt. "Du spielst Schach?"
"Klar, warum nicht?" Sie kam mit dem zusammengeklappten Kasten, in dem die Figuren waren, zurück zum Tisch und half mir, die Karten von dem Spiel Verlies wie-der einzuräumen, dann bauten wir das Schachbrett auf. Wir losten, wer Weiß bekam. Tina gewann. Sie zog mit dem Königsbauern ein Feld vor, ich erwiderte mit dem Pferdchen auf der Damenseite. Dann zog sie ihre Dame ins Mittelfeld, in Schlagrich-tung auf meinen Königsbauern. Ihren Plan von einem schnellen Anfängermatt verei-telte ich, indem ich den Bauern daneben ein Feld vorschob. Tina machte dies nichts aus. Gleichgültig ließ sie ihre Dame stehen, wo sie war, und brachte ebenfalls ihre Pferdchen ins Spiel.
Im weiteren Verlauf des Spiels stellte ich fest, daß Tina und ich die gleiche Spiel-weise hatten. Wir waren beide darauf aus, so schnell wie möglich in den Schlagab-tausch zu gehen, um Platz auf dem Brett zu bekommen. Nach einem besonders hefti-gen Gemetzel hatten wir beide nur noch jeweils den König, die Dame, einen Läufer und einen Turm. Tina blickte mich forschend an, und ihre Augen bekamen wieder die-sen besonderen Glanz. Im gleichen Moment sah ich mögliche Züge und Gegenzüge so klar und deutlich wie noch nie zuvor, dann war es auch schon wieder vorbei. Tina setzte ihre Dame auf F6.
"Bist du sicher?" fragte ich und unterbrach damit die Stille, die seit Beginn des Spieles geherrscht hatte. Tina nickte wortlos. Ich nahm ihre Dame mit meiner Dame. Tina setzte ihr Pferdchen, ich schlug es mit meinem Läufer. Sie zog den Turm auf die siebte Reihe und schloß damit meinen König auf der achten Reihe ein. Jetzt erst sah ich die Gefahr. Ich zog meine Dame zurück, doch zu spät. Tina setzte ihren Läufer. "Matt!" sagte sie leise, aber fröhlich. Ich habe nie behauptet, ein Profispieler zu sein! "Du spielst gut", meinte ich anerkennend und räumte die Figuren wieder ein. Tina streckte sich, daß ihr T-Shirt ganz aus der Hose rutschte und ihren süßen, herrlich ge-formten Bauchnabel freilegte.
"Nur Glück gehabt", wehrte sie ab und senkte die Arme wieder, sehr zu meinem Bedauern. Wieder sah sie mich forschend an, eine ganze Weile lang. "Kann ich nach dem Abendessen wiederkommen?" fragte sie plötzlich. "Sehr gerne, Tina", antwortete ich. "Ich würde mich sehr darüber freuen. Mußt du jetzt schon los?" "Ja, ich wollte Mutti bei der Küche helfen. Also Spülen, Einräumen und so. Aber ich komm schnell wieder! Kann ich mir nachher mal eine von deinen Platten anhören?
Ich kenn eigentlich nur CDs. Oder ich bring eine CD von mir mit. Wann kann ich denn
kommen?"
"Wann du möchtest, Tina. Ich bin hier."
Sie stand auf. "Danke für den schönen Tag", sagte sie ernst. "Es hat mir wirklich Spaß gemacht. Und tut mir leid, daß ich immer gewonnen habe." "Das glaub ich dir nicht so ganz", lachte ich und brachte sie zur Tür. Sie drehte ih-ren Kopf und grinste.
"Na ja, ist halt so 'ne Redensart. Bis gleich dann!" Weg war sie. Nachdenklich ging ich zurück und setzte mich auf den Balkon. Aus der Wohnung neben mir hörte ich Tinas Stimme und die von ihrer Mutter, begleitet von klapperndem Geschirr und La-chen.
Tina.

* * *

Tina war bereits um Viertel nach Sechs wieder da, diesmal mit einem längeren T-Shirt mit Ärmeln und einem langen, dünnen Rock bekleidet. Sie mußte meinen ent-täuschten Blick bemerkt haben, sagte jedoch nichts, sondern drückte mir nur eine CD in die Hand, die ich im Wohnzimmer in den CD-Player einlegte und startete. Tina setzte sich gemütlich im Schneidersitz hin und zog den Rock über die untergeschlage-nen Füße. Für den Bruchteil einer Sekunde erhaschte ich einen Blick zwischen ihre schlanken Beine und auf ihr hellrotes Höschen, dann war der Rock im Weg. Zumin-dest was mein Blickfeld anging.
Tina sah mich gespannt an, als die ersten Töne erklangen. Es war meditative Mu-sik, getragen von sanften Synthesizerklängen und Naturgeräuschen. Ich setzte mich leise, schloß die Augen und lauschte. Vor meinem inneren Auge erschienen wunder-volle Landschaften, majestätische Gebirge, große und weite Wälder, mächtige Flüsse. Ich war Beobachter und Teilnehmer gleichzeitig; die ganze Natur war nur für mich da, und existierte trotzdem auch ohne mich weiter.
Als die Musik endete, öffnete ich meine Augen, sah automatisch auf die Uhr und stellte überrascht fest, daß es schon kurz vor sieben war. Tina saß neben mir, in der gleichen Position wie zu Beginn der CD. Sie lächelte mich fragend an. "Herrlich", entfuhr mir. "Ganz toll, Tina." Ihr Lächeln vertiefte sich.
"Hast du viele Bilder gesehen?" fragte sie leise.
"Nicht nur viele, sondern durchgehend." Das freute sie sehr.
"Sollen wir wieder was spielen?" fragte sie mit einem listigen Lächeln.
"Gerne. Was denn?"
"Frage und Antwort. Jeder von uns darf drei Fragen stellen, die der andere ganz ehrlich beantworten muß. Zusatzfragen, um etwas zu klären, zählen dabei nicht. Ja?" Eifrig blickte sie mich an.
"Klingt gefährlich", lachte ich. "Gut. Ich mach mit. Wer fängt an?" "Du", erwiderte sie unerwarteterweise.
"Okay, laß mich mal überlegen... Warum bist du bei McDonalds in die Raucherek-ke gegangen?" "Weil ich dachte, du würdest rauchen, aber ich hab mich anscheinend getäuscht, obwohl..." Sie verstummte.
"Du hast dich nicht so ganz getäuscht", tröstete ich sie. "Ich habe vor zwei Wo-
chen aufgehört, zu rauchen, aber der Drang nach einer Zigarette ist noch immer sehr
stark."
"Aha", meinte sie befriedigt. "Nächste Frage."
"Eine Zusatzfrage zu dieser: Haben dich die Geschäfte auf dem Weg zu McDo-
nalds nicht interessiert, die ich dir gezeigt habe?"
"Das ist keine Zusatzfrage mehr", lachte Tina. "Aber ich laß es trotzdem mal gel-
ten. Doch, sogar sehr. Ich kann mir sowas eben gut merken, auch wenn man mir das
nicht ansieht... Paß auf: neben dem Blumenladen war ein Naturkostgeschäft, daneben
eine Reinigung, dann kam ein Imbiß, dann ein Spielwarengeschäft, ein Geschäft für
Männerkleidung, ein Geschäft für Frauenkleidung, beide mit dem gleichen Besitzer,
dann ein Elektrogeschäft, ein -"
"Reicht!" lachte ich. "Mann, was für ein Gedächtnis!"
Tina grinste hinterhältig. "Zweite Frage jetzt; ich muß vor Mitternacht wieder zu Hause sein." "Na gut, aber du hast es ja zum Glück nicht so weit. Zweite Frage: Warum seid ihr hergezogen?" "Probleme in unserer alten Heimat", meinte Tina leichthin. "Nachdem Mutti und ich meinen Vater rausgeschmissen haben, hat er uns in der ganzen Gegend so schlechtgemacht, daß keiner mehr mit uns gesprochen hat. Deshalb." "Warum hat er das denn gemacht?" fragte ich überrascht. "Und warum habt ihr ihn rausgeschmissen?" "Warum er das gemacht hat? Ganz einfach: weil wir ihn rausgeschmissen haben.
Und das haben wir gemacht, weil er anfing, mich zu schlagen. Und geschlagen hat er
mich, weil ich ihn durchschaute. Ich hab ihm gesagt, daß nicht ich das Geld von Mutti
klaue, sondern er, was auch stimmte, und daraufhin hat er mir so fest eine geknallt,
daß meine Nase anfing, zu bluten, und meine Lippen aufsprangen. Eine Minute später
stand er auf der Straße, zwei Minuten später auch seine gesamte Kleidung. Tja, so war
das." Tina schaute mich ganz offen an. "Dritte Frage?"
"Äh..." Das mußte ich erst einmal verarbeiten. "Wofür hat er denn das Geld ge-
braucht?"
"Schnaps", meinte Tina lakonisch. "Er war ein Säufer. So, jetzt bin ich dran: War-
um hast du keine Freundin?"
"Was?" lachte ich. "Wer sagt denn, daß ich keine habe?"
"Ich. Also: warum hast du keine?"
"Tina, das ist eine sehr persönliche Frage", versuchte ich mich herauszureden. Tina grinste unverschämt.
"Tja, so geht das Spiel eben. Dein Pech, wenn du nicht gefragt hast, was du wirk-
lich wolltest. Also?"
"Na gut... Weil ich bisher noch keine gefunden habe, bei der ich das Gefühl hatte,
sie wäre die Richtige."
"Zusatzfrage: welche wäre die Richtige?"
"Du hast das wohl schon öfter gespielt, was?" lachte ich. Tina nickte mit einem
breiten Grinsen. "Ist mein Lieblingsspiel. Also?"
"Die Richtige... Die Richtige wäre sehr ehrlich zu mir und würde mich nicht belü-
gen, auch nicht in Kleinigkeiten; sie würde sich für das interessieren, was auch mich
interessiert, aber trotzdem ihr eigenes Leben führen, ohne sich an mich zu klammern;
sie würde stark sein, wenn ich schwach bin, und schwach, wenn ich stark bin; und ich
könnte mich mit ihr auf eine ganz bestimmte Art austauschen."
"Zweite Frage", sagte Tina, ohne erkennen zu lassen, ob ihr meine Antwort ge-
nügte. "Magst du mich?"
"Ja", sagte ich, ohne zu überlegen.
"Zusatzfrage: warum?"
"Äh..." Irgendwie kam ich mir bei diesem Spiel als Verlierer vor. "Nun, weil du ein sehr hübsches und lustiges Mädchen bist." "Zusatzfrage: und weil ich noch so jung bin?" Ihre Augen bohrten sich in meine und hielten mich fest. Ich spürte, wie sich auf meiner Stirn ein leichter feuchter Film bildete. Natürlich war das der Grund, aber konnte ich ihr das so ins Gesicht sagen? Sie würde doch sofort aufstehen - nein, aufspringen und hinausrennen, wenn ich ihr die Wahrheit sagte.
"Ich warte", sagte sie leise, als ich schwieg, doch ich blieb weiterhin stumm. Tina blickte mich intensiv an, dann grinste sie gemein. "Ich nehm das als ein Ja. Dritte Fra-ge: Würdest du mir was tun?" "Nein!" sagte ich erschrocken. "Tina, das würde ich nie! Niemals!" "Toll", lachte sie. "Du kannst ja doch noch reden. Kann ich mir was zu trinken holen?" "Sicher", erwiderte ich schwach. Tina stand fröhlich auf und holte sich eine Fla-sche Cola aus der Küche. Sie stellte die Flasche auf den Tisch, ging zielsicher zu ei-nem Schrank und holte zwei Gläser heraus, die sie ebenfalls auf den Tisch stellte. Dann ging sie zu einem anderen Schrank und nahm zwei Kerzen aus einem Fach, die sie in die leeren Kerzenständer auf dem Tisch stellte.
"Machst du an?" fragte sie leise. Noch immer wie unter Schock nahm ich ein Feu-erzeug vom Seitentisch und zündete die Kerzen an, während Tina die Gläser füllte und die Flasche zurück in den Kühlschrank stellte. Als sie zurückkam, startete sie erneut ihre CD und setzte sich neben mich. Schweigend schauten wir in die ruhigen Flammen der Kerzen.
"Wann habt ihr euren Vater vor die Tür gesetzt?" fragte ich, nachdem ich mich wieder gefangen hatte.
"Kurz vor Weihnachten", erwiderte Tina leise. Leise deshalb, weil die Stimmung danach war, und nicht etwa, weil sie traurig war. "Ab Februar fing der ganze Terror dann an, im Mai hatten wir die Nase gründlich voll und Mutti fing an, sich nach einer neuen Wohnung umzusehen." "Wie habt ihr denn die hier gefunden, wenn ihr kein Auto habt?" "Das kann ich nicht sagen", antwortete Tina und sah mich ernst mit ihren wunder-schönen, grünen Augen an. "Noch nicht. Du würdest mich auslachen." "Werd ich nicht", versprach ich, doch Tina schüttelte den Kopf. "Doch, würdest du. Ich glaub dir, daß du nicht lachen willst, aber du würdest es trotzdem tun. Laß uns einfach die Musik hören, ja?" Tina ließ sich zurückfallen, legte ihre nackten, niedlich kleinen Füßchen auf den Tisch und zog den Rock bis zu den Fußgelenken herunter. Dann verschränkte sie ihre Hände im Nacken und ließ den Kopf zurücksinken, bis er auf der Rücklehne des Sofas ruhte. Sie schloß die Augen. Ihre kleinen Brüste drückten gegen das T-Shirt und zeichneten sich deutlich ab. Diesmal konnte ich mir vorstellen, sie zu streicheln, aber mehr auch nicht. Für einen Moment glaubte ich, Tina lächeln zu sehen, doch ihr Gesicht blieb unbewegt. Ich zog meine Beine seitwärts an und hockte mich so auf das Sofa, daß ich sie an-schauen konnte. Einen Arm legte ich auf die Lehne und stützte meinen Kopf darauf. Tina war nicht nur hübsch, fiel mir erst jetzt auf, sondern sie war schön. Ihre Nase war gerade und von der Länge her genau richtig, weder zu klein noch zu groß. Ihre Lippen waren voll und sahen sehr weich aus. In Gedanken strich ich mit meinen Fingern dar-über. Tinas Haare waren, wie bereits erwähnt, kupferrot, und gelockt. Sie fielen schwer und voll auf ihre schmalen Schultern und flossen regelrecht über ihre Arme und den Oberkörper.
Ihre Arme waren schlank und gerade, dabei jedoch nicht blaß, wie man es bei Rot-haarigen so oft sieht. Ihre Haut hatte vielmehr einen natürlichen dunklen Ton, der her-vorragend zu ihrem Haar paßte. Ihr schlanker Oberkörper mit den wundervollen, klei-nen Brüsten ging ohne nennenswerte Kurven in die Taille und die Hüften über und setzte sich in sehr geraden und schlanken Beinen fort, die in diesen niedlichen Füßen endeten, die auf meinem Tisch lagen und im Takt der Musik leicht mit den langen Ze-hen wippten.
Durch die Ärmel des T-Shirts konnte ich ihre Achselhöhlen sehen, die völlig blank und unbehaart waren. Der Gedanke, ob sie auch zwischen ihren Beinen noch haarlos war, kam jedoch nicht so recht ans Tageslicht.
Tina rutschte etwas tiefer in das Sofa und legte ein Bein über das andere, mit dem Fußgelenk auf das Knie. Ihr Rock weitete sich, rutschte etwas höher und gab den Blick auf ihren Unterschenkel frei.
"Beobachtest du mich?" fragte sie plötzlich leise, ohne die Augen zu öffnen.
"Etwas", sagte ich mit einem Lächeln. Sie lächelte zurück.
"Wie kann man denn 'etwas' beobachten?"
"Jetzt hast du mich erwischt", gab ich gespielt zerknirscht zu. "Ja, ich habe dich
beobachtet, und nicht nur etwas. Du bist ein sehr hübsches Mädchen, Tina."
"Dankeschön", lächelte sie. "Hab auch vier Stunden meine Haare gekämmt, um so
gut auszusehen." Sie kicherte, dann wurde sie ernst. Noch immer hatte sie die Augen
geschlossen. "Frank, glaubst du, daß man die Gefühle von anderen Menschen spüren
kann?"
"Das glaube ich ganz sicher, Tina", erwiderte ich ebenso ernst. "Und nicht nur,
weil Janine in meinem Buch das konnte."
"Glaubst du denn auch an Magie?"
"Ja, das tue ich. Warum fragst du?"
"Bin eben neugierig", schmunzelte sie. "Warum würdest du mir nichts tun?" Diese Frage kam so ruhig und gelassen, als würde die Antwort Tina überhaupt nicht berüh-ren.
"Weil ich dich mag, Tina", antwortete ich und widerstand der Versuchung, mit ih-ren Haaren zu spielen. "Wenn ich jemanden mag, tue ich diesem Jemand normalerwei-se nichts. Mögen und Gewalt passen für mich nicht unter einen Hut. Ist das jetzt wie-der dieses Fragespiel?" "Nö", kicherte sie. "Nur unterhalten. Warum hast du mich noch gar nicht gefragt, wie alt ich bin, oder wie ich mit Nachnamen heiße?" "Es war mir nicht wichtig", sagte ich spontan. "Ich meine, es ist schon irgendwie wichtig, aber es kommt mir nicht wichtig vor. Es würde nichts ändern an dem, was..." "An was?" fragte sie leise. Diesmal konnte ich nicht widerstehen. Ich nahm eine Strähne ihres herrlichen Haares zwischen Daumen und Zeigefinger. Tina blieb ruhig sitzen.
"An dem, was ich für dich empfinde, Tina", sagte ich - nein, flüsterte ich. Sie drehte mir ihren Kopf zu, aber so langsam, daß ich mit meinen Fingern an ihrem Haar der Bewegung folgen konnte. Sie öffnete ihre Augen und schaute mich intensiv an.
"Für wie alt hältst du mich denn?"
"Ich weiß es nicht", antwortete ich zögernd. "Vom Aussehen her würde ich sagen,
12 oder 13. Aber nach dem, was du redest und wie du es sagst, würde ich auf 17 oder
18 tippen."
Ein warmer Glanz zog in ihre Augen. "13 kommt fast hin. Ich hab im Oktober Ge-
burtstag. Und danke für das Kompliment. Und vor allem Danke dafür, daß du mich
nicht wie ein Kind behandelst." Sie stand auf. "Ich muß jetzt leider nach Hause. Darf
ich morgen wiederkommen? Oder stör ich dich?"
Ich stand ebenfalls auf. "Absolut nicht, Tina. Komm vorbei, wann immer du
möchtest. Aber... was wird deine Mutter dazu sagen?"
"Wozu?" fragte sie überrascht.
"Na, daß du deine ganze Zeit bei mir verbringst."
"Ich denke, sie wird sich freuen, daß ich jemand gefunden habe, mit dem ich Schach spielen kann", grinste sie. "Ich bring sie vielleicht morgen mal mit, dann kannst du sie ja selber fragen." Sie gab mir einen Klaps auf die Schulter und lief hin-aus, noch bevor ich etwas sagen konnte.
Mit ihrer Mutter reden? Über Tina? Darüber, daß ich sie mochte? Ich war zwar etwas verrückt, aber noch nicht so verrückt!

* * *

Gegen elf räumte ich im Wohnzimmer auf und schaltete die Musik aus. Erst dann fiel mir auf, daß Tina ihre CD vergessen hatte. Vorsichtig legte ich sie zurück in die Hülle und plazierte sie auf dem Tisch, dann löschte ich das Licht und legte mich ins Bett. Ich drehte mich zur Wand und starrte sie an. Tina hatte gesagt, daß ihre Woh-nung genau wie meine wäre, nur alles genau andersrum. Das Zimmer, daß im Grundriß meiner Wohnung als Schlafzimmer ausgewiesen war, war mein Arbeitszimmer, weil es zwei große Fenster hatte, und das geplante Kinderzimmer war mein Schlafzimmer. Wenn Tinas Wohnung so aufgeteilt war, wie der Grundriß es vorschrieb, würde Tina auf der anderen Seite dieser Wand schlafen...
Kurze Klopfgeräusche an besagter Wand rissen mich aus meinen Gedanken. Ver-blüfft stellte ich fest, daß die Signale Morsezeichen waren! War das etwa Tina, die mir doppelte 'I' schickte, das Zeichen, mit dem die Gegenstation angerufen wurde? Und wenn es Tina war: woher kannte ein 12jähriges Mädchen Morsezeichen? Ich klopfte 'EB' zurück als Signal, daß ich hörte und wartete. Auf der anderen Seite der Wand wurde im schnellen Rhythmus geklopft: G - U - T - E - N - A - C - H - T Ich morste 'DIR AUCH' zurück, dann, mutig: 'ICH HAB DICH LIEB'. Tinas Antwort löste einen Lachanfall bei mir aus: 'OS', das Zeichen für: 'Empfangenes ohne Sinn'. Durch mein Lachen hindurch hörte ich noch 'VE': Ganze Meldung verstanden, dann war Ruhe.
Jedoch nicht in meinem Bauch und in meinem Kopf.



Zwei

Am nächsten Morgen wachte ich vollkommen zerschlagen auf und wurde gleich von einem Hitzeanfall gepackt: das Thermometer im Schlafzimmer zeigte 26 , und das schon morgens um kurz nach sieben, trotz offener Fenster. Ich stand auf und schaute hinaus: es war vollkommen windstill, am Himmel war nicht die kleinste Wolke zu se-hen. Das roch nach einem brütend heißen Tag.
Ich zog mir eine Badehose an und ging ins Bad, um mir eine gute Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen, und gleich darauf noch eine. Danach ging es mir et-was besser, und auch mein Kreislauf wachte auf und besann sich auf den Sinn seiner Existenz.
Ich ging in die Küche und nahm einen Beutel Milch aus dem Kühlschrank. Tina. Was sie jetzt wohl machte? Schlief sie noch? Während ich aus dem Beutel trank, sah ich Tina in einem langen, weißen T-Shirt mit einem aufgenähten, bunten Papagei an der linken Schulter am Tisch in der Küche sitzen, vor einem Teller Corn-Flakes. Plötz-lich schaute sie auf und sah genau auf die Stelle der Wand, an deren anderer Seite, von ihr aus gesehen, ich stand. Ein überraschter Ausdruck zog über ihr Gesicht, dann lä-chelte sie plötzlich erfreut.
Panik stieg in mir auf und verdrängte Tinas Bild. Hatte ich mich so in dieses Mäd-chen verliebt, daß ich schon Gespenster sah? Ich trank die kalte Milch, so schnell ich konnte, stellte dann den Beutel zurück in den Kühlschrank und beschloß, unter die Du-sche zu gehen. Unter die sehr kalte Dusche.
Erfrischt und wieder klar im Kopf kam ich aus dem Bad und ging in mein Arbeits-zimmer, um den PC einzuschalten. Mir war völlig klar, daß ich bei diesem warmen Wetter spätestens gegen Mittag keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, daher wollte ich die Morgenstunden ausnutzen und an meinem Buch weiterschreiben. Ich kam gut voran; nachdem ich den Einstieg wiedergefunden hatte, war kein Ge-danke mehr an Tina. Es existierte nur noch Andrea, die Heldin meines Buches, und ihr Widersacher Gor'Sha, der Andrea mit allen Mitteln das Leben zur Hölle machte, und das Land Nin, in dem die Handlung spielte. War in meinem ersten Buch Janine unvor-bereitet in eine andere Welt gerutscht, war Andrea der Typ Mädchen, der sich unter-drückt und unbeachtet vorkam und davon träumte, Abenteuer zu bestehen. Und davon bekam sie jede Menge; beinahe mehr, als ihr lieb war.
Der vorbereiteten Gliederung folgend, strömten die Worte und Sätze nur so aus mir heraus, und als es elf Uhr wurde, waren mehr als fünfzehn Seiten fertig und korrigiert. Ich speicherte den Text auf Festplatte und - zur Sicherheit - auf Diskette, dann hakte ich die Punkte auf der Gliederung ab, die ich geschafft hatte. Ich schaltete den PC aus, streckte und dehnte mich, dann stand ich auf und ging ins Wohnzimmer, um auf dem Balkon etwas auszuruhen, doch noch im Flur klopfte es an meiner Tür. "Morgen", begrüßte Tina mich fröhlich. Ein großer Schreck durchfuhr mich, als ich ihr T-Shirt sah: weiß, an der linken Schulter ein aufgenähter, bunter Papagei. "Magst du Lore etwa nicht?" grinste Tina. "Das ist mein Lieblingspapagei. Darf ich reinkommen?" "Na klar", lachte ich erleichtert. "Solange Lore mich nicht beißt..." "Nur, wenn du sie nicht beißt", kicherte Tina und schlüpfte an mir vorbei. Sie trug wieder ihre kurzen, schwarzen Jeans. "Was hast du vor?" fragte sie, während ich die Tür schloß.
"Ich wollte mich gerade etwas auf den Balkon setzen", antwortete ich. "Hab gera-de mehr als drei Stunden geschrieben und wollte etwas ausspannen." "Stör ich dich doch?" fragte Tina besorgt.
"Nicht im geringsten", beruhigte ich sie. "Du bist wie auf Stichwort gekommen.
Ich war gerade fertig."
"Ja, das Talent hab ich", grinste Tina und folgte mir auf den Balkon, nachdem wir aus der Küche Getränke und Gläser geholt hatten. Wir setzten uns, Tina füllte unsere Gläser und prostete mir zu. "Auf das Heute", sagte sie und setzte ihr Glas an die Lip-pen.
"Auf das Heute", erwiderte ich und trank ebenfalls.
"Und darauf, daß das Morgen genauso schön wird", sagte eine dritte Stimme. Er-schrocken fuhr ich herum und sah Tinas Mutter auf dem Balkon stehen und lachend zu uns herübersehen. "Guten Morgen", grüßte sie fröhlich. "Ist das nicht ein wunder-schöner Tag?" Sie war das genaue Ebenbild ihrer Tochter; abgesehen von dem Alters-unterschied hätten die beiden Zwillinge sein können.
"Guten Morgen", grüßte ich zurück und stellte mich kurz vor. "Ich weiß", lachte Tinas Mutter. "Martina hat gestern gar nicht mehr aufgehört, von Ihnen zu reden. Sie sind wirklich der, der 'Janine und der Bergkristall' geschrie-ben hat?" "Höchstpersönlich", grinste ich zurück. Tinas Mutter war so locker und fröhlich, daß ich keinerlei Sorge empfand bei dem Gedanken, ihre Tochter auf meinem Balkon zu haben.
"War das Ihr erstes Buch?" fragte sie interessiert.
"Ja, das erste längere Buch. Ich habe allerdings vorher schon sehr viele Kurzge-schichten geschrieben, die sich - nach einigen Anfangsschwierigkeiten - schließlich gut verkauften. Nach und nach wurden die Geschichten dann länger und länger, und plötz-lich war das Buch fertig." "Warum haben Sie es überhaupt geschrieben?" Nun war mir klar, warum Tina so direkt fragen konnte; sie mußte diese Fähigkeit von ihrer Mutter geerbt haben. "Das ist nicht so einfach zu erklären", sagte ich nachdenklich, denn mir war klar, daß ich Tinas Mutter nicht so einfach durch schöne Worte ausmanövrieren konnte.
"Ich wollte einfach etwas schreiben, um jungen Menschen einen Anhaltspunkt zu ge-
ben, vor allem denjenigen, die ähnliche Fähigkeiten in sich entdecken, wie Janine sie
hat. Etwas, an dem sie sehen können, daß das Leben doch schön ist, wenn man bereit
ist, die Schönheit zu sehen, auch wenn sie sich sehr von anderen Menschen unter-
scheiden und dadurch in Konflikte mit der Umwelt kommen."
"Genauso kam das an", meinte sie lächelnd. "Martina, kommst du nachher zum
Essen rüber?"
"Mal schauen", meinte Tina. "Was machst du denn?"
"Kalten Milchreis mit Erdbeeren."
"Hmm", machte Tina begeistert. "Mutti, kannst du mir den nicht einfach rüberge-
ben? Ich bin doch grad erst gekommen."
"Wenn du nicht störst..."
"Sie stört nicht", lächelte ich. "Ganz im Gegenteil. Vielleicht bekomme ich durch Tina neue Ideen für mein Buch." "Dann viel Spaß noch", lachte die Mutter, winkte uns zu und verschwand wieder im Wohnzimmer.
"Sie ist nett", meinte ich zu Tina.
"Das liegt in der Familie", meinte sie mit einem verschmitzten Lächeln. "Warum
hast du heute morgen so Angst bekommen?"
"Bitte?"
"Als du mich in der Küche gesehen hast. Warum hast du da so Angst bekommen?" Sie schaute mich fragend an. "Hattest du Angst vor mir?" "Hast du mich etwa auch gesehen?" entfuhr mir.
"Ja", sagte Tina ganz ruhig. "Das nächste Mal sag aber bitte vorher Bescheid. Es war reiner Zufall, daß ich schon das T-Shirt anhatte." Sie zwinkerte mir belustigt zu.
"Nee, war ein Witz. Sag, warum hattest du Angst?"
Plötzlich hatte ich das sichere Gefühl, daß Tina mich nicht auslachen würde, egal, was ich sagte. Ich spürte, daß ich in ihr einen Menschen gefunden hatte, mit dem ich meine tiefsten Sorgen und Ängste bereden konnte, und daß sie mich - trotz ihrer Ju-gend - besser verstehen würde als jeder andere Mensch.
"Ich hatte nicht nur Angst", sagte ich leise, während Tina mich aufmerksam beob-achtete, "sondern regelrecht Panik, Tina. Als ich dich da sitzen sah, hielt ich es erst für ein Bild meiner Phantasie, aber dann hast du mir direkt in die Augen gesehen und mich angelächelt." Sie nickte leicht. "Warum ich Panik bekommen hab, weiß ich nicht mehr so genau, aber ich denke, es hatte damit zu tun, daß ich schon sehr lange niemanden mehr getroffen habe, der ähnliche Fähigkeiten hat, wie ich sie habe." "Zum Beispiel welche?" fragte sie sanft.
"Worüber wir uns gestern Abend unterhalten haben, Tina. Darüber, daß man Ge-fühle von anderen Menschen spüren kann. Über Magie. Es gibt nur sehr wenige Men-schen, mit denen man darüber reden kann, ohne gleich in die Klapsmühle zu kom-men." "Ich weiß", sagte sie sehr leise. "Also konntest du so etwas schon früher?" "Ja." "Und hat das - haben manche Leute Angst vor dir bekommen?" "Ja. Vor allem meine Freundinnen. Sie fühlten sich eingeengt von mir, weil ich immer so intensiv an sie gedacht habe, daß ich praktisch jede Sekunde bei ihnen war, auch wenn ich ganz woanders war. Tina, wenn ich an einen Menschen denke, den ich mag, dann ist das fast so, als würde ich persönlich neben diesem Menschen stehen, und das war genau das, was meine Freundinnen spürten. Das hatte ihnen Angst ge-macht." "Verstehe", sagte Tina ruhig. "Deshalb sagtest du auch, die Richtige wäre jemand, mit der du dich auf eine bestimmte Art austauschen könntest. Meintest du damit eine Art Telepathie?" "Ganz genau, Tina", antwortete ich überrascht. "Und nicht nur das. Dieser Aus-tausch wäre nicht nur ein Austausch von Gedanken, sondern auch von Gefühlen, von Empfindungen, wenn du verstehst, was ich meine." "Glaub schon", meinte Tina mit einem feinen Lächeln. "Du meinst so ein Gefühl, als ob zwei Menschen innerlich verbunden sind und sich jederzeit spüren, auch wenn sie Tausende von Kilometern auseinander sind. Und trotzdem lebt jeder von ihnen das eigene Leben. Allerdings sind sie erst zusammen vollkommen und eins mit sich." Ich schaute Tina fassungslos an. "Tina, du kannst nicht 13 sein. Du mußt minde-stens hundert, wenn nicht sogar hundertzehn sein!" "Jetzt aber Vorsicht", grinste sie. "Ich finde es zwar toll, wenn du mich für 18 hältst, aber 110 ist doch ein starkes Stück! Kannst froh sein, daß ich ein so verständ-nisvoller und toleranter Mensch bin!" "Ich liebe dich, Tina", sagte jemand in mir. Sie schien es nicht gehört zu haben.
"Dein Glas ist leer", stellte sie fest. "Möchtest du noch etwas?"
"Ja, wenn du so lieb wärst..."
"Bin immer lieb", grinste sie und füllte mein Glas wieder. "Die Wohnung hab ich
uns erträumt."
"Wie bitte?"
Sie schaute mich seelenruhig an. "Ich hab eine Telefonnummer geträumt und sie gleich aufgeschrieben. Mutti hat morgens dann die Nummer angerufen und gefragt, ob eine Wohnung frei wäre. Die Frau am anderen Ende war total von der Rolle, denn sie hatte erst am Abend vorher den Entschluß gefaßt, auszuziehen, wieder zurück zu ih-rem Mann, mit dem sie sich versöhnt hatte. Wir sind dann mit Bus und Taxi hergefah-ren, haben uns sofort in die Wohnung verliebt, und sie bekommen." Tina schaute mich ernst an. "Kannst es glauben oder nicht, aber so war es." "Ich glaub es dir, Tina", und das tat ich tatsächlich. Noch am gestrigen Abend hätte ich darüber gelacht, aber jetzt erschien es mir so natürlich wie die Sonne und der Himmel über uns.
Tina lächelte beruhigt und lehnte sich wieder zurück in ihrem Stuhl. "Hast du was dagegen, wenn ich etwas sonnenbade?" fragte sie, ohne mich anzusehen. "Das tust du doch gerade", erwiderte ich erstaunt.
"Nein", lächelte sie. "Ich hab einen Badeanzug drunter. Stört es dich?" "Was denkst du?" konnte ich mir nicht verkneifen.
"Ich denke", überlegte sie laut und schaute mich mit einem Auge an, "daß ich dir das nicht zumuten kann." "Doch", lachte ich. "Mute es mir zu! Fordere mich bis an meine Grenzen!" Tina zuckte mit den Schultern. "Du hast es so gewollt." Sie lehnte sich vor und zog mit einer raschen Bewegung das T-Shirt aus. Zum Vorschein kam ein Bikinioberteil in der Farbe von Tinas Haaren. Ihre kleinen, wunderbaren Brüste waren zwei sanfte Kur-ven auf ihrer Haut.
Tina stand auf, knöpfte die Jeans auf, zog den Reißverschluß herunter und stieg aus der Hose. Das Unterteil des Bikinis war in der gleichen Farbe wie das Oberteil. Nicht so weit ausgeschnitten, wie die Mode es diktierte, eher wie eine ganz normale Unter-hose geschnitten, doch Tina sah darin wunderschön aus.
Tina setzte sich wieder, und ich wunderte mich, warum ich bei ihrem Anblick so ruhig blieb. Normalerweise hätte sich meine Badehose als völlig ungeeignet erwiesen, dieses bestimmte Gefühl zu vertuschen, was ich bei jedem anderen Mädchen an ihrer Stelle empfunden hätte, doch es rührte sich nichts bei mir. Ich bewunderte ihre Schön-heit, ich freute mich über alle Maßen, daß sie bei mir war, aber das war es auch schon. Selbst das Gefühl von Liebe, das ich für einen Moment empfunden hatte, schien ver-schwunden zu sein.
"Entspann dich doch", sagte Tina mit einem Lachen in der Stimme. "Du grübelst
viel zu viel. Das merk ich bis hierhin!" Sie zwinkerte mir zu. "Wollen wir wieder Fra-
ge und Antwort spielen?"
"Hm", brummte ich zweifelnd und sah sie mißtrauisch an. "Wieviel Fragen? Wer
fängt an?"
"Eine. Du."
"Okay... Warum kommst du so gerne zu mir? Kommst du überhaupt gern zu mir?"
"Sicher!" sagte sie erstaunt. "Und das Warum ist ganz einfach. Ich mag dich, und
ich denke, daß wir beide wichtig füreinander sind. Daß wir uns helfen können, gegen-
seitig. Ich glaube, daß wir über alles reden können, wenn wir uns erst einmal besser
kennen. Fertig?"
"Ja. Schieß los."
"Warum wohnst du hier?"
"Ähm..." Mit dieser Frage hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. "Zum einen,
weil es hier so schön ruhig ist. Zum anderen, weil ich es mir leisten kann. Und weil ich
mich hier wohlfühle."
"Zusatzfrage: Wie lange wohnst du schon hier?"
"Fast ein Jahr."
"Schön." Tina drehte mir ihren Kopf zu. "Frank, gibt es hier in der Nähe ein Frei-bad?" "Gibt es. Allerdings nicht ganz in der Nähe, wir müßten schon fast zwanzig Minu-ten laufen." "Laufen oder gehen?" fragte Tina mit einem frechen Lächeln. "Gehen!" grinste ich. "Wenn wir laufen, sind es nur fünf Minuten." "Dann lieber gehen", lachte sie. "MUTTI!" rief sie plötzlich laut. Kurz darauf schaute ihre Mutter herüber.
"Was denn?"
"Kann ich mit Frank schwimmen gehen, oder brauchst du noch Hilfe?"
"Was ich brauche, ist Urlaub!" lachte ihre Mutter. "Nein, geh ruhig, aber fall ihm
bitte nicht auf die Nerven. Vielleicht ist er nur höflich, und möchte gar nicht mit."
"Keine Sorge", lachte ich. "So viel Selbstvertrauen hab ich schon, daß ich mich
melde, wenn mir etwas nicht paßt."
"Dann ist es ja gut", grinste die Mutter. "Ich mach dir deine Tasche fertig. Wann
wollt ihr los?"
Tina schaute mich fragend an. "Jetzt gleich?"
"Von mir aus gerne, wenn du mir auf dem Weg eine einzige Frage beantwortest." "Ohne Gegenfrage?" lächelte Tina spitzbübisch, während ihre Mutter wieder hin-einging, um Tinas Sachen zu packen.
"Ohne Gegenfrage", erwiderte ich.
"Okay", meinte Tina mit vor Belustigung schimmernden Augen. "Du lernst das Spiel ziemlich schnell." Sie stand auf. "Ich zieh mir nur eben andere Sachen an. Bin gleich wieder da." "Laß die Tür auf", rief ich ihr hinterher.
"Mach ich!" rief sie zurück. Keine zwei Minuten später war sie wieder da, beklei-det mit einem dünnen, ärmellosen Kleid, über der Schulter eine kleine Tasche. "Fertig", sagte sie etwas außer Atem.
"Was ist mit deinem Mittagessen?" fragte ich und stand auf.
"Stellt Mutti in den Kühlschrank, bis ich wiederkomme. Dann schmeckt es noch
besser!"
"Prima. Dann zieh ich mich auch eben um."
"Ich warte hier." Tina setzte sich ins Wohnzimmer. Wenig später war ich zurück, ebenfalls mit einer kleinen Tasche bewaffnet, in der ich Handtuch, Unterwäsche und Kamm hatte. Tina stand mit einem fröhlichen Lächeln auf.
"Ich geh gerne schwimmen", strahlte sie mich an.

"Was wolltest du mich fragen?" sagte Tina, als wir etwa die Hälfte des Weges hinter uns hatten.
"Tina", sagte ich ernst und blieb stehen, um sie anzusehen. Tina blieb ebenfalls stehen und schaute mich fragend an. "Tina, wir haben uns erst gestern kennengelernt, und wir beide haben schon mehr Zeit miteinander verbracht, als ich mit meiner letzten Freundin in einer ganzen Woche zusammen war. Meine Frage: Warum hat deine Mut-ter nichts dagegen, daß du mich besuchst?" Tina nickte leicht. "Ja", sagte sie leise. "Das muß dir ja komisch vorkommen." Sie setzte sich wieder langsam in Bewegung. Während wir weitergingen, überlegte sie eine Weile. "Frank", sagte sie schließlich, "als ich dich gefragt hatte, ob du mir was tun wür-dest, hast du Nein gesagt. Aber du hast es nicht nur gesagt, du hast es auch gemeint. Das konnte ich spüren, ganz deutlich. Mutti vertraut mir; sie weiß, daß ich eine ziem-lich gute Menschenkenntnis habe, und sie weiß auch, daß ich mich aus Schwierigkei-ten und Ärger heraushalten kann. Wenn ich ihr sage, daß ich diesem oder jenem ver-traue, dann tut sie es auch. Mag dir komisch vorkommen, aber es ist so." "Kapier ich nicht", erwiderte ich etwas ärgerlich. "Tina, wie willst du dich aus Är-ger heraushalten, wenn es jemand darauf angelegt hat, dir etwas zu tun?" Tina schaute mich mit traurigen Augen an. "Laß uns bitte von etwas anderem re-den, ja? Bitte! Glaub mir einfach, wenn ich sage, daß mir niemand etwas tut." Ihr Blick verursachte mir Schuldgefühle. "Tut mir leid, Tina", sagte ich zerknirscht.
"Ich wollte dir nicht deine gute Laune verderben."
Sie griff nach meiner Hand, drückte sie kurz und ließ sie wieder los. "Das hast du nicht", lächelte sie. "Du magst mich, und ich mag dich. Wenn wir viel miteinander re-den und uns Mühe geben, einander zu verstehen, werden viele Dinge klarer werden." Ich schüttelte ungläubig meinen Kopf. "Tina, warum kannst du nicht 18 oder 20 sein? Du bist so unglaublich reif, daß ich immer wieder vergesse, wie alt du wirklich bist." "Das ist genau meine Absicht", grinste sie. "Ich kenne kein Mädchen in meinem Alter, daß nicht schon 18 sein will. Schwimmen wir gleich um die Wette?" "Bei dem Wetter können wir froh sein, wenn wir im Wasser noch einen Stehplatz finden", lachte ich.
"Mal schauen", lächelte Tina hintergründig.
Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich, als das Freibad in Sicht kam. Der Park-platz und die Fahrradständer waren gerammelt voll. Ich zahlte den Eintritt für uns bei-de, was Tina dankend annahm, dann gingen wir zu den Schließfächern, zogen schnell unsere Kleidung aus und legten sie, zusammen mit unseren Geldbörsen, Taschen und Schlüsseln, in ein Fach. Wir nahmen nur die Handtücher mit. Tina trug den gleichen Bikini wie vorhin. Sie sah so erregend schön aus, daß ich fürchtete, aufzufallen, doch in meiner Körpermitte blieb alles ruhig und gelassen. Das einzige, was in meiner Phantasie auftauchte, war, mit Tina auf dem Sofa zu sitzen, sie im Arm zu halten und ihre Haare zu streicheln. Mehr nicht. Mehr war einfach nicht da. Tina ging zielsicher durch die Menge an Körpern, fast bis an das andere Ende des Geländes, in dessen Mittelpunkt das Becken lag, bis sie an eine Gruppe von Leuten kam, die in genau diesem Moment aufstanden, ihre Sachen zusammenpackten und gin-gen. Tina breitete schnell ihr Handtuch aus und setzte sich drauf. Ich tat es ihr nach. Ich fragte nicht, woher sie wußte, daß genau hier und genau jetzt etwas frei wurde; ich nahm es einfach so hin, als wäre es vollkommen natürlich.
Tina legte ihre Hände hinter ihrem Rücken auf das Handtuch und stützte sich ab.
Neugierig schaute sie auf das große Becken, das so voll war, daß an Schwimmen nicht
zu denken war. "Du hattest recht", sagte sie schließlich. "In meiner alten Stadt war es
nie so voll." Sie knickte ihre Arme ein und ließ sich auf die Ellbogen sinken. "Reden
wir eben etwas, wenn du möchtest."
"Gerne. Worüber?"
"Erzähl doch mal was von dir. Wenn du möchtest."
"Name und Adresse kennst du ja schon", schmunzelte ich, und Tina schaute mich mit einem warmen Lächeln an, daß mir bis tief in den Bauch ging. "Alter: 35, Größe: ein Meter zweiundachtzig, Gewicht: 75 Kilo. Geboren in einer winzigen Stadt in der Nähe von Hamburg, im Alter von 11 umgezogen nach Köln. Natürlich mit den Eltern." Tina grinste kurz. "Mit 12 hab ich angefangen, kleine Geschichten zu schreiben; mei-stens über Kinder, die aus ihrer Heimat gerissen werden. Mit 14 fing ich an, Gefühle von anderen Menschen zu spüren, so daß ich sagen konnte, was sie im Grunde für ein Problem hatten. Mit 16 war das so weit entwickelt, daß ich nur an einen Menschen denken mußte, um zu erfahren, was mit ihm los war.
Nach dem Abi wollte ich eigentlich Germanistik studieren, aber der frühe Tod mei-ner Eltern kam dazwischen, und so mußte ich erst mal einen Job finden. Ich kam unter bei einer Zeitung und lernte dort mehr über Sprache und Schreiben, als ich für möglich gehalten hatte. Schließlich fing ich ernsthaft an, nebenberuflich Kurzgeschichten zu schreiben, und nach und nach wurde ich anerkannt, und meine Geschichten verkauften sich ganz gut. Zusammen mit der 'normalen' Arbeit konnte ich sehr gut leben. Irgendwann hatte ich dann die Idee zu 'Janine und der Bergkristall'. Ich habe fast drei Jahre damit verbracht, die ganze Handlung, alle Personen und diese andere Welt zu skizzieren, und das Buch selbst war dann in weniger als sechs Monaten fertig. Das Buch verkaufte sich sehr gut, und ich entschloß mich, zu kündigen und nur noch für mich zu schreiben.
Als ich gerade an meinem zweiten Buch arbeitete, klingelte das Telefon, und eine fröhliche Stimme fragte, ob ich Kinder hätte. Kurz darauf klopfte es bei mir, und vor der Tür stand das hübscheste und schönste Mädchen, das ich jemals gesehen hatte, und in das ich mich sofort verliebte." "Kann ich mir gar nicht vorstellen, wer dieses Mädchen sein könnte", grinste Tina ohne jegliche Verlegenheit. Sie griff nach meiner Hand und hielt sie fest. "Hast du dich wirklich verliebt in sie?" Ihre Augen schauten mich forschend an. "Ja, Tina", sagte ich leise. "Unsterblich. Nicht nur, weil sie so hübsch ist, son-dern..." Ich stockte. "Komisch. Ich kann dir nicht erklären, warum, aber ich weiß, das es so ist." "Du mußt es auch nicht erklären", sagte sie und blickte mich einen Moment lang intensiv an. "Jetzt ich? Oder kommt noch was?" "Eigentlich nicht", lachte ich. "Das war mein Lebenslauf in aller Kürze." "Meiner ist auch nicht so lang", grinste sie und ließ meine Hand wieder los. Sie drehte sich auf die Seite, mit dem Gesicht zu mir, und stützte ihren Kopf auf die Hand. "Vor fast dreizehn Jahren wurde in der schönen Gemeinde Hemer - das ist im Sauer-land - ein runzeliges Baby geboren, daß auf den Namen Martina getauft wurde. Marti-na war ein fröhliches Baby, das immer nur Unfug im Kopf hatte und ihren Eltern mächtigst auf die Nerven ging. Ihr Vater wurde, als Martina gerade mal vier war, nach Leverkusen versetzt, und die ganze Familie zog mit ihm dorthin, frohen Mutes und mit einem Lied auf den Lippen. Als Martina sieben war, war keinem mehr zum Lachen zumute, denn ihr Vater hatte keinen Job mehr und fing an, zu trinken. Martinas Mutter machte das eine ganze Weile mit und suchte sich eine Arbeit, doch als der Vater im-mer mehr und mehr soff, kam es immer öfter zum Krach. Schließlich war Mutti so sauer, weil ihr immer wieder Geld gestohlen wurde, daß sie Mann und Tochter zu sich rief und Aufklärung verlangte. Töchterchen öffnete ihren Mund und sagte, daß der bö-se, böse Vater es geklaut hätte. Der böse, böse Vater wurde noch böser und schlug dem Töchterchen mit der Faust ins Gesicht. Den Rest hab ich dir ja schon erzählt." "Das tut mir leid, Tina", sagte ich leise. Sie lächelte mir zu.
"Danke. Aber Mutti und ich haben es ganz gut verkraftet. Eigentlich geht es uns
sogar sehr gut, seit er weg ist."
"Und seit wann nennst du dich Tina?"
"Seit gestern", grinste sie und sprang auf. "Hey, das Becken ist fast leer! Wollen wir?" Ohne auf mich zu warten, rannte sie mit gekonnten Haken um die auf dem Bo-den liegenden Körper herum und sprang ins Wasser. Ich folgte ihr, nur wesentlich langsamer.
Daß das Becken 'fast leer' war, war eine Übertreibung, aber es war zumindest so leer, daß wir öfter mal einige Meter schwimmen konnten. Tina bewegte sich mit einer natürlichen Anmut im Wasser, als wäre dies ihr eigentliches Element. Jede Bewegung erfolgte ohne sichtbaren Kraftaufwand und trug sie dennoch weit voran; das Wasser spritzte kaum auf, wenn sie ihre Arme eintauchte. Es war ein reines Vergnügen, ihr zuzusehen.
Wieder fiel mir auf, daß ich keinerlei Erregung verspürte bei ihrem Anblick, ob-wohl ihre Brüste sich deutlich gegen den nassen Badeanzug abzeichneten, und der Stoff des Unterteils einen deutlichen Schlitz im Schritt bildete. Ich sah es, aber es be-rührte mich nicht im entferntesten. Auch ihre glatte und nasse Haut, die in der Sonne schimmerte und funkelte, war nur ganz normale Haut. Nichts weiter. Doch am seltsamsten war, daß mich meine mangelnde Erregung nicht störte.

Nach dem Schwimmen zogen wir mit unseren Handtüchern um, unter einen großen Baum, und setzten uns in den Schatten, den die mächtige Krone warf. Tina zog die Knie an die Brust, umfaßte sie mit ihren Armen und schaute mich nachdenklich an. "Was hast du?" fragte ich sie sanft.
"Ich überlege grad was", erwiderte sie leise.
"Ach?" lachte ich. "Da wär ich nie drauf gekommen!"
"Deswegen sag ich's ja", lächelte sie und wurde gleich darauf wieder ernst. "Frank, ich möchte dir was erzählen, aber du darfst mich nicht unterbrechen oder fra-gen, ja? Auch nicht, wenn ich fertig bin. Ich erzähl's dir, und du hörst einfach nur zu und vergißt dann, daß ich es dir erzählt habe. Versprochen?" "Ist gut", versprach ich ihr, neugierig auf das, was sie loswerden wollte. Tina nickte leicht und sah in die Ferne, ohne etwas zu sehen.
"Als ich acht wurde, merkte ich, daß ich mit meinen Gedanken - oder besser, mit meinen Wünschen - alles bekam, was ich mir wünschte. Ich brauchte nur daran zu denken, etwas zu haben, und ich bekam es. Irgendwoher, von irgend jemandem. Am Anfang hat das riesig Spaß gemacht, doch ich bekam schnell Angst davor. Etwa zwei Monate nach meinem achten Geburtstag hat mich in der Schule ein Jun-ge so geärgert, daß ich mir vorstellte, ich donnerte ihn mit dem Gesicht an die Mauer. Und was macht der Idiot? Dreht sich um, rennt los und läuft mit voller Wucht gegen die Wand. Sein Gesicht war völlig kaputt, und er blutete wie ein Schwein. Ich hab mich sowas von erschrocken, daß ich anfing, zu zittern und zu kotzen. Denn ich wußte genau, daß er das nur gemacht hatte, weil ich es mir gewünscht hatte. Obwohl Mutti und ich uns so ähnlich sehen, kann sie sowas nicht, was ich kann, aber trotzdem konnte sie mir sehr helfen. Sie hat mir zugehört, dann hat sie mir gesagt, woran ich denken soll, wenn ich mich mal wieder über jemanden ärgere. Mit zehn war ich so weit, daß ich mich über nichts und niemanden mehr aufgeregt habe. Das ging auch solange gut, bis ich elf wurde. Kurz nach meinem Geburtstag fiel mir auf, daß um mich herum manchmal so komische Gedanken waren, die mich ir-gendwie... nicht einengten, so wie du erzählt hast, sondern mich... auf eine ganz komi-sche Art berührten, so als würde mich wirklich jemand an bestimmten Stellen anfas-sen." Tinas Gesicht wurde rot. "Das war sowas von ekelhaft, das kannst du dir nicht vorstellen, Frank. Es hat mich nicht aufgeregt, es hat mir keine Angst gemacht, es hat mich einfach nur angewidert. Denn diese Gedanken hatten nur ein einziges Ziel. Du weißt, was ich meine?" Ich nickte schweren Herzens. Ich wußte nur zu gut, was sie meinte. Zum ersten Mal erlebte ich meine Gedanken aus der Sicht einer Betroffenen, und es war in diesem Moment kein besonders gutes Gefühl, das in mir war.
"Diese Gedanken", redete Tina weiter, "waren wie Schmutz, den man nicht mehr los wird. Sie klebten an mir wie Pattex. Doch Mutti konnte mir auch dabei helfen. Sie hat mir gesagt, ich solle einfach eine Art Dämpfer ausstrahlen, sowas wie ein Filter, der nur schöne Sachen durchläßt und alles andere blockiert. Es hat zwar ein paar Wo-chen gedauert, aber schließlich hab ich kapiert, wie ich das machen muß. Jetzt ist das fast wie eine zweite Haut bei mir." Sie schaute mich an. "Frank, ich hab dir doch er-zählt, daß ich von der Telefonnummer geträumt habe, wegen der wir die Wohnung be-kommen haben. Was ich nicht erzählt habe, war, daß in dem gleichen Traum jemand vorkam, den ich freiwillig durch diesen Filter gelassen habe, obwohl er die gleichen Gedanken hatte wie alle anderen. Als ich wach wurde, um die Nummer aufzuschrei-ben, bin ich nicht gleich wieder ins Bett gegangen, sondern hab aus dem Fenster gese-hen und darüber nachgedacht. Ich konnte es nicht glauben, daß es tatsächlich jeman-den geben sollte, der die gleichen Gedanken hatte wie viele andere, aber mich trotz-dem liebhatte. Tja, und als ich diesen Jemand dann gestern kennengelernt habe, konnte ich es glauben. Denn er hatte tatsächlich diese Gedanken, aber er hat mich auch lieb. Sehr lieb sogar, wie ich ganz deutlich gespürt habe. Er will mich auch berühren und anfassen, aber das ist nicht alles. Er möchte mich, den Menschen, und nicht nur den Körper. Er möchte mich spüren, er möchte aber auch mit mir reden, sich um mich kümmern und sorgen, und es ist ihm wichtig, daß ich mich wohlfühle. Das ist alles so neu und fremd für mich, daß ich gar nicht mehr weiß, was ich ma-chen soll. Ab und zu mach ich den Filter etwas größer, damit ich was von seinen Ge-danken mitbekomme, dann mach ich wieder zu und denk darüber nach." Sie sprang plötzlich auf. "Und denk du darüber nach, was du versprochen hast! Keine Fragen! Ich kauf uns eben ein Eis." Sie rannte los und ließ mich sehr verwirrt zurück.

Wir blieben bis etwa drei Uhr, dann wurde der Hunger übermächtig. Tinas Magen brummte und knurrte laut und vernehmlich, und so packten wir unsere Sachen und machten uns auf den Heimweg. Zu Hause angekommen, fragte Tina, ob sie mich abends wieder besuchen dürfte.
"Natürlich, Tina", sagte ich fast zärtlich. "Komm, wann du Lust hast. Ich bin da." "Bis nachher dann", sagte sie sanft und strich mit ihren Fingern leicht über meinen Arm. "Vielleicht komm ich auch eher, außer, du willst noch was schreiben." "Heute wahrscheinlich nicht mehr", sagte ich und widerstand dem Impuls, nach ih-rer Hand zu greifen. "Und wenn doch, dann nur Kleinigkeiten. Komm einfach. Ich freu mich schon drauf." Tina lächelte. Ohne daß sie sich bewegte, ging die Tür zu ihrer Wohnung auf. Tina grinste verlegen, weil ich sah, daß ihre Mutter nicht im Flur stand, dann winkte sie mir zu und ging hinein.

* * *

Nach meinem späten Mittagessen, das aus aufgebackenen Brötchen bestand, setzte ich mich mit meinem Notizblock auf den Balkon und skizzierte eine Kurzgeschichte, die mir schon seit längerem im Kopf herumging. Es ging (natürlich) um ein junges Mädchen, doch ihre Fähigkeiten überstiegen die Fähigkeiten von Janine aus meinem ersten und Andrea in meinem zweiten Buch bei weitem. Erst durch Tina hatte ich den Mut gefaßt, diese Geschichte niederzuschreiben; Tina war der lebende Beweis dafür, daß es tatsächlich so etwas geben konnte.
Ich hatte gerade das erste Blatt vollgeschrieben, als eine leise Stimme aus meinem Wohnzimmer kam.
"Frank?" Es war Tina. "Hier draußen", lachte ich. "Ich bin auf dem Balkon." Ob sie wohl auch eine abgeschlossene Tür aufbekam?
"Und ob", grinste sie und trat auf den Balkon. Schnell setzte sie sich in den zwei-ten Stuhl. Sie hatte sich umgezogen und trug nun einen ziemlich kurzen Rock zu ihrem T-Shirt, der sehr viel von ihren schönen Beinen zeigte. "Ich stell mir nur vor, wie der Schließer zurückgeht, und schon ist sie auf. Bist du mir böse, daß ich 'eingebrochen' bin?" "Nicht im geringsten, Tina", beruhigte ich sie. "Ich bin... Ich fühl mich glücklich, wenn du bei mir bist, und das ist nicht nur so dahergesagt." "Ich weiß", antwortete sie leise. "Geht mir genauso. Deswegen komm ich ja so gerne zu dir. Schreibst du gerade was?" Neugierig schaute sie auf meinen Notizblock. "Nur so ein paar Gedanken zu einer neuen Geschichte", sagte ich leichthin und gab ihr den Block. Tina überflog meine Notizen und gab mir den Block zurück. "Kommt mir irgendwie bekannt vor", grinste sie. "Kennen wir beide zufällig das Mädchen in der Geschichte?" "Nur flüchtig", schmunzelte ich.
"Hatte Janine auch ein lebendes Vorbild?" fragte Tina, und ich spürte einen ganz leichten Anflug von Eifersucht in ihr.
"Nein, Tina. Genausowenig wie Andrea, die Hauptperson in meinem neuen Buch. Beide sind reine Phantasie." Ich hielt ihr meine Hand hin. Tina ergriff sie und hielt sie fest. "Aber die Fähigkeiten, die sie haben, die haben schon gewisse Vorbilder." "Bin halt neugierig", entschuldigte sie sich. "Böse?" "Überhaupt nicht", lachte ich. "Außer, du möchtest wissen, warum ich Mädchen wie dich, in deinem Alter, lieber mag als Frauen." "Warum würdest du denn böse werden, wenn ich das frage?" Sie schaute mich er-staunt an. Ich zwinkerte ihr zu.
"Ich mag keine Fragen, die ich nicht beantworten kann."
"Das verstehe ich", grinste Tina. "Geht mir genauso, in der Schule nämlich. Aber sag mal, kannst du denn überhaupt zwei Bücher gleichzeitig schreiben?" "Nein, nicht in diesem Sinn... Manchmal kommen mir bestimmte Ideen, die ich dann in eine kleine Geschichte umsetze. Das geht schnell und lenkt mich auch nicht von dem Buch ab. Manchmal nehm ich dann mehrere kleine Geschichten und fasse sie zu einer längeren zusammen. Und ganz selten passen mehrere längere Geschichten so gut zusammen, daß ich daraus ein Buch machen könnte." "Verstehe", sagte Tina nachdenklich, dann sah sie mich belustigt an. "Ich bin also gerade mal gut genug für eine Kurzgeschichte?" "Du bist gut genug für einen Roman, an dem ich bis an mein Lebensende schreiben könnte", erwiderte ich leise und streichelte ihre Hand. "Ein Roman, in dem sich die beiden Hauptpersonen ineinander verlieben und..." Verlegen brach ich ab, als Tinas Augen tief in meine schauten.
"Schon gut", sagte sie mit einem leisen Lachen. "Ich träum auch gerne, und oft
werden meine Träume wahr. Wollen wir nochmal 'Verlies' spielen?"

"Das Spiel gefällt mir echt gut", grinste Tina nach ihrem dritten Sieg über mich.
"Kann ich mir denken", brummte ich. "Beim nächsten Mal binde ich dir Augen zu.
Findest du das eigentlich fair?"
"Sicher", grinste Tina. "Es heißt doch, man soll all seine Fähigkeiten und Talente ausleben, und genau das tue ich." "So, sagt man das?" Ich schaute sie forschend an. Tina nickte. "Ja. Hast du was vor? Frank, was -" Sie mochte eine Zauberin sein, aber dem Griff, mit dem ich sie über meine Beine zog und gnadenlos durchkitzelte, konnte sie nicht ausweichen. Tina schrie und lachte gleichzeitig, sie wand und drehte sich auf meinen Beinen, daß ihr kurzer Rock über ihren Po rutschte und ein dunkelgrünes Höschen entblößte. Ich gab der Versuchung nach und gab ihr zwei kräftige Klapse auf die strammen Hinterbacken. Dann ließ ich sie los.
"Du Mörder!" japste sie und setzte sich aufrecht. Ihre dichten Haare fielen über ih-
re Augen, ihr Atem ging schnell und schwer. Ihre Augen blitzten auf, und im gleichen
Moment war ich kraftlos. Alle Muskeln schienen zu schlafen. Tina strich sich die Haa-
re aus dem Gesicht und weidete sich an meinem Gesichtsausdruck. "Sowas macht dir
Spaß, ja? Mädchen verhauen?" Meine Kraft kehrte zurück. Ich bewegte meine Arme, öffnete und schloß die Hände. Mir fiel Tinas Bemerkung ein, daß ihr nichts passieren würde, wenn sie es nicht wollte, und ich glaubte ihr dies nun. Sie hatte tatsächlich eine gute Verteidigung.
"Ich hab dich doch nicht verhauen", schmunzelte ich. "Ich hab nur meine Meinung über das Ausleben von Fähigkeiten ausgedrückt. Ich kann nämlich ganz gut kitzeln." "Hab ich gemerkt", lachte Tina. "Du hast mich völlig kalt erwischt, weißt du das? Normalerweise spüre ich, wenn mir jemand was tun will, aber du... Frank!" Sie quietschte wieder auf, als meine Finger sich in ihre Seiten bohrten. Diesmal ließ ich nicht locker, so sehr sie sich auch wehrte. Anscheinend konnte Tina ihre Kräfte nicht einsetzen, wenn sie alle Kraft brauchte, um sich zu wehren. "Denkst du!" keuchte sie, und vor meinen Augen erschien eine große dänische Dogge, die mich mit gefletschten Zähnen anknurrte. Zu Tode erschrocken ließ ich Tina los, die sich mit einem schnellen Sprung aus der Gefahrenzone brachte. Erst dann ver-schwand der Hund wieder. Tina saß breit grinsend in einer Ecke des Sofas und zupfte ihre Kleidung zurecht. "Na? Lust auf mehr? Vielleicht ein Löwe oder ein wilder Dra-che?" Ich schüttelte den Schrecken ab, der mir noch immer in den Knochen saß. "Nein, danke", erwiderte ich schwach. "Was für ein gemeiner Trick!" "Genauso gemein wie du", lachte Tina und rutschte neben mich. Ihre grünen Au-gen lachten mich an. "Gehirn gegen Muskeln Eins zu Null", schmunzelte sie. Ich legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie an mich, was sie sich gefallen ließ. "Magst du mich jetzt immer noch?" fragte sie leise, mit einer Spur Angst in ihren Augen. "Mehr als vorher", flüsterte ich und gab ihr einen sehr sanften Kuß auf die Stirn.
Tina schaute mich glücklich an und legte ihren Kopf an meine Schulter.



Drei

Mit den rätselhaften Worten "Denk in genau fünf Minuten an mich!" war Tina ge-gen zehn Uhr abends gegangen. Ich holte mir noch ein Glas Cola aus der Küche und setzte mich dann auf den Balkon, den Blick fest auf die Uhr an meinem Arm gerichtet. Pünktlich zu der vereinbarten Zeit dachte ich an Tina und stand in der gleichen Sekun-de in ihrem Zimmer. Sie trug ihr weißes T-Shirt mit dem Papagei und lag schon im Bett. Als sie mich bemerkte, leuchteten ihre Augen auf.
"Setz dich zu mir", sagte sie, ohne ihre Lippen zu bewegen. Ich beschloß, die Si-tuation so zu nehmen, wie sie war, ohne großartig darüber nachzudenken, und setzte mich gedanklich auf ihr Bett. "Ich wollte noch Danke sagen", hörte ich ihre Stimme irgendwo in meinem Kopf.
"Wofür?" fragte ich verwundert.
"Daß du mich so lieb im Arm gehalten hast, ohne mir was zu tun. Ist dir das sehr schwergefallen?" Ich wollte 'Nein' sagen, doch ich wußte instinktiv, daß Tina die Lü-ge merken würde. "Ein bißchen", sagte ich, mich für einen Kompromiß entscheidend. Sie lächelte mich wissend an.
"Du bist lieb", meinte sie schlicht. "Kommt dir das merkwürdig vor, wie wir uns unterhalten?" "Etwas", gab ich zu. "Ich meine, ich weiß, daß ich auf meinem Balkon sitze, und trotzdem kommt es mir so real vor, hier bei dir zu sein." "Vielleicht träumst du nur, auf deinem Balkon zu sein", sagte Tina mit einem La-chen, "und in Wirklichkeit bist du hier bei mir." "Tina, bring mich bitte nicht durcheinander, ja?" bat ich sie. Sie lachte hell auf. "Tut mir leid", grinste sie, dann wurde sie plötzlich ernst. "Weißt du, daß Papa uns auf genau diese Art schlechtgemacht hat? Er hat überall erzählt, Mutti und ich wären Hexen, und die Leute waren so bescheuert, es zu glauben, wegen unserer roten Haare. Egal, wo wir hingingen, wir wurden überall geschnitten und ignoriert." Tina lachte kurz auf, ein humorloses, trockenes Geräusch. "Und sowas am Ende des 20. Jahrhun-derts. Kannst du dir sowas vorstellen?" "Das tut mir leid, mein Liebes", sagte ich sanft. Tina blickte mich ernst an. "Ich will ja nicht sagen, daß ich keine Hexe bin, obwohl ich mich nicht so sehe. Aber bei diesen abergläubischen Idioten reicht wohl schon rotes Haar, um... Tut mir leid, darüber wollte ich eigentlich gar nicht mit dir reden." "Worüber denn dann?" Tina sah mich lange an. Schließlich sagte sie: "Du hast ja schon gemerkt, daß du nicht lügen kannst, wenn wir uns so unterhalten. Ich kann's auch nicht. Du würdest es sofort merken. Probier's aus. Frag mich was, wo ich lügen würde." "Hast du mich lieb?" Die Frage stand im Raum, noch bevor ich sie wußte, und ebenso schnell wußte ich Tinas Antwort, noch bevor sie etwas sagte. "Du Aas!" lachte sie. "Natürlich hab ich dich lieb. Mehr als das. Aber jetzt frag mich was, wobei ich lügen würde. Oder nein, frag mich was, und ich lüge." "Okay... Magst du deine Mutter?" "Nein." Gleichzeitig mit dieser Antwort verspürte ich eine so tiefe Zuneigung, die von Tina ausging, in Richtung ihrer Mutter, daß ihre Antwort daneben völlig verblaßte. Sie hatte recht: lügen war nicht möglich. Nicht in dieser Form. "Das meine ich", lächelte sie und richtete sich halb auf, die Hände im Rücken auf das Bett gestützt. "Ich würde dich gerne etwas fragen, Frank, und ich möchte, daß du so ehrlich antwortest wie möglich. Wenn du es nicht möchtest, kannst du jederzeit wieder auf deinen Balkon zurück. Aber wenn du antwortest, denk bitte daran, daß ich deine Gefühle voll und ungefiltert abbekomme. Machst du mit?" Sie schaute mich aufmerksam an. In diesem Moment ging die Tür auf, und ihre Mutter trat ein. Er-schrocken zuckte ich zusammen, es gab einen heftigen Ruck, und ich war wieder auf meinem Balkon.
'Komm zurück!' hörte ich Tinas lachende Stimme in meinem Kopf. 'Sie kann dich doch nicht sehen!' Ich atmete tief durch und versuchte es erneut. Sofort war ich zurück in Tinas Zimmer. Ihre Mutter stand im Türrahmen.
"...etwas lesen", sagte Tina gerade, als sie mich entdeckte. Ihr Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, das sie schnell unterdrückte. Ihre Mutter folgte ihrem Blick, sah genau auf mich, doch sie sah mich nicht. Es war ein verdammt aufregendes Gefühl. "Ohne Licht?" fragte die Mutter dann. "Oder hast du noch Besuch?" Ihr tiefes Lä-cheln war warm und herzlich. Tina seufzte auf.
"Ach, Mutti", sagte sie leidenschaftlich. "Frank ist so nett und lieb, und er kann auch sehr viel. Bist mir doch nicht böse, oder?" "Nein", wehrte ihre Mutter ab. "Nur besorgt. Immerhin ist er erwachsen, und du..." "Genau darüber wollte ich mich gerade mit ihm unterhalten", sagte Tina leise. "Mutti, seit fast zwei Jahren ist er der erste, der auf... diese Weise an mich denkt, und bei dem ich trotzdem weiß, daß er mich lieb hat. Er hat mich heute abend über eine Stunde lang im Arm gehalten, ohne mich - wie du es nennen würdest - unsittlich zu berühren. Er hat nur meine Haare gestreichelt." "Ich glaube nicht, daß ich mehr davon hören möchte", sagte ihre Mutter energisch und ablehnend.
"Du wirst es dir anhören, ob du willst oder nicht." Zum ersten Mal sah ich förm-lich, wie ein entschlossener Wille in der Gedankenwelt aussah: wie eine unüberwindli-che Mauer, wie ein massiver Fels. Tinas Mutter konnte sich ebensowenig gegen diesen starken Willen wehren wie ich. "Mutti, seit knapp zwei Jahren hab ich diese Gedanken von Männern an mir. Ich sehe es direkt vor mir, wie sie daran denken, ihr Ding bei mir reinzustecken. Glaubst du etwa, daß mir das gefällt?" Ein roter Schimmer begann, sich um Tina zu formen, Ausdruck ihres Ärgers und ihres Zorns. "Frank ist der erste Mann, der mich als Mensch mag. Es ist ihm wichtig, wie ich mich fühle. Ihm ist wichtig, daß es mir gutgeht. Ihm ist wichtig, daß ich mich wohlfühle bei ihm. Außerdem werd ich bald 13. Drei Mädchen aus meiner alten Klasse haben schon mit ihrem Freund ge-schlafen. Ich will nicht sagen, daß ich das auch will", übertönte sie den Einwand ihrer Mutter, "aber ich will mehr darüber wissen. Wie sich das anfühlt und so. Immerhin betrifft es mich ja auch, oder? Frank und ich können uns gedanklich unterhalten und austauschen. Was, bitteschön, spricht dagegen, wenn er mir - in Gedanken, wohlge-merkt! - alles zeigt und erklärt? Oder hättest du es lieber, daß ich mein erstes Mal in einer Toilette in der Schule habe, so wie die Petra? Und gar nicht weiß, worum es überhaupt geht?" Tina setzte sich vollständig auf und schaute ihre Mutter wütend an. "Verdammt, Mutti, mein Körper wird langsam erwachsen, wie du selber schon gesagt hast. Laß mir bitte die Chance, auch geistig zu wachsen. Immerhin hab ich die Mög-lichkeit, es vollkommen gefahrlos zu tun, ohne daß es wirklich passiert. Verhindern kannst du es eh nicht. Also laß es mich bitte auf meine Art tun." Tina drehte sich auf die Seite, weg von ihrer Mutter, und ließ sich in ihr Bett fallen. Offenbar hatte Tina völlig vergessen, daß ich im Zimmer war.
Ihre Mutter stand nachdenklich in der Tür und sah sie lange Zeit an, dann ging sie an Tinas Bett und setzte sich neben sie. Sie legte eine Hand auf Tinas Schulter und streichelte sie sanft.
"Es tut mir leid, Martina", sagte sie leise. "Ich hatte für einen Moment vergessen, daß du... anders bist." Sie lächelte herzlich. "In dem Moment, wenn es um Sex geht, bist du einfach meine kleine Tochter für mich, und nicht die Magierin, die auf sich selbst aufpassen kann." Tina drehte sich stürmisch um und umarmte ihre Mutter heftig. "Ach, Mutti", lachte sie. "Genau das meine ich doch! Ich will ja auch keinen Sex, aber... bei Frank fühle ich mich einfach sauwohl. Wenn er daran denkt, mich zu streicheln, läuft es mir heiß und kalt über den Rücken. Das ist gar nicht so wie bei den anderen Männern." "Genau das macht mir ja Angst", seufzte ihre Mutter. "Wenn es schon soweit ist...
Magst du ihn?"
"Mögen?" Tina setzte sich auf. "Mutti, ich liebe ihn! Nicht nur, weil er so tolle Bü-cher schreibt, sondern weil ich so super mit ihm reden kann, und er meine Kräfte ver-steht und keine Angst davor hat." Sie kicherte. "Er hat mich vorhin durchgekitzelt, und ich hab ihn zur Strafe eine riesige, wütende Dogge sehen lassen, die ihn anknurrte." "Und?" fragte die Mutter neugierig.
"Er hat sich beinahe in die Hose gemacht", lachte Tina hell auf. "Und trotzdem mag er mich! Nein, er liebt mich auch, das spür ich ganz deutlich." Sie umarmte ihre Mutter erneut, dabei fiel ihr Blick auf mich. Tina erstarrte. "Verdammte Scheiße!" sagte sie leise, aber deutlich. "Dich hab ich ja total vergessen!" "Mich?" fragte ihre Mutter verwirrt, doch Tina war bereits unter dem Oberbett verschwunden.
"Nein", schrie sie aus ihrer Deckung heraus. "Nicht dich! Ihn!!! So ein Mist, so ein verdammter! Das sollte er doch alles gar nicht hören! Und ich Idiot sag ihm auch noch, daß er zurückkommen soll! Waaaaaah!" "Tina! Was hast du?" Besorgt beugte sich die Mutter über das Bett, unter dem Tina wütend strampelte und zappelte.
"Nichts, verdammt! Laß mich einfach in Ruhe sterben, ja? Gott, ist das peinlich!"

* * *

Der nächste Morgen brach an, genauso heiß wie der vorherige. Mein erster Ge-danke nach dem Aufwachen galt Tina.
"Tina?" Vorsichtig schickte ich einen Gedanken aus, der sofort und äußerst heftig erwidert wurde.
"Laß mich in Ruhe!" Es war wie eine Ohrfeige. Keine gute Art, aufzuwachen. "Tut mir leid", kam ein sanfterer, versöhnlicherer Gedanke hinterher. "Kommst du mal eben rüber?" Eine Zehntelsekunde später stand ich an ihrem Bett. "Guten Morgen", dachte ich, bemüht, nicht zu lachen oder zu munter zu klingen.
Tina schaute mich nur kurz an, dann rutschte sie zur Wand und klopfte auf das Bett.
Ich setzte mich neben sie.
"Morgen", brummte sie unwirsch. "Nein, ich bin nicht böse auf dich, nur auf mich. Mann, war ich blöd! Und das sollte so ein schöner Abend werden!" Traurig drehte sie sich um. Ich war mir nicht sicher, ob Tina meine Berührung spüren würde, trotzdem legte ich meine Hand auf ihren Kopf. Es war denn auch keine Berührung in diesem Sinne, eher ein gefühlsmäßiges Berühren in der Art: 'Ich bin bei dir'.
"Tina", sagte ich langsam. "Ich weiß nicht genau, was du gestern vorhattest. Ich
kann es mir zwar denken, aber ich weiß es nicht. Nicht genau. Warum tust du nicht
einfach so, als hätte es gestern abend nicht gegeben, und wir fangen beide mit einem
völlig neuen Tag an. Was meinst du dazu?"
Sie drehte sich wieder zu mir und schaute mich lange an. "Klingt gut", meinte sie
schließlich. "Wo bist du gerade?"
"Noch im Bett", lachte ich. "Gerade eben aufgewacht."
"Genau wie ich", lächelte Tina. "Du hast mich im Aufwachen erwischt." Sie
gähnte herzhaft und streckte sich, Arme und Beine unter dem Oberbett weit abge-
spreizt, dann stand sie schnell auf. "So, ich zieh mir eben was Frisches an. Kann ich
gleich rüberkommen?"
"Sicher. Soll ich Brötchen aufbacken?"
"Klingt geil!" freute sie sich. "Sag mal, kann Mutti mitkommen? Wir haben kaum noch was zu essen hier, wir müssen heute erst mal groß einkaufen." "An und für sich schon", überlegte ich. "Obwohl... Meinst du, sie will mit uns frühstücken?" "Mit dir, wolltest du sagen?" Tinas Augen schauten mich ernst an und beherrsch-ten den Raum. Ich nickte.
"Ja. Nach dem, was ich gestern gehört habe, glaube ich nicht, daß das eine so gute Idee ist..." "Gestern?" fragte Tina unschuldig. "Was war gestern? Irgendwie habe ich das Gefühl, als könnte ich mich an nichts erinnern, was gestern abend war." Ein listiges Grinsen zog über ihr Gesicht. "Wir kommen dann in etwa zehn Minuten, okay?" Sie drehte mir den Rücken zu und ergriff ihr T-Shirt am Bauch. "Wenn du mir zusiehst, wie ich mich umziehe", drohte sie, "wird eine wütende Dogge dein kleinstes Problem sein!" "Ich geh ja schon!" lachte ich und war in meinem Bett. Zwar spielte ich mit dem Gedanken, sofort wieder zurückzugehen, doch ich nahm an, daß dies Tinas Vertrauen zu mir erheblich erschüttern würde. Und doch, die Versuchung blieb... Fünfzehn Minuten später klopfte es an meiner Haustür. Wie angedroht, hatte Tina ihre Mutter im Schlepptau. Zur Begrüßung drückte Tina mich kurz und sehr leicht, von ihrer Mutter besorgt beobachtet. Während ich beide hereinbat und in die Küche führte, spürte ich die Vorbehalte ihrer Mutter, was mich betraf, doch ich spürte gleichzeitig auch ihre Absicht, mich unvoreingenommen zu beurteilen. Eine großartige Frau. Während des Essens redeten und lachten wir viel, mit dem Erfolg, daß wir uns schon bald beim Vornamen nannten, auch wenn wir das "Sie" vorerst beibehielten. Marita - so der Name von Tinas Mutter - taute sichtlich auf, als ich ihr von meinen er-sten, linkischen Schreibversuchen erzählte, und als ich dann auch noch Auszüge mei-ner ersten Geschichten vorlas, hatte ich die Lacher auf meiner Seite. "Klingt fast wie mein letzter Aufsatz", lachte Tina nach einer besonders mißlunge-nen Satzstellung und wischte sich eine Lachträne aus dem Auge. "Für den hab ich üb-rigens 'ne Vier Minus bekommen. Und du nennst dich wirklich Schriftsteller?" "Hack ruhig auf mir rum", grollte ich gespielt. "Reicht nicht, daß die Kritiker mei-ne ersten Geschichten total verrissen haben; nein, Tina macht auch noch mit und zer-fetzt mich in der Luft." "Hab's doch nicht bös gemeint", schmunzelte sie und griff nach meiner Hand. "Der Satz war aber auch voll daneben." Ich hielt ihre Hand und vergaß für einen Mo-ment, daß ihre Mutter bei uns am Tisch saß. Tina und ich schauten uns an, und ein starkes Gefühl von Gemeinsamkeit und Zärtlichkeit floß zwischen uns. Es war so stark, daß ich tief Luft holen mußte.
"Ich dich auch", hörte ich Tinas sanfte Stimme in meinem Kopf, und ihre Augen glänzten vor Zuneigung.
"Vielen Dank für das Frühstück, Frank", drang eine leise Stimme in mein Bewußt-sein und holte mich zurück von meiner Wolke, auf der ich schwebte. "Das war sehr nett von Ihnen." Ich ließ Tinas Hand los und schämte mich etwas. "Gern geschehen", erwiderte ich leicht verlegen.
"Von mir auch", zwitscherte Tina und stand auf. "Kann ich gleich nochmal kom-men, oder schreibst du?" "Willst du schon gehen?" entfuhr mir. Tina nickte. "Erklär ich dir später", hörte ich ihren Gedanken. "Wir wollen doch noch einkaufen", sagte sie laut. "Dabei will ich Mutti helfen." Sie sah ihre Mutter auffordernd an. "Na los, hoch mit den alten Kno-chen!" "Die alten Knochen werden dich gleich zum Spülen einteilen", schmunzelte Marita und stand auf. "Können wir Ihnen etwas mitbringen aus der Stadt?" "Nein, vielen Dank", antwortete ich und erhob mich ebenfalls. Daß ich vielleicht Kondome brauchte, mußte ich ihr ja nicht so direkt sagen. Tina grinste kurz verlegen, als sie diesen Gedanken aufschnappte, enthielt sich aber eines Kommentars. Die bei-den dankten mir noch einmal für das leckere Frühstück, dann war ich wieder alleine. Fast. Keine Minute später hörte ich Tinas drängenden Gedanken: "Komm schnell rü-ber!" Sofort stand ich wieder in ihrem Zimmer, doch es war leer. Mein geistiger Kör-per flog durch die Wand in das angrenzende Wohnzimmer, in dem Tina und Marita saßen. "Hör einfach zu", dachte Tina aufgeregt.
"Und?" fragte sie dann ihre Mutter. "Was hältst du von ihm?"
"Schwer zu sagen", antwortete ihre Mutter nachdenklich. "Er macht einen netten Eindruck, aber..." "Hast du denn nicht gesehen, wie er mich angeschaut hat?" Tina konnte es kaum fassen, daß ihre Mutter kein uneingeschränktes Loblied auf mich sang.
"Doch", gab Marita zu. Ich war fasziniert von der Art und Weise, wie Marita ihre
Tochter behandelte: gleichgestellt, wie eine Frau ihres Alters. "Er scheint dich sehr zu
mögen."
"Scheint?" Tina lachte kurz auf. "Sei ehrlich, Mutti!"
"Na gut", seufzte Marita. "Es sieht so aus, als würde er dich sehr mögen." "So wie ich ihn mag", sagte Tina leise, aber bestimmt. "Und das kann man schon nicht mehr 'mögen' nennen, Mutti. Das ist mehr!" "Ich weiß", sagte ihre Mutter gequält. "Aber das ist doch genau der Punkt, Marti-na. Du bist noch nicht mal dreizehn, und er ist... wie alt? Fünfunddreißig!" "Den Punkt hatten wir doch schon mal", stöhnte Tina. "Mutti, was soll ich mit Jungs in meinem Alter? Glaubst du, auch nur einer von denen würde verstehen, was ich tue? Was ich kann? Wie ich es mache? Die würden mich doch sofort steinigen oder kreuzigen oder so was. Frank ist... er ist erwachsen, ja, aber du sagst doch auch im-mer, daß ich viel reifer und älter bin als zwölf." "Das bist du auch", sagte Marita leise. "Aber trotzdem, Martina. Er könnte dein Vater sein! Kind, er ist nur ein Jahr älter als ich!" "Es wär schön, wenn er mein Vater wär", meinte Tina trocken. "Aber das ist er nicht. Warum kann er dann nicht mein Freund sein?" "Dagegen hab ich doch auch nichts", entgegnete Marita erstaunt. "Wogegen ich etwas habe, ist... Du weißt schon." "Ja, Mutti, und darüber haben wir uns doch gestern unterhalten. Laß es mich doch bitte so tun, wie ich will, ja? Gedanklich! Dabei passiert doch nichts, und ich lerne es kennen, ohne daß es mir wehtut." Ihre Mutter schien zu spüren, wie ernst es Tina da-mit war. Sie kämpfte sehr lange mit sich.
"Sieh zu, daß du die Kontrolle behältst", sagte sie schließlich mit einem wehmüti-gen Lächeln. "Ich glaube zwar nicht, daß er dir wehtun wird, aber die Möglichkeit be-steht." "Glaub ich nicht", wehrte Tina ab. "Und Kontrolle... die behalt ich doch immer." Dieser Satz kam mit einem bitteren Unterton. "Jedesmal. Bei allem, was ich tue. Bei allem, was ich sage. Bei jedem winzig kleinen Gedanken!" Sie schlug mit ihrer kleinen Faust auf den Tisch und sah ihre Mutter wütend an. "Mutti, Frank ist der erste Mensch, bei dem ich mich mal gehenlassen kann. Der allererste! Scheiße, er hat sogar die Dogge geschluckt, ohne mir Vorwürfe zu machen! Er hat sich zwar furchtbar er-schrocken, aber trotzdem hat er mich noch lieb. Bei ihm hab ich das Gefühl, mich fal-len lassen zu können, und ich weiß, daß er mich auffängt. Ach, verdammt!" Mit einer unbeherrschten Geste fegte Tina einige Zeitungen vom Tisch. "Seit über vier Jahren reiß ich mich tagtäglich zusammen, kontrolliere meine Gedanken und meine Wünsche! Glaubst du, daß mir das Spaß macht? Mutti, ich will mal träumen, ohne Angst zu ha-ben, daß der Traum gleich in Erfüllung geht. Ich will Unsinn machen, lachen, bis mir der Bauch wehtut, und total rumspinnen. Ich will in Pfützen springen, auf Bäume klet-tern, und rutschen, bis mein Hintern glüht. Ich will..." "Aber das kannst du doch alles!" unterbrach ihre Mutter überrascht. "NEIN!" schrie Tina. "Das kann ich eben nicht! Wenn ich für mich träume, geht die Energie sofort nach draußen und wird reell. Mach ich Unsinn, passiert genau das gleiche, denn ich stell mir ja vor, was für Unsinn ich mache. Kletter ich auf einen Baum und denk auch nur für eine Sekunde daran, daß ein Ast bricht, bricht der doch sofort. Geh ich auf die Rutsche und schreie: 'HUI!', weil ich denke, ich fliege, fliege ich doch sofort! Du weißt doch, was damals passiert ist!" Verzweifelt schaute Tina ihre Mutter an. "Mutti, Frank ist genau der Dämpfer, den du mir empfohlen hast. Ich weiß, daß er meine Gefühle auffängt und sie dadurch ungefährlich macht. Zeig mir ei-nen Jungen in meinem Alter, der das auch kann, und ich überleg es mir. Aber bis da-hin" - sie stach ihren Zeigefinger in die Luft - "laß es mich so tun, wie ich es für richtig halte." Tina sah zur Seite, entdeckte mich und wurde rot. "Jetzt weißt du's", dachte sie in meine Richtung. "Jetzt weißt du, daß ich eine Gefahr für die Menschheit bin." "Das ist doch Unsinn, Tina", dachte ich zärtlich zurück. "Laß uns gleich darüber reden, ja?" "Okay", gab sie dankbar zurück, begleitet von einem zaghaften, aber warmen Lä-cheln.
"Ich kann mir vorstellen, was du durchmachst", sagte Marita leise, dann stoppte sie. "Nein", meinte sie dann nach einer Weile. "Nein, ich kann es mir nicht vorstellen, Martina. Aber wenn ich daran denke, daß alles, was ich mir vorstelle, noch in der glei-chen Sekunde wahr werden könnte, wird mir angst und bange." Nachdenklich sah sie aus dem Fenster. "Wie ich schon sagte, Liebchen: wenn es um Sex geht, bist du für mich mein kleines Mädchen. Aber ich muß gestehen, daß du bisher immer recht hattest mit deinen Gefühlen. Wenn du also der Meinung bist, daß du weißt, was du tust, dann tu es." Sie sah ihre Tochter wieder an. "Aber tu es bitte langsam, Martina. Versprichst du mir das? Laß dir Zeit, viel Zeit. Erst wenn du dir wirklich sicher bist, daß du den nächsten Schritt tun willst, solltest du ihn gehen, nicht vorher." "Das ist doch genau das, was ich sonst auch immer tue", lächelte Tina. "Schritt für Schritt, einen nach dem anderen. Kann ich denn zu dir kommen, wenn ich Fragen ha-be?" "Das kannst du doch immer", lächelte Marita herzlich.
"Auch, wenn es... sehr knifflige Fragen sind?" Jetzt grinste Tina breit.
"Ja, auch dann", stöhnte ihre Mutter gespielt. "Jetzt aber rüber mit dir, das Ein-
kaufen schaffe ich auch alleine."
"Nein", widersprach Tina. "Ich komm mit." Sie warf mir einen kurzen Seitenblick
zu und grinste erneut. "Tut uns ganz gut, wenn wir uns mal eine Weile nicht sehen."

* * *

Eine Weile nicht sehen... Genau eine Stunde später betrat Tina mein Arbeitszim-
mer, in dem ich mich aufhielt und über eine bestimmte Passage in Andreas Leben
nachdachte. Ich bemerkte Tina erst, als ihre Hände sich auf meine Augen legten und
ihre helle Stimme sagte: "Rate, wer das ist!"
"Leicht!" lachte ich. "Du bist Julia."
"Falsch!" lachte sie zurück. "Noch drei Versuche."
"Hmm... Renate?"
"Daneben." Diesmal lachte sie nicht mehr.
"Sandra?"
"Nein!" Ein Hauch von Eis schien durch das Zimmer zu ziehen.
"Dann kann es ja nur... Tina sein."
"Sehr gut!" sagte sie ätzend. "Wer ist Julia? Und Renate? Und Sandra?" Vor mei-nen Augen tauchte ganz kurz das Bild auf, wie Tina ihre Finger zu Krallen formte und auf mein Gesicht losging.
"Drei Mädchen, die ich gerade erfunden habe", lachte ich und griff nach ihren Händen. Ich zog Tina an meine Seite und legte meinen Arm um sie, doch sie wand sich aus meinem Griff und schaute mich ärgerlich an. Sie trug wieder ihre schwarze, kurze Jeans, ein weißes T-Shirt ohne Ärmel und Sandalen ohne Strümpfe. "Das war kein guter Witz", meinte sie kühl.
"Das ist das Risiko", erwiderte ich lächelnd. "Wer einen Scherz macht, muß auch das Echo vertragen können." "Ach ja?" fauchte Tina. Vor meinen Augen tauchte ein Tiger auf, der mich brüllend ansprang. Ich hatte mit etwas in dieser Art gerechnet und stellte mir schnell vor, wie der Tiger gegen stabile Gitter prallte und sich die Schnauze stieß. Tina fuhr erschrok-ken zurück und rieb sich die Nase.
"Wow!" meinte sie ehrfürchtig. "Tolle Reaktion."
"Ich dachte, ich soll dein Dämpfer sein", schmunzelte ich. "Warst du wirklich böse auf mich?" "Ja", gab sie kleinlaut zu und lehnte sich an mich. Diesmal erlaubte sie mir, meinen Arm um ihre Taille zu legen. "Tut mir leid", flüsterte sie. "Schon gut", sagte ich sanft und drückte meinen Kopf an ihren Bauch. Sofort ging Tina wieder auf Abstand.
"Davon hab ich nichts gesagt", lachte sie. "Gehen wir spazieren, oder hast du noch zu tun?" "Wir können gerne etwas laufen", antwortete ich, etwas enttäuscht von ihrer Re-aktion. "Ich komme im Moment sowieso nicht weiter." Und das nicht nur in dem Buch, an dem ich arbeitete...
"Dann komm!" lächelte sie und zog mich aus meinem Stuhl.

Wir fuhren etwa zwanzig Minuten mit dem Auto, dann hatten wir die Stadt hinter uns gelassen und kamen an einen großen, weitläufigen Wald, einem beliebten Aus-flugsziel für Spaziergänger. Schon nach wenigen Minuten hatten wir den Parkplatz und damit auch den Krach des Autoverkehrs hinter uns gelassen. Schweigend gingen wir nebeneinander her, ohne uns zu berühren.
"Ich wollte dir nicht wehtun", meinte Tina plötzlich. "Ist nicht so, daß ich dich nicht mag, Frank, aber... Laß uns heute abend darüber reden, ja?" Sie kam zu mir und legte ihren Arm um mich. "Ich hab dich sehr lieb", flüsterte sie fast. "Sehr, sehr lieb, und... ich muß mich erst dran gewöhnen, meinen Filter aufzumachen." "Ich verstehe dich, Tina", erwiderte ich sanft. "Ich gestehe, daß ich zuerst ent-täuscht war, als du zurückgewichen bist, aber... Ich denke, es war mein Fehler. Weißt du, wenn zwei Erwachsene feststellen, daß sie sich mögen oder sogar lieben, geht es einen großen Schritt voran in der Beziehung. Man berührt sich wesentlich mehr, küßt sich sogar, und manchmal geht man auch sofort miteinander ins Bett. Ich habe für ei-nen Moment vergessen, daß du erst zwölf bist und von - von diesem ganzen körperli-chen Kontakt ja noch gar keine Ahnung hast." "Ich nehm das als ein Kompliment", lächelte Tina und drückte sich eng an mich. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern und streichelte ihren Arm. "Aber du hast recht: von diesem 'Körperkontakt' weiß ich nichts. Außer Umarmen oder Drücken natürlich. Ich hab noch nie einen Jungen geküßt, und alles andere schon gar nicht. Aber darüber möchte ich heute abend mit dir reden." Sie schaute zu mir auf, und ihre grünen Augen leuchteten vor Glück. "Ich bin gern mit dir zusammen", flüsterte sie.
"Und das Streicheln gefällt mir."
"Mir auch", schmunzelte ich und drückte ihren Kopf kurz an mich. Den Rest des Weges legten wir Arm in Arm zurück, und ich konnte spüren, wie Tina sich bemühte, ihre Ängste abzubauen. Damit tat sie mehr, als viele Erwachsene zu tun willens oder in der Lage sind.

Nach etwa zwei Stunden waren wir wieder beim Auto angelangt und stiegen ein. Ich fuhr nicht direkt nach Hause, sondern in die Innenstadt, zu einem Kaufhaus. Tina sah mich fragend an, als ich den Wagen im Parkhaus abstellte, doch sie kam mit mir. Eine halbe Stunde später hatte sie zwei neue kurze Hosen und eine bemalte Gipsfigur aus einem Fantasy-Spiel: eine Magierin, gekleidet in eine graue Kutte, in der linken Hand einen Blitz. Als Tina die Figur in den Händen hielt, vergaß sie ihre Ängste: sie drückte mich wie ein Handtuch, das sie auswringen wollte.
"Du bist ein Schatz", dachte sie. "Das ist so geil, Frank! Genau das, was ich bin!" "Deswegen ja", lächelte ich gedanklich. "Sei bitte nur so lieb und schleudere die Blitze an mir vorbei, ja?" "Nur, wenn du nie wieder Julia oder Renate oder Sandra oder sonst wen er-wähnst." "Versprochen!" grinste ich und genoß das Gefühl ihrer kleinen, festen Brüste an meinem Körper. Ich merkte, daß sie diesen Gedanken aufschnappte. Sie machte eine Bewegung, als wolle sie von mir abrücken, dann drückte sie sich wieder an mich. "Jeder Zeitpunkt ist ein guter Zeitpunkt", hörte ich am Rande meines Bewußtseins.
"Was meinst du?" fragte ich verwirrt.
"War nicht für dich bestimmt." Sie sah zu mir auf; ihre grünen Augen schimmerten vor Vergnügen und Lachen. "Halt dich aus meinem Kopf raus, ja?" "Nö!" lachte ich und drückte sie ebenfalls fest an mich.
"Boah!" protestierte sie lachend. "Ich liebe dich."
"Ich dich auch, Tinchen."
"Und dafür hasse ich dich!" Gedanklich versetzte sie mir eine leichte Ohrfeige.
Sofort danach dachte sie daran, mir einen Kuß auf die mißhandelte Wange zu geben,
dann löste sie sich von mir. "Nenn mich nie wieder so!" Doch in ihren Augen blitzte es
humorvoll auf. "Danke für die Figur", sagte sie laut. "Und für die Shorts. Komm, ich
geb dir 'ne Cola aus."

* * *

Zu Hause angekommen, wußte ich plötzlich eine Lösung für die Passage in mei-
nem Buch, die mir Probleme machte. Im gleichen Moment meinte Tina, daß sie nach
Hause müßte, aber nachmittags wiederkommen würde. Zum Abschied drückte sie
mich fest, dann war ich allein. Ich startete den PC und schrieb weiter an dem neuen
Roman, bis der Hunger mich unterbrach. 'Fertig?' (*) hörte ich Tinas Stimme in meinem
Kopf. [[ (*) Ab hier werden gedankliche Gespräche in ‚...' gefaßt anstatt "...", um anzuzeigen, daß Frank sich an diese Art Gespräch gewöhnt hat. (siehe auch meine Geschichte "Christina"). Shana.]]
'Nein', gab ich zurück, 'aber der Hunger ist stärker als der Schreibtrieb.' 'Dann komm rüber zu uns, ich meine, persönlich. Mutti lädt dich ein, als Danke-schön für's Frühstück. Gibt allerdings nur überbackene Nudeln.' 'Nur??? Tina, wenn die mit Parmesan überbacken sind, ist das mein Lieblingses-sen!'
'Sind sie', kam Tinas überraschter Gedanke. 'Magst du die echt? Ich nämlich auch!'
'Ich bin schon auf dem Weg!' Zwei Minuten später saß ich mit Tina in ihrer Kü-che. Marita holte soeben die Auflaufform aus dem Ofen und stellte sie auf den Tisch. Der intensive Geruch von gebackenem Parmesan zog durch die Küche, und mein Ma-gen knurrte laut und kräftig bei diesem wunderbaren, verlockenden Duft. "Nicht hetzen", lachte Marita. "Ich mach ja schon, so schnell ich kann!" "Tut mir leid", entschuldigte ich mich mit einem verlegenen Lachen. "Es gibt Re-flexe, die ich nicht unterdrücken kann." Tina lächelte verschmitzt und zwinkerte mir zu. Marita teilte die Nudeln in der Form mit zwei kräftigen Schnitten in drei Teile, und kurz darauf war, was mich anging, die Welt vollkommen in Ordnung. Nach dem ersten Bissen stutzte ich. Tina grinste wissend, doch Marita, die nicht über das Talent ihrer Tochter verfügte, blickte mich überrascht an. "Schmeckt es nicht?" "Doch, ganz im Gegenteil", versicherte ich. "Die Soße ist die leckerste, die ich je-mals gegessen habe. Wie haben Sie die gemacht?" "Das ist einfach", lachte Marita erleichtert. "Wir nehmen die Gewürzmischung von Miracoli, verlängern die Soße mit Ketchup und Wasser, dazu kommen dann noch et-was Curry und ein Teelöffel Zitronensaft." "Schmeckt fantastisch", lobte ich Marita. "Wenn ich sowas mache, schütte ich einfach solange Ketchup dazu, bis es reicht." "Das Lob gebührt Martina", lächelte Marita. "Sie hat die Soße gemacht." Tina blickte stolz auf, dann senkte sie verlegen den Blick. "Sie hatte auch die Idee, kleine Stückchen Fleischwurst dazuzutun." Jetzt wurde Tina rot.
"Mutti, es reicht", beschwerte sie sich. "Du kochst doch viel besser als ich." "Mag sein", erwiderte Marita trocken. "Aber Lob einstecken kann ich auf jeden Fall besser." Gutgelaunt aßen wir zu Ende.
"Satt", sagte Tina schließlich und schob ihren leeren Teller zur Tischmitte.
"Ich ebenfalls", sagte ich und tat das gleiche mit meinem Teller. "Wann fängst du denn eigentlich an, neue Kunden zu suchen?" fragte Tina über-gangslos. Überrascht sah ich Tina an, doch ihre Frage war an ihre Mutter gerichtet. "Sollte ich eigentlich schnellstens", überlegte Marita. "Der Umzug hat viel Geld gekostet." "Was arbeiten Sie denn?" fragte ich interessiert.
"Lebensberatung und Problemhilfe", antwortete Marita sachlich.
"Und sie ist richtig gut!" sagte Tina stolz. Ihre Mutter wurde verlegen.
"Na ja", sagte sie, "ich versuch's halt."
'Soviel zum Thema: Lob einstecken', dachte Tina lachend. "Soll ich dir dabei hel-fen? Ich meine, am Anfang, bis du genug Leute hast." "Wie willst du das denn machen?" fragte ich erstaunt. Tina sah mich ausdruckslos an. Plötzlich hatte ich das unwiderstehliche Verlangen, mit einem Menschen zu reden; mit einem Menschen, der mir helfen konnte, mein Leben in den Griff zu bekommen. Kurz dachte ich daran, daß ich doch eigentlich keine Probleme hatte, doch der Drang war stärker. Dann verschwand er so schnell, wie er gekommen war. "Klar?" grinste Tina. Ich nickte anerkennend. "Natürlich", meinte Tina ernst, "such ich mir nur Leute aus, die wirklich Probleme haben und dagegen angehen wol-len, alles andere wäre ja Betrug." "Wir haben kleine Handzettel vorbereitet", erklärte Marita, "die Tina verteilt." "Genau", sagte Tina eifrig. "Die Dinger lade ich auf." "Aufladen?" So langsam fühlte ich mich wie ein Zauberlehrling in der ersten Stun-de.
"Ja, aufladen", lächelte Tina. "Ich seh den Packen an und lade ihn auf." Sie sprang auf, lief zu einem Schrank und holte einen kleinen Zettel heraus, den sie mir in die Hand drückte. Noch bevor ich ein Wort davon gelesen hatte, kamen lang unterdrückte Sorgen und Erlebnisse an die Oberfläche, und als ich den Zettel las, wußte ich, daß Marita mir dabei helfen konnte. Fast wäre ich zum Telefon gegangen und hätte sie von ihrem eigenen Apparat aus angerufen. Tina lachte hell auf, als sie meine Gedanken verfolgte.
"Ich hab die für draußen aufgeladen", grinste sie. "Für die Leute auf der Straße." "Und davon können Sie leben?" wollte ich wissen. Marita nickte überzeugt. "Oh ja, sehr gut sogar. Frank, stellen Sie sich vor, daß Sie als Kind ein Erlebnis hatten, das Sie in ihrer weiteren Entwicklung behindert. Alles, was Sie anfangen, geht schief, und Sie sind langsam, aber sicher, am Ende Ihres Selbstvertrauens. Ich bin zwar nicht so talentiert wie Martina, aber ich spüre, was einen Menschen bewegt, und so kann ich mit diesem Menschen zusammen an die Wurzel gehen und das Problem ans Licht bringen und bereinigen." Sie beugte sich vor. "Vielen Menschen ist das so-viel wert, daß sie freiwillig mehr zahlen, als ich verlange. Normalerweise nehme ich fünfzig Mark pro Gespräch, doch..." "Erzähl doch mal von dem Automenschen", unterbrach Tina aufgeregt. Marita lä-chelte und lehnte sich wieder zurück.
"Ja, der war zwar eine Ausnahme, aber keine sehr große. Er rief mich an, weil er
von gestern auf heute keine Autos mehr sehen konnte. Ihm wurde regelrecht übel,
wenn er neben einem Wagen stand. Natürlich belastete ihn das beruflich, denn er war
Autoverkäufer. In zwei Gesprächen fanden wir heraus, warum." Marita grinste. "Ich
will nicht sagen, was es war; meine Kunden verlassen sich auf meine Diskretion, und
es besteht die schwache Möglichkeit, daß Sie ihm einmal begegnen. Jedenfalls, er war
geheilt, und vier Wochen nach dem letzten Gespräch fand ich einen Scheck von ihm in
der Post, über fünftausend Mark. Wie gesagt, eine Ausnahme, aber sowas kommt sehr
häufig vor. Natürlich läuft das alles auf Quittung", beteuerte sie, "nur wegen der Um-
zieherei habe ich eine Ausnahme gemacht. Soviel Geld hatte ich einfach nicht über."
"Faszinierend", sagte ich, und meinte es auch. "Was mich nur wundert: wenn je-
mand einen solchen Beruf hat, schlägt das nicht auf das eigene Leben durch? Ich mei-
ne, tagtäglich von Problemen zu hören, würde mir auf den Magen schlagen."
"Ist es mir anfangs auch", gab Marita zu. "Aber mit der Zeit lernt man, zu diffe-
renzieren. Wenn Sie mir jetzt von Ihren Problemen erzählen würden, hätten Sie meine
volle Aufmerksamkeit, doch nach dem Gespräch würde ich alles, was Sie gesagt ha-
ben, in eine bestimmte Ecke meines Kopfes packen und dort ablegen. Beim nächsten
Gespräch wäre es wieder da, aber bis dahin bleibt es dort und belastet mich nicht." Sie
schaute mich entschuldigend an. "Besser kann ich es nicht erklären, aber es ist wirk-
lich so." Sie lächelte plötzlich. "Das ist wahrscheinlich die gleiche Ecke, in der Ihre
Geschichten entstehen, Frank. Sie können doch auch leben, ohne jeden Moment in Ih-
rer Phantasiewelt zu sein, oder?"
"Sehr guter Vergleich", lachte ich. "Unter diesem Aspekt verstehe ich es." Ich
dachte kurz nach. "Doch", sagte ich dann ernster. "Ich verstehe es wirklich. Wenn ich
eine Geschichte entwerfe oder schreibe, lebe ich wirklich in den Buchstaben, die da
aus meinen Fingern fließen. Doch wenn ich aufhöre, trete ich wieder ein in die reale
Welt."
"Genau", schmunzelte Marita, und Tina grinste. "Das ist nichts anderes. Noch je-
mand Eis zum Nachtisch?"

Tina ging nach dem Essen in ihr Zimmer; sie mußte noch aufräumen. Marita bot mir einen Kaffee an, den ich gerne annahm. Zu zweit saßen wir in der kleinen, gemüt-lichen Küche und plauderten, bis der Kaffee fertig und in den Tassen war. "Darf ich Sie etwas fragen?" meinte Marita plötzlich. Ich nickte.
"Natürlich!"
"Auch etwas persönliches?"
"Auch das", antwortete ich, schon gar nicht mehr so selbstsicher.
"Warum junge Mädchen? Warum keine erwachsenen Frauen?"
"Das kann ich nicht erklären, Marita", sagte ich bedauernd und sah in ihre grünen Augen, die mich mit dem gleichen forschenden Blick ansahen, den Tina an sich hatte. Für einen Moment schienen sich unsere Gefühle ineinander zu verhaken. "Doch", sagte ich plötzlich, und ein Interesse erschien in Maritas Augen, das mir die Antwort leichtmachte. "Es hängt mit meinen Fähigkeiten zusammen, Marita. Die Freundinnen, die ich bisher hatte, waren unfähig, damit klarzukommen. Für sie existierte zwar so etwas wie Gott und Glaube, aber Magie? Kein Gedanke! Bei Mädchen in Tinas Alter habe ich einen wesentlich lockereren Umgang damit festgestellt, entspannter und na-türlicher." Ich dachte kurz nach, während Marita mich noch immer intensiv anblickte. "Dazu kommt, daß junge Mädchen insgesamt wesentlich offener und natürlicher sind als erwachsene Frauen, Anwesende natürlich ausgenommen." Marita schmunzelte. "Trotz des Altersunterschiedes scheinen die Mädchen kein Problem damit zu haben, mit mir zu reden, und umgekehrt genausowenig. Ich komme mit Mädchen ziemlich schnell ins Gespräch, aber wenn ich dann merke, daß sich eine beiderseitige Sympa-thie entwickelt, ziehe ich mich zurück, denn es könnte ja mehr daraus werden, und ich weiß, wie die Umwelt darauf reagiert." Ich lächelte verlegen. "Tina ist, so gesehen, meine erste wirkliche Freundin in dieser Altersgruppe." Ich trank einen Schluck von dem Kaffee. Marita sah mich noch immer an, doch sie sah durch mich hindurch. "Hm-m", machte sie plötzlich und lächelte mich an. "Tina hatte recht. Sie sind wirklich in Ordnung. Was haben Sie für Fähigkeiten?" "Magische?" Marita nickte. "Etwa in der Art wie Tina. Gefühle spüren, Gedanken mitverfolgen, große Vorstellungskraft, die sich allerdings nicht so stark materialisiert wie bei Tina. Ich brauche wesentlich länger, um meine Wünsche zu verwirklichen." "Warum haben Sie sich nie vorgestellt, ein Mädchen in Tinas Alter als Freundin zu haben?" "Weil ich nicht wußte, ob ich damit nicht ungerechtfertigt in ein Leben eingreife", sagte ich, ohne nachzudenken. "Es erschien mir einfach nicht richtig." "Aber bei Tina...?" "Das ist etwas anderes", schmunzelte ich. "Bei Tina kann ich mir nur das vorstel-len, was sie mir erlaubt." "Und das ist nicht gerade viel", hörten wir Tinas lachende Stimme. Wir sahen auf und fanden Tina, an den Türrahmen gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. "Ist dein Zimmer etwa schon aufgeräumt?" Warum ich dies fragte, wußte ich selbst nicht. Tina nickte. "Klar!" Vor meinen Augen erhob sich der Löffel von meiner Kaf-feetasse und flog zur Spüle, wo er, ohne jegliches Geräusch, landete. Ich folgte dem Löffel mit meinen Augen, dann sah ich mit einem resignierten Lächeln zu Tina. "Verstehe", sagte ich, als hätte ich gerade erst erkannt, daß ich ein Idiot war. Tina lachte auf, lief zu mir und drückte mich, ohne auf ihre Mutter zu achten.
"Siehst du, was ich meine?" sagte sie. "Er ist wirklich lieb!"
Vier

'Weißt du inzwischen, was ich von dir will?' fragte mich Tina leise, als ich in Ge-danken an diesem Abend wieder auf ihrem Bett saß. Ich nickte leicht. 'Gut.' Ihre Stimme schien zu zittern. 'Frank, ich möchte, daß du mich küßt, und zwar so, als wäre es unser allererster Kuß. Ist er ja auch', lachte sie verlegen. 'Machst du das?' 'Was für eine Frage, mein Liebling', dachte ich zärtlich. 'Glaubst du, ich könnte Nein sagen?'
'Glaub nicht', grinste sie schüchtern. 'Frank, noch etwas.' Tina blickte mich ängst-lich an. 'Dazu muß ich meinen Filter abschalten, verstehst du? Ganz und komplett ausmachen. Weißt du, was das heißt?'
'Ja', sagte ich leise. 'Ja, Tina, ich weiß, was das bedeutet. Ich verspreche dir, daß ich mich benehmen werde.'
'Und ich verspreche, daß ich mich nicht wehren werde. Fang an.' Noch während sie sprach, veränderte sie sich plötzlich. In dem Bett, auf dem ich saß, lag plötzlich ein wunderschönes, 12jähriges Mädchen, gekleidet in ein knappes T-Shirt, eines der schönsten Mädchen, - wenn nicht gar das schönste - das ich jemals gesehen hatte. Sie war so wundervoll jung und unschuldig, so rein in ihrer ganzen Ausstrahlung, daß mei-ne Liebe zu ihr mich zu ersticken drohte. Gleichzeitig mit dieser Liebe erwachte meine Leidenschaft und der Wunsch, diesen jungen, kindlichen Körper nackt in meinen Ar-men zu haben, ihn zu streicheln, jeden Zentimeter Haut zu küssen, mein Gesicht in diesen flachen Bauch zu drücken, und mit diesem Gedanken wußte ich plötzlich, daß ich auf dem falschen Weg war. Tina blickte mich ängstlich an. Ich spürte ihr fast un-bändiges Verlangen, den Filter wieder aufzubauen, ich spürte, wie sie sich mir auslie-ferte, sich ganz in meine Hände gab, und ich unterdrückte meine Erregung. 'Das war knapp', hörte ich ihren Gedanken. 'Ich wollte gerade wieder zumachen.'
'Tut mir leid, mein Liebling', entschuldigte ich mich. 'Es kam einfach zu plötzlich.'
'Für mich auch', lachte sie leise. 'Bereit für die zweite Runde?' 'Ja.' Wieder sah ich sie an, wieder strömte meine Liebe zu ihr, doch diesmal ohne Erregung. 'Sie ist zwölf', dachte ich. 'Zwölf und völlig unerfahren.' Dieser Gedanke half mir, mich im Zaum zu halten. Ganz sanft beugte ich mich in Gedanken zu ihr her-unter, sah ihre lächelnden Augen, die Erwartung neuer, bisher unbekannter Gefühle, und ihre Arme, die sich mir entgegenstreckten. Meine Hände griffen liebevoll nach ihrem Gesicht, hielten es sanft fest, ihre Hände griffen nach meinen Armen, legten sich darauf, ein Anflug von Angst zog durch ihre Augen, als unsere Lippen sich einander näherten. 'Es kann doch gar nichts passieren', beruhigte ich sie. 'Bist du sicher?' fragte sie mit verstecktem Humor, dann trafen sich unsere Lippen, und ich war der Narr, denn ich erinnerte mich an das Gefühl, zu küssen, und dieses Gefühl floß hinüber zu Tina, wurde dort aufgenommen, untersucht, angenommen und verstärkt zurückgegeben, erhöht um ihre Gefühle, und es war, als ob wir uns tatsäch-lich küssen würden. Meine Hände glitten ihre Wangen entlang, in ihren Nacken, strei-chelten sie zärtlich, und meine Finger brannten in dem Gefühl ihrer kindlichen Haut. Ein kurzer Gedanke, ihre Brüste zu streicheln, ein reflexartiges Verspannen auf Tinas Seite, der Gedanke verschwand wieder, und der Kuß ging weiter, weiter und weiter, sanft und zärtlich, mit nur ganz leicht geöffneten Lippen auf Tinas Seite, mit sehr viel Zurückhaltung auf meiner Seite, und ihr Vertrauen, ihr Gefühl, ihre Liebe und ihre Seele strahlte auf mich aus, und ich fühlte mich geliebt wie noch niemals zuvor. 'Ich auch', huschte ein Gedanke durch mein Gehirn. In Gedanken legte ich mich neben sie auf das Bett, hörte ihre kurze Sorge, ob das Bett denn auch halten würde, dann ihr Lachen, als sie erkannte, was sie gedacht hatte. Sie drehte sich zu mir, ich streckte einen Arm aus, Tina legte sich darauf und küßte mich ununterbrochen, badend in dem Meer aus Zuneigung, Zärtlichkeit und Liebe.
'Ich weck dich morgen früh', hörte ich plötzlich, dann gab es diesen bekannten Ruck, und ich war zurück in meinem Bett, allein, ohne Tina. 'Tina?' Keine Antwort, aber das wußte ich im gleichen Moment, als ich an sie dachte. Ich spürte eine gewaltige Mauer um ihr Zimmer herum, undurchdringlich für jedes Gefühl und jeden Gedanken. 'Gute Nacht', dachte ich trotzdem zu ihr.
Ein Kitzeln wie von einer Feder belästigte meine Nase. Ich verzog das Gesicht, drehte meinen Kopf, doch das Kitzeln blieb. Endlich wurde ich wach, blickte mit zu-sammengekniffenen Augen in den hellen Morgen und sah Tina, die mir grinsend ihre Haare über mein Gesicht hielt. Sie trug wieder nur ihr langes T-Shirt. "Guten Morgen", sagte sie, leise und lächelnd.
"Morgen, Tina", murmelte ich glücklich. "Wo bist du gerade?"
"Hier." Ich sah sie an und schaffte es sogar, eine Frage in meinen Blick zu legen. "Ich bin wirklich hier", lachte sie. "Ich hab mich reingelassen und dich geweckt." "Das kannst du jeden Morgen machen", lächelte ich und streckte mich. "Etwas Schöneres als dein Gesicht direkt beim Aufwachen zu sehen, kann ich mir nicht vor-stellen." "Du Schmeichler", kicherte sie und setzte sich auf mein Bett. "Kannst du dich schon beherrschen, oder bist du noch zu müde?" "Kommt drauf an, was du vorhast", grinste ich zurück. "Wenn du dich hier auszie-hen willst, bin ich weder zu müde, noch werde ich mich beherrschen." "Blödmann", lachte sie und wurde rot. "Nein, ich... ich wollte mich neben dich le-gen. Nimmst du mich etwas in den Arm?" "Klar, und keine Sorge, Tina. Ich nehm mich zusammen." Ich rutschte etwas zur Wand. Tina legte sich auf das Oberbett, das nun zwischen uns war, drehte sich auf die Seite und schaute mich unsicher an. Ich streckte meinen Arm aus, so wie gestern abend, und so wie gestern abend legte Tina ihren Kopf darauf, rutschte dichter an mich heran und legte ihrerseits einen Arm um mich. Ihr Gesicht drückte sie an meinen Hals. "Danke, daß du gestern so lieb warst", flüsterte sie leise. "Es... es hat mir gefal-len." Sie schaute zu mir auf, gab mir einen blitzschnellen, ganz leichten Kuß auf den Mund, dann versteckte sie ihr Gesicht wieder an meinem Hals. Ich legte beide Arme um sie und streichelte sie zärtlich. Ich spürte, wie Tina ihren Filter fallenließ, wie sie sich entspannte, wie sie sich geistig und seelisch öffnete. Ohne es zu wollen, eilten meine Gedanken voraus, in eine Zeit, die vielleicht niemals kommen würde, ich in meiner Vorstellung jedoch schon vorwegnahm.
"Langsam!" ermahnte Tina mich. "Ich krieg alles mit!"
"Tut mir leid", entschuldigte ich mich zerknirscht und verdrängte den Gedanken an ihren nackten Körper in meinem Arm.
"Muß es nicht", sagte sie leise. "Ich - ich will es ja wissen, aber langsam, ja?" Sie sah mich wieder an, und in ihren Augen blitzte es schelmisch auf. "Heute abend habe ich ein Attentat auf dich vor!" "So? Was denn?" fragte ich neugierig. Tina versteckte sich wieder. "Nein, erst heut abend", sagte sie bestimmt. Ich streckte meine Gedanken nach ihr aus und bekam nur das Bild einer herausgestreckten Zunge mit.
"So nicht", lachte sie. "Ich kenn dich inzwischen ganz gut, was?"
"Kein Wunder", grinste ich und drückte sie spielerisch wild an mich. "So oft, wie du in meinem Kopf spionierst..." "Tu ich doch gar nicht", protestierte sie lachend. "Nur manchmal!" Sie kuschelte sich ganz eng an mich, nur durch das Oberbett von mir getrennt. "So könnte ich es aushalten", seufzte sie. "Den ganzen Tag lang." 'Aber ich nicht', zog mir durch den Kopf. Tinas Schultern zuckten kurz, als würde sie ein Lachen unterdrücken, dann lag sie wieder still neben mir, in meinen Armen. Ich entspannte mich und beschloß, das anzunehmen, was sie mir gab. Sanft und zärtlich streichelte ich ihren Rücken und ihre dichten, vollen Haare, die sich so angenehm und weich anfühlten. Ich schob meine Lippen näher an ihr Haar und küßte es sanft. Tina rutschte etwas höher und legte ihre geschlossenen Lippen auf meine, dann blieb sie ganz still liegen. Sie das erste Mal real zu spüren, war wie ein angenehmer Schock. Ihre Lippen waren ganz weich, ganz kindlich, ganz unschuldig. Mein Körper reagierte automatisch, doch Tina blieb still liegen und fühlte nur. Dann öffneten sich ihre Lippen etwas, ihre Zunge kam ein kleines Stück heraus und tastete meine Lippen ab. Ich tat es ihr nach und berührte ihre Zungenspitze mit meiner. Wir tasteten uns buchstäblich mit den Zungen ab, dann wurde sie etwas forscher und streckte ihre Zunge weiter heraus. Meine Gefühle schalteten in den nächsten Gang. Ich drückte sie fester an mich, strei-chelte sie etwas kräftiger und schneller, küßte sie intensiver. 'Laß deine Gedanken laufen', forderte sie mich auf. 'Laß sie laufen, Frank. Mach!' Gehorsam, wie ich war, lockerte ich meine gedankliche Bremse. Sofort dachte ich dar-an, sie unter ihrem T-Shirt zu streicheln, über ihren Bauch bis zur Brust zu gehen, die süßen kleinen Erhebungen zu liebkosen, ihre Beine an mich zu drücken, sie vom Po bis zu den Füßen zu streicheln. Ihr Kuß wurde leidenschaftlicher, ihre Umarmung stär-ker. Plötzlich brach sie ab.
"Wow", sagte sie atemlos, mit verschwommenem Blick. "So viel Gefühl liegt da drin?" "Ja", sagte ich sanft und spielte mit ihren wundervollen Haaren. "Um ehrlich zu sein, Tina: das war erst der Anfang. Es liegt noch sehr viel mehr Gefühl da drin." "Du meinst... wenn es soweit ist, daß..." "Genau. Aber wir machen es langsam, genau so, wie du willst, okay?" "Danke", sagte sie schüchtern. "Gibst du mir noch einen Kuß? Wieder ohne Brem-se?" "Ein Kuß ohne Bremse. Kommt sofort", grinste ich. In Gedanken sah ich einen Kellner, der einen Kußmund auf einem Tablett vor sich her trug. Ich mußte lachen. "Sieht doch gut aus, oder?" lachte Tina. "Jetzt den Kuß. Und Frank... du darfst mich etwas dabei streicheln, ja?" "Du bist wundervoll, Tina", sagte ich anerkennend. "Paß auf: wenn ich irgendwo-hin gehe, wo du mich nicht haben willst, lähmst du einfach meinen Arm, okay?" "Sowieso", grinste sie schüchtern. "Und nicht nur den Arm. Beherrsch du dich, dann tu ich es auch." Sie schloß die Augen und bot mir ihren leicht geöffneten Mund an. 'Mach!'
Ich legte meine Lippen auf ihre, unsere Zungen fanden sich, und ich streichelte sie an den Haaren. Schnell stiegen unsere Gefühle in die nächste Ebene, und meine Hand glitt hinunter zu ihren Seiten. Tina verspannte sich etwas, dann wurde sie wieder lok-kerer. Ich ließ meine Hand erst einmal da liegen, wo sie war: etwas unterhalb ihrer Achsel, in direkter Nachbarschaft ihres kleinen Busens. 'Geh ran, oder geh da weg', hörte ich plötzlich ihren Gedanken. 'So knapp daneben macht mich nervös!' Ich zog meine Hand zurück, in die Gegend ihrer Hüfte. 'Tut mir leid.' 'Geht der Idiot tatsächlich da weg!' zuckte ein halb unbewußter Gedanke durch meinen Kopf. Trotz meiner Erregung mußte ich lachen. Ich unterbrach den Kuß und drückte Tina kräftig an mich. Auch Tina mußte lachen.
"Ist doch wahr!" lachte sie mit rotem Kopf. "Jeder andere hätte sich sofort drauf-
gestürzt, aber du... Ach, Frank!" seufzte sie und gab mir einen sanften Kuß. "Ich liebe
dich!"
"Ich dich auch, Tina. Noch einen Versuch?"
"Gerne, aber diesmal... du weißt schon." Sie versteckte ihr verlegenes Gesicht un-ter meinem Hals.
"Möchtest du das wirklich?" fragte ich leise und streichelte ihren Nacken. "Das ist ein Gefühl, daß ich dir nicht vormachen kann, weil ich nicht weiß, wie es sich für eine Frau anfühlt." Sie schaute mich an, mit einem halb amüsierten, halb ängstlichen Blick. "Dann werden wir es zusammen herausfinden", sagte sie leise. "Aber mach erst mal über dem T-Shirt, ja?" "Versprochen." Wir küßten uns ein drittes Mal, diesmal von Anfang an leiden-schaftlicher. Meine Hand glitt über Tinas schlanken Hals, über die Schulter und den Arm, ganz zärtlich, ganz sanft. 'Schön ist das', hörte ich ihren Gedanken und spürte, wie sie sich entspannte. Dann legte ich meine Hand auf ihren Bauch und bewegte sie leicht hin und her. Tina rutschte etwas von mir ab, um mir mehr Raum zu geben. Ich bewegte meine Hand höher. Tina verspannte sich. 'Mensch, Tina', hörte ich sie mit sich selbst schimpfen. 'Nimm dich doch zusammen!' Ihre Anspannung verschwand. Langsam bewegte ich meine Fingerspitzen vorwärts, bis ich den Ansatz ihres kleinen Busens spürte. Mein Glied wurde nervös bei diesem Gefühl.
'Weiter!' forderte sie mich auf. Gehorsam schob ich meine Hand noch höher, dann lag ihre kleine Brust unter meiner Hand. Entschlossen, aber sanft, drückte ich dagegen. Tina zuckte zusammen, doch ich ließ meine Hand ruhig liegen. 'Ist ja doch nicht so schlimm', bekam ich halb mit. Ich ließ Tina Zeit, sich an die-ses Gefühl zu gewöhnen; dann, als sie sich entspannt hatte, bewegte ich meine Hand leicht hin und her und drückte dabei weiter gegen ihre Brustwarzen. Ich spürte, daß Tina die in ihr erwachenden Gefühle genau beobachtete und analysierte, dann schaltete sie ihren Verstand auf Sparflamme und tauchte tief in ihr Gefühl. Sofort preßte sie ih-ren Oberkörper in meine Hand, und ihre Lippen suchten meine. Unsere Zungen spiel-ten miteinander, und meine Hand rieb weiter ihre kleine Brust. Schließlich löste Tina sich von mir. Ihre Augen waren verschwommen. "Toll ist das", sagte sie mit rauher Stimme, dann räusperte sie sich. "Huh, mir ist ganz ko-misch." "Mir auch", grinste ich. "Sollen wir die nächsten acht Lektionen gleich hinterher-schieben?" "Kommt gar nicht in Frage", lachte sie und umarmte mich kräftig. "An dem von jetzt hab ich erst mal genug zu knabbern." Sie atmete tief durch. "Wow, das geht ja richtig durch!" "Willkommen in der wunderbaren Welt des Körperkontaktes", lächelte ich sie an. "Danke schön!" schmunzelte sie. "Ich glaube, es gefällt mir in dieser Welt." Ihr Filter war plötzlich wieder da, und sie drehte sich auf die andere Seite, mit dem Rük-ken zu mir. "Frank?" fragte sie leise.
"Ja?"
"Könntest du das nochmal machen, aber... direkt auf der Haut?" Ihre Stimme war kaum zu hören, so leise fragte sie.
"Glaubst du, daß ich so ein Angebot ablehnen könnte?" erwiderte ich lächelnd. Sie schüttelte ihren Kopf.
"Nein, deswegen frage ich ja genau dich. Du würdest mir nichts tun, da bin ich jetzt absolut sicher. Ich meine, war ich vorher auch schon, aber jetzt bin ich wirklich ganz sicher." Sie richtete sich halb auf und zog ihr langes T-Shirt bis zum Bauch hoch, dann ließ sie sich wieder fallen. Der Anblick ihres Höschens über dem flachen, festen Po ließ mich beinahe alle guten Vorsätze vergessen. Jetzt war mir klar, warum sie ih-ren Filter wieder eingeschaltet hatte...
"Entspann dich", flüsterte ich und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren. Ich legte meine Hand auf ihren Bauch und streichelte sie in kleinen, sanften Kreisen, und ging dabei immer etwas höher, bis zu ihrer Brust. Tina schaltete ihren Filter wieder ab, als sie meine Finger an ihrer Brust spürte, und ich war im siebten Himmel. Unter meiner Hand war die kleine Brust eines zwölfjährigen Mädchens, und ich durfte sie mit ihrer Erlaubnis streicheln!
Ich rieb über die kleine Rundung, immer um die Brustwarze herum, dann drückte ich leicht auf den kleinen Nippel, bewegte ihn hin und her, nahm ihn zwischen die Fin-ger, drehte, drückte und zog. Tina seufzte leise und ließ die letzten geistigen Schran-ken fallen. 'Jetzt gib Vollgas', dachte sie. 'Denk an alles, was du machen möchtest. Alles!' Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich streichelte sie weiter an ihrer nackten Brust und dachte gleichzeitig daran, mit der anderen Hand in ihr Höschen zu gehen, sie auszuziehen, sie dort unten zu küssen, den Finger in sie zu... "Stop!" Tina riß sich los von mir und setzte sich auf. Ein Blick aus panisch aufge-rissenen Augen traf mich. "Ich kann das nicht!" Sie sprang auf und rannte hinaus.

* * *

Ich versuchte in den Stunden bis zum Mittag Tina zu erreichen, aber sie hatte eine Mauer gezogen, durch die ich nicht kam. Schließlich gab ich auf. Ich war hin und her gerissen zwischen Schuld und Vorwurf. Schuld, weil ich zu schnell an das gedacht hatte, was ich wollte; Vorwurf, weil sie schließlich gesagt hatte, ich solle an alles den-ken, was ich machen wollte. Alles!
Ich aß eine Kleinigkeit zu Mittag, dann setzte ich mich mit einem Buch auf den Balkon und las etwas, doch meine Gedanken waren bei Tina. Es mußte etwa vier Uhr nachmittags gewesen sein, als sie leise auf den Balkon kam und sich wortlos hinter mich stellte. Sie legte ihre Arme um meinen Hals und drückte meinen Kopf an ihren Bauch.
"Es tut mir leid, Frank", sagte sie leise. "Sag nichts, hör zu. Ich - ich wollte es. Das mal ganz klar gesagt. Ich wollte es. Ich wußte nur nicht, daß das so - so viel ist! Ge-fühl, meine ich. Ich liebe dich. Wirklich. Nein, sei still. Weißt du, wovor ich Angst bekommen hatte? Daß es mir gefiel, woran du gedacht hattest. Ich meine, ich wollte es auch plötzlich. Aber... da war eine Angst in mir, die ich nicht begreife. Ich hab jetzt den ganzen Tag darüber nachgedacht, aber ich weiß nicht, was das für eine Angst ist. Nicht genau. Ich weiß nur, daß das, was du bei deinen Gedanken gefühlt hast, so wahnsinnig viel Gefühl war! Viel zu stark für mich, und doch irgendwie... wie sagt man? Verlockend? Frank, ich möchte das fühlen. Richtig fühlen, mit meinem richtigen Körper, und nicht nur in Gedanken, aber ich weiß einfach nicht, ob ich das schaffe. Ich meine, ob ich mit diesem ganzen Wust an Gefühl fertig werde. Das war soviel, und ich habe ganz deutlich gemerkt, daß da noch viel mehr nachkommt." Sie schwieg, und in diesem kurzen Moment traf mich ihre Angst und ihre Verzweiflung wie ein schwerer, körperlicher Schlag. Sie war erst zwölf, erinnerte ich mich. Noch ganz am Anfang ih-rer körperlichen Entwicklung, gerade dabei, die Vorgänge in ihrem Körper zu entdek-ken. Auch wenn ich ihr böse war, so hatte ich dazu nicht das geringste Recht. Wie konnte ich erwarten, daß sie mit Gefühlen umgehen kann, wofür andere Jahre brau-chen, um sie in ihr Leben zu integrieren? Sie wollte von Null auf Hundert, oder besser gesagt: von Zwölf auf Achtzehn, und daß in wenigen Minuten. Unmöglich.
"Und jetzt weiß ich nicht mehr, was ich machen soll", gestand sie leise. "Frank, ich möchte in deinem Arm liegen, neben dir sitzen, und mit dir schmusen, aber... reicht dir das? Ich meine, wirst du nicht irgendwann böse auf mich sein, weil du etwas tun möchtest, was ich noch nicht will? Noch nicht kann?" "Komm mal her", sagte ich zärtlich, zog sie um mich herum und auf meinen Schoß. Ihre Augen waren verweint, ihr Gesicht drückte Kummer aus. Zögernd setzte sie sich auf meine Beine und senkte den Blick.
"Tina, ich mache dir einen Vorschlag... Nein, der kommt gleich. Erst mal etwas
anderes. Ich liebe dich. Das weißt du. Und ich finde, daß du ein unglaublich tapferes
und mutiges Mädchen bist. Tina, du wolltest etwas tun, wozu du anscheinend noch
überhaupt nicht bereit bist. Innerlich, meine ich. Du sagtest, drei Mädchen aus deiner
alten Klasse haben schon mit einem Jungen geschlafen." Sie wurde rot und nickte lei-
se. "Gegenfrage, Tina: wie viele aus deiner alten Klasse haben noch nicht mit einem
Jungen geschlafen?"
Sie sah mich erstaunt an. "Der Rest, natürlich!"
"Und wie viele waren das? In Zahlen?"
"Ich glaube... Mit mir dreizehn."
"Also die absolute Mehrheit. Richtig?" Tina nickte, unsicher, worauf ich hinaus-wollte. "Wie viele von diesen dreizehn hatten noch gar keinen Freund?" "Ziemlich viele", antwortete Tina nachdenklich. "Etwa acht oder neun. Mit mir." "Das heißt also, daß von sechzehn Mädchen etwa die Hälfte noch gar keinen Freund hatte, und von den anderen acht oder neun drei Mädchen schon Sex hatten, und die anderen fünf oder sechs sich mit ihrem Freund küssen oder schmusen. Richtig?" "Denke schon." Tina schaute mich fragend an. "Frank, was soll das?" Ich gab ihr einen leichten Kuß auf die Wange.
"Ich wollte dir nur etwas zeigen, Tina. Wie viele von den Mädchen, die nur mit ih-rem Freund schmusen oder küssen, haben Angst vor dem nächsten Schritt?" "Keine Ahnung", gab Tina zu. "Ich - ich hatte ja nicht so viel Kontakt zu denen." "Dann laß mich die Frage beantworten, Tina. Von den fünf oder sechs, die schmu-sen und küssen, haben genau fünf oder sechs Angst vor dem nächsten Schritt." "Alle?" fragte Tina leise und erstaunt. Ich nickte ernst. "Richtig, Tina. Alle. Alle aus dem gleichen Grund wie du. Sie spüren Gefühle in sich, die auf der einen Seite schön und aufregend und neu und gewaltig sind, und genau wie du spüren sie, daß da noch viel mehr kommt. Sehr viel mehr. Und das macht ihnen etwas Angst, genau wie dir." Ich zog ihren Kopf an mich. "Tina, wir beide haben einen Fehler gemacht. Ich habe vergessen, wie alt du bist, und du hast vergessen, daß man nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen soll. Du wolltest vom Start zum Ziel, ohne die Strecke dazwischen zu kennen, und ich wollte vom Start zum Ziel, ohne daran zu denken, daß du die Strecke gar nicht kennst." Ich streichelte sanft ihre Haare. "Tina, du hast mich gefragt, ob mir das reicht, wenn wir nur schmusen. Die Frage war falsch. Die richtige Frage wäre gewesen, was du möchtest. Es ist wie in der Schule, Tina. Du kannst nur das lernen, wofür du bereit bist. Es bringt dir überhaupt nichts, dir Poesie zu erklären, wenn du Prosa nicht kennst." "Was?" Sie blickte mich verwirrt an. "Was ist denn Prosa?" "Genau das meine ich, mein Liebling", lächelte ich. Jetzt setze an die Stelle von Prosa das Wort Sex, und du weißt, was ich sagen will." Verstehen leuchtete in ihren Augen auf. "Also Poesie wäre Schmusen, und das an-dere - dieses Prosa - wäre Sex?" "So etwa", schmunzelte ich. "Nur als Vergleich. Du kennst erst eine Seite der Me-daille, und die noch nicht mal ganz. Tina, du hast deinen Filter aus einem sehr guten Grund aufgebaut, aber du bist damit eine Ausnahme. Überhaupt mit deinen ganzen Talenten. Die meisten anderen Mädchen in deinem Alter gehen Schritt für Schritt. Schmusen, Küssen, Streicheln, leichtes Petting, dann etwas stärkeres, und erst nach einer ziemlich langen Zeit - gemessen an dem vollkommen durchschnittlichen Mäd-chen - kommt es zum Verkehr. Es gibt Ausnahmen, so wie die drei Mädchen, von de-nen du gesprochen hast. Aber sei ehrlich, Tina: muß diese Ausnahme auch für dich gelten? Gut, du bist neugierig. Das sind die Mädchen, die einen Freund haben und nur küssen und schmusen, auch. Garantiert. Aber bei ihnen - wie bei dir - ist die Angst vor dem nächsten Schritt einfach noch zu groß. Warum willst du das erzwingen, Tina? Wie gesagt: die Frage ist nicht, was mir reicht, sondern was du möchtest." Ich gab ihr einen sanften Kuß auf den Mund. "Tina, wir beide haben unsere Träume. Schau mal da drüben." Ich deutete auf die Straße. "Da steht ein roter Sportwagen. Ein Ferrari. So einen möchte ich auch haben. Ich möchte ein eigenes Haus, ich möchte fliegen lernen, ich möchte mal in den Weltraum. Und ich möchte eine Freundin, die so ist wie du. So lieb, so gutaussehend, so begabt wie du. Anscheinend habe ich nicht viel von dem, was ich mir wünsche", lächelte ich. "Und trotzdem bin ich glücklich, hier mit dir zu sitzen." Tina strahlte. "Und jetzt zu dir, junge Dame: was möchtest du? Jetzt gleich, auf der Stelle, hier auf diesem Balkon, mit mir schlafen? Oder einfach nur schmusen und dich daran gewöhnen, daß ich deine ganzen verrückten Träume und Wünsche auffange und sie dadurch ungefährlich mache?" "Frank!" schluchzte Tina glücklich und drückte mir die Luft ab. "Ich will bei dir sein, in deinem Arm, und schmusen und küssen, bis ich nicht mehr gerade gehen kann, und ab und zu mal ganz wild streicheln, so wie heute morgen!" "Perfekt", lachte ich und drücke sie an mich. "Alles andere lassen wir erst einmal außen vor, okay? Ich liebe dich, Tina." "Ich dich auch, Frank. Jetzt erst recht!" Glücklich vergrub sie ihr Gesicht an mei-nem Hals. Wenige Sekunden später klingelte es an der Tür. Tina ließ mich nur wider-willig aufstehen. Ich ging durch den Flur und hörte es klopfen. Als ich öffnete, stand Tinas Mutter draußen. Sie nickte mir kurz zu und ging an mir vorbei, durch den Flur, ins Wohnzimmer. Ziemlich verunsichert folgte ich ihr.
Sie war auf dem Balkon, stand neben Tina und schaute sie merkwürdig an. Als ich dazukam, forderte Marita mich mit einer knappen Bewegung auf, mich zu setzen. 'Was denn jetzt?'
'Keine Ahnung, Tina. Wenn du es nicht weißt...'
'Ich komm nicht durch! Sie hat 'ne Mauer gezogen!' Tinas Blick war ängstlich und verwirrt, so wie meiner. Zögernd setzte ich mich hin.
Marita schaute von Tina zu mir und wieder zurück. Plötzlich, und zu Tinas und meinem großen Erstaunen, beugte sie sich vor und gab mir einen Kuß auf die Wange. "Du hattest recht", sagte sie dann zu Tina. "Er ist verdammt lieb!" "Mutti!" rief Tina entrüstet auf. "Hast du uns belauscht?" "Andersrum wird ein Schuh draus", schmunzelte Marita, während ich sie fas-sungslos ansah. "Ich lag gemütlich auf meinem Balkon und dachte an nichts Böses, und plötzlich trägt mir der Wind ein sehr interessantes Gespräch zu." Sie nahm Tinas Hand und legte sie in meine. Dann strich sie Tina über das Haar, klopfte mir auf die Schulter und ging. Fassungslos sahen wir ihr hinterher.

* * *

"Bitte nochmal, Tina", stammelte ich und versuchte, wach zu werden. Tina hatte mich aus dem Schlaf gerissen; es war kurz vor Mitternacht. "Was willst du?" "Hier übernachten", grinste sie und stellte ihre kleine Tasche auf den Boden. "Ich habe Muttis Stimmung ausgenutzt, und sie hat es erlaubt." Sie umarmte mich. "Damit ist Trainingsrunde Eins eröffnet", murmelte sie kichernd. "Aber wehe, du tust mir was!" Vor meinen Augen sah ich mich an Händen und Füßen an eine feuchte, kalte Wand gekettet. "Und dann kommen die Ratten und fressen dich auf!" grinste sie mich an. Dann nahm sie meine Hand. "Na los, ich bin müde und will schlafen." "Aber - aber was ist - mit morgen früh?" stotterte ich, während Tina mich in mein Schlafzimmer zog.
"Morgen früh wird einer von uns beiden mit einem wunderschönen Kuß geweckt", lächelte sie und drückte mich in mein Bett. "Rutsch mal, sonst hab ich keinen Platz." Vollkommen verwirrt rutschte ich zur Wand. Tina zog sich schnell die Shorts und das T-Shirt aus, dann schlüpfte sie nur mit ihrem Höschen bekleidet unter die Decke und drehte mir ihren Rücken zu. "Und denk dran: alles, wo ich jetzt noch was anhabe, ist verbotene Zone. Klar?" "Zu Befehl, Ma'am", lachte ich und drehte Tina zu mir herum. "Gute Nacht, Tina.
Ich liebe dich!"
"Gute Nacht, Frank", strahlte sie mit leuchtenden Augen zurück. "Ich liebe dich
auch!"


E N D E
 

 

 

 

 

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