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Die Heiligen Drei Könige
Mamas Handy klingelt. Sie schlurft aus dem Schlafzimmer, ihr Gesicht ist geschwollen. Sie hat gestern wieder Schnaps getrunken. Das Handy liegt auf dem Küchentisch.
Ich habe geschlafen und geträumt. Heute ist der Heilige Abend. Im Kommunionsunterricht hat der Kaplan uns die Geschichte erzählt. Von Maria und Josef. Sie mußten flüchten, weil ein böser König ihr Baby töten wollte. Das Baby war der Sohn Gottes und Gott paßte auf, daß dem Kind nichts passierte.
„Aber heute ist doch Heiligabend“, sagt meine Mama. „Ich glaube auch, sie fühlt sich nicht gut. Muß es denn unbedingt heute sein?“ Ich ziehe die Decke über den Kopf und kneife die Augen zu.
Meine Große, sagt Mama immer zu mir. Du sagst doch nichts, wenn die Frau vom Jugendamt kommt? Bist mein großes liebes Mädchen, Mama hat niemanden so lieb wie dich, ehrlich, meine Süße. Ich liebe meine Mama. Sie ist so schön und die Männer mögen sie. Sie geben viel Geld, um meine Mama zu vögeln. Ich bekomme dann immer Pommes rot-weiß, Cola und soviel Gummibärchen, wie ich will.
„Ist gut“, sagt meine Mama. „Fünfhundert müssen’s schon sein. Zu teuer? Nicht mein Problem.“ Meine Mama lacht. „Denk dran, Süßer, heut’ ist Heiligabend. Das kostet extra.“ Ich krümme mich zusammen, mein Bauch tut weh. Ich stecke die Finger in die Ohren. Ich will nichts mehr hören.
Als das Christuskind dringend schlafen mußte - es war schon Nacht - gingen Maria und Josef in einen Stall. Der war ganz warm und alles roch so gut. Da stand ein Esel und vielleicht auch eine Kuh. In der Nacht kamen dann drei Männer, einer war ganz schwarz. Sie brachten viel Gold und viel Liebe. Ein Stern hatte ihnen den Weg gezeigt.
Meine Mama lacht. „Natürlich komme ich mit. Ich laß doch meine Kleine nicht allein.“
Gestern war ich mit meiner Mama in der Kneipe. Da waren viele Männer, die Bier getrunken haben. „Komm mal her, mein süßes Schätzchen“, sagte ein Mann zu mir. Mama hat mir zugezwinkert. Der Mann hat mich auf seine Knie gehoben und mich gestreichelt. Ich habe eine große Cola gekriegt. Dann ist der Mann mit meiner Mama in den Hof gegangen. Ich hatte Angst und bin hinterher. Aber es war alles in Ordnung. Meine Mama hatte sich mit dem Rücken auf einen Tisch gelegt und vor ihr stand der Mann und stieß in sie rein. Meine Mama und der Mann haben gestöhnt. Dann kam ein zweiter Mann und machte dasselbe. Die Männer gaben meiner Mama Geld. Ich lief schnell zurück in die Kneipe.
„Ist gut“, sagt meine Mama. „Dasselbe Hotel. Der Portier weiß Bescheid. Ja, ja. Wir machen uns sofort auf den Weg. Wir brauchen keine zehn Minuten.“
Maria und Josef liebten ihr Baby sehr, obwohl es ja gar nicht Josefs Baby war, sondern das von Gott. Als ich im Kommunionsunterricht gefragt habe, ob Gott Maria gefickt hat, hat der Kaplan einen roten Kopf gekriegt und die anderen Kinder haben getuschelt. Die Frau von der Fürsorge kam bei uns vorbei. Sie ist erst elf, woher kennt sie solche Ausdrücke - hat sie meine Mama gefragt. Was Kinder eben so mitkriegen, hat meine Mama gesagt, und mir zugezwinkert. Später haben wir sehr gelacht und ich hab Schwarzwälder Kirschtorte und eine große Cola gekriegt. Mama sagte: Du bist mein allerliebstes Mädchen, und du bist ein kluges Mädchen. Was täte ich nur ohne dich. Da hab ich mich an meine Mama gekuschelt und bei ihr geschlafen.
„Steh auf, Kleine“, sagt meine Mama. „Wir müssen los.“ „Mein Bauch tut weh“, sage ich, und mir ist plötzlich ganz schlecht. „Heute ist Weihnachten. Du kriegst schöne Geschenke, wenn du jetzt mit kommst. Es dauert bestimmt nicht lange.“ Sie zieht mir die Decke weg.
Tiere riechen gut. So sauber und warm. In der Schule waren wir mal im Streichelzoo. Ich hab meine Nase in das Fell eines Esels gesteckt und tief geatmet. Er roch nach Gras und Haut. Ich hab ihn auf die Nase geküßt. Sie war feucht und warm.
„Zieh das da an“, sagt meine Mama. Sie legt mir die rote Strumpfhose hin, die Jeans und mein Baywatch-Sweatshirt. „Es ist kalt da draußen“, sagt sie.
Im Fernsehen hab ich mal David Hasselhoff gesehen, wie er Frauen aus dem Meer rettete. Sie hatten dicke Brüste. Die Backstreet-Boys gefallen mir besser. Ich bin verliebt in Kevin - er ist so süß.
„Beeil dich“, sagt meine Mama. „Die warten nicht den ganzen Abend. Um sieben Uhr ist Bescherung bei denen zu Hause.“ „Ich will hier bleiben“, weine ich. „Meine kleine Süße“, sagt meine Mama. „Du bist so ein hübsches Mädchen. Du hast so schönes, langes blondes Haar. Und du willst doch nicht, daß deine Mama traurig ist - wo sie dich doch so liebt.“
Die drei Männer waren die Heiligen drei Könige aus dem Morgenland. Sie brachten Gold und Myrrhe - ich weiß nicht, was Myrrhe ist- aber es muß was Tolles sein, denn Maria und Josef haben sich gefreut.
In dem Hotel war ich schon mal. Es hat nicht viele Zimmer und liegt am Bahnhof. „Hallo, Kleine“, sagt der Mann hinter dem Tresen. „Schön, dich mal wieder zu sehen. Du siehst ganz süß aus.“ Meine Mama gibt ihm einen Zehnmarkschein. Er zwinkert mir zu und sagt: „Die warten schon. Macht es kurz, sonst komm ich in Teufels Küche. Heute ist schließlich Weihnachten.“ Ich gehe hinter meiner Mama die Treppen hoch. Als wir oben sind, klopft Mama an eine Tür. „Wir sind’s“, lacht sie, „das Weihnachtsgeschenk.“
Mamas Haar ist so schön. Es ist blond, so wie meins. Sie trägt immer diese todschicken Leggins, die aussehen wie ein Tigerfell. Dazu eine schwarze Bluse mit viel Gold am Ausschnitt. Leider raucht meine Mama viel. Das bringt mich nochmal ins Grab, hat sie gesagt. Doch sie macht es weiter. Am liebsten habe ich es, wenn meine Mama lacht. Sie hält dann immer die Hand vor den Mund, denn sie hat vorne fast keine Zähne mehr. Ein Gebiß ist zu teuer, sagt sie.
„Tut ihr nicht weh“, sagt meine Mama zu den drei Männern. „Keine Angst. Ich weiß, wie man mit Kindern umgeht“, sagt einer. “Ich hab selbst ‘ne Tochter in dem Alter.“ Dabei lacht er so wie eine Ziege meckert. Meine Mama hält dem Mann die Hand hin, er legt ihr Geldscheine rein. Der eine Mann ist groß und schwabbelig. Der zweite klein und fett und der dritte hat lockige, schwarze Haare und ist der jüngste von den drei. „Komm mal her, du kleine Nutte“, sagt der Schwabbel. „Ich verbitte mir das“, sagt meine Mama. „So redest du nicht mit meiner Tochter. Du nicht.“
Einer der drei Könige war schwarz, die anderen weiß. Sie knieten vor dem Christkind nieder, beteten es an und gaben ihm Geschenke. Sie hatten das Christkind sehr lieb, denn sie waren lange Wege gelaufen, um es zu finden und anzuhimmeln.
Der Mann zieht mir die Jeans runter und steckt seine Hand in mein Höschen. Dabei stöhnt er. „Laß mich auch mal“, sagt der kleine Mann. Er macht den Gürtel auf und läßt die Hose fallen. Dann holt er seinen Pimmel raus. „Reinstecken kostet extra“, sagt meine Mama. „Sie ist erst elf und noch Jungfrau.“ „Wieviel?“ fragt der kleine Mann. „Nochmal zweihundert oben drauf.“ „Das ist viel“, sagt der große Schwabbel. „Ist sie wirklich noch Jungfrau?“ fragt der Kleine.
In der Schule hab ich Robby meine Muschi gezeigt, er hat mir dafür einen Schokoriegel geschenkt. Am nächsten Tag haben Frank und Mike in der Pause auf mich gewartet - sie haben mir ihre Butterbrote gegeben.
„Ist gut“, sagt der Große. „Ich will aber zuerst.“ „Erst die Kohle“, sagt meine Mama. Der Große gibt meiner Mama zwei Blaue. „Hör mal zu, Süße“, sagt meine Mama zu mir. „Du mußt jetzt ganz tapfer sein.“ „Ich will nicht“, sage ich. Mein Bauch tut so schrecklich weh. Ich habe schreckliche Angst. „Die Kleine weint ja“, meint der Mann mit den schwarzen Haaren. „Ich will keine Scherereien - damit das klar ist“, sagt der Kleine. „Kein Problem“, sagt meine Mama. „Hör mal zu, mein allerliebstes Mädchen. Du hast deine Mama doch lieb, oder? Na siehst du, ich wußte es ja. Jetzt legst du sich schon auf das Bett da und machst das, was die Onkels dir sagen. Hab keine Angst, Mama ist bei dir. Und jetzt zieh dein Höschen aus. Und wein doch nicht so schrecklich - danach gehen wir zwei zu MacDonalds und du kannst dir aussuchen, was du willst.“ Ich gehorche meiner Mama. Die Männer stöhnen so furchtbar. Es tut sehr weh, und ich denke an das kleine Baby im Stroh. Zwischendurch schlafe ich ein, und als ich wieder aufwache, hörte ich ein Lied. „Es ist ein Ros entsprungen ...“ meine Mama hat den Fernseher angestellt. Sie singt mit. Sie hat so eine schöne Stimme und lacht mich an.
Der Esel roch so gut , er paßte auf auf das Christkind auf und wärmte es. Und Maria und Josef warteten so lange, bis das Baby eingeschlafen war. Vorher küßten und streichelten sie es. Und die Heiligen Drei Könige sahen zu und beteten.
Der große Mann ist mit mir fertig. Er setzt sich neben meine Mama auf Sofa und guckt auch fern. Ich kann mich nicht bewegen, der kleine Mann liegt auf mir und keucht: „Du kleines Miststück.“ Die Tränen laufen mein Gesicht runter, ich bekomme nicht richtig Luft. Er ist so schwer.
Fast hätte ich ein Brüderchen oder ein Schwesterchen bekommen. Doch Mama hat es von einer Freuendin wegmachen lassen. Sie sagte, daß sie nur mich allein liebt.
„Das war ein geiler Fick“, sagt der Kleine. Er bleibt schnaufend neben mir liegen. „Und jetzt du“, sagt er zu dem jungen Mann mit den schwarzen Haaren. „Ich kann das nicht“, sagt der Schwarze. „Sie ist noch so klein.“ Er blickt mich an, ich blicke ihn an. Ich sitze auf dem Bett, mein Körper ist so wund und ich weine. Der Schwarze kommt zu mir, kniet sich vor mich hin, legt seinen Kopf auf meine Beine und weint. „Nun mach schon“, sagt der große Schwabbel. „Wir haben nicht stundenlang Zeit.“
Die Frau vom Jugendamt hat meiner Mama gesagt, daß ich vielleicht ins Heim muß. Mama hat schrecklich geweint. Im Heim müssen alle Kinder schwarze Kleidung tragen und dürfen absolut nichts. Noch nicht mal fernsehen.
„Bist du der schwarze König?“ frage ich. „Nein, ich bin der Abschaum dieser Erde“, sagt er. „Ich habe nicht verdient zu leben. Verzeihst du mir, meine Kleine?“ Ich lege meine Hand auf seinen Kopf und streichele seine Haare. Warum nur kann ich nicht aufhören zu weinen? Mama kommt aus dem Bad zurück. Sie schaut den Mann an. „Komm, Süße“, sagt sie dann zu mir. „Wir haben hier nichts mehr verloren. Soll Mama dir beim Anziehen helfen?“ Ich schüttele den Kopf. Ich kann mich allein anziehen. Ich bin schließlich kein kleines Baby mehr.
Es war ein großer Stern, der die heiligen Drei Könige zum Christkind führte. Er leuchtete hell in der Nacht. So konnte sich niemand verlaufen.
„Es ist so kalt hier draußen“, sagt meine Mama. Wir stehen vor dem Hotel. „Hörst du die Glocken läuten? Gleich kommt das Christkind zu den Kindern, die das Jahr über lieb waren. So wie du, mein Püppchen.“ Ich schaue in den Himmel. Der Stern vom Christkind ist nicht da. Mama beugt sich zu mir runter und gibt mir einen Kuß: „Frohe Weihnachten, meine Kleine.“
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